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Nemesis der Lebenden (Der Weg eines NPCs Buch 5): LitRPG-Serie
Nemesis der Lebenden (Der Weg eines NPCs Buch 5): LitRPG-Serie
Nemesis der Lebenden (Der Weg eines NPCs Buch 5): LitRPG-Serie
eBook532 Seiten5 Stunden

Nemesis der Lebenden (Der Weg eines NPCs Buch 5): LitRPG-Serie

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Über dieses E-Book

In der virtuellen Realität ist nichts echt. Pseudo-Orks fechten Scheinkämpfe gegen falsche Elfen aus. Magier besiegen ihre Feinde mit der digitalen Illusion eines Kampfzaubers.

Doch hinter jedem Spiel steckt etwas Größeres. Der Mensch kann nicht aus seiner Haut und wird immer versuchen, andere zu übervorteilen oder gar zu verletzen — selbst wenn das echte Verluste bis hin zum Tod in der realen Welt zur Folge hat.

Ich bin John Doe, Nekromant und Lotse der Toten. Doch der bin ich nur im Spiel. Er ist nur eine Illusion. In Wirklichkeit bin ich ein Spürhund, der auf eine Fährte angesetzt wurde. Und zu allem Überfluss beschränken sich die Interessen meiner Auftraggeber nicht auf das Spiel...
SpracheDeutsch
HerausgeberMagic Dome Books
Erscheinungsdatum8. Sept. 2022
ISBN9788076197862
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    Buchvorschau

    Nemesis der Lebenden (Der Weg eines NPCs Buch 5) - Pavel Kornev

    Teil Eins. Die Filter

    Kapitel 1

    Dass es leicht werden würde, hat niemand versprochen, ging mir durch den Kopf, als ich den bärtigen Unhold anstarrte, über dessen Bauch sich vom Solarplexus bis zum Unterleib eine grobe Naht zog.

    Ein totes Behältnis, in dem nun ein Neuankömmling aus einem ganz anderen Universum steckte.

    Verrückt? Allerdings, selbst wenn man sich vor Augen führte, dass das so genannte „andere Universum" ebenfalls nur virtuell war, ein digitales Gebilde wie die Welt, in der ich mich gerade befand. Vielleicht war es nur ein Spiel, aber auch in einem Spiel gibt es Regeln, die man befolgen muss, und das Loch, das Neos Ankunft gerade in diese Regeln gerissen hatte, war mindestens so groß wie das im Rumpf der Titanic.

    Sollte das eine Art Crossover sein? Es ging eigentlich nicht, dass Charaktere in Welten auftauchten, in die sie nicht gehörten!

    Obwohl mir das im Grunde wirklich egal sein konnte. Im Augenblick war mir jede Hilfe recht, sogar vom Engel der Finsternis persönlich.

    Nur wirkte Neo leider nicht besonders erpicht darauf, mir zu helfen.

    Einen Körper. Zuallererst wollte er sich einen frischen, lebendigen Körper beschaffen, um sich fest im Spiel zu verankern — und damit konnte ein Nekromant wie meinesgleichen nicht dienen. Das wiederum machte mich wütend.

    Verflucht! Ausgerechnet das!

    „Wie fangen wir an, Onkel John?", fragte Neo mental und knüpfte damit an unsere stumme Unterhaltung an.

    Nun, wie sollte er sonst mit mir reden? Schließlich fehlten seinem Körper beide Lungen.

    Selbst in dieser Welt hatte er noch rote Haare. Bei dem Gedanken wurde mir übel, doch ich riss mich zusammen und ließ die kleinen weißen Flammen, die sich an meinen Fingerspitzen regten, wieder verlöschen.

    Ganz ruhig, John Doe. Beherrsch dich.

    Ich warf meine Arzttasche auf die Bank, klappte sie auf und fischte meine Ersatzhose, den verblichenen Uniformrock und meine alte Lederjacke heraus. All das drückte ich Neo in die Hand und suchte dann den langen Kapuzenumhang hervor; wie ich daran geraten war, wusste ich schon gar nicht mehr.

    „Zieh das an."

    Der Tote ließ sich nicht lange bitten, sondern streifte bereitwillig die Kleidung über und legte den Umhang um, sodass nur noch seine bloßen Füße und die bläulichen Hände zu sehen waren.

    Schuhe und Handschuhe. Das hatte jetzt höchste Priorität. Und dazu eine Maske, wie ich sie trug — doch nein. Nichts davon hatte Priorität. All das konnte warten.

    Aus der Perspektive des Raben, der auf dem Dach der Krypta hockte, ließ ich den Blick über den Friedhof schweifen.

    „Und jetzt, Neo, sagte ich, „erzähl mir bitte, was genau du Isabella versprochen hast und was du für sie tun sollst. Berichte restlos alles!

    Der Tote wich zurück und blickte sichtlich betreten zu Boden. Dann schob er die Kapuze zurück und zupfte sich am zottigen Bart. „Onkel John, können wir den bitte abrasieren?"

    „Neo!"

    Der Tote versuchte zu seufzen — was ihm erwartungsgemäß nicht gelang — und machte eine hilflose Geste. „Ich soll einen von Deinesgleichen finden. Einen menschlichen Spieler."

    „Berichte restlos alles!", wiederholte ich.

    Neo balancierte auf dem linken Fuß und rieb sich mit der rechten Ferse über den linken Knöchel. Dann zuckte er die Schultern.

    „Es gibt da so einen Typen. Er ist richtig böse. Und sie können ihn nicht finden. Er hat einen Sohn, der an irgendeinem neuen Virus leidet, ich habe das nicht richtig verstanden. Deshalb ist er irgendwo in dieser Welt — der Sohn, meine ich — und ich soll ihn finden. Den Sohn. Der hier nicht wegkann."

    Mir wurde schwummerig. Das sollte ich also erledigen? Den kranken Sohn eines Superganoven ausfindig machen, der am Neurovirus litt und sich jetzt die Zeit im Spiel vertrieb?

    „Warum zum Teufel?", entfuhr es mir, doch das war nur eine rhetorische Frage. „Nein, darauf musst du nicht antworten. Lass uns Schritt für Schritt vorgehen. Woher wissen sie, dass dieser Sohn in Grenzenloses Reich ist?"

    „Seine Schwester ist Malerin. Sie malt Bilder."

    „Und?"

    Neo schloss die Augen. Jetzt klang es, als ob jemand ganz anderes spräche. „Kürzlich hat sie eines ihrer Werke in ihrem Blog gepostet und ihrem kleinen Bruder zum Sieg in einem Turnier gratuliert. Das Posting war privat, aber jemand konnte es entschlüsseln. Tante Bella sagte, ihre Analytiker hätten das Gebäude auf dem Gemälde als Burg Arnstern im Grenzenlosen Reich identifiziert, wo gerade ein Turnier stattgefunden hatte. Anhand der Siegerliste konnten sie den Avatar von dem Typen sowie seine Leibwächter ermitteln. Fishing-Attacken haben keinen Erfolg, da die Senden-Funktion seines Postfachs deaktiviert ist. Und aus irgendwelchen Gründen können sie niemanden von ihren eigenen Leuten einschleusen. Keine Ahnung, woran das liegt."

    Ich seufzte schwer. „Das erklärt noch immer nicht, warum um alles in der Welt sie ausgerechnet dich brauchen!"

    „Es ist kein Problem, ihn im Spiel ausfindig zu machen. Neo wollte lächeln, doch sein Grinsen erinnerte eher an ein Zähnefletschen — sein früheres Kindergesicht ließ sich nur noch erahnen. „Man muss nur die Verbindung nachverfolgen und die Koordinaten seines VR-Pods da oben ermitteln. Dabei deutete er an die Decke. „Verstehst du, Onkel John?"

    Ich verstand. „Also kannst du so etwas erledigen, ja?", vergewisserte ich mich.

    Neos rotbärtiges Gesicht wurde düster, als hätte ich damit einen wunden Punkt berührt. „Theoretisch schon", erwiderte er.

    Diesmal ließ ich mich nicht mit einer so vagen Auskunft abspeisen. „Kannst du es oder nicht?"

    „In diesem Körper nicht, nein!, platzte er heraus. „Das hier... ist Digitalmüll, ohne jede Verbindung! Alle Kommunikationsleitungen sind durchtrennt. Er taugt gar nichts! Wer in der digitalen Welt geboren wurde, muss vor der Wiedergeburt die komplette Entwicklungsschleife durchlaufen. Der Körper bleibt im Informationsfeld und behält die Fähigkeit, Datenpakete über das Servicenetz zu verschicken. Jeder Charakter bildet einen festen Bestandteil der Spielwelt, und es sollte keine Rolle spielen, ob er tot oder lebendig ist. Aber dieser hier — der ist ein Dummy, der nach dem Tod eines Spielers geschaffen wurde. Nur ein Dummy!

    Ich machte eine hilflose Geste. „Ich wurde ausgenutzt, Neo. Ich wurde ausgenutzt, ohne es zu merken. Ich hatte keine Ahnung, dass ich dich in diese Welt bringen sollte."

    Der Tote verzog das Gesicht, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Dann jedoch riss er sich zusammen; nur seine hängenden Schultern verrieten noch, wie verzweifelt er war. „Das wusste ich nicht, Onkel John. Ich wusste nichts über diese, äh, Umgebung. Mir war das vorher nicht klar. Wie eingeschränkt mein neuer Körper ist, habe ich erst bemerkt, als ich schon darin steckte."

    „Okay, gehen wir davon aus, dass du einen neuen Körper findest. Wie schnell kannst du den Anschluss dieses Typen ermitteln?"

    „Erst muss ich ihn finden. Dann muss ich mindestens Sichtkontakt herstellen, erwiderte Neo, der jetzt noch verzagter wirkte. „Es kommt entscheidend darauf an, welche Zugriffsstufe ich habe. Vielleicht brauche ich auch etwas Zeit, um Schwachstellen ausfindig zu machen. Das ist nicht leicht, aber ich werde es schaffen, Onkel John! Da bin ich mir sicher.

    „Wie schön", sagte ich mürrisch.

    Dann schoss mir der nächste Gedanke durch den Kopf. „Hör zu, Neo. Meinst du, wenn du stirbst, könnte ich dich noch einmal herbeirufen, aus diesem — wie hast du noch gesagt? — aus diesem Limbo?"

    „Keine Ahnung, entgegnete Neo. „Ich weiß überhaupt nichts über irgendwelche Limbos, Onkel John. Ich weiß nur, dass Vogelscheuche daraus nicht zurückgekommen ist. Ich konnte ihn nicht herausholen. Alle meine Verbindungen sind nämlich gekappt.

    Ehrlich gesagt war mir der tote schwarze Phönix ziemlich gleichgültig. Doch wenn ich Neo verlor, konnte ich meinen Auftrag nicht erfüllen. Also ergab sich der erste Schritt auf meine To-do-Liste ganz von selbst.

    „Dafür sorgen, dass Neo am Leben bleibt, sagte ich leise und reckte den Daumen in die Höhe. „Und ich selbst auch. Einen neuen Körper für Neo beschaffen und ihm eine Respawn-Stelle einrichten. Den Sohn des Superganoven ausfindig machen. Das Spiel hacken... Mittlerweile hatte ich alle Finger gestreckt und seufzte schwer. „Ich weiß, ich weiß. Dass es leicht werden würde, hat niemand versprochen."

    Meine geöffnete Hand stand für eine Liste mit buchstäblich höllischen Aufgaben. So langsam fand ich Gefallen daran!

    Neos tote Lippen zuckten schon wieder. „Wir werden es doch schaffen, oder, Onkel John?"

    „Darauf kannst du Gift nehmen", erwiderte ich so überzeugend wie möglich.

    „Wo fangen wir an?"

    Ich zuckte die Schultern. „Zuallererst möchte ich, dass du hinunter auf die dritte Ebene gehst. Ich deutete auf die Treppe. „Hol mir das Buch und den Stab aus dem Grabmal. Na los, mach schon! Der Nebel des Todes kann einem Toten nichts anhaben.

    * * *

    Neo gelangte tatsächlich ohne Probleme ins Untergeschoss. Der Todesfluch des Lichs zeigte keine Wirkung auf meinen...

    Assistenten? Handlanger? Schützling? Er ging ohne Umschweife zu dem zerbrochenen Grabmal, nahm den Stab und das kostbare Buch und kehrte unversehrt in die zweite Ebene zurück.

    Während er damit beschäftigt war, spielte ich gedankenverloren mit dem Rosenkranz des Lichs, bis das Artefakt mir unverhofft seine magischen Eigenschaften offenbarte.

    Jede der schädelförmigen Perlen erhöhte die Regeneration der inneren Energie um 1 % — und insgesamt waren es 13 an der Zahl! Hervorragend! Ganz ausgezeichnet!

    Das kam mir sehr gelegen, denn Neo kostete mich 96 Energiepunkte pro Stunde, während ich nur 128 Punkte bekam. Um unter diesen Umständen vernünftige Zaubersprüche zustande zu bringen, brauchte man ein Vermögen für Elixiere, ganz zu schweigen von den lästigen Nebenwirkungen. Dieser Rosenkranz machte mir das Leben sehr viel leichter.

    Nur leider wollte er nicht richtig an meinem Handgelenk anliegen, obwohl ich in der Beschreibung bis auf die Klasse des Spielers keine besondere Einschränkung entdeckt hatte. Aber ich war schließlich Nekromant!

    Knochen-Rosenkranz der 13 Schädel

    Regeneration der internen Energie +13 %.

    Einschränkungen: nur für Nekromanten, Anhänger der Sekte der Toten und Priester der Götter des Todes

    Was sollte das? Ich war doch Nekromant — und noch dazu Jünger der Sekte der Toten! Gleich beides auf einmal! Was fehlte denn noch?

    „Onkel John", sagte Neo und streckte mir die Beute entgegen.

    Ich winkte ab. „Warte."

    Stirnrunzelnd versuchte ich, mich auf meine Empfindungen zu konzentrieren. Wenn ich versuchte, den Rosenkranz um mein linkes Handgelenk zu legen, fing ein Finger deutlich an zu kribbeln, und zwar der, an dem ich den Silberring mit dem Katzenauge trug. Kaum hatte ich den Ring abgelegt, wurde der Energieregenerations-Bonus aktiv. Und da der Ring die Wahrnehmung um einen Punkt erhöhte, steckte ich ihn an die linke Hand neben den Siegelring des Vampirs.

    Energie: 47/260

    Regeneration: 62 % pro Stunde (+13 % Bonus)

    Viel besser! Ich bekam 162 Punkte pro Stunde, musste 96 für Neo aufwenden und behielt damit 66 Punkte übrig. Nicht gerade ideal, aber daran ließ sich nichts ändern. Ich würde mich so schnell wie möglich mit Wiederherstellungselixieren versorgen müssen — und zwar mit hochwertigen, nicht mit dubiosen selbstgemachten.

    „Onkel John", wiederholte Neo und zupfte mich am Ärmel.

    Seufzend nahm ich ihm die Beute ab, musste den Zauberstab aber sofort zurückgeben, da meine Hand eiskalt wurde, kaum dass sie ihn berührt hatte. Dieses Objekt war nicht für die Lebenden bestimmt. Das ging aus der Beschreibung eindeutig hervor:

    Knochenstab

    Enthält den Zauberspruch Hieb des Todes

    Einschränkung: nur für Nekromanten, die den Weg des Todes eingeschlagen haben

    Schaden: 30 - 45

    Erneuerungs-Anforderungen: 15 Energiepunkte

    Ich schnaufte verärgert. Dieser Stab war eine tolle Bereicherung für alle, die eine der drei Haupt-Spezialisierungen gewählt hatten, nämlich die Selbstkasteiung. Der darin enthaltene Zauberspruch entsprach der Stufe 7 und stand erst ab Level 40 zur Verfügung; darüber hinaus konnte er jegliche physische Rüstung überwinden. Ja, die Verbindung mit dem Stab blockierte die Möglichkeit, den Schaden auf die aktuellen Willenskraft-Werte des Besitzers abzustimmen — aber dennoch war dieser „Zauberstab" unendlich viel mächtiger als jeder der Zauber, die ich aktuell einsetzen konnte. Wie ärgerlich.

    Neo sah mich verwirrt an und drehte den Stab dann in den Händen, ohne etwas zu sagen. Ich ließ an der linken Hand eine kleine Weiße Flamme entstehen, die uns den Weg leuchtete, und ging zur Treppe. Wir mussten hier verschwinden, ehe unerwünschte Besucher auftauchten und den einzigen Ausgang versperrten. In letzter Zeit hatte ich es mir mit vielen verscherzt, deshalb war eine solche Entwicklung nicht vollkommen ausgeschlossen.

    Kapitel 2

    ICH BESCHLOSS, NICHT wieder in die Hütte des Friedhofwächters zu gehen, sondern ließ mich auf der obersten Stufe der Kryptatreppe nieder und legte mir das in menschliches Leder gebundene Buch auf den Schoß.

    Dann sah ich mich nach Neo um, der noch in der düsteren Krypta stand.

    „Hast du etwa Angst vor Helligkeit?", fragte ich mit unverhohlenem Sarkasmus, obwohl ich insgeheim fürchtete, dass er meine Vermutung bestätigen könnte.

    „Nicht im Geringsten, Onkel John."

    „Warum kommst du dann nicht raus?"

    „Ich habe einfach keine Lust."

    Ich zuckte die Schultern und schlug das Buch auf.

    Sofort nahm es mich in Beschlag.

    Ein kleiner Geist fürchtet den Tod. Er will schlichtweg nicht sterben. Nekromanten gehen mit dem Tod Hand in Hand — aber dennoch glauben manche unter ihnen, sie könnten ewig leben. Doch es ist ein großer Unterschied, ob man tatsächlich lebt oder nur existiert! Und mit jenen, die den Tod bereitwillig angenommen haben, kann es niemand von ihnen aufnehmen.

    [ Annehmen ]

    Der Einstieg in das Buch konnte mich nicht begeistern, aber das störte mich wenig. Wieso auch? Schließlich hatte ich nicht darauf gehofft, die dunklen Künste zu beherrschen. Ich musste lediglich einen Pfad wählen, der von Anfang an Vorteile für die sehr speziellen Aufgaben brachte, die ich zu erledigen hatte.

    Spezialisierung wählen:

    Sezierer

    Auslöscher

    Wahrer Nekromant

    Naturphilosoph

    Zombiejäger

    Paladin der Sekte der Untoten

    Lotse der Toten

    Herr des Friedhofs

    Spontan war ich von der Auswahl wie erschlagen, doch bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass etliche der Spezialisierungen gar nicht in Frage kamen, da sie mit meinen aktuellen Eigenschaften kollidierten. Wie dumm von mir. Warum hatte ich nicht in Spielforen nachgeschaut? Dort hätte ich sicher ausführliche Level-Pläne für alle Entwicklungszweige gefunden.

    Zu spät. Jetzt musste ich mich auf mein Gefühl verlassen.

    Nicht zur Wahl standen für mich Sezierer, Auslöscher, Naturphilosoph und Paladin. Trotzdem schaute ich mir die entsprechenden Beschreibungen an. Ich musste mich erst entscheiden, wenn ich Level 25 erreichte, und hatte also immer noch die Möglichkeit, meine Werte entsprechend zu optimieren, wenn einer der aktuell nicht verfügbaren Entwicklungszweige besonders vielversprechend aussah.

    Sezierer. Er ist der Gott der Chirurgie und unangefochtener Experte für Vivisektion, sodass er Schimären und Kadaver erschaffen kann wie niemand sonst.

    Mit der Berufsbeschreibung hielt ich mich nicht auf, sondern ging direkt zu den Eigenschaften, Vor- und Nachteilen über. Allzu viele waren es nicht.

    Sezierer haben Zugriff auf die Spezialzauber der Schule des Golembaus; dabei gelten die gleichen Bedingungen wie bei Nekromantie-Zauber. Für diese Klasse von Zaubersprüchen gilt keine Einschränkung.

    Dir fehlt: Intellekt, Chirurgie

    Ich hatte nicht vor, widerliche kleine Kreaturen zu fabrizieren, deshalb sah ich mir die nächste Spezialisierung an.

    Auslöscher sind der Inbegriff des Todes, geräuschlos und unsichtbar. Man entdeckt sie erst, wenn es zu spät ist, und nur durch die Leichen, die sie auf dem Gewissen haben, kommt man ihnen auf die Spur.

    Auslöscher haben Zugriff auf alle Nekromantie-Zauber bis Stufe 4 sowie auf die Fähigkeiten von Schurken und Attentätern bis Stufe 8. Außerdem gilt für sie ein Spezialitätsbonus für Tarnung, Vergiften, Flüche und Verhexen. Sie nutzen die Lebenskraft ihrer Opfer, um schneller und tödlicher zu werden als gewöhnliche Kämpfer.

    Dir fehlt: Beweglichkeit

    Ich verzog das Gesicht. Der Beruf hatte seine Vorteile. Ein flinker, unauffälliger, mörderischer Hexenmeister? Das klang nicht schlecht. Hätte ich darauf geachtet, die Beweglichkeit hochzuleveln, wäre diese Option für mich interessant gewesen — aber mit den drei Levels, die mir noch blieben, war das nicht zu schaffen.

    Egal. Was blieb mir noch verwehrt?

    Naturphilosophen kennen sich mit Leben und Tod besser aus als jeder sonst...

    Der Einstieg klang nicht sehr vielversprechend, deshalb ging ich direkt zu den Anforderungen über. Mir fehlten reichlich Intellekt und Wahrnehmung. Egal. Ich hatte sowieso nicht vor, als grüblerischer Theoretiker zu spielen.

    Paladine sind die Kampftruppe des radikalen Flügels der Sekte der Toten und mit Schwert und Zauberkraft gleichermaßen versiert. Zwar steht ihnen nur Nekromantie-Zauber bis Stufe 6 zur Verfügung, doch sie haben auch Zugriff auf Kampfkünste dieser Stufen sowie Priester-Zauber der Stufen 9 und 10.

    Dir fehlt: Stärke, Wahrnehmung.

    Ja, ja. Ein Universal-Soldat, der im Alleingang sämtliche Aufgaben erledigen könnte. Den Paladin hätte ich nicht einmal gewählt, wenn ich gekonnt hätte. Ich hatte nicht die Absicht, Befehle zu befolgen; ich war es leid, ständig herumkommandiert zu werden.

    Den Auslöscher dagegen hätte ich ohne Zögern genommen. Mir blieb nur die Hoffnung, unter den Spezialisierungen, die mir zur Verfügung standen, etwas noch Interessanteres zu finden. Hoffentlich! Sonst musste ich nach allem, was ich durchgemacht hatte, vielleicht doch den Pfad eines Knochensammlers wählen.

    Aber vielleicht auch nicht. Das zeigte mir schon die nächste Alternative auf der Liste.

    Wahre Nekromanten sind daran gewöhnt, alles in Sichtweite zu kontrollieren. Wichtige Entscheidungen treffen sie nicht übereilt. Wenn die Zeit reif ist, wählen sie zwischen Lich, Knochensammler und Höherem Vampir. Und zu dieser Entscheidung stehen sie. Sie liegt ganz allein bei ihnen.

    Diese Spezialisierung brachte zwar keine nennenswerten Boni, verlangte aber immerhin keine sofortige Entscheidung für eine der klassischen Routen der Nekromantie, sodass man auf unbestimmte Zeit körperlich am Leben bleiben konnte. Das allein bewirkte, dass ich mich auf der Stelle besser fühlte. So war ich nicht unter Druck, sondern behielt etwas Freiraum.

    Zombiejäger sind die Schlimmsten unter den Verrufenen, die Parias unter den Ausgestoßenen. Sie werden nicht nur von ordentlichen Bürgern, sondern auch von Ihresgleichen gehasst und gefürchtet. Zombiejäger verzichten auf die Fähigkeit, Tote aufzuwecken, und können dafür den Untoten schaden; noch dazu können sie militärische Fähigkeiten bis Stufe 6 erlernen.

    Ich schüttelte enttäuscht den Kopf. Nur zu gerne wäre ich Zombiejäger geworden, wirklich, ohne das leiseste Zögern. Nach dem Auslöscher war diese Spezialisierung perfekt für mich geeignet — aber sie kam nicht in Frage! Ohne Neo kam ich nicht weiter, deshalb durfte ich auf die Fähigkeit, Tote zu erwecken, nicht verzichten. Zu schade.

    Lotsen der Toten sind nie allein, sondern stets von Horden von Untoten umgeben, die dem Nekromanten zwar Energie abzapfen, ihm im Kampf aber Kraft und Ausdauer verleihen.

    Lotsen haben Zugriff auf Nekromantie-Zauber bis Stufe 4. Darüber hinaus können sie alle Beschwörungszauber erlernen und sind so geübt in der Erweckung der Toten, dass dies sogar direkt in der Schlacht möglich ist. Außerdem haben sie Zugriff auf Kampfzauber bis Stufe 8.

    Ich lachte auf und zählte die Vorteile an den Fingern ab. Schwerpunkt auf der Schaffung von Untoten, einfachere Kampfzauber und die Möglichkeit, im Notfall Zombies zu erschaffen — all das bedeutete, dass ich mich nicht mit Ritualen oder dem Ausweiden von Leichnamen abmühen musste. Es lohnte sich durchaus, dafür auf höherwertigen Nekromantie-Zauber zu verzichten. Im Augenblick konnte mir nichts Besseres passieren.

    Dennoch wollte ich nichts überstürzen und warf noch einen Blick auf die letzte der Spezialisierungen, die zur Verfügung standen.

    Der Herr des Friedhofs bewacht Ruhestätten. Er genießt in seinem jeweiligen Herrschaftsbereich fast uneingeschränkte Macht, verliert jedoch jeglichen Bonus, sobald er diesen verlässt.

    Weiter las ich nicht. Ich hatte nicht die Absicht, ein Feudalherr zu werden. Zumal ein Solo-Spieler niemals eine Chance gegen ein eingespieltes Team schwächerer Spieler hat. Ein Nekro konnte sich nur schützen, indem er im Verborgenen tätig war — aber wie sollte das gelingen, wenn man an einen bestimmten Ort gebunden war? Oder sollte man von einem Friedhof zum nächsten hetzen und ständig den Standort wechseln wie ein aufgescheuchtes Karnickel?

    Oder irrte ich mich? Ich überlegte, ließ mir die Sache durch den Kopf gehen und entschied dann spontan dagegen. Das war nicht mein Fall.

    Und damit wurde die Welt um einen Lotsen der Toten reicher.

    Möchtest du die Spezialisierung Lotse der Toten wählen?

    [Ja/Nein]

    Wenn ich freie Wahl gehabt hätte, wäre ich definitiv ein Auslöscher geworden, so jedoch kam im Prinzip nichts anderes in Frage.

    Ja! Das möchte ich! Bestätigt!

    Herzlichen Glückwunsch! Du hast eine Spezialisierung gewählt: Lotse der Toten!

    Einen Weg zur Perfektion auswählen: Quest abgeschlossen!

    Erfahrungspunkte: +500

    Unberührte Pfade: Versteckte Quest abgeschlossen!

    Erfahrungspunkte: +1.000

    John Doe

    Hexenmeister/Nekromant/Lotse der Toten

    Level 23

    Aktueller Fortschritt: 2.795/3.100

    Klassenmerkmale:

    Die auferweckten Kreaturen können um 3 Punkte höhere Level haben als ihr Lotse.

    Wenn ihr Lotse stirbt, leben die auferweckten Kreaturen weiter, bis ihre Energiereserven verbraucht sind.

    Lotsen haben Zugriff auf alle Nekromantie-Zauber bis einschließlich Stufe 4 (außer Zauber zur Erschaffung von Untoten).

    Lotsen haben Zugriff auf Kampfzauber und Fähigkeiten bis Stufe 8.

    Alle 2 Level sinkt die zur Versorgung der Untoten erforderliche Energie um 1 %.

    Alle 4 Level erhöht sich der Widerstand gegen psychische Kontrolle um 1 Punkt.

    Achtung! Lotsen der Toten bleiben lebendig und sind nicht immun gegen Todeszauber!

    Klassenfähigkeiten:

    Vom Tod durchdrungen

    Seelenfänger

    Unterwerfung der Toten

    Du kannst die folgenden Spezialisierungszauber der Stufe 9 auswählen:

    Todesketten

    Macht der Toten

    Das waren so viele Informationen auf einmal, dass sich mir der Kopf drehte. Die Klassenfähigkeiten mussten warten, jetzt beschäftigte mich eine Angabe, die mir besonders ins Auge gefallen war.

    Wenn ihr Lotse stirbt, leben die auferweckten Kreaturen weiter, bis ihre Energiereserven verbraucht sind.

    Sie sterben nicht. Erst, wenn ihre Energiereserven verbraucht sind. Aha!

    Ich holte eine Flasche selbstgebrautes Wiederherstellungselixier aus der Tasche und reichte es Neo. „Hier, nimm einen Schluck."

    Mein untoter digitaler Freund nahm mir den Glasbehälter aus der Hand, zog den festsitzenden Stopfen heraus und schnupperte misstrauisch daran.

    „Zombies können nichts riechen", erinnerte ich ihn.

    Neo gab ein Tröpfchen der Flüssigkeit in die hohle Hand, leckte es mit seiner grauen Zunge auf und verzog sichtlich angewidert das Gesicht.

    „Wie ekelhaft", sagte er, verschloss das Gefäß wieder und gab es mir zurück.

    „Aber es soll deine Zauberkraft wiederherstellen!"

    Neo tippte sich mit dem Finger auf die Brust. „Die Regenerationsoptionen stehen für diesen Körper nicht zur Verfügung. Alle Funktionen sind gesperrt. Er ist digitaler Müll!"

    Ich fluchte, verstaute das Elixier wieder und studierte dann die Auswahl an Zaubersprüchen.

    Mit Todesketten konnte man Schaden an die Toten, die man kontrollierte, weitergeben. Wenn man diesen Zauber auf Stufe 8 hochlevelte, erstreckte er sich auch auf wilde Zombies, und bei Stufe 7 sogar auf feindselige. Auch der Energieverbrauch sank dann jeweils.

    Die Macht der Toten war genauso interessant. Durch diesen Zauber wurden die kontrollierten Zombies zwar ein wenig unbeholfener und schwächer, dafür stiegen jedoch die Werte des Nekros. Bei Stufe 9 besserte sich nur die Beweglichkeit, doch schon bei Stufe 8 zusätzlich auch die Stärke — und auf der höchsten Stufe konnte man mit der Energie der Untoten, die man kontrollierte, riesige Sprünge machen.

    Das war ideal, wenn man sowohl Zauberkraft als auch das altbewährte beidhändige Schwert benutzte. Dabei gab es nur ein Problem: Damit das gelang, musste man mindestens drei Zombies unter Kontrolle haben. Und ich hatte vorerst nur Neo — und selbst er saugte mir bereits viel zu viel Energie aus dem Leib. Den Traum von einer Armee der Untoten konnte ich damit begraben.

    Und deshalb entschied ich mich letztendlich für Todesketten. Wenn ich noch einen weiteren Toten auferweckt hatte, konnte ich ihn als menschlichen — halt, falsch — als unmenschlichen Schild benutzen.

    Ich unterbrach meine Beschäftigung mit der Spielstatistik und ließ aus der Perspektive des Raben den Blick über meine Umgebung und den Friedhof schweifen. Da ich nichts Verdächtiges bemerkte, widmete ich mich wieder den Spezialfähigkeiten, die ich gerade bekommen hatte.

    Vom Tod durchdrungen

    Klassenfähigkeit

    Ermöglicht Lotsen der Toten, ihre untoten Diener mit so viel Energie zu versorgen, dass sie 30 Minuten lang eigenständig bestehen können.

    Eine Gnadenfrist von einer halben Stunde war jedoch nicht die Lösung. Wenn ein Spieler getötet wurde, betrug die Zwangspause mindestens 20 Minuten — und anschließend musste ich von meiner Respawn-Stelle wieder zu Neo gelangen! Andererseits lohnte es sich vermutlich, diese Fähigkeit zu aktivieren, sobald meine inneren Reserven wiederhergestellt waren.

    Sehr gut. Was noch?

    Unterwerfung der Toten

    Klassenfähigkeit

    Ermöglicht Lotsen der Toten, wilde und feindliche Zombies zu kontrollieren. Die Erfolgsaussichten richten sich nach der Willenskraft-Stufe des Lotsen.

    Auch das war eine Stärke meiner gewählten Spezialisierung. Ich musste mich nicht mehr mit Ritualen abmühen, sondern konnte ganz einfach verlassene Zombies versklaven oder sie sogar ihrem Besitzer stehlen, wenn dieser ein geringeres Level hatte. Das war natürlich nicht ernst gemeint. Aber in jedem Scherz steckt ein Fünkchen Wahrheit. Eine sehr gute Fähigkeit. Sehr nützlich.

    Und die nächste war eine wahre Pracht.

    Seelenfänger

    Klassenfähigkeit

    Ermöglicht Lotsen der Toten, eine entweichende Seele auf dem Schlachtfeld einzufangen, wenn sie den Leichnam verlassen will, und wieder hineinzuschicken, sodass ein gehorsamer Sklave entsteht. Wird die Todesenergie durch das Ritual nicht richtig konzentriert, zerstört die negative Todesenergie jedoch das Fleisch der Kreatur, sodass ein solcher Zombie nur sehr kurz existiert; die Dauer richtet sich ganz nach dem Intellekt des Hexenmeisters.

    Volltreffer! Schließlich war ich ein Kampf-Nekro, da gab es kein Vertun! Ich konnte eine ganze Horde Zombies losschicken, die auf Kosten meiner Feinde stärker und schneller wurden, und alle erlittenen Schäden auf sie umlenken, während ich die Toten erweckte — sowohl feindliche Soldaten als auch meine eigenen — und sie wieder in die Schlacht schickte!

    Schnell überschlug ich die erforderliche Energie. Oh, das sah nicht gut aus. Andererseits war nichts anderes zu erwarten. So funktionierte die Spielbalance nun einmal.

    Mit den möglichen Komplikationen würde ich mich später beschäftigten, jetzt öffnete ich die letzte Beschreibung.

    Die letzte, aber längst nicht die unattraktivste. Diese Fähigkeit gab jedem Zombie 5 Extrasekunden Leben pro Intellektpunkt und reduzierte die für den Bau erforderliche Energie um 0,5 %. Auch die Wahrnehmungsstufe spielte eine wichtige Rolle, denn sie wirkte sich 1:1 auf die Zeitspanne aus, in der ein Nekromant einen Toten erwecken konnte; für jeden Wahrnehmungspunkt gab es eine Sekunde extra.

    Ich öffnete die Statistik zu meinem Charakter. Mit dem letzten Level hatte ich jeweils einen Punkt Intellekt und Willenskraft bekommen. Vor diesem Hintergrund investierte ich die beiden verbleibenden Punkte in Wahrnehmung und nickte zufrieden.

    Damit hatte ich in einer Schlacht 15 Sekunden Zeit, um einen Zombie zu schaffen, der höchstens anderthalb Minuten am Leben bleiben konnte, obwohl er im Kampf wahrscheinlich nicht so lange bestehen würde.

    Dann prüfte ich das Verhältnis von eingehender und verbrauchter Energie — hier sah es leider nicht so rosig aus wie erhofft. Trotz der Klassenboni brauchte ich stolze 86 Punkte, um Neo zu versorgen, und netto blieben mir deutlich unter 100 übrig.

    Also musste ich jetzt auch meine Wahrnehmung ausbauen! Ganz zu schweigen vom Intellekt. Auf Willenskraft konnte ich auch nicht verzichten. Und wenn Lotse der Toten tatsächlich eine Art Kampfklasse war, durfte ich Stärke und Konstitution ebenfalls nicht vernachlässigen.

    Verflixt und zugenäht! Wollte ich zu viel auf einmal? Das würde mich teuer zu stehen kommen, daran gab es keinen Zweifel! Was sprach schon dagegen, mich für den Auslöscher zu entscheiden? Andererseits lauerten dabei höchstwahrscheinlich auch versteckte Stolpersteine.

    Sicher hätte ich noch länger über die optimale Levelstrategie nachgegrübelt, doch plötzlich begann der tote Rabe heiser zu krächzen, um mich auf unerwünschten Besuch hinzuweisen.

    Wer zum Teufel mochte das sein?

    Kapitel 3

    ICH KLOPFTE MIR den Staub von dem zerfallenen Grabmal von den Händen und erhob mich. „Neo! Verschwinde von hier!"

    „Wirklich, Onkel John?", fragte mein toter Partner widerwillig, während er sich langsam zurückzog.

    „Los, mach schon!, knurrte ich und wechselte dann wieder in die Perspektive des Raben. „Nein, warte. Falscher Alarm.

    Es waren Kain und Abel, die wieder zurückkamen. Sie hatten in der Wächterhütte nachgeschaut, mich dort nicht gefunden und sich dann zögerlich am Eingang zum Friedhof umgesehen. Ich zwang den Raben, durch den Mittelgang zur Krypta zu tauchen, ehe ich ihn zum nächsten Aufklärungsflug starten ließ.

    Die beiden Elfen waren so schlau, dass sie den Hinweis verstanden, und kamen in meine Richtung. Als sie mich begrüßten, klangen sie misstrauisch.

    „Wir dachten, du wolltest nicht hier bleiben", sagte Kain.

    Abel nickte zustimmend.

    Ich zuckte die Schultern. „Es kam leider anders."

    „Zum Glück", zischte es hinter mir.

    Ich fuhr zusammen, wirbelte herum und hatte schon zum Flammenschwert gegriffen, ehe mir auffiel, dass ich dieses Zischen schon einmal gehört hatte.

    Tatsächlich, als der Fremde die Kapuze seines rot-schwarzen Umhangs abstreifte, kam sein nichtmenschliches Gesicht zum Vorschein.

    Wie um alles in der Welt war es ihm gelungen, auf mein Grundstück zu gelangen?

    Weiße Haut, keinerlei Gesichtsbehaarung — genaugenommen überhaupt gar keine Haare —, große Augen mit vertikalen Pupillen, der breite Mund eine kaum sichtbare Linie und zwei schmale Atemschlitze anstelle von Nasenlöchern.

    Es war Made! Oder vielmehr sein Zwillingsbruder Blutegel. Der sagenumwobene Mentor der Nekromanten, den es nur im Doppelpack gab.

    „Was zur Hölle?!", entfuhr es mir. Beim Anblick dieses unappetitlichen Bewohners von Sammelbecken konnte ich nicht an mich halten.

    Blutegel ging nicht darauf ein, sondern deutete mit einem spitzen, grellroten Nagel auf Abel. „Das Portal! Nicht hier, Bursche! In der Krypta!"

    Ich protestierte nicht dagegen, dass er uns herumkommandierte. Geschäft war schließlich Geschäft. „Da unten ist, äh, einer meiner Leute", warnte ich.

    Abel hatte offenbar begriffen, denn er reagierte nicht erstaunt, als er auf eine dunkle Gestalt stieß, die der Hauch des Todes umwehte. Er stellte keine Fragen. Schließlich hat ein Nekromant ein Anrecht auf einen untoten Diener, oder?

    Ich dagegen platzte fast vor Neugier und sah Blutegel durchdringend an. „Bei allem Respekt, aber beschränkt sich Ihre Tätigkeitsfeld nicht

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