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Produktionsleitung für Film und Fernsehen: Was ist das? Wie geht das? Kann ich das (vielleicht) auch?
Produktionsleitung für Film und Fernsehen: Was ist das? Wie geht das? Kann ich das (vielleicht) auch?
Produktionsleitung für Film und Fernsehen: Was ist das? Wie geht das? Kann ich das (vielleicht) auch?
eBook289 Seiten3 Stunden

Produktionsleitung für Film und Fernsehen: Was ist das? Wie geht das? Kann ich das (vielleicht) auch?

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Über dieses E-Book

Georg Bonhoeffer ist Diplomkaufmann und als freier Produktionsleiter für Film- und Fernsehproduktionen tätig. Von der Sitcom über Serien, TV-Movies, Kinofilm und Eventproduktionen verfügt er über vielfältige Erfahrungen bei der Durchführung von Film und Fernsehprojekten.

Anhand eines fiktiven TV-Movies wird das Anforderungsprofil eines Produktionsleiters beschrieben. Es wird deutlich, welche Voraussetzungen er braucht, was er können muss, welche Verantwortung er trägt, welche Möglichkeiten er hat, aber auch welchen Grenzen ihm gesetzt sind. Dabei werden harte Fakten immer wieder mit Geschichten und Anekdoten aus der Welt des Film- und Fernsehens verknüpft.

Das vorliegende Buch vermittelt fundiertes Wissen in einer unterhaltsamen und humorvollen, manchmal auch selbstironischen Art und Weise. Kurz: Ein Fachbuch, das Spass macht, zu lesen.

Der Autor lebt und arbeitet in Köln.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Juli 2010
ISBN9783868507171
Produktionsleitung für Film und Fernsehen: Was ist das? Wie geht das? Kann ich das (vielleicht) auch?

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    Buchvorschau

    Produktionsleitung für Film und Fernsehen - Georg Bonhoeffer

    Allgemeine Anforderungen an einen Produktionsleiter

    Zunächst vorweg: Produktionsleiter kann jeder werden und Produktionsleiter kann sich jeder nennen. Produktionsleiter ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Man braucht dafür keine Ausbildung, keinen Abschluss, kein Diplom oder Sonstiges. An Filmhochschulen kann man zwar Produktionsleitung studieren. Die meisten Kollegen aber, die ich kenne, sind irgendwie anders an diesen Job gekommen. Sei es die klassische Laufbahn vom Fahrer über Set-Aufnahmeleitung und 1. Aufnahmeleitung oder aber als Quereinsteiger über die Produktionsassistenz oder aber wie ich:

    Ich habe Betriebswirtschaftslehre (BWL) studiert und während meines Studiums zufällig in einer Fernsehproduktion als kaufmännische Hilfskraft gearbeitet. Ich hatte viel Zeit und viel Spass und vor allem hatte ich keine Ahnung, was ich nach dem Studium so treiben wollte. Film und Fernsehen war sicherlich eine der Möglichkeiten, aber eben nur eine von Vielen.

    Ich hatte meine Diplomarbeit geschrieben und auch die schriftlichen Arbeiten lagen hinter mir, als ich von der Firma gefragt wurde, ob ich bei einer laufenden Produktion im kaufmännischen Bereich nicht mal „nach dem Rechten schauen könnte. Da bräuchte es noch eine ordnende Hand und auch sonst gäbe es da noch das ein oder andere zu optimieren. „Das mache ich gerne, habe ich gesagt. Ich habe ja gerade Zeit. Bis zu den mündlichen Prüfungen dauert es sowieso noch eine Weile.

    Und ohne auch nur den blassesten Schimmer einer Ahnung zu haben, auf was ich mich da eingelassen hatte, bin ich ins Studio gefahren und habe mal angefangen zu arbeiten. Schnell stellte sich heraus, dass es mit der Bitte „mal nach dem Rechten zu sehen" wohl kaum getan sein würde. Ich wusste nicht genau, was sie bis jetzt getan hatten. Aber eins war mir schnell klar. Eine finanziell und organisatorisch geordnete Produktion sieht anders aus. Wie genau, wusste ich auch nicht: aber anders.

    Wir haben dann alle gearbeitet wie die Tiere. Wir hatten kein Geld, wir hatten keine Zeit, wir hatten keine Bücher und wir wussten oft nicht, ob wir das Ding überhaupt gestemmt bekommen. Aber wie es dann immer so ist: Auch dieser Film wurde gedreht.

    Eines Nachmittags ging es dann darum, den Abspann zu erstellen. Wir pinnten schön alle Namen und Funktionen auf und irgendwann wurde ich gefragt: „Was schreiben wir denn bei Dir? Was hast Du eigentlich hier gemacht? „Keine Ahnung, sagte ich „Wie nennt man denn das, was ich hier gemacht habe wohl am ehesten? Wir schauten so durch die Liste der Möglichkeiten und da gab es die Position des „Produktionsleiters. An der blieben wir hängen. Wir schauten uns an und waren gemeinsam der Meinung, dass es das wohl gewesen sein wird.

    Auch wenn meine eigene Geschichte wahrscheinlich nicht repräsentativ ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder in diesen Beruf einsteigen kann, wenn er denn bereit ist, hart zu arbeiten und darüber hinaus noch ein, zwei andere Basisqualifikationen mitbringt.

    Intellektuelle Anforderungen

    Ich habe an meinem Schlüsselbund einen kleinen Anhänger. Da steht drauf „Denken hilft". Und genau so isses. Man kann diesen Beruf ausüben, wenn man sich an diesen Grundsatz hält. Man muss kein Genie sein. Man sollte aber über ein gewisses Mass an formaler Intelligenz verfügen. Und wenn man schon mal einen Blick in das Filmbusiness geworfen hat, kann auch das natürlich nicht schaden. Folgende Fähigkeiten halte ich persönlich für elementar, um im Beruf des Produktionsleiters erfolgreich arbeiten zu können:

    Eine kaufmännische Ausbildung schadet natürlich nicht. Muss aber nicht sein. Das notwendige Wissen hierüber kann man sich auch selbst aneignen, wenn man sich mal ein Buch über so spannende Themen wie „Kostenrechnung oder „Buchhaltung kauft und zumindest die Grundlagen durcharbeitet. Danach weiss man einiges über Soll und Haben und wie Buchhaltung grundsätzlich funktioniert. Ausserdem fällt einem dann die Unterscheidung zwischen Kosten und Liquidität leichter und wenn man Glück hat, sagen einem dann auch die Begriffe „Direkte Kosten und „Indirekte Kosten, „Fixe Kosten und „Variable Kosten oder auch das schöne Wort „Deckungsbeitrag" etwas.

    Menschliche Anforderungen

    Die menschlichen Qualifikationen sind vielleicht auch besser unter dem Begriff der „Sozialen Intelligenz" bekannt. Hiermit sind alle Eigenschaften gemeint, die man benötigt, um ein Filmteam zusammenzustellen und zu führen.

    Bei einem Filmteam handelt es sich um eine Ansammlung von ausgeprägten Individualisten. Individualisten zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie gerne mal sehr selbstbezogen manchmal sogar egozentrisch sind, dass sie ihren „eigenen Kopf haben und am liebsten immer ihre eigenen Ideen durchsetzen wollen. Individualisten haben sehr individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten, sie haben Ecken und Kanten und sie reagieren unter Druck oder im Kontakt mit anderen Menschen sehr unterschiedlich, manchmal auch, formuliere ich es mal vorsichtig „unvorhergesehen. Sie sind also alles andere als „graue Mäuse. Das mag der ein oder andere bedauern, gerade Produktionskollegen tun dies ab und an und auch ich selbst kann mich davon nicht ganz freisprechen, wenn mir „die Künstler mal wieder zu weit und damit auf die Nerven gehen. Aber auf der anderen Seite braucht es genau diese Menschen, um einen guten Film zu machen. Was will ich denn mit uninspirierten, unkreativen, langweiligen Jasagern? Die braucht keiner. Es ist schon gut so, wie es ist. Und wenn ich mir die Kollegen anschaue, mit denen ich bis jetzt zusammengearbeitet habe: Von einigen Ausnahmen abgesehen, waren sie alle bezaubernd.

    Das Problem ist nur, dass diese bezaubernden Individualisten in einem Team zusammenarbeiten müssen und zwar für mehrere Wochen, unter zum Teil sehr harten Bedingungen. Es ist also Teamfähigkeit gefragt. Und Individualismus und Teamfähigkeit sind nun mal zwei Eigenschaften, die relativ wenig miteinander zu tun haben.

    In dieser Situation ist es für den Produktionsleiter äusserst ratsam, seine eigenen Bedürfnisse, seine eigene Individualität im Job, also in seiner Funktion, zurückzunehmen. Er sollte, bei allem notwendigen Engagement für das Projekt eine eher distanziert Position einnehmen. Dadurch bekommt er einen Blick „von aussen". Das hilft, den Überblick zu bewahren und vor allem schützt es davor, sich in die verschiedensten Strömungen oder Konflikte innerhalb des Teams reinziehen zu lassen.

    Konkret bedeutet das: Ein guter Produktionsleiter ist ehrlich, fair und gerecht. Er kann zuhören und spricht auch mal ein Lob aus. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig, er ist nicht befindlich und schon gar nicht empfindlich, er fühlt sich nicht so schnell persönlich angegriffen, er ist nicht eitel oder beleidigt und er ist auch nicht nachtragend. Und ganz wichtig: Der Produktionsleiter ist gelassen und behält immer die Ruhe. Was immer für Krisen und Katastrophen passieren mögen. Und die passieren eigentlich immer. Der Produktionsleiter ist der berühmte „Fels in der Brandung".

    „Mut zur Lücke"

    Diese Qualifikation verdient eine extra Erwähnung. Zum einen, weil ich sie wirklich für elementar halte und zum anderen, weil hier schon Ungemach droht, wenn man sich darüber nie Gedanken gemacht hat.

    „Mut zur Lücke" bedeutet, dass man sich darüber bewusst ist, dass man vieles nicht kann und weiss und auch nicht können und wissen muss!

    Etwas nicht zu wissen, oder nicht zu können ist keine Schande. Gerade für einen Produktionsleiter nicht. Das liegt einfach daran, dass ein guter Produktionsleiter grundsätzlich ein Generalist und kein Spezialist ist. Er kann nicht alles wissen, braucht nicht alles wissen und sollte es daher auch gar nicht erst versuchen. Seine Aufgabe ist es, die richtigen Spezialisten um sich zu scharen, diese zu einem guten Team zusammen zu schmieden und erfolgreich durchs Projekt zu bringen. Ich sage von mir immer: „Ich habe von nichts wirklich Ahnung: von Kamera nicht, von Regie nicht, von Ausstattung nicht, von Maske nicht, von Aufnahmeleitung nicht, von Technik nicht und auch nicht von Schnitt oder Postproduktion oder irgendeinem anderen Gebiet." Das gilt selbst für Kernbereiche wie der Kalkulation und des Controllings. Auch hier weiss der Spezialist, in diesem Falle die Filmgeschäftsführung, im Detail häufig besser Bescheid als ich. Und das ist auch gut so. Dafür habe ich sie ja eingekauft.

    Folgt man dieser Argumentation, kann man sich als Produktionsleiter viel Arbeit ersparen. Folgt man ihr nicht, wird man sich zwangsläufig immer in Situationen wiederfinden, in denen man vorgeben muss, etwas zu wissen. Mal abgesehen davon, dass ich ein solches Verhalten als fragwürdig empfinde, führt es auch ganz schnell dazu, dass ich mir selbst das Leben als Produktionsleiter unnötig erschwere.

    Ein klassisches Beispiel dazu: Der Kostümbildner wurde vom Produktionsleiter gebeten, seine Teamstärke inklusive der Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten aufzulisten und das Kostümbudget zu kalkulieren. Beide treffen sich zum Gespräch. Zur Erinnerung: Generalist trifft auf Spezialist.

    Und jetzt passiert folgendes: Der Produktionsleiter schaut sich das Team an. Skeptische Blicke treffen den Kostümbildner. Der Produktionsleiter stellt Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten in Frage, vielleicht stellt er auch einzelne Positionen im Ganzen in Frage und über die Gagen muss sowieso noch mal geredet werden. Sie diskutieren. Im besten Falle einigen sie sich. Tun sie es aber nicht, wird irgendwann der Produktionsleiter das Team, die Zeiträume und die Gagen festlegen, von denen er glaubt, dass sie ausreichend sind. Er ist ja schliesslich der Chef.

    Dann geht es an die Kostümkalkulation. Die ist aus der Sicht des Produktionsleiter natürlich auch viel zu hoch. Auch hierüber wird diskutiert, vielleicht sogar im Detail und der Produktionsleiter behauptet eventuell sogar, dass es das ein oder andere Kostüm gar nicht braucht oder es sicher irgendwo billiger zu haben ist. Auch hier werden sie sich im besten Falle einigen oder aber der Produktionsleiter trifft auch hier eine einsame Entscheidung.

    Egal, ob sie sich nun geeinigt haben oder der Produktionsleiter alleine entschieden hat. Was ist in beiden Fällen passiert? Der Produktionsleiter hat die Kompetenz des Kostümbildners in Frage gestellt. Er hat behauptet, den Sachverhalt genauso oder sogar besser beurteilen zu können als der Spezialist. Und was denkt der Kostümbildner sich jetzt? „Warum habe ich mir eigentlich die ganze Arbeit gemacht? Warum hat der mich überhaupt nach den Zahlen gefragt? Wenn er es doch eh besser weiss? Soll er es beim nächsten Mal doch bitte schön selbst machen. Er hat ja anscheinend schon viele Filme als Kostümbildner gemacht!"

    Die Folgen eines solchen Gesprächs sind Frust und Misstrauen beim Kostümbildner. Einen Freund hat der Produktionsleiter dadurch sicher nicht gewonnen. Jetzt muss man sich nur vorstellen, dass der Produktionsleiter solche Gespräche auch mit vielen anderen führt. Das Ergebnis wäre eindeutig: Er hat gar keine Freunde mehr im Team. Stattdessen hat er sich ohne Not selbst konsequent in die Isolation manövriert. Da der Produktionsleiter aber das Wenigste wirklich selbst machen kann, ist er auf seine Mitarbeiter angewiesen. Man kann es auch noch überspitzter formulieren. Der Produktionsleiter ist nur so gut wie seine Mitarbeiter. Und da ist Isolation gar keine gute Idee!

    Film- und Fernsehproduktionen als Projektarbeit

    Film- und Fernsehproduktionen sind Projektarbeit. Überall in der Wirtschaft werden Projekte gemacht. Ob es nun ein Hausbau ist, eine Softwareentwicklung, ein Strassenbau, die Entwicklung eines Flugzeuges, die Mondlandung oder aber auch nur die Veranstaltung eines Betriebsfestes. All das sind Projekte. Über das Management solcher Projekte existiert ein Haufen von Literatur von klugen Menschen geschrieben. Für einen Produktionsleiter, den man auch als Projektmanager eines Filmprojektes bezeichnen kann, kann es nicht schaden, wenn er sich mit diesem Gebiet einen Moment befasst hat.

    Definition eines Projektes

    Zunächst ist es wichtig, dass man sich darüber im Klaren ist, was eigentlich ein Projekt ist. Wie für Vieles hat das Deutsche Institut für Normung auch für den Begriff „Projekt" eine Definition herausgebracht.

    Demnach ist ein Projekt nach DIN 69901 ein Vorhaben, bei dem innerhalb einer definierten Zeitspanne ein definiertes Ziel erreicht werden soll, und das sich dadurch auszeichnet, dass es im Wesentlichen ein einmaliges Vorhaben ist.

    Das gilt eben auch für Filmprojekte. Nehmen wir das Beispiel einer Auftragsproduktion eines Senders für ein 90 Minuten TV-Movie: Die Zeitspanne für die Produktionsfirma ist definiert von der ersten Idee bis zur Abgabe beim Sender. Das definierte Ziel, ist die Erstellung eines abendfüllenden Fernsehfilms. Und auch wenn die Produktionsfirma solche Filme öfter herstellt. Es bleibt doch immer im Wesentlichen ein einmaliges Vorhaben, da jeder Film anders ist.

    Projektphasen

    Projekte laufen in verschiedenen Phasen ab, auch Filmprojekte. Dies wird für viele keine neue Erkenntnis sein. Dennoch lohnt ein Blick darauf. Denn viele auftretende Probleme während eines Filmprojektes können mit diesen Phasen zu tun haben. Ein Produktionsleiter ist gut beraten, wenn er dann darauf vorbereitet ist und sich nicht von den Ereignissen überraschen lässt. An dem Beispiel des TV-Movie kann man dies deutlich machen. Ein solches Projekt kann grob in vier Phasen unterschieden werden.

    Drehbuchentwicklung | Produktionsvorbereitung | Produktion | Postproduktion

    Heisst konkret: Wenn wir ein fertiges Drehbuch haben, können wir vorbereiten. Wenn die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen sind, können wir drehen. Wenn wir gedreht haben, können wir mit der Postproduktion anfangen.

    Das fühlt sich gut an und ist ein Ablauf, dem jeder zustimmen wird, wo jeder sagen wird: „Selbstverständlich. Ist doch klar. Erst wenn die eine Phase abgeschlossen ist, fangen wir mit der nächsten an. Das ist wie beim Hausbau. Da fängt man ja auch nicht mit dem ersten Stock an, wenn der Keller noch nicht fertig ist. Und sie haben natürlich Recht und es wäre schön, wenn es in unserer Branche so wäre. Aber in der Realität ist es leider meistens anders. Im Filmbusiness wird gerne schon mal mit einer neuen Phase begonnen, obwohl die vorherige noch nicht abgeschlossen ist. Im Projektmanagement spricht man in einer solchen Situation von „Phasenüberschneidung.

    Solche Phasenüberschneidungen finden in der Filmbranche häufig statt. Der Klassiker, den ich schon oft erlebt habe, ist, dass mit konkreten Vorbereitungen angefangen wird, obwohl noch gar kein fertiges Buch vorliegt. Manche fangen sogar an zu drehen, obwohl das Buch noch nicht fertig ist! Da sagt einem der gesunde Menschenverstand doch, dass das nicht ohne Konsequenzen bleiben kann.

    Um bei dem Beispiel des Hausbaus zu bleiben: Wenn man auf einen halbfertigen Keller mit den Arbeiten am ersten Stock anfängt, kann man sich leicht vorstellen, was passieren wird. Früher oder später bekommt man erhebliche Probleme. Vielleicht bricht das Haus auch zusammen. Auch wenn Hausbauen und Filmemachen nicht direkt zu vergleichen sind und es beim Film meistens auch nicht so schlimm kommt. Am Prinzip ändert das nichts.

    Grundsätzlich gilt: Je grösser die Phasenüberschneidungen sind, desto grösser sind die Probleme und die Mehrarbeit und desto höher sind tendenziell die Mehrkosten.

    Für einen Produktionsleiter empfiehlt es sich also, wenn er einen Job angeboten bekommt, einige Fragen zu stellen wie zum Beispiel: Ist das Buch fertig? Wie viel Vorbereitungszeit ist geplant? Wann soll gedreht werden? Haben wir einen Regisseur? Haben wir die Hauptdarsteller?

    Eine durchaus realistische Antwort darauf könnte lauten: „Das Buch ist schon ziemlich weit. Aber da brauchen wir noch mindestens eine Fassung. Aber das ist kein Problem. Die Motive stehen ja schon fest. Da kann man schon mal anfangen zu suchen. Den Hauptdarsteller haben wir. Der hat allerdings im Anschluss das nächste Projekt. Deswegen müssen wir bald anfangen zu drehen. Am liebsten in vier Wochen. Deswegen muss auch schnell ein Team an den Start. Und den Regisseur haben wir auch. Der musste jetzt nur noch ein paar Tage Urlaub machen und steht ab Mitte nächster Woche voll zur Verfügung."

    Übersetzt heisst das für den Produktionsleiter: Während der gesamten Vorbereitungsphase wird noch an dem Buch gearbeitet werden. Die Entscheidungsgrundlage für alle Mitarbeiter wird sich also immer wieder ändern. Auf Grund des Termindrucks des Hauptdarstellers haben wir eine sowieso schon kurze Vorbereitungszeit, die sich zusätzlich auch noch dadurch verkürzt, dass der Regisseur eigentlich nur gut drei Wochen Zeit für die Vorbereitung hat. Also werden auch die Vorbereitungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bis zum Drehbeginn abgeschlossen sein und parallel zum Dreh weiterlaufen.

    Durch diese wenigen Informationen sind für den Produktionsleiter die Rahmenbedingungen schon klar. Er weiss schon jetzt, auf was er sich einlässt: Es wird schwierig. Es wird knirschen und es wird zusätzliches Geld kosten.

    Was macht ein Produktionsleiter jetzt mit dieser Erkenntnis? Zunächst könnte er versuchen, die Rahmenbedingungen zu ändern. Das wird aber in aller Regel nicht funktionieren. Das liegt einfach nicht in seinem Einflussbereich. Die Buchentwicklung kann er nicht beeinflussen und die Entscheidung über Hauptdarsteller und Regie ist auch nicht seine. Er könnte natürlich auch einfach den Job nicht annehmen. Das kann man sich als Produktionsleiter aber nicht immer leisten. Zudem ist das beschriebene Szenario so oder so ähnlich gar nicht so selten. Und dann hat man eben schnell gar keine Jobs mehr. Was also bleibt, ist sich darauf einzustellen.

    Zunächst mental: „Die Probleme werden kommen. Aber sie sind systembedingt. Ich als Produktionsleiter kann nur versuchen, sie zu minimieren und zu lösen, bin aber nicht der Verursacher und auch nicht Schuld daran." Das hilft schon mal. Zusätzlich aber muss er versuchen, sich im Budget für die zu erwartenden Mehrkosten finanzielle Reserven zu schaffen und zwar aus einem Grund: Wenn das Projekt abgedreht ist und Wochen später der Kostenstand auf dem Tisch liegt, wird vom Produktionsleiter erwartet, dass Geld verdient wurde. Von systembedingten Mehrkosten oder Phasenüberschneidungen oder so einem Quatsch will keiner mehr was wissen. Schon gar nicht etwas davon, dass das Buch nicht fertig war. Alles Schnee von vorgestern. Und wenn die Zahlen nicht stimmen, ist man als Produktionsleiter grundsätzlich schnell mal der Dumme.

    Projektorganisation

    Projektorganisation bedeutet nichts anderes als die Organisationsstruktur des Projektes. Genau wie jede Firma eine Organisationsstruktur hat, hat das auch ein Projekt. Die Abbildung einer solchen Struktur ist auch bekannt als Organigramm.

    Organigramme sind kein Selbstzweck. Sie dienen auch nicht der Pflege der Eitelkeiten der verschiedenen „Chefs", die dann sehen, wie viele Mitarbeiter sie haben und wie wichtig sie sind. Schon gar nicht dienen sie dazu, Hierarchien im negativen Sinne aufzuziehen. Sie sind vielmehr ein wichtiges Instrument, um Kompetenzen und Verantwortungen klar aufzuzeigen. Jeder weiss im positiven Sinne, wofür er verantwortlich ist und für was nicht und an wen er sich wenden muss, wenn er Entscheidungen oder Hilfe braucht. Zusätzlich werden durch ein Organigramm auch die Entscheidungswege klar definiert. Das hilft allen, auch dem Produktionsleiter, im Projekt effektiv zu kommunizieren. Die Organisationsstruktur eines Filmprojektes kann zum Beispiel wie folgt aussehen:

    Zunächst ist zu erkennen, dass ein Filmprojekt anscheinend eine ziemlich hierarchische Angelegenheit ist. Als ich so ein Ding zum ersten Mal erstellt habe, war ich auch erstaunt, wie viele Entscheidungsebenen so ein Filmprojekt hat.

    Ganz oben steht natürlich der Auftrageber. Der ist für den Produktionsleiter aber

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