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Luca, seine Colitis und ich: Eine Heilreise
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Luca, seine Colitis und ich: Eine Heilreise
eBook246 Seiten3 Stunden

Luca, seine Colitis und ich: Eine Heilreise

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Über dieses E-Book

Autoimmunkrankheiten, wie die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, treten immer häufiger auf, insbesondere in der industrialisierten westlichen Welt. Neben einer genetischen Prädisposition rückt die Rolle, die Ernährung und Lebensführung als krankheitsverursachende Faktoren spielen, immer mehr in den Vordergrund. Diese Aspekte stellen Stellschrauben dar, an denen wir drehen können, um unsere Gesundheit wieder zu erlangen. Trotzdem gelten CED in der sogenannten evidenzbasierten Medizin als chronisch und unheilbar.
Nach der Colitis-ulcerosa-Diagnose ihres Sohnes erkennt die Autorin schnell, dass die konventionelle Medizin dem schwerkranken 16-Jährigen außer einer medikamentösen, rein symptomatischen Therapie nichts zu bieten hat. Deshalb nimmt sie die Behandlung seiner Colitis und einer damit einhergehenden Kontaminationsphobie selbst in die Hand.
Als Team machen sich ihr Sohn, ihr Partner und sie gemeinsam auf den steinigen Weg seiner Heilreise und sie beschließt, ihm ihr eigenes Rezept zu schreiben. Darauf stehen neben der Speziellen Kohlenhydrat-Diät SCD und der GAPS-Diät vor allem ihre bedingungslose Liebe und das Recht ihres Sohnes auf Selbstverwirklichung, absolute Selbstfürsorge und ein authentisches Leben.
Mit viel Entschlossenheit und Geduld gelingt es ihnen, sich nicht von Rückschlägen entmutigen zu lassen und den Selbstheilungskräften seines Körpers zu vertrauen. Heute gehören die Colitis und die mit ihr zusammenhängende Angststörung der Vergangenheit an und Luca lebt symptomfrei und ohne die lebenslange Einnahme von Medikamenten mit schwerwiegenden Nebenwirkungen.

Dieser Erfahrungsbericht ist der persönlichste Teil einer Trilogie, die Carola Gotta zum Thema SCD bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen geschrieben hat. Ein vielschichtiges, ehrliches und bewegendes Buch, das Hoffnung gibt, Mut macht und einen neuen Blick auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen ermöglicht.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum10. Mai 2022
ISBN9783347606081
Luca, seine Colitis und ich: Eine Heilreise

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    Buchvorschau

    Luca, seine Colitis und ich - Carola Gotta

    Einleitung

    Manchmal brauchen unsere Kinder uns dann am meisten, wenn wir eigentlich schon damit gerechnet haben, dass sie so langsam ihre eigenen Wege gehen und wir uns wieder vermehrt unseren persönlichen Bedürfnissen zuwenden können. Diese Erfahrung machte ich, als bei meinem 16-jährigen Sohn Luca eine Colitis ulcerosa diagnostiziert wurde und ich gerade dabei war, wieder in das Berufsleben einzusteigen. Lucas schwere Krankheit warf mich nicht nur in dieser Hinsicht komplett aus der Bahn, sondern brachte mich auch psychisch und emotional an meine Grenzen. Dabei war es noch nicht einmal die Krankheit selbst, die mir so sehr zu schaffen machte, sondern es waren die pessimistischen Prognosen von Vertretern der Schulmedizin und die damit hervorgerufenen Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Angst.

    Am Anfang glaubte ich alle Informationen, die Schulmediziner und die Pharmaindustrie über die angebliche Unheilbarkeit der Colitis ulcerosa verbreiten. Ich war davon überzeugt, dass es tatsächlich keine andere Option für Patient*innen gibt als die lebenslange Einnahme von Medikamenten, die mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind. Vor meinem geistigen Auge sah ich den Krankheitsverlauf meines Sohnes bereits vorgezeichnet – eine mit sehr viel Leid verbundene Abwärtsspirale, die möglicherweise mit der Entfernung seines Dickdarms und einem künstlichen Darmausgang enden würde. Aber was, wenn dies alles gar nicht stimmte und es auch einen anderen Weg als den der Schulmedizin gab?

    Heute kommt es mir wie eine Fügung Gottes vor, dass ich im Internet auf die Webseite der Biochemikerin, Zellbiologin und engagierten Mutter Elaine Gottschall stieß und dort von der „Speziellen Kohlenhydrat-Diät" (Specific Carbohydrate Diet, kurz SCD) erfuhr. Diese Eliminationsdiät hatte Ende der 1950er Jahre Gottschalls achtjährige Tochter Judy, die an einer schweren Colitis ulcerosa erkrankt war, vor der Entfernung ihres Dickdarms bewahrt. Entwickelt hatte diese Diät der New Yorker Kinderarzt Dr. Sidney V. Haas. Er war der fünfzehnte Arzt, den die Gottschalls mit ihrem schwer kranken Kind aufsuchten, und er war der erste, der danach fragte, was Judy eigentlich aß. Die Gottschalls stellten die Ernährung ihrer Tochter gemäß der SCD um und Judys Heilung konnte beginnen.

    Tausenden Patient*innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und anderen Leiden ist es gelungen, ihre Gesundheit mit Hilfe der SCD wieder zum Guten zu wenden. Trotzdem gilt die Ernährung unter Schulmedizinern noch immer als ein zu vernachlässigender Faktor, sowohl was die Entstehung als auch die Behandlung dieser Erkrankungen angeht. Das ist ein Grund, warum Patient*innen diese diätetische Intervention in der Regel nicht als Behandlungsoption angeboten wird. Ein weiterer liegt ganz sicherlich darin, dass die Pharmaindustrie kein Geld damit verdienen kann.

    Als Luca und ich uns dazu entschlossen, seine Behandlung selbst in die Hand zu nehmen und die SCD auszuprobieren, machte ich seine Genesung zur allerersten Priorität in meinem Leben. Es dauerte etwa eineinhalb Jahre, bis seine Colitis-Symptome (häufige schleimige Durchfälle mit Blutbeimengungen und erhebliche Schmerzen in den aktiven Krankheitsphasen) ganz verschwunden waren. Lucas Medikamente setzten wir einige Monate nach seiner Diagnose ab, weil sie nicht nur wirkungslos waren, sondern auch zu zahlreichen Nebenwirkungen führten.

    Lucas Heilreise war anstrengend und es kam immer wieder zu Rückschlägen, die uns an der Wirksamkeit unserer Behandlungsmethode zweifeln ließen. Zudem litt Luca unter einer Kontaminationsphobie, die seine Heilung erschwerte. Trotzdem gaben wir die Hoffnung nicht auf und machten weiter. Für mich wurde Lucas Krankheit zur größten Herausforderung meines Lebens, aber es gelang mir, sie als Chance für mein inneres Wachstum zu nutzen. Auch für Luca war seine Heilreise mit einem enormen inneren Reifungsprozess verbunden.

    Luca ist seit über vier Jahren symptomfrei und erfreut sich guter Gesundheit. Eine Ernährung gemäß der SCD bzw. der mit ihr verwandten GAPS-(Gut and Psychology Syndrome)-Diät ist für ihn völlig normal geworden. Seine Gesundheit ist das größte Geschenk für mich und macht mich täglich dankbar und glücklich. Ich habe erfahren, was es bedeutet, einen Menschen bedingungslos zu lieben, und vielleicht ist die bedingungslose Liebe die wirksamste Medizin überhaupt.

    Unser Heilerfolg und der zahlreicher anderer Patient*innen zeigen, dass es eine Alternative zu den medikamentösen und rein symptomatischen Behandlungsmethoden der Schulmedizin gibt. Die Wirksamkeit der SCD bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen konnte inzwischen mehrfach wissenschaftlich belegt werden. In den USA wird sie bereits in einigen Kliniken zur Behandlung von Patient*innen mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eingesetzt. Wegweisend ist hier eine der führenden Kinderkliniken, das Seattle Children's Hospital.

    Es ist zu hoffen, dass der sich abzeichnende Paradigmenwechsel in den USA auch Einfluss auf die schulmedizinische Therapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Deutschland haben wird. Momentan ist es jedoch eher eine Glückssache, dass Patient*innen auf die SCD stoßen und mit ihrer Hilfe ihre Krankheit umkehren.

    Mit diesem Erfahrungsbericht möchte ich dem Zufall etwas nachhelfen und Patient*innen auf ihrer ganz persönlichen Heilreise unterstützen.

    Hintergrund

    Während chronisch-entzündliche Darmerkrankungen noch vor 50 Jahren zu den seltenen Krankheiten gehörten, sind heute, insbesondere in der hoch industrialisierten westlichen Welt, immer mehr Menschen davon betroffen, und die Tendenz ist steigend. In Deutschland leiden mindestens 400 000 Menschen an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED). Auf 100 000 Einwohner kommen circa sechs Menschen mit Morbus Crohn und vier mit Colitis ulcerosa.

    Die allgemeine Gesundheit und die Lebensqualität der Betroffenen leiden stark unter diesen schwerwiegenden und zermürbenden Krankheiten, die in der Regel mit Mangelerscheinungen und Gewichtsabnahmen einhergehen. Die Patient*innen fühlen sich matt und elend, leiden häufig auch unter Depressionen und sind oftmals nicht mehr in der Lage, am sozialen Leben teilzunehmen oder einen Arbeitsalltag zu bewältigen. Dies ist besonders tragisch, weil chronisch-entzündliche Darmerkrankungen häufig zum ersten Mal zwischen dem 16. und 24. Lebensjahr auftreten.

    Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen verlaufen in Schüben. Bei der Colitis ulcerosa (geschwürige Dickdarmentzündung) kommt es in den akuten Phasen zu häufigen blutigen Durchfällen mit Schleim und Eiter, begleitet von Schmerzen und Krämpfen. Manche Patient*innen verlieren in den akuten Krankheitsphasen so viel Blut, dass sie regelmäßig Bluttransfusionen benötigen. In den sogenannten Remissionsphasen treten die Symptome nur schwach oder gar nicht auf.

    Ein wichtiger Teil der CED-Therapie besteht darin, die Remissionsphasen möglichst lange andauern zu lassen. Dafür verschreiben Ärzte in der Regel Mesalazin. Bei einem akuten Schub kommen zur Unterdrückung der Symptome und des Immunsystems gegebenenfalls auch noch weitere entzündungshemmende Medikamente wie Kortison oder Immunsuppressiva hinzu.

    Aus schulmedizinischer Sicht gilt die Colitis ulcerosa als chronisch und unheilbar. Als Ursache für ihre Entstehung werden genetische Faktoren sehr stark in den Vordergrund gestellt. Für Betroffene ist die Erkrankung in der Regel mit der lebenslangen Einnahme von Medikamenten verbunden. Da es bei den meisten Patient*innen im Lauf der Zeit zu einer Verschlimmerung der Symptome kommt, entsteht die Notwendigkeit, zu stärkeren Medikamenten oder anderen Medikamentengruppen überzugehen, die jedoch auch mit noch massiveren Nebenwirkungen verbunden sind. Von Vertretern der Schulmedizin wird überdies behauptet, die Colitis ulcerosa sei nur durch eine komplette Entfernung des Dickdarms heilbar, die mit einem künstlichen Darmausgang und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Stigma einhergeht.

    Obwohl die schulmedizinischen Medikamente durchaus ihre Berechtigung haben, sollten sie wegen der damit verbundenen Nebenwirkungen nicht über längere Zeiträume eingenommen werden. Hinzu kommt, dass diese Medikamente nur die Symptome behandeln, während sie die eigentlichen Krankheitsursachen unberücksichtigt lassen. Für die Patient*innen ist es daher ratsam, sich um Alternativen zur Behandlung ihrer Erkrankung zu bemühen.

    Von den meisten Schulmedizinern wird leider immer noch behauptet, dass die Ernährung und die Lebensführung keinen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen haben. Wissenschaftliche Studien und die persönlichen Erfahrungen zahlreicher Betroffener beweisen jedoch das Gegenteil.

    1

    Zeit der Ungewissheit

    Du kommst herein,

    und die Sonne geht auf.

    Ich liebe Dich,

    bis zum Mond und zurück.

    Du bist alles für mich,

    Du bist mein ganzes Glück.

    Februar 2017

    Ich schaue mir ein gerahmtes Foto von Luca an, das neben mir auf dem Nachttisch steht. Es zeigt ihn im Alter von vier Monaten. Mit großen, blauen Augen fixiert er mich. Sein Blick ist ganz offen und voller Vertrauen – ein Blick, wie ihn nur ein Baby haben kann. Ich erinnere mich daran, wie er zum ersten Mal nach seiner Geburt die Augen öffnete und mich ausgiebig anschaute. „Aha, so siehst du also aus", schien er zu sagen. Ein Fenster zu seiner Seele hatte sich für mich aufgetan und ich spürte, wie meine Augen feucht wurden.

    In der letzten Zeit sehe ich mir das Foto oft an. Ich kann diesem Blick einfach nicht ausweichen. Manchmal kann ich dabei meine Tränen nicht unterdrücken. Dieser offene, unschuldige Blick; die riesige Verantwortung, die ich auf mir spüre und die grenzenlose Liebe, die ich für meinen Sohn empfinde. Habe ich alles richtig gemacht? Hätte ich ihn irgendwie vor seiner Krankheit bewahren können? Heute ist Luca 16 1/2 Jahre alt. Seit drei Monaten wissen wir, dass er unter Colitis ulcerosa, einer geschwürigen Dickdarmentzündung, leidet.

    Es begann im Sommer letzten Jahres. Eigentlich. Aber natürlich begann die Krankheit schon wesentlich früher, doch wann alles seinen Lauf nahm, kann niemand genau sagen. Ende Juni flogen wir nach Frankfurt, um meine Mutter zu besuchen. Luca hatte sich schon lange auf unseren Urlaub gefreut. Sechs Wochen Zeit, um bei hochsommerlichen Temperaturen mit seinen Freunden Fußball zu spielen. Außerdem hatte er schon Pläne für neue Fußball-Videos, die er mit seiner Action-Kamera aufnehmen und dann auf seinen YouTube-Kanal hochladen wollte.

    Das einzige, was ihm an unseren Ferienplänen nicht behagte, war die lange Reise vom Nordwesten Irlands bis in das hessische Kleinstädtchen im Rhein-Main-Gebiet, in dem ich aufgewachsen bin. Insbesondere der Flug bereitete ihm große Sorgen, denn Luca hat panische Angst vorm Fliegen, oder vielmehr vorm Abstürzen. Als er am Morgen der Abreise Durchfall bekam, wunderte uns dies also gar nicht. Alex – mein Lebenspartner und auch Lucas Papa – fuhr uns nach dem Frühstück nach Abbeytown, damit wir von dort den Zug nach Dublin nehmen konnten.

    Vom Dubliner Connolly-Bahnhof ging es dann mit dem Bus weiter bis zum Flughafen, wo wir noch mehrere Stunden auf den Abflug warten mussten. Der Flug selbst war der kürzeste Teil der Reise. Am späten Abend kamen wir erschöpft, aber glücklich und erwartungsvoll im Haus meiner Mutter an. Wieder einmal hatten wir es geschafft und alles war gut gelaufen an diesem Tag. Zufrieden gingen wir ins Bett und nahmen uns vor, am nächsten Morgen erst einmal auszuschlafen und alles ruhig anzugehen.

    Am übernächsten Tag wollte Luca zum ersten Mal auf den Fußballplatz gehen und seine neuen Schuhe ausprobieren. Daraus wurde jedoch erst einmal nichts, denn der Durchfall kam zurück. Wir nahmen keine allzu große Notiz davon, denn wir glaubten, die Reise habe Lucas Darm etwas durcheinander gebracht. Wir sahen auch keinen Anlass dafür, etwas an seiner Ernährung zu ändern. Es würde schon wieder vorbeigehen. Das einzig wirklich Lästige daran war, dass Luca nicht aus dem Haus gehen und seine Pläne verwirklichen konnte. Als sich nach einigen Tagen noch immer keine Besserung einstellte, besorgte ich ihm Kohletabletten und das gängige Durchfall-Medikament Imodium. Er nahm beides ein.

    Mir fiel auf, dass sich Luca immer häufiger in sein Zimmer zurückzog und zunehmend schweigsamer wurde. Der Grund dafür wurde mir erst klar, als ich selbst die Toilette benutzen wollte und den Toilettendeckel öffnete. Ich erschrak mich fast zu Tode. Luca hatte vorher nicht gespült und alles war rot. In meiner Hilflosigkeit rief ich meine Mutter herbei, um ihr meinen alarmierenden Fund zu zeigen. Voller Entsetzen schauten wir uns gegenseitig an. In der Kloschüssel befand sich Durchfall, dem eine Menge blutigen Schleims beigemischt war. Als ich wieder etwas gefasster war, ging ich zu Luca und sprach mit ihm. Endlich konnte er sein Geheimnis mit mir teilen und musste sich nicht mehr mit seiner Angst verstecken.

    Ich teilte ihm mit, dass wir uns sofort fertig machen und zum Arzt gehen müssen. Bevor wir uns auf den Weg zu der Gemeinschaftspraxis machten, in der meine Mutter Patientin ist, füllte ich noch eine Probe von Lucas blutigem Stuhl ab. Es war Freitagmittag und ich wusste, dass die Praxis bald für das Wochenende schließen würde.

    Der Arzt, bei dem wir landeten, erschien uns nicht besonders motiviert. Wahrscheinlich wollte er nur ins Wochenende. Er tastete Lucas Bauch ab. Auf Lucas Stuhlprobe warf er noch nicht einmal einen Blick. Meine Frage, welche Diät für Luca momentan am besten sei, konnte er mir nicht wirklich beantworten. Wir waren schon halb aus der Tür, als er sagte, wir sollten noch einmal vorbeikommen, falls der Durchfall nicht besser würde.

    Der Arztbesuch war sehr unbefriedigend und wir hätten uns den Aufwand eigentlich sparen können. Trotzdem beruhigte mich die Gelassenheit des Arztes – im Nachhinein würde ich es eher Gleichgültigkeit nennen –, denn offensichtlich gab es ja keinen Grund zur Panik. Ich nahm an, Luca müsse sich wohl irgendeinen Virus eingefangen haben. Meine Mutter und ich versorgten ihn mit Kost, die unserer Ansicht nach leicht verdaulich war und seinen Darm nicht allzu sehr belastete. Ich war davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis Luca den Durchfall überstanden hätte. Die Symptome wurden streckenweise etwas besser, aber Luca fühlte sich ziemlich schlapp.

    Ich hatte inzwischen mit einem Projekt als freiberufliche Übersetzerin begonnen, dem ich schon seit Wochen hinterhergejagt war, und unsere Zeit in Deutschland verstrich zügig. Im Nachhinein bin ich überrascht, wie ich überhaupt die Ruhe zum Arbeiten finden konnte. Teils lag es wohl an meiner Unwissenheit zum damaligen Zeitpunkt, teils sicherlich auch daran, dass mich die Arbeit davor bewahrte, die ganze Zeit über Lucas Durchfall nachzudenken. Dieser war ohnehin schon zu unserem hauptsächlichen Gesprächsthema geworden.

    Als Lucas Durchfall eine knappe Woche nach unserem ersten Arztbesuch noch immer nicht verschwunden war, gingen wir nochmals in die Praxis. Dieses Mal kümmerte sich eine sehr sympathische Ärztin um Luca. Sie ließ ihm sofort Blut abnehmen und teilte uns mit, dass eine Stuhluntersuchung unbedingt erforderlich sei, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Blut im Stuhl handele. Ich sagte, dass ihr Kollege ja bereits über Lucas blutigen Durchfall Bescheid wisse und ich ihm sogar eine rot eingefärbte Stuhlprobe mitgebracht hätte. Sie schaute im Computer in Lucas Datei nach und war sichtlich erstaunt, weil ihr Kollege noch nicht einmal einen Vermerk über die großen Blutmengen in Lucas Stuhl gemacht hatte. Seine Stuhlprobe hätte schon viel früher untersucht werden müssen, und es war der Nachlässigkeit des Arztes zu verdanken, dass dies nicht schon längst passiert war.

    Zum ersten Mal erwähnte die Ärztin auch, dass Verdacht auf „Colitis ulcerosa" bestehe. Zu diesem Zeitpunkt sagte mir dieser Begriff rein gar nichts. Zuhause schaute ich im Internet nach, was dieses Wort überhaupt bedeutet. Was ich herausfand, klang nicht sehr erbaulich, und ich beschloss, mir zunächst einmal so wenige Sorgen wie möglich zu machen. Schließlich handelte es sich ja auch erst einmal nur um einen Verdacht. Ich war immer noch davon überzeugt, dass sich Luca irgendeinen hartnäckigen Darmvirus eingefangen hatte.

    Nach einigen Tagen kam der Befund der Stuhluntersuchung. Bakterien, die auf eine Infektion hinwiesen, waren nicht feststellbar, aber es wurde bestätigt, dass sich Blut in Lucas Stuhl befand. Es wurde uns dringend angeraten, so bald wie möglich eine Koloskopie bei einem Gastroenterologen durchführen zu lassen. Ich war erleichtert, als ich relativ kurzfristig einen Termin für Luca bekam. Inzwischen rückte unsere Rückreise immer näher. Da ich wusste, dass es in Irland extrem lange dauern kann, bis man einen Termin bei einem Facharzt bekommt, wollte ich die Untersuchung unbedingt noch in Deutschland durchführen lassen.

    Der Gastroenterologe, der etwa Ende dreißig war, erklärte Luca bei einem Vorgespräch, was genau bei der Untersuchung passieren würde. Er sagte, wir könnten die weitere Entwicklung auch noch sechs Wochen abwarten. Falls es sich um eine Colitis handeln sollte, sei diese heutzutage recht gut medikamentös behandelbar. Auf meine Frage, ob es etwas bei Lucas Diät zu beachten gäbe, antwortete er, dass bei dieser Krankheit die Ernährung überhaupt keine Rolle spiele. Weder für die Entstehung, noch für die Behandlung. Luca solle das essen, was ihm schmeckt.

    Mich verwunderte seine Antwort, da man ja normalerweise bei Durchfall gewisse Nahrungsmittel meidet, um den Darm zu entlasten. Ich nahm seine Antwort jedoch erst einmal so hin. Ich erklärte ihm auch, dass Luca über einen langen Zeitraum extrem gestresst war und auf Stress oft mit Durchfall reagiere. „Stress macht aber keinen blutigen Durchfall", gab er mir zur Antwort. Eine gewisse Überheblichkeit in seinem Ton entging mir nicht, und ich fragte mich damals schon, wie er sich da denn so sicher sein kann. Heute weiß ich, dass seine Behauptungen nicht richtig waren.

    Lucas Termin für eine Koloskopie und eine Ultraschalluntersuchung war ungefähr eine Woche nach dem Gespräch. Wir bekamen noch einige Päckchen eines Pulvers mit, aus dem wir vor der Untersuchung eine Abführlösung zubereiten sollten. Luca ging

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