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Der, der sieht
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eBook365 Seiten4 Stunden

Der, der sieht

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Über dieses E-Book

Ein junger Mann erwacht in einer fremden Umgebung.
Nichts ist, wie es sein sollte. Immer wieder hat er Erinnerungen, die nicht ihm zu gehören scheinen.

Doch die Realität ist noch viel bizarrer, verschlingt ihn und formt ihn zu dem, "der sieht".

Warum warnt der Hauptcomputer ihn und seine Gefährten nicht, dass sie im Begriff sind, eine der wichtigsten Direktiven der menschlichen Raumfahrt zu verletzen?

Was sind die so genannten "Spares" und was ist der Zweck, zu dem sie erwählt wurden?

Die Reise eines Lebens? - Wer will das beurteilen?

Der, der sieht:
Vom verwirrten Niemand zu dem Menschen, der die Zukunft baut, für zwei ganze Gesellschaften.

Humach, der Weg der Vernunft.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum14. Okt. 2016
ISBN9783734559037
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    Buchvorschau

    Der, der sieht - Steffen Unger

    Teil 1

    1. Wie an Fäden hängend ...

    ... öffneten sich seine Augenlider. Er stoppte die Bewegung, sobald sie mehr als einen kleinen Spalt frei gab. Seltsam, er hatte Licht, blendende Helligkeit erwartet. Kein Gleißen stach ihm in die Augen, vielmehr schien sich seine Umgebung in sanfter, rötlich brauner Dämmerung verstecken zu wollen.

    Behutsam erweiterte er den Schlitz, bis sich das Bild klärte. Er befand sich in einem kleinen, funktionell eingerichteten Raum. Das Schummerlicht schien, von einem um das ganze Zimmer verlaufenden Sims unterhalb der Decke aus, diese zu erhellen. In Begleitung der passenden Gesellschaft hätte er möglicherweise von anheimelnd oder gemütlich gesprochen. Aber er war allein.

    Er blickte zur Seite, um sich zu orientieren. Ein leichtes Unwohlsein meldete sich. Das Bild verschwamm, blich zu einem undefinierbaren Fleck aus.

    Finsternis.

    Es war nicht zu sagen, wie viel Zeit vergangen war, bevor er das Bewusstsein wiedererlangte. Diesmal fehlte das Gefühl der Unfreiwilligkeit beim Öffnen der Augen. Ganz bewusst bewegte er die Lider nach oben und erfasste sein Umfeld konzentriert, sobald er etwas sehen konnte. Das war nicht der Raum, in dem er sich beim ersten Erwachen befunden hatte.

    Erst jetzt nahm er den lauen Windhauch wahr, der sein Gesicht berührte. Er lag rücklings auf einer ... wie nannte man das? Grüne Halme bildeten die Unterlage für seinen ausgestreckten Körper. Er kannte das Gefühl, den frischen Duft. Über sich sah er ein Gebilde. Es war bräunlich grau, schien eine raue Oberfläche zu haben. Weiter oben befand sich eine Menge platter grüner Scheiben, die im Wind leise raschelten. Auch das erschien ihm bekannt. Es hatte den Namen ...

    Schweiß trat ihm auf die Stirn, so angestrengt durchforstete er sein Gedächtnis. Endlich rutschte ihm ein Lautgebilde auf die Zunge, das sich richtig anfühlte.

    Baum, hauchte er. Aber wie hieß das grüne Zeug unter seinem Rücken? Noch im Liegen tastete er mit beiden Händen nach den kühlen Stängeln, den lang gestreckten Blättern.

    Gr ..., setzte er an, aber die Erkenntnis blieb aus. Was war das? Tief im Innern wusste er, dass er das Wort früher problemlos benutzt hatte. Was war geschehen?

    Leise stöhnend versuchte er, sich zu erheben. Die Arme zitterten bei dem Versuch, den Oberkörper aufzurichten. Geschafft! Der Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gesammelt und rann nun über die Schläfen in seine Augen. Das schmerzte. Aus einem Reflex heraus hob er einen Arm, um sich die Flüssigkeit aus den Augen zu wischen. Der Oberkörper rutschte, seiner Stütze beraubt, zur Seite und schlug auf dem …

    GRAS!, schrie er, bevor sein Kopf auf dem Boden auftraf.

    Finsternis.

    Ein dumpfer Schmerz drängte sich in sein Bewusstsein. Jetzt dauerte es eine Weile, ehe er es erneut wagte, diesmal nur das linke Lid zu heben. Er saß auf einem Stuhl, sein Oberkörper ruhte auf einer Holzplatte, auf der er auch den Kopf, zur Seite gedreht, abgelegt haben musste. Ein flaches Brett mit Knöpfen drückte gegen seine Schläfe.

    Langsam hob und drehte er den Kopf, richtete sich -Stück für Stück - auf. Das Brett entpuppte sich als eine flache Tastatur, die vor einem ziemlich großen Monitor lag. Wie in Zeitlupe bewegte er Augen und später auch den Oberkörper, während er seine Umgebung zu ergründen suchte. Wieder dieses Gefühl der Vertrautheit. War das alles ein Deja Vu? Das konnte er, wollte er nicht glauben. Es fühlte sich so ... bekannt ... an.

    Mit beiden Armen stützte er sich auf den Lehnen des Stuhls ab und drückte seinen Körper in die Senkrechte. Das funktionierte unerwartet gut. Dennoch verschnaufte er für einige Augenblicke, ehe er einen winzigen Schritt versuchte. Unkontrollierbare Spasmen ließen seine Beine zucken. Die Knie knickten ein. Er stürzte zu Boden. Noch im Fall glaubte er zu sehen, wie sich in der Wand eine Öffnung bildete.

    Finsternis.

    Wie oft er erwachte und wieder die Besinnung verlor, konnte er später nicht erinnern. Die einzelnen Episoden verschmolzen zu einem grau-bunten Brei, waren nicht mehr von einander zu unterscheiden. Im Laufe der Zeit schwanden die Erinnerungen, wie ein Traum, der am Morgen verblasst.

    2. Endlich kam ...

    ... der Moment, in dem das Erwachen sich anfühlte, als sei die lange Reihe der Erlebnisse nun beendet und er dürfe in sein Leben zurück kehren. Unklar blieb nur, was das eigentlich war, sein Leben. Er hatte keine Erinnerungen daran, keine Kindheitsreminiszenzen, keine Gesichter, die vor dem inneren Auge auftauchten, nichts.

    Diesmal öffneten sich die Augen schnell und gierig. Es war ihm, als sei die endlose Wiederkehr solcher Augenblicke nur geschehen, um ihn auf genau diesen vorzubereiten. Er überprüfte seine Wahrnehmungen, seinen Körper, das Bewusstsein. Es gab keinen Schmerz, keine Dumpfheit, noch nicht einmal ein Kribbeln.

    Gut, sagte er laut und erschrak ein wenig vor dem Donnerhall der eigenen Stimme. Die Liege, auf der sein Körper ruhte, war angenehm warm und nicht zu weich. Er gab sich einen Ruck und setzte sich schwungvoll auf. Dann prüfte er sein Körpergefühl. Alles in Ordnung. Es stellte sich kein Zittern oder Schwindel ein, vielmehr schien seine gesamte Muskulatur gut vorbereitet und sogar begierig zu sein, sich allem zu stellen, was jetzt geschehen mochte.

    Er ließ die Beine hinab gleiten und dann baumeln, als säße er an einem Bootssteg und kühlte die Füße im frischen Wasser. Ein seltsames Bild, fand er. Er entsann sich nicht, so etwas jemals getan zu haben. Er entspannte die Arme, die er seitlich auf die Liegefläche gestützt hatte, um gegen eine erneute Ohnmacht gefeit zu sein. Diesmal war er fit. Er streckte sich wohlig brummend aus und schaute sich im Raum um.

    Ja, ein geschlossener Raum war es, in dessen Mitte seine Liege stand. An den Wänden sah er Tische und Schränke stehen, die ein Wort in seinem Bewusstsein hervor brachten: Labor. Die Wand zu seiner Rechten wurde von einer ziemlich breiten Tür unterbrochen, an deren Seite sich ein kleiner Schirm befand, unter dem er einige Bedienelemente auszumachen glaubte. Dieser Raum erschien ihm nicht vertraut, lockte vielmehr: Erkunde mich!

    Er glitt von seiner Liege und versuchte einige zaghafte Schritte zu gehen. Es klappte unerwartet gut. Dennoch hielt er sich immer in Griffweite der Tische und Arbeitsplatten, als er sich der Tür näherte. Der Apparat neben der Tür schien tatsächlich eine Art Kommunikationseinrichtung zu sein. Die Knöpfe unter dem kleinen Monitor waren mit Symbolen beschriftet, deren Bedeutung sich schnell erschloss. Öffnen, murmelte er, während er die passende Taste betätigte.

    Ein ohrenbetäubender Lärm erhob sich. Er fuhr zusammen, rutschte - Hände an den Ohren - an der Wand herab, hockte sich auf den Boden.

    Plötzlich verstummte der Alarm. Der Monitor erhellte sich und eine kratzende Stimme erklang: „Hallo, hier ist...", ein plötzlich einsetzendes Knacken und Rauschen verhinderte, dass er den Rest verstand.

    Gibt ... blem?, entnahm er den Störgeräuschen. Er hielt den Atem an, wagte nicht, sich zu rühren. Sein Herz schlug so heftig, dass er für einen Moment befürchtete, man könne es im Raum hören.Wie altes Öl tropften die Sekunden dahin, schienen sich zu einer kleinen Ewigkeit dehnen zu wollen.

    ...nbar wieder ... Defekt, erklang es aus dem Rauschen, dann erlosch das Display. Es war höchste Zeit, denn die Lungen hatten bereits begonnen, zu brennen. Der ganze Körper schrie nach Sauerstoff.

    Er saugte so viel Luft ein, dass er sich wie ein Fesselballon fühlte, bereit zum Aufschweben. Pffffffffffff, ließ er die angestaute Atmosphäre entweichen. Das tat gut. Er nahm noch einige weitere tiefe Atemzüge, ehe er sich langsam aufrichtete. Es musste also eine Zugangskontrolle geben, die von Menschen überwacht wurde. Was hatte die Wächter alarmiert? Er wandte sich wieder den Bedienelementen zu. Nichts deutete auf eine Kontrolleinrichtung hin. Kein Fingerabdruck- oder Retinascanner war auszumachen und es gab kein Karten- oder Kombinationsschloss.

    Er hockte sich wieder unterhalb des Terminals hin und überlegte. Vielleicht ließ sich irgendetwas hier als Werkzeug benutzen, mit dem er den Durchgang frei bekäme? Sein Blick schweifte erneut durch den Raum. Tatsächlich, in der rechten hinteren Ecke schien ein sich eine Art Werkbank zu befinden. Er erhob sich und schlenderte hinüber. Aber was ihn erwartete, ließ ihn leise stöhnen.

    Dort lagen einige elektronische Geräte, die er noch nie gesehen hatte. Nicht der kleinste Hinweis zeigte sich, wozu das alles gebraucht wurde. Plötzlich erfasste ihn eine Art Schwindel. Alles schien sich um ihn zu drehen und er griff hastig nach der Kante des Arbeitstisches. Schwer atmend stützte er sich ab. Sein Blick klärte sich, aber was er sah hatte mit dem bisher wahrgenommenen Labor nichts zu tun.

    Er schien sich in einer Lehrwerkstatt zu befinden, gemeinsam mit vielen anderen Personen, die er aber nicht klar sehen konnte. Eigentlich war es eher ein unbestimmtes Gefühl, das ihm suggerierte, er sei Teil einer Menschenmenge. Den Ausbilder hingegen sah er klar und deutlich und vernahm auch die Worte, die der grauhaarige Mann an die Klasse (wenn es etwas derartiges war) richtete: Das hier ist ein Layeroskop. Er griff eines der unbekannten Geräte und hielt es hoch über seinen Kopf.

    Es funktioniert nach dem Prinzip eines aktiven Terahertz - Scanners. Es wird also ein Terahertz Strahl abgestrahlt und die Reflexionsabweichungen ausgewertet. Er richtete das Gerät auf die Wand und auf dem kleinen Bildschirm bildete sich ein Muster.

    Als der Instruktor einige Knöpfe drückte, wurde die Anzeige schärfer und man konnte deutlich die in der Wand verlaufenden Leitungen und Geräte erkennen.

    Mit Hilfe dieser Kontrollen, der Lehrer deutete auf die entsprechenden Tasten, kann man die Scantiefe anpassen. Die Erfassungsgrenze liegt bei unserem Gerät etwa 2 Meter entfernt, abhängig vom gescannten Material. Er legte das Gerät ab und nahm ein anderes zur Hand.

    Hier haben wir das Gegenstück, einen Resonator. Er basiert auf der Schwingungsresonanz. Was man damit tut, werden wir gleich sehen. Er richtete die Oberkante des Gerätes auf die Wand. Ein Zielkreuz erschien auf dem Display. Mit einigen schnellen Tastendrücken konfigurierte der Instruktor das Gerät und betätigte dann den größten der Knöpfe.

    Zuerst geschah nichts, dann bildete sich an der Wand eine rechteckige Fuge im Putz. Keine Sekunde später klappte der umrissene Wandbereich heraus und an dem nun sichtbaren Kabel baumelte ein Apparat, der dort eingebaut gewesen war.

    Die benötigten Frequenzen ermittelt der Resonator selbst. Die Umgebung begann unvermittelt zu wabern, wirbelte wild herum und diesmal war der Beobachter zu überrascht, um sich festzuhalten. Er stürzte hin, schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf.

    Wieder umfing ihn die Finsternis.

    3. Wie viel Zeit verging ...

    ... bis er wieder zu sich kam, konnte er nicht sagen. Der Kopfschmerz, der seinen Schädel förmlich zu zertreiben schien, hingegen war sehr präsent. Er stöhnte und öffnete mühsam die Augen. Lichter tanzten in seinem Hirn und es dauerte eine Weile, ehe er die Umgebung wieder klar genug wahr nahm, um sich zu orientieren.

    Er befand sich wieder in dem Laboratorium, lag verkrümmt vor dem Arbeitstisch. Mit einiger Anstrengung zog er sich hoch, stützte sich auf der Arbeitsplatte ab und griff nach dem Layeroskop. Wieder brandete der Kopfschmerz auf und trübte den Blick.

    Als sich seine Wahrnehmung wieder normalisiert hatte, ergriff er noch den Resonator, wandte sich der gegenüberliegenden Wand zu und wankte erneut zum Terminal hinüber. Er richtete den Scanner auf die Tür. Ein verschwommenes Muster erschien auf dem Display. Vorsichtig hantierte er an der Justierung und hatte nach einigen Augenblicken das Bild so korrigiert, dass er einen Überblick gewinnen konnte. Schnell betätigte er die mit 'FREEZE' beschriftete Taste und das Bild erstarrte.

    Nun war die Zeit für den Resonator gekommen. Er fasste ihn mit der anderen Hand und zielte, ständig das Monitorbild des Scanners kontrollierend, auf das Terminal. Einen Moment lang kniff er die Augen zusammen, als er abdrückte. Das Terminal kippte aus der Wand und gab den Blick auf die Anschlüsse frei.

    Voller Spannung begann er, die Steckerleiste zu untersuchen. Im käsigen Licht der Leuchtstofflampen erkannte er bei genauem Hinsehen, dass neben den Anschlüssen die gleichen Symbole eingeprägt waren, wie man sie auf dem Bedienpanel sah. Unglücklicherweise gab es zu dem 'Öffnen' - Knopf zwei Anschlüsse. Wieder verfiel er ins Grübeln. Was, wenn er den falschen Anschluss kappte?

    Sein Blick fiel auf das Layeroskop. Das brachte ihn auf eine Idee. Er richtete das Gerät erneut auf die Wand und lachte kurz auf, bevor der stechende Schmerz ihn verstummen ließ.

    Auf dem Display zeigte sich ganz deutlich, welcher der beiden Anschlüsse den Öffnungsmechanismus steuerte und welches Kabel nach der anderen Seite in die Wand hinein führte. Er zog den Stecker der Überwachungsleitung aus ihrer Buchse. Nichts geschah.

    Wieder betätigte er die 'Öffnen' Taste. Ein Summen ertönte und die Tür schob sich auf der anderen Seite in die Wand hinein. Vorsichtig trat er an die Öffnung heran, lugte in beide Richtungen, ehe er in den Gang hinaus trat. Niemand hielt sich dort auf, was ihn zu ein paar zaghaften Schritten ermutigte.

    Er hielt inne. Dann machte er kehrt, durchquerte den Durchgang erneut und begann, in dem Raum, den er bei sich 'das Labor' nannte, nach einem Behältnis für die Geräte zu suchen. Die wollte er unbedingt mitnehmen.

    Nach einigem Kramen fand er auch tatsächlich eine Art Tasche, die man an einem Gurt umhängen konnte. Das war perfekt, denn so würde er beide Hände frei haben.

    Diesmal verließ er das Labor endgültig. Im Gang wandte er sich um und schaute, ob es vielleicht an der äußeren Wand einen Knopf zum Schließen der Zugangstür gab.

    Nichts. Also beschloss er, sich nicht weiter um das Verwischen seiner Spuren zu kümmern und lief los. Als er die nächste Abzweigung erreichte, ertönte hinter ihm ein bekanntes Summen und die Schiebetür schloss sich.

    Sehr gut, sprach er zu sich selbst, während er vorsichtig, aber entschlossen vorwärts schritt.

    Die Struktur des Gebäudes, in dem er sich befand, ähnelte der einer Forschungseinrichtung oder Klinik. Zu beiden Seiten des Ganges sah man genau solche Zugänge, wie er ihn durchquert hatte. Er erkundete die Etage, benutzte hier und da das Layeroskop. Aber selbst mit der maximalen Reichweite konnte er in den Zimmern, die er passierte, keine anderen Menschen entdecken. Alles war wie ausgestorben.

    Eine der Türen zu öffnen wagte er nicht, weil das möglicherweise einen Alarm auslösen würde. Und ein weiteres Terminal aus der Wand brechen mochte er nicht, um keine weiteren Spuren zu hinterlassen. Er lief schweigend umher, 'layeroskopierte' verschiedene Einrichtungen und versuchte, einen Lift, ein Treppenhaus oder einen Ausgang zu finden.

    Zum Glück verfügte das Display des Layeroskops über eine Zeitanzeige, sodass er einen ungefähren Überblick über die Dauer seiner Wanderung gewann. Als ungefähr anderthalb Stunden vergangen waren, fiel ihm plötzlich an einer Tür eine kleine Gravur auf: 'F03041'. Er rannte zum nächsten Eingang und fand: 'F03043'.

    Aha!, entfuhr es ihm. Er wandte sich zur schräg gegenüberliegenden Tür und las: F03042. Genau das hatte er erwartet. Die Räume auf der linken Seite des Ganges trugen ungerade Nummern, während die geraden der rechten Seite zugeordnet war.

    Er nahm seinen Erkundungsgang wieder auf. Die Spannung verkrampfte seine Nackenmuskeln. Immer öfter blieb er stehen und rieb sich die schmerzende Stelle.

    Und nun meldete sich zu allem Unglück auch noch der Verdauungstrakt. Hätte er sich doch nur die Tür 'seines' Labors gekennzeichnet! Die konnte er unerkannt öffnen.

    Da kam ihm eine Idee. Wenn er mit dem Layeroskop die Wand zu seiner Linken abtastete, musste er irgendwann auf das entfernte Terminal stoßen. So würde er das Labor wiedererkennen, alles andere würde sich dann schon finden. Immer wieder den kleinen Monitor prüfend, damit im Wechsel die Umgebung beobachtend und mit wachsendem Druckgefühl kämpfend, eilte er durch die Gänge.

    Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, bevor er mit einem großen Aufatmen die Umrisse der Terminalfassung neben der Tür erkannte. Er öffnete den Eingang und eilte hinein. Wo gab es ein Gefäß?

    Für die Suche nach einer Toilette blieb keine Zeit.Neben seiner Liege erkannte er einen Abfallbehälter, der wohl normalerweise für gebrauchtes Verbandszeug benutzt wurde. Er drückte den Dekkel beiseite, öffnete seine Hose und entleerte sich.

    Dann schloss er den Eimer und sah sich um. Sollte er das Labor zu seiner Basis erklären? Das erschien ihm durchaus sinnvoll. Er legte die Tasche auf einem kleinen Hocker neben der Liege ab und ging zur Werkbank im Hintergrund.

    Vom anderen Ende des Raumes her ertönte das Summen der schließenden Tür.

    4. Nachdem nun ...

    ... die körperlichen Bedürfnisse befriedigt waren, nahm er sich doch noch die Zeit, den Raum genauer zu erkunden. In der linken Ecke des hinteren Teils entdeckte er eine schmale Tür, die sich problemlos öffnen ließ. Sie führte in eine Art Vorratsraum, in dem auf wandhohen Regalen irgendwelche Chemikalien lagerten. An der linken Seite des Lagers befand sich eine Tür mit der vertrauten Aufschrift 'WC'.

    Er ging zurück, um den missbrauchten Abfallbehälter zu holen. Den entleerte er ins Becken und reinigte ihn dann an einem der Labortische, der über eine Wasserleitung verfügte. Wenn er es schaffen sollte, Lebensmittel aufzutreiben, gäbe dieses Labor einen brauchbaren Stützpunkt ab, entschied er. Bei dieser Betrachtung stellte sich die Frage, wann er überhaupt zum letzten Mal gegessen hatte.

    Er versuchte, sich zu erinnern, landete aber immer wieder nur in einem dunkel bunten Bilderbrei. Mit einem Schulterzucken gab er seine Bemühungen auf. Darum würde er sich zu gegebener Zeit kümmern. Im Augenblick fühlte er noch keinen Hunger.

    Er ergriff erneut seine Tasche und öffnete die Tür. Im nächsten Moment stutzte er. Waren das Schritte? Was nun? Die Tür ließ sich nicht manuell schließen, wer immer den Gang entlang käme, musste bemerken, dass hier etwas nicht stimmte. Ließe sich der Resonator vielleicht als Waffe ...? Seine Gedanken rasten. Letztendlich entschied er, sich Klarheit verschaffen zu müssen. Er lugte nach draußen, zuerst nach Links.

    Hallo, ertönte eine sanfte Männerstimme von Rechts. Er fuhr herum und hob den Resonator. Vor ihm stand ein Hüne, der ob der aggressiven Reaktion seines Gegenübers sichtlich schockiert war. Der Gigant wich ein paar Schritte zurück.

    Langsam, Mann, sagte der Fremde, ich tu dir nichts. Außerdem funktioniert der Resonator nicht gegen Lebewesen. Schaltet sich einfach ab. Aber du musst dich nicht verteidigen. Beide Männer entspannten sich ein wenig.

    Wo bin ich, wer bist du?

    "Immer mit der Ruhe! Du bist hier auf dem Raumschiff 'Exozoon', auf dem Weg zum vierten Planeten des Aldebaran. Wir hatten eine Havarie, bei der ein Teil der Terraforming-Datenbank und einige Petabyte historischer und technischer Daten verloren gegangen sind. Zum Glück hat weder die Steuerung noch der Antrieb Schaden genommen.

    Und was mich angeht, so bin ich Burt2145 - 3L5 oder kurz 145L5. Ich bin in Zyklus 3 geboren und für Leitungsebene 5 vorgesehen. Das heißt, dass ich nach unserer Ankunft einen Erkundungstrupp leiten werde.

    Aber wie steht es mit dir? Darf ich dein Implantat checken?"

    Was für ein Implantat? Das V17 - Implantat, das der Inkubator jedem einpflanzt. Du musst ja irgendwann geboren sein. Und ich denke nicht, dass Du schon beim Abflug an Bord warst.

    Wieso nicht? Ich hätte mich ja einschleichen können.

    145L5 lachte laut auf. Dann wärst du jetzt mindestens 150 Jahre alt. Der Start erfolgte vor 127 Jahren und du siehst kaum älter aus, als ... sagen wir Zyklus 6. Hör zu, wir müssen nicht hier auf dem Gang stehen. Hast du Hunger? Wir könnten ins Vitarium gehen, da kann man bequem sitzen und das Essen ist auch nicht übel.

    Der Redefluss des riesigen Mannes stockte. Entschuldige, wenn ich nerve, aber was ist nun mit dem Implantat?

    Wo soll denn das sein? Keine Sorge, es tut nicht weh. Es befindet sich normalerweise im Nacken, wo es am wenigsten stört. Man kann es, er kramte in seiner Jackentasche und zog einen flachen Gegenstand hervor, mit dieser Karte auslesen.

    145L5 hielt eine kleine Scheckkarte über die linke Schulter seines Gegenübers, schaute darauf und erstarrte kurz. Dann schüttelte er den Kopf.

    Was ist? Kein Implantat gefunden? Doch, doch. Aber die Daten sind seltsam. Er überreichte das Kärtchen.

    Da stand:

    Yann2142 - X0X0 - 11BU/HDBtech_pb12-77

    Was bedeutet das? "Das kann ich dir nicht sagen. Es ist ... eigenartig. Unsere Daten sind eigentlich folgendermaßen strukturiert: Name und Jahr der Auswahl des Erbguts, Bindestrich, Geburtszyklus des Inkubators, geplanter Einsatz - etwa 'L', wie bei mir - und Hierarchieebene. Danach gibt es normalerweise nur noch einen kurzen Code für eventuelle gesundheitliche Prädispositionen. So etwas wie bei dir habe ich noch nie gesehen.

    Aber wenigstens kennen wir nun deinen Namen: 'Yann'. Yann, also, wiederholte der Unbekannte und steckte den Resonator ein. Eigentlich 'Yann1242'. Aber das Kürzel ist eigentlich noch netter: 'Xoxo'." 145L5 verstummte, dann lachte er erneut auf.

    'Soso', wie findest du das?

    Yann ist mir lieber. Aber wenn es dir Freude macht … Lass uns zum Vitarium gehen!

    Meinetwegen. Wie alte Bekannte schritten die beiden Männer den Gang entlang. An dessen Ende wandte sich 145L5 nach links und öffnete eine Tür. Dahinter befand sich ein kleiner Vorraum, an dessen Rückwand ein Lift auf Passagiere wartete.

    Sie betraten die Kabine und die Tür schloss sich mit einem leisen Zischen.

    5. Als sich ...

    ... die Tür des Aufzuges wieder öffnete, sah sich Yann einer ganzen Gruppe von Menschen gegenüber. Eine junge, kräftig gebaute Frau trat vor und fragte:

    Wen bringst du uns denn hier mit, 145L5? Der Angesprochene grinste ein wenig verschämt. Das ist Yann Soso. Er ist ein Zyklus Null ...

    Ein Tumult brach los. Alle riefen durcheinander, jeder wollte zuerst seine Frage stellen, wollte möglichst nah an das 'Wundertier' heran gelangen.

    Die Frau hob die Hand, woraufhin das Stimmenchaos abebbte. Sie trat näher und sah dem Neuankömmling in die Augen.

    Ich bin Insa2147 - 5L2. Du kannst mich Insa nennen oder 5L2. Es gibt gegenwärtig keine weitere Person diese Namens oder dieser Designation.

    Yann hatte die Vorgänge wie unbeteiligt wahrgenommen. Unter Menschen zu sein, das war ihm neu und gleichzeitig irgendwie vertraut. Er blinzelte und nickte bedächtig. In seinem Hinterkopf tanzten die verwaschenen Fetzen der Erinnerung, aber keine schaffte es, sich aus dem Wirbel zu lösen.

    Danke für den Empfang, sagte er, aber bitte erwartet keine Erklärungen. Ich wusste bis vor ein paar Minuten weder wo , noch wer ich bin. Keine Ahnung von Raumschiffen und Implantaten, Inkubatoren und Geburtszyklen.

    145L5 legte ihm seine Hand auf die Schulter und sagte: Kein Problem. Schau dich in Ruhe bei uns um. Wenn du dich eingelebt hast, werden wir sehen, was wir über deine Herkunft und Bestimmung herausfinden können. Ich würde Insa bitten, sich um dich zu kümmern. Sie ist eine L2 und hat deshalb Zugriff auf fast alle Informationen und Schiffssysteme. Insa nickte und stellte sich auf der anderen Seite neben Yann.

    Und ihr alle sollt versuchen, Yann das Einleben hier so einfach wie möglich zu machen. Je eher er wirklich zu uns gehört, um so früher können wir versuchen, die Antworten auf eure vielen Fragen zu finden. Sie nahm den verunsicherten Neuling bei der Hand und ging mit ihm durch die sich lichtenden Reihen der Schaulustigen.

    Sie durchquerten eine Art kleinen Marktplatz, lenkten ihre Schritte nach links und landeten wenig später in einer engen Gasse. Hier legte Insa ihre Hand auf ein kleines Rechteck, das kurz auf blitzte, worauf sich die Tür öffnete, neben der sich der Schloss-Automat befand.

    Komm herein, sagte Insa und schob Yann sanft vor sich her, in das Gebäude hinein. Er stand in einem geräumigen Zimmer, an dessen Wänden wiederum Türen, sicher in andere Räume, weiterführten. Das musste eine 'Wohnung' sein.

    Fühl dich wie zu ... , setzte Insa an, verstummte aber und lächelte ihn an, Mach es dir gemütlich! Danke, entgegnete Yann, Entschuldige, ich bin einfach unbeholfen. Alles ist neu für mich.

    Seine Gastgeberin bat ihn, auf einer bequemen Couch Platz zu nehmen und verschwand hinter einer der zahlreichen Türen. Nach einigen Augenblicken kehrte sie zurück und servierte leichtes Gebäck und ein goldgelb perlendes Getränk.

    Das ist ein erfrischendes Mixgetränk, erklärte

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