Demografischer Wandel - lokal gesteuert: Ein Erfahrungsbericht
Von Armin König
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Über dieses E-Book
Armin König, promovierter Demografieexperte und seit 1996 Bürgermeister der saarländischen Gemeinde Illingen, zeigt mit seinem Erfahrungsbericht, wie man lokal demografischen Wandel steuern kann und wo man Entwicklungen akzeptieren muss. Sein Credo: Die Wahrheit ist den Bürgern zumutbar. Wahlen gewinnt man trotzdem - oder gerade deshalb.
Das Buch beschreibt, dass Bürgerinnen und Bürger Zukunft im demografischen Wandel produktiv und pro-aktiv begleiten können. Politisch Verantwortliche sollten keine Angst vor Veränderungen haben, sondern auf Bürger-Power und Gestaltung setzen.
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Buchvorschau
Demografischer Wandel - lokal gesteuert - Armin König
Demografie ist wieder aktuell
Alles im Fluss - es gibt auch 2018 keine Kontinuität
Die Demografie ist wieder aktuell. Nachdem es 2016 und 2017 stiller geworden war, weil Politik und Wirtschaft durch steigende Geburtenzahlen und Zuwanderung auf Entspannung an dieser Front hofften, ist das Thema jetzt wieder auf Konferenzen und in öffentlichen Debatten zu finden. Der Geburtenzahlen sind 2017 wieder leicht gesunken. Die Hoffnung vieler Politiker, dass mit einem Babyboom alle Probleme des demografischen Wandels erledigt sind, hat sich nicht erfüllt. Die Zahl der geborenen Kinder war im Jahr 2017 mit rund 785 000 Babys um etwa 7 000 niedriger als im Jahr 2016. Dieser Rückgang geht auf die leicht gesunkene durchschnittliche Kinderzahl je Frau zurück. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, betrug im Jahr 2017 die zusammengefasste Geburtenziffer 1,57 Kinder je Frau. Im Jahr zuvor hatte sie den Wert von 1,59 erreicht. Dabei ist zu beachten, dass es von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedliche Zahlen und Entwicklungen gibt.
Spitzenreiter bei der zusammengefassten Geburtenziffer war Brandenburg mit 1,64 vor Thüringen (1,63), Sachsen und Niedersachsen (je 1,62). Am Ende liegen das Saarland und Hamburg mit jeweils 1,51 und Berlin mit 1,48. Es handelt sich dabei um statistische Größen, nicht um reale Zahlen. Deutschlandweit hat sich die Geburtenziffer von 1,39 im Jahr 2011 auf 1,57 im Jahr 2017 erhöht. Allerdings lag sie 2016 noch höher.
Wer annimmt, dass die Zuwanderung bei dieser Entwicklung eine nicht unwesentliche Rolle spielt, liegt richtig. Mit durchschnittlich 2,15 Kindern je Frau lag die Fertilität deutlich höher als bei Müttern mit deutscher Staatsangehörigkeit. Dort waren es statistisch berechnet 1,45 Kinder je Frau. Das ist ein signifikanter Unterschied.
Darüber wird auch politisch sehr intensiv diskutiert.
Es geht um Themen wie Obergrenzen, die die CSU und insbesondere ihr Vorsitzender Horst Seehofer immer wieder gebetsmühlenartig gefordert hatten und die von BILD, WELT, Focus und anderen Medien im Wortsinn multi-medial verviefältigt, dramatisiert und zugespitzt wurden, es geht um Leistungsfähigkeit des Systems, Integrationsbereitschaft, aber auch um Identität.
«Können die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land werden?», lautet eine dieser Fragen. Sie gleicht der subtilen Unterstellung von den bald oder irgendwann aussterbenden Deutschen, die schon Birg 2000 in seinem unnachahmlichen Alarmismus gestellt hatte. Frank Schirrmacher und Thilo Sarrazin hatten den Ball aufgenommen. Vor allem in der rechtsnationalen AfD und ihren Anhängern wird der Popanz der angeblichen Überfremdung aufgebaut.
Emotionen waren dem konservativen Teil der Union offenkundig wichtiger als Fakten und rechtliche Zulässigkeit (Grundgesetz, internationale Abkommen).
Der Anteil der ausländischen Bevölkerung lag am 31. Dezember 2017 bei 12,8 Prozent. In absoluten Zahlen waren dies 10,6 Millionen der 82,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Anteil hatte sich von 1996 bis 2012 nur wenig verändert. In dieser Zeit schwankte er stets zwischen 8,1 und 8,9 Prozent. 2014 stieg er erstmals über die 10-Prozent-Marke, erreichte am Jahresende 2016 insgesamt 12,1 Prozent und wurde Ende 2017 mit 12,8 Prozent errechnet.
Daran lässt sich leicht ablesen, dass die deutsche Bevölkerung mit 87,2 Prozent eine überwältigende Mehrheit der Gesamtbevölkerung darstellt. Das spricht klar gegen die Vermutung, dass die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land werden. Die entsprechende Frage und die darin implizierte Bedrohung erscheinen abwegig.
Allerdings hat die Zuwanderungsdynamik in der zweiten Dekade der 2000er Jahre erheblich zugenommen. 3,7 Millionen Menschen sind seit 2014 nach Deutschland eingewandert. Das waren pro Jahr rund 615.000 Menschen. Die Spitzenwerte wurden 2014 und 2015 mit 955.000 und 931.0 Zuwanderern erreicht. 2017 ging die Zahl auf 585.0 zurück. Sie lag aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie in den Jahren zuvor. Man muss dies aufmerksam beobachten. Der Blick in die fernere Zukunft ist aber allenfalls ein Blick in die Glaskugel der Wahrsagerinnen.
Seriöse Wissenschaftler können keine langfristigen Prognosen über den künftigen Ausländer-Anteil in Deutschland abgeben, da die Variablen dies nicht zulassen. Es gibt auch nicht die eine statistische Größe für ganz Deutschland. Sie schwankt je nach Region und Stadtgröße gewaltig. Es gibt tatsächlich Großstadt-Kieze, in denen die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land werden können. Von den 10,6 Millionen Ausländern in Deutschland sind rund 84 Prozent zugewandert und 16 Prozent in Deutschland geboren. Fakt ist, dass sich die Zuwanderung nach 2012 deutlich beschleunigt hat. Bei ungebremster Dynamik könnten sich die Anteile in den nächsten vier Jahrzehnten deutlich verschieben.
Nach den Änderungen der Zuwanderungsgesetze hat sich die Lage allerdings weitgehend normalisiert. Die Gefahr der Ungleichgewichte besteht allerdings in Großstädten wie Berlin, die wie Magneten wirken. Hier ist auch eine hohe demographische Dynamik zu erkennen. Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land werden.
Wer politisch wirksam reagieren will, muss das jetzige System durch ein qualifiziertes quotiertes Einwanderungsrecht ablösen, das allen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen entspricht. Auch wenn die Deutschen auf lange Sicht nicht zur Minderheit im eigenen Land werden, gibt es doch Alarmsignale in deutschen Großstadtvierteln, in denen deutsche Kinder in den jeweiligen Grundschulen in der Minderheit sind.
Es ist auch wichtig zu wissen, dass die statistischen Zahlen der Zuwanderung anders als die Bevölkerungszahlen mit Vorsicht zu genießen sind.
Einerseits gibt es gravierende Abweichungen zwischen der Bevölkerungsfortschreibung, deren Grundlage der Mikrozensus ist, und dem Ausländerzentralregister. Andererseits stehen der Zuwanderung auch Abwanderungen und Abschiebungen gegenüber. 2017 sind rund 416 000 Personen mehr nach Deutschland zugezogen als aus Deutschland fortzogen. 2016 hatte der Wanderungsüberschuss mit dem Ausland rund 500 000 Personen betragen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, gab es 2017 insgesamt 1 551 000 Zuzüge und 1 135 000 Fortzüge über die Grenzen Deutschlands. 2016 waren es 1 865 000 Zuzüge und 1 365 000 Fortzüge gewesen.
Darüber hinaus gab es administrative Probleme, die das Statistische Bundesamt so beschreibt: „Die Ergebnisse der Wanderungsstatistik und als Folge die Entwicklung des Bevölkerungsstandes ab Berichtsjahr 2016 sind aufgrund methodischer Änderungen, technischer Weiterentwicklungen der Datenlieferungen aus dem Meldewesen an die Statistik sowie der Umstellung auf ein neues statistisches Aufbereitungsverfahren nur bedingt mit den Vorjahreswerten vergleichbar. Einschränkungen in der Genauigkeit der Ergebnisse 2016 und der unterjährigen Ergebnisse 2017 können zum einen aus Problemen bei der melderechtlichen Erfassung von Schutzsuchenden resultieren, zum anderen aus Folgeproblemen der technischen Umstellungen der Datenlieferungen aus dem Meldewesen und aus in der statistischen Aufbereitung festgestellten Unstimmigkeiten resultieren. Diese Probleme sind in den Jahresendergebnissen 2017 weitgehend bereinigt.
Stoppt Migration
den demografischen Wandel?
Enttäuschte Hoffnungen – neue Probleme
Seit 18 Jahren wird lamentiert, der demografische Wandel lasse Deutschland schrumpfen und vergreisen. Es war Herwig Birg (2000), der mit seinem Alarmismus («Sterben die Deutschen aus?») die Debatte angeheizt hatte. Frank Schirrmacher «Methusalem-Komplott» und Thilo Sarrazins Traktat «Deutschland schafft sich ab» haben ihren Teil dazu beigetragen, die hysterische Grundstimmung noch zu steigern. Von verschwörungsneurotischen Pamphleten war die Rede. Schirrmacher kam darüber hinaus mit einem Schuss rassismusähnlicher Polemik daher, als er die «gewaltige Jugendwelle der muslimischen Ländern» als Bedrohung für das alternde Deutschland heraufbeschwor.
Seither sind hunderte Monografien und Beiträge erschienen, in denen die demografische Krise analysiert wird. Die Zahl der Leerstände werde massiv zunehmen, die Bevölkerungszahl sinke, Deutschland verliere seine Konkurrenzfähigkeit. Durch Facharbeitermangel entstehe der Wirtschaft ein Schaden von 8 Milliarden Euro, so der Ingenieursverband VDI schon 2011. Mittlerweile ist der Facharbeitermangel zu einem großen Problem gewachsen.
Mit der so genannten Flüchtlingskrise ist zwar einiges anders geworden, aber der Grundtenor bleibt. Der Alarmismus hat sich auf das Thema Migration verschoben, ist heftiger und drastischer geworden, man diskutiert nicht mehr über Leerstände, sondern über «Obergrenzen» der Zuwanderung, «Kontingente», über angebliche Bedrohungen und tatsächliche Belastungen, über Wohnungsknappheit und Kommunalfinanzprobleme. Der Bevölkerungsrückgang ist gestoppt, Deutschland kann gar Zuwächse verzeichnen. Doch damit ist der demografische Wandel nicht gestoppt. Es haben sich nur Teilaspekte verändert. Alterung der Republik und Heterogenisierung sowie regionale Leerstände bleiben als Problem erhalten.
Nadine Körner-Blätgen und Gabriele Sturm haben im rahmen der innerstädtischen Raumbeobachtungen nachgewiesen, dass die Zuwanderung die gesamte demografische Struktur der Stadtbevölkerung beeinflusst. Berlin, München, Hamburg, Frankfurt am Main, Köln, Leipzig, Dresden, Stuttgart, Düsseldorf und Münster gehören zu den besonders stark wachsenden Großstädten. Sie gelten als «junge Schwarmstädte» (empirica 2015).
Nach den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) dürfte sich die Einwohnerzahl Deutschlands 2015 von knapp 81,2 Millionen am Jahresanfang auf mindestens 81,9 Millionen Menschen am Jahresende erhöht haben. Im Jahr 2017 nahm nach Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) die Gesamtbevölkerung Deutschlands im Vergleich zum Vorjahr um 270.700 Personen (+0,3 %) zu und lag zum 31.12.2017 bei 82,8 Millionen. Damit wurde eine erste Schätzung des Statistischen Bundesamtes vom 16. Januar 2018 bestätigt.
Im Jahr 2017 ist die steigende Einwohnerzahl ausschließlich darauf zurückzuführen, dass 405.000 Personen mehr zuwanderten als abwanderten (Wanderungsüberschuss 2016: +500.000 Personen). Gleichzeitig starben 147.000 Personen mehr als geboren wurden (Geburtendefizit 2016: -119.000 Personen). Infolgedessen fiel das Bevölkerungswachstum insgesamt geringer aus als in den beiden Vorjahren (2016: +346.000 oder +0,4 %; 2015: +978.000 oder + 1,2 %).
In den meisten Bundesländern nahm die Einwohnerzahl zu, absolut gesehen am stärksten in Baden-Württemberg (+71.500), gefolgt