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Savantninjas: Teil 3 - Die unheimliche Macht
Savantninjas: Teil 3 - Die unheimliche Macht
Savantninjas: Teil 3 - Die unheimliche Macht
eBook390 Seiten4 Stunden

Savantninjas: Teil 3 - Die unheimliche Macht

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Über dieses E-Book

Von einem Tag zum anderen ist auf der Erde alles anders. Demokratisch gewählte Staatschefs werden plötzlich durch autoritäre Herrscher ersetzt, die mit Notstandsgesetzen und brutaler Gewalt regieren. Gnadenlos verfolgen sie die letzten Vertreter einer freien Presse und rufen zur Hetzjagd auf alle noch unabhängigen Institutionen aus. Keiner kann ihr entkommen. Denn hinter all dem steckt eine Macht mit fast unbegrenzten Möglichkeiten. Einige aber geben nicht auf und leisten erbitterten Widerstand.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Dez. 2016
ISBN9783734584527
Savantninjas: Teil 3 - Die unheimliche Macht

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    Buchvorschau

    Savantninjas - Dirk Westphal

    Personenregister

    Elorel – Eine Außerirdische mit dunklen Absichten

    Jeffrey Tesla – Gnadenloser Chef eines Geheimbundes

    Margo Stotewskaya, Daniel Schaendler und Anna Sikorski – Drei Menschen mit übernatürlichen Kräften

    Ursula Grothkamp – Deutschlands Kanzlerin folgt einem skrupellosen Plan

    Pater Ignatius Fjodorow – Ein Geistlicher auf Himmelfahrtskommando

    Krux – Der keltische Druidenfürst rüstet sich für den finalen Kampf

    Washington D.C., Weißes Haus, Oval Office.

    Zeit, was ist schon Zeit?

    Relativ.

    Eine Illusion.

    Wie Form und Raum.

    Leere ist Form.

    Form ist Leere.

    Alle Erscheinungen sind ihrer wirklichen Natur nach leer.

    Jeffrey Tesla starrte wie hypnotisiert auf die silberfarben schimmernde Metallkugel, die in diesem Moment gegen eine Kette mehrerer exakt gleich gestalteter Kugeln stieß und ihren Bewegungsimpuls ohne sichtbaren Zeitverzug auf die Kugel am anderen Ende der Kette übertrug. Die Kugeln hingen an kleinen Fäden innerhalb eines filigranen Metallgestells, das am gegenüberliegenden Ende des Schreibtisches vor ihm stand.

    Der etwa 58-Jährige, dessen genaues Alter wegen seiner extrem athletischen Figur schwer zu schätzen war, konnte sich nicht an den Namen der Apparatur mit den Kugeln erinnern. Auch nicht daran, wer sie auf den Schreibtisch gestellt hatte. Aber musste er das überhaupt? Letztlich war es eine völlig nebensächliche Frage.

    In dem kommenden Spiel ging es um ganz andere Dinge: ums Überleben oder Untergehen. Und nach Lage der Dinge würde er nicht allzu viele Spielzüge ausüben können, da war er sich sicher.

    Rien ne va plus.

    Der Amerikaner war wenige Minuten zuvor aus einem geheimen Flur mitten in das hektische Treiben im Weißen Haus getreten und hatte für erhebliches Erstaunen und ungläubige Blicke unter den Mitarbeitern des Hauses gesorgt, die nun seine waren.

    Tesla trug über dem Kopf eine perfekt sitzende Maske, die das Aussehen Sinclair Cutters, des US-Präsidenten, imitierte. Cutter galt seit einem Anschlag, als ein auf einem Motorrad sitzender Mann mehrere Schüsse auf ihn abgegeben hatte, als tot.

    Wie konnte er also nun vor ihnen stehen, gesund und ohne die geringsten Anzeichen von Gewalteinwirkung, wo doch die halbe Welt im Fernsehen seinen Abtransport in einem Krankenwagen verfolgt hatte? Ganz wie damals, November 1963, in Dallas, als J.F.K. einem Attentat zum Opfer fiel. Elm Street reloaded.

    Tesla blickte in die Reihe ungläubiger Gesichter vor ihm. Staunende, dumme und zweifelnde. Sekretärinnen, Stabsmitarbeiter und Secret-Service-Männer.

    Doch er war auf die Situation vorbereitet. Er tischte den hochgradig irritierten Mitarbeitern des Weißen Hauses eine Geschichte auf, die sie akzeptieren mussten, und was war in solch einer Situation besser als der größtmögliche Grad an zur Schau getragener Gelassenheit? Lächelnd erklärte er ihnen, dass Cutters Tod ein einziger Fake war, nichts weiter als ein verdammter Schwindel, um Amerikas Feinde auf eine falsche Spur zu locken, eine akute Bedrohung, über die er aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht mehr erzählen dürfe könne. Lediglich die obersten Etagen der Geheimdienste seien eingeweiht gewesen, denn man habe um keinen Preis riskieren können, dass die Pläne durch ein Leck im Sicherheitsapparat bekannt würden.

    Und so standen die Trottel vor ihm. Er konnte ihnen beinahe zusehen, wie es in ihren tumben Gehirnen arbeitete. Wie ein Gedanke den anderen gab. A + B = C – konnte das sein?

    Es bedurfte einiger weiterer Bekräftigungen, bis sich die Gesichter vor ihm entspannten. Er hatte gesiegt, sie kauften ihm die Story ab, was wieder einmal bewies, dass man die unglaublichsten Dinge an den Mann bringen konnte, wenn man nur überzeugend genug auftrat. Um der ganzen Sache etwas Nachdruck zu verleihen und sie etwas zu verkürzen, setzte er eine besondere Gabe ein, von der niemand wusste. Seit Kindheitstagen konnte er Menschen allein mit der Kraft seiner Sprache von Dingen überzeugen, die sie sonst niemals akzeptiert hätten. Er machte nur selten von der Gabe Gebrauch, weil er sehen wollte, dass er beinahe ausweglose Situationen auch ohne sie meistern konnte. Aber manches Mal musste man halt auf Nummer sicher gehen.

    Die Dummen glauben am Ende selbst die unwahrscheinlichste Geschichte, wenn sie nur überzeugend genug präsentiert wird, dachte Tesla. Er saß im Oval Office hinter seinem Schreibtisch und es kümmerte ihn herzlich wenig, dass er dabei wenig präsidial wirkte, eher wie ein John-Wayne-Verschnitt aus einem frühen Western. Die Beine auf dem Tisch, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, blickte er auf das ihm gegenüber an der Wand hängende Gemälde, das einen ernsten, fast grimmig drein blickenden Abraham Lincoln zeigte.

    Er dagegen lächelte, es war alles gut gelaufen. Die Aufregung, die auf einigen Fluren des Weißen Hauses noch zu spüren war – hast du gehört, der Präsident ist am Leben, alles eine Lüge –, würde sich legen. Bald würde er auch im Fernsehen auftreten. Den raubeinigen Präsidenten geben, etwas zu laut und politicly incorrect, aber die einfachen Leuten wollten das sehen, und er würde ihnen ihre Show geben.

    Ich werde die forgotten men, die sich abgehängt fühlen vom regierenden Establishment, mit Aufmerksamkeit füttern. Seht her, ich höre euch! Tesla Lächeln hatte sich zu einem tierischen Grinsen verzogen.

    Störungen in seinem großen Plan würde es immer geben, nur durften diese nicht unkalkulierbar werden. Das konnte er sich nicht leisten, trotz ergebener Gehilfen in den höchsten Positionen von Wirtschaft, Politik und Verwaltung.

    Ein Klopfen schreckte Tesla aus seinen Gedanken hoch. Die Tür zu einem der Nebenzimmer wurde vorsichtig geöffnet. Robin Welch, seine Beraterin in Nahostfragen, lugte sondierend um die Tür. Bevor Tesla ein „Herein oder „Was gibt es, Robin? rufen konnte, hatte Welch sein Arbeitszimmer schon betreten, begleitet von zwei denkbar ernst dreinblickenden Mitarbeitern des Secret-Service, die in einem uneinsehbaren Winkel hinter der halb geschlossenen Tür gestanden haben mussten.

    Guck mal an. Offenbar hat meine Geschichte doch nicht alle überzeugt. Eine kleine Rebellion. Wie süß.

    Welch wirkte auf Tesla leicht verlegen, aber was spielte das schon für eine Rolle?

    „Robin, wie kann ich ihnen helfen?", fragte Tesla, während er die Beine vom Schreibtisch hob und seine Hose glatt strich, als hätte er die Beine nur auf den Tisch gelegt, um nach Flecken zu schauen.

    Er wusste zwar, dass der echte Sinclair Cutter, ein Südstaatler, sich im Oval Office oft ähnlich leger gegeben hatte und sich um Meinungen anderer nie große geschert hatte. Aber ihn störte es, in solcher Haltung von Secret-Service-Leuten gesehen zu werden. Untergebene durften niemals durch eine allzu laxe Haltung ihres natürlichen Anführers von ihrem Glauben an diesen abgebracht werden.

    Welchs dunkelrot geschminkter Mund entließ eine ganze Frachtpalette von Worten -„Überprüfung", „nationale Sicherheit", „Notwendigkeit" usw.usf. – doch Tesla nahm das Plappern nur als diffuses Hintergrundrauschen wahr, von dem nur wenige Worte bis zu ihm durchdrangen. Sie materialisierten in seinem Kopf wie kleine Ballons aus einem namenlosen Nichts, um kurz danach auf ähnlich geheimnisvolle Weise wieder zu verschwinden.

    Warum um Gottes willen konnte diese Frau nicht einfach schweigen; was musste sie sich immer um Dinge kümmern, die außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches lagen und ihren kleinen beschränkten Geist überforderten? Was für ein kleines übereifriges Mädchen.

    Spürst du denn deine Zerbrechlichkeit nicht, Kind?

    Tesla ließ Welch noch weitere zwei Minuten reden, während er die Schuhe der Secret-Service-Männer eingehend musterte, was unsichere Charaktere noch unsicherer werden ließ. Eine von vielen kleinen Übungen, die, betont beiläufig dargeboten, Lakaien noch mehr Schweiß auf den Rücken zauberte, als sie ohnehin schon ausstießen. Sollten sie nur zappeln diese Dummköpfe und sich fragen, was später auf sie zukam.

    Schließlich unterbrach er Welch mit einem lauten Räuspern, steil hoch gezogenen Augenbrauen, und ergriff das Wort. Er nutzte dabei erneut seine Para-Gabe des Zuredens.

    „Liebe Robin, und die Herren vom Secret Service, ich verstehe ihr Erstaunen und dass manch einer von ihnen irritiert ist, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Der Feind schläft nicht, und wir dürfen es auch nicht. Also lassen Sie uns an die Arbeit geben. Jetzt. Dies hat Vorrang vor allem anderen." Die letzten Worte hatte Tesla mit besonderem Nachdruck betont.

    Es wirkte. Welchs Begleiter nickten einander puppenhaft zu, dann drehten sie sich um und verließen das Office mit mechanisch staksenden Bewegungen. Nur Welch, die ihn ungläubig anstarrte, brauchte offenkundig eine Extraeinladung.

    „SIE DÜRFEN NUN AUCH GEHEN, ROBIN. ES IST ALLES GUT. Haben Sie verstanden? Alles ist auf e-i-n-e-m g-u-t-e-n Weg."

    Welch fasste sich an die Schläfen, von denen ein leichtes Pochen ausging. Cutters Worte drangen wie durch Watte in ihr Bewusstsein – „..auf einem guten Wege".

    „Alles … gut. Ja, natürlich."

    Was ist nur mit mir los? Es ist doch offensichtlich, dass Sinclair am Leben ist. Habe ich sein Vertrauen enttäuscht, warum hatte ich Zweifel, hatte sich Zweifel?

    Die Expertin für Nahostfragen erinnerte sich daran, dass der Präsident ihr bereits einmal vorgeworfen hatte, ihm nicht zu vertrauen, obwohl es dabei um ihr Privatleben gegangen war. Sie hatte sich Eizellen entnehmen lassen, um noch in reiferen Jahren, wenn sie Karriere gemacht hatte, Kinder bekommen zu können. Der Präsident hatte davon irgendwie erfahren und daraus eine persönliche Angelegenheit gemacht. Was war daraus geworden? Sie konnte sich nicht erinnern.

    Sich immer noch die Schläfe reibend drehte auch Welch sich nun puppengleich um und verließ schweigend das Oval Office.

    Mit einem leisen Klicken schloss sich die Tür hinter ihr.

    Jeffrey Tesla blickte wieder zu der ihm gegenüberliegenden Wand mit dem Porträt Lincolns. In seiner Fantasie verzog sich das vollbärtige Gesicht Lincolns zu einem hämischen Grinsen. Ihr könnt es alle nicht so gut wie ich. Versager, die ihr seid …, schien Lincoln zu denken. Aber sollte der Alte doch denken, was er wollte, er hatte nicht mehr das Sagen.

    Tesla betrachtete nachdenklich den Schreibtisch, der schon so vielen Präsidenten gedient hatte. Es gab einige Legenden über den Tisch, die auch mit Freimaurern in Zusammenhang standen, aber er kannte keine Details. Vermutlich waren es Fantastereien wie so vieles in den Gedanken der Menschen. Sie verweilten lieber in Märchenwelten, anstatt sich den eigentlichen Wundern zu stellen. Aber wie sollten Blinde das auch leisten?

    Er würde die Unwissenden und Nicht-Sehenden in ein neues goldenes Zeitalter führen, ihnen das Gefühl von Gemeinschaft geben. Es war wichtig in einer Welt ohne Orientierung, die nur auf Konsum wert legte.

    Das Gefühl zu etwas Größerem zu gehören, bedeutete Menschen viel, die mit abstrakten Dingen wie Demokratie nichts anfangen konnten. Tesla wollte es ihnen geben. Lagerfeuerromantik oder was auch immer. Er lächelte. Er würde den Menschen ein neues Zugehörigkeitsgefühl geben. Das hätte auch Lincoln gefallen. Ganz sicher.

    Tesla stand auf, ging einige Meter durch das Oval Office, warf einen Blick über die Schulter, bis er sicher war, nicht gesehen zu werden. Dann drückte er mit dem Daumen auf einen kaum sichtbaren Punkt an der Wand, woraufhin sich eine Tür öffnete, die auf den ersten Blick kaum als solche zu erkennen war. Die gestreifte Wandtapete, die das Büro auskleidete, befand sich auch auf der Tür und machte diese daher fast unsichtbar, sah man einmal von dem winzigen Schlitz der Fugen ab, der einem nur auffiel, wenn man direkt davor stand.

    An der Innenseite des Türfurniers war ein mannshoher Spiegel befestigt. Tesla warf einen prüfenden Blick auf sein Erscheinungsbild als Sinclair Cutter. Es entsprach seinen Erwartungen.

    Er trug leichte Absatzschuhe, die ihm die Größe Cutters verliehen. Unterhalb der auch den gesamten Hals abdeckenden Maske war zudem auf Höhe des Kehlkopfes ein hochmoderner Stimmensimulator-Chip installiert, der exakt Cutters rüden Südstaatendialekt imitierte. Weshalb also sollte eine kleine unscheinbare Büromaus wie Welch noch länger irgendwelche Zweifel an seiner Wiederauferstehung hegen? Es gab keinen Grund.

    „Kleines dummes Nüttchen. Was bildest du dir nur ein? Muss Onkelchen dich denn erziehen? Glaub mir, das willst du nicht", flüsterte er. Die Worte verhallten ungehört.

    Teslas alias Sinclair Cutters Gesichtszüge wechselten von einem Grinsen zu dem Aussehen eines harten, zu allem entschlossenen Mannes.

    Er musste in Kürze die Stabschefs der Teilstreitkräfte zu sich rufen. Alles schrie geradezu nach einer Militäroperation, die seine Führungsstärke nach außen hin unterstreichen und Zweifler in den eigenen Reihen verstummen lassen würde. Aber so dringend die Zusammenkunft mit den Generälen auch geboten war, sie rangierte erst an zweiter Stelle. Zunächst einmal musste er sich um die Fremden kümmern. Er wusste nicht, woher sie gekommen waren oder wann er sie zum ersten Mal getroffen hatte. Er erinnerte sich nur daran, dass es an einem Sommertag gewesen war.

    Die Sonne brannte heiß von einem azurfarbenen Himmel herab. Von irgendwoher erklang Vogelgezwitscher und über ihm wölbte sich das ausgreifende Astgewirr eines sehr alten Apfelbaumes, dessen Blätter und Zweige ein kühlendes schattiges Dach über ihm ausbreiteten.

    Tesla saß in dem kniehohen Gras unterhalb des Baumes und beobachtete den Flug eines Bienenpaares, das über kniehohe Grashalme hinwegschwirrte und dem süßlichen Geruch Nektar verheißender Blüten folgte. Eine der beiden Bienen wurde plötzlich auf ihn aufmerksam und ging in eine verwegene Rechtskurve über. Sie hielt direkt auf ihn zu und umkreiste dann seinen Kopf. Zunächst noch in einer respektvollen Kreisbahn, dann aber auf einer immer enger werdenden Ellipse. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das kleine sture Biest mit seiner Nase oder einem Ohr kollidieren würde. Sie war verdammt schnell.

    Er fuchtelte genervt mit den Händen durch die Luft, aber das Insekt zeigte sich davon völlig unbeeindruckt. Tesla hatte sogar das Gefühl, dass jede Form der Abwehr den fliegerischen Ehrgeiz des Tieres sogar anstachelte. Schließlich kam es ihm so nah, dass er das sonore Brummen der winzigen Flügel dann am lautesten hörte, wenn es wie ein rasender Sputnik über seine Ohrmuschel hinwegrauschte.

    Bsss.Bsss.

    Na, komme schon, warte nur, bis ich …

    BSS.BSS.BSS.

    Das kleine Mistviech war doch glatt auf seinem rechten Ohr gelandet. The eagle has landed.

    Tesla holte zum alles entscheidenden Schlag aus, doch dann …

    Wie aus dem Nichts erschien über der sich vor ihm ausbreitenden Wiesenlandschaft eine neblige Wolke, aus der eine Gruppe silbern schimmernder schemenhafter Gestalten trat, deren Umrisse merkwürdig diffus blieben. Mal schienen sie gegenständlich, dann wieder zerflossen ihre Formen, als wollten sie sich die Fremden auflösen.

    Die Unbekannten nannten sich Gibb. Wenn ihre Konturen etwas schärfer hervortraten, glaubte Tesla, um ihre Körper herum Gurte zu erkennen, an denen futuristische Geräte hingen. Er vermutete, dass es sich dabei um Waffen oder andere Apparaturen handelte.

    Ihre Sprache, einer der Fremden hatte sich mittlerweile an die Spitze der Gruppe gestellt, klang fremdartiger als alles, was Tesla je zuvor gehört hatte und dennoch verstand er sie zu seinem eigenen Erstaunen.

    „Ich bin Qaishen, der … Führer der Gibb. Wir sind an Deinem Fortkommen interessiert, deshalb sind wir hier. Nun höre uns zu …"

    Eine Stunde später saß Tesla wieder im Oval Office, vor ihm auf dem Schreibtisch das Pendelspiel mit den silbern glitzernden Metallkugeln. Vorsichtig hob er eine der Kugeln an, dann ließ er sie gegen die anderen stoßen. Fasziniert betrachtete er die Schwingbewegungen.

    Klack. Klack. Klack.

    Hihi. Wie schön es doch war, nichts zu tun und sich einfach nur treiben zu lassen. Ungestört von lästigen Gedanken oder penetranten Schwachmaten.

    Er sah nicht, dass ihn zwei Secret-Service-Mitarbeiter, ein untersetzter Kerl mit dunkler Brille und eine zwei Köpfe kleinere Blondine mit Pferdeschwanz, durch das Fenster vom Rose Garden aus beobachteten. Der stämmige Typ schüttelte amüsiert den Kopf.

    Tesla weilte in Gedanken ganz woanders. Die Fremden waren seine Förderer und meinten es gut mit ihm, hätten sie ihn sonst aufgesucht und das Gespräch gesucht? Niemals.

    Obwohl ein diffuses Gefühl ihn davor warnte, den Gibb zu sehr zu vertrauen.

    Sie stellten das Fremdartigste dar, das er sich vorstellen konnte und entzogen sich auf rätselhafteste Art jeder eingehenden Beschreibung. Sie ähnelten keinen wirklich lebenden Wesen, viel mehr Schemen, die nach Belieben kamen und verschwanden und die weder richtige Gesichter noch Gliedmaßen zu haben schienen. Immer wenn er einen von ihnen näher betrachten wollte, wurden dessen Umrisse unklar.

    Tesla sprach die Fremden bei einem späteren Treffen darauf an. Natürlich hatten sie auch dafür eine Begründung parat. Sie wollten sich ihm nicht in ihrer realen Gestalt zeigen, weil ihr wahres Aussehen seinen Verstand überfordere. Dennoch habe man nach eingehender Prüfung ihn auserwählt, um das Licht auf die Welt zu tragen.

    Bolivien.

    Daniel Schaendler befand sich in einer 2,40 Meter mal 1,20 Meter großen Zelle. Unruhig wälzte er sich auf der Pritsche mal auf die linke Seite, dann wieder auf die Rechte.

    Ich muss Ruhe finden, wenn ich unsere Flucht überstehen will.

    Schaendler dachte an seine Freundin Margo, die ein paar Zellen weiter einquartiert war, so wie ihre gemeinsame Freundin Anna.

    Seit ungefähr zwei Monaten – das Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen so wie seine Armbanduhr – wurden sie der Besserungsanstalt gefangen gehalten, die zu einer von Jeffrey Teslas berüchtigten Colonias gehörte. Umerziehungslager hätte es besser getroffen, dachte Schaendler.

    Seit Stunden versuchte er einzuschlafen, aber es wollte sich einfach kein Müdigkeitsgefühl einstellen. Der filzigen Decke, unter die er gekrochen war, gab er daran einen Teil der Schuld. Das Ding kratzte auf der nackten Haut wie ein ausgefranster Kartoffelsack, zumindest stellte er sich vor, dass der sich so anfühlen musste.

    Immer wieder rezitierte Daniel in Gedanken eine Art Mantra, das ihm als Kind immer geholfen hatte einzuschlafen, wenn er plötzlich mal wieder aufgewacht war, weil er in einem Albtraum von einem Haus gestürzt war. Bis er eines Tages – ebenfalls im Traum – feststellte, dass er nicht starb und so gut wie unsterblich war. Von da an kam der Traum nie wieder. Aber seine Einschlaftechnik behielt er. Relax, Relax hämmerte er sich dann ein, so wie jetzt in der Zelle, darauf hoffend, dass die Augenlider einem geheimnisvollen Mechanismus folgend zuklappten, aber der wohlig schwere Mantel herbeigesehnter Mattigkeit blieb eine Hoffnung. Stattdessen hämmerten die Bilder der vergangenen Tage durch seinen Kopf.

    Unzählige Male waren sie zu einem Verhör gebracht worden. Von Männern mit dunklen Kapuzen und stets den selben Fragen:

    Warum habt ihr euch gegen uns gestellt? Wer hat euch dazu gebracht? Habt ihr Komplizen? Wenn ja: Wo sind diese? Und so weiter und so fort.

    Natürlich beschäftigte sich das Unterbewusstsein mit den Ereignissen, selbst wenn er bewusst gar nicht an die Verhöre dachte. Warum also wunderte er sich darüber, dass er nicht einschlafen konnte?

    Daniel drängte die Erinnerungen beiseite. Eine Spinne hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie baumelte an einem dünnen Faden, der seinen Ausgangspunkt an der Zellendecke hatte, nur wenige Zentimeter vor seinem Kopf, verharrte kurz, als ob sie seinen Blick erwiderte, und spulte sich dann weiter an dem Faden ab.

    Die Spinne hatte ihm einiges voraus. Sie konnte sich als frei bezeichnen. Ob sie sich dessen bewusst war?

    In einer Stunde erfolgt der morgendliche Weckruf zum Waschen. Aber den werden wir nicht mehr erleben, wenn alles glatt geht.

    Schaendler wandte seinen Blick von der Spinne ab. Stattdessen musterte er die von zahllosen Graffiti ehemaliger Insassen übersäte Zellenwand. In die kreidige Deckschicht geritzte Kerben. Zeichen der Tage, Wochen oder Monate unfreiwilligen Aufenthalts in diesem elenden Verließ. Umkränzt von krakeligen Zeichen, Buchstaben und Worten, die mitunter keinerlei Sinn ergaben. Als hätte ein Kind zu schreiben versucht, in einem Moment der Langeweile oder einem frühen Akt aufkommender Kreativität. Ein Galgen war darunter, auch mehrere Kreuzsymbole. Hatten einige an diesem Ort Abschied nehmen wollen? Daniel registrierte, wie sich die kleinen Härchen auf seinen Armen aufstellten. Dieser verflixte Ort war eine Vorhölle.

    Genau auf seiner Kopfhöhe prangte das abstrakte Symbol eines Fisches, in die Wand geritzt mit irgendeinem spitzen Gegenstand, vielleicht einem Löffel oder einer Gabel, wer konnte das schon sagen? Das Mitnehmen von Geschirr aus dem Speisesaal wurde hart bestraft, hatte es dennoch jemand gewagt?

    Der Graffiti-Fisch erinnerte Daniel an die Symbole der frühen Christen, die im ersten und zweiten Jahrhundert nach Jesus Tod vor ihren Verfolgern in den Katakomben Roms Zuflucht gesucht hatten. Das Symbol war ihr Erkennungszeichen. Was für eine absurde Situation, ihren Aufenthalt in der Colonia mit dem der Christen in Roms Untergrund zu vergleichen, dachte Daniel, der den Gedanken an Schlaf endgültig aufgegeben hatte. Er wälzte sich auf die andere Seite, nebenbei registrierend, dass die Spinne samt Faden verschwunden war.

    Die Holzpritsche, auf der Schaendler lag, reichte fast von einem Ende der Zelle bis zum anderen. Lediglich zwischen dem Fußende der Pritsche und der Zellentür befand sich ein kleiner Freiraum, in dem ein Eimer stand, der von anderen Insassen vor ihm wohl zur Notdurft verwendet worden war. Das jedenfalls schloss Schaendler aus den bräunlichen Resten einer festgebackenen Kruste von Exkrementen an der Innenseite des Eimers.

    Er bevorzugte es, die richtigen Toiletten an der Außenseite des Zellentraktes aufzusuchen, wozu er jedes Mal einen der Wachmänner rufen musste, die in unregelmäßigen Abständen über die Flure patrouillierten. Sie begleiteten ihn dann nach draußen, immer penibel darauf achtend, dass die für den Toilettengang vorgesehene Zeit von maximal fünf Minuten nicht überschritten wurde.

    Die Lagerleitung hatte gedacht, ihn, Anna und Margo zu brechen, als sie sie eine Woche zuvor unangekündigt vom Gemeinschaftsschlafsaal zu den Einzelzellen bringen ließ. Sie würde früh genug erfahren, dass dem nicht so war.

    Schaendler ballte seine Hände unter der Filzdecke zu Fäusten und schloss die Augen. In Kürze würde einer der Wachmänner, die Visite war überfällig, einen Blick in die Zelle werfen und dazu das Licht anknipsen. Dann musste er Schlaf vortäuschen. Und wenn alles gut ging …

    Drei Stunden später.

    Anna Sikorski, Daniel Schaendler und Margo Stotewskaya blickten auf die vor ihnen liegende Hochebene aus Abermilliarden feinster weißer Kristalle, die das Sonnenlicht brutal reflektierten. Sie konnten kaum glauben, was sie da sahen. So weit der Horizont auch reichte, nichts als Weiß. Allenfalls ganz am Ende, wo der Himmel die Erde zu berühren schien, die vage Andeutung eines ockerfarbenen Bandes. Als hätte der Allmächtige über der Gegend eine Packung Lenor Ultra White ausgeschüttet, um sie von allem Dunklen zu befreien. Zurückgeblieben waren Myriaden kleinster Salzteilchen. Der größte Salzsee der Welt – der Salar de Uyuni. 10.000 Quadratkilometer groß und in 3500 Meter Höhe gelegen. Den Namen hatte der See von der angrenzenden Stadt Uyuni, die den Ausgangspunkt für viele Reisen von Touristen in dieser Region bildete und die die unterschiedlichsten Arten von Abenteurern und Aussteigern anlockte, die in diesem Nirgendwo ein Irgendwo für sich suchten. Genauso gut hätten sie eine Flucht durch das Death Valley wagen können, dachte Daniel. Hatten sie sich verkalkuliert? Er versuchte, die Wahrscheinlichkeit für ein Gelingen ihrer Flucht in eine mathematische Formel zu bringen, ohne dass seine Begleiterinnen ihm dies gleich ansahen, weil sich auf seiner Stirn mal wieder grüblerische Falten bildeten, die immer dann in Erscheinung traten, wenn er Berechnungen anstellte, die für andere Menschen kaum nachvollziehbar waren, denn er war auf dem Gebiet ein Genie. Nach wenigen Sekunden ließ er von dem Vorhaben ab. Es gab zuwenig feste Variablen, um daraus verlässliche Schlüsse ziehen zu können.

    Daniel rief sich in Erinnerung, was er über die Gegend in dem Lager aufgeschnappt hatte, wenn sich ihre Mitinsassen beim Mittagessen unterhalten hatten. Es war nicht allzu viel, aber besser als nichts. Der See, der die schiere Masse von zirka zehn Milliarden Tonnen Salz umfasste, bildete einen der unwirklichsten Plätze der Erde. An seinem Ufer gab es einen verlassenen Eisenbahnfriedhof mit mehr als 100 Jahre alten Waggons und Lokomotiven, ein vollständig aus Salz errichtetes Hotel, das als Touristenmagnet fungierte, sowie den Vulkan Tunupa. Das war es dann aber auch schon mit den Besonderheiten.

    Aus genau diesem Grund hatte Jeffrey Teslas Organisation dort auch das Lager eingerichtet, in dem die sie mehrere Wochen interniert worden waren: die Colonia Tolstoi. Ein Ort, der auf keiner Karte der Welt verzeichnet war. Eine Ansammlung erdfarben angestrichener Baracken, die sich kaum von der Umgebung abhob, oder: ein Umerziehungslager für besonders schwere Fälle, wie es Tesla nannte, das wussten sie von den Wächtern.

    Mit den besonders schweren Fällen waren Mitarbeiter seiner Organisation gemeint, die irgendwann nicht mehr das gemacht hatten, was er von ihnen erwartete. Um die Abweichler kümmerte sich in der Colonia Tolstoi Personal, das in jedem Folterfilm eine gute Figur abgegeben hätte.

    Auch Anna Sikorski, Daniel Schaendler und Margo Stotewskaya waren auf Geheiß Teslas in das Lager gebracht worden, um wieder für die Zwecke des Geheimbundes nutzbar gemacht zu werden. So hatte es ihnen die Leitung der Colonia kurz nach der Einweisung in das Lager erklärt, als sie aus dem langen Schlaf erwacht waren, in dessen sich quälend langsam dahin ziehenden Stunden sie von Deutschland nach Südamerika entführt worden waren.

    Es hatte nicht lange gedauert, bis sie erfuhren, was die Lagerleitung unter Nutzbarmachung verstand.

    Sie alle drei, die alle über besondere Gaben verfügten, wurden einer Gehirnwäsche unterzogen, deren Methoden gut und

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