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Die Affäre Abel: Kommissar Steinacker ermittelt. Zweiter Fall. Frankfurt-Krimi.
Die Affäre Abel: Kommissar Steinacker ermittelt. Zweiter Fall. Frankfurt-Krimi.
Die Affäre Abel: Kommissar Steinacker ermittelt. Zweiter Fall. Frankfurt-Krimi.
eBook305 Seiten4 Stunden

Die Affäre Abel: Kommissar Steinacker ermittelt. Zweiter Fall. Frankfurt-Krimi.

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Über dieses E-Book

Kurz nach dem Tod des wohlhabenden Unternehmers Jochen Abel taucht unerwartet ein neues Testament auf. Die Umstände seines Ablebens rufen Armin Steinacker, Hauptkommissar des Frankfurter Morddezernats, auf den Plan.
Was für Steinacker erst wie ein eindeutiger Mordfall scheint, entpuppt sich zunehmend als ein undurchdringliches Netz aus kriminellen Verknüpfungen: Von der italienischen Mafia bis nach Israel, vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart hängen internationale Organisationen, Geheimdienste und einflussreiche Persönlichkeiten in Seilschaften aus Macht- und Geldgier. Sie tun alles, um den Mörder zu schützen …
SpracheDeutsch
HerausgeberBuch&media
Erscheinungsdatum13. Aug. 2019
ISBN9783957801678
Die Affäre Abel: Kommissar Steinacker ermittelt. Zweiter Fall. Frankfurt-Krimi.

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    Buchvorschau

    Die Affäre Abel - Simon Zawalinski

    Erster Teil

    An einem sommerlichen Morgen vor etwa zwanzig Jahren trafen sich in einem Café im Stadtteil Bockenheim drei Kommilitonen der hiesigen Goethe-Universität. Sie absolvierten ein Jurastudium und waren alle drei gute Studenten, jeder von ihnen hatte einen ausgeprägten Sinn für das Wesentliche. Bei Kaffee und Kuchen beschlossen sie, gemeinsam ihre berufliche Karriere zu starten.

    Sie waren junge, selbstbewusste und lernwillige Menschen, die noch dazu einen ungeheuren Machthunger verspürten. Sie sahen sich als zukünftige Elite nicht nur des Bundeslandes Hessen, sondern des gesamten deutschen Staates. Sie waren klug, begabt und schon von zu Hause auf berufliche Führungsaufgaben vorbereitet. Die Ideale der früheren Studentenbewegung, die Che Guevara, Fidel Castro, Mao und Ho Chi Minh verehrte, waren ihnen bekannt, aber fremd. Weniger mit heißem Herzen als mit kühlem Verstand huldigten sie anderen Idolen und verfolgten andere Leitbilder. Sie schätzten Milton Friedman und Michail Gorbatschow, Sloterdijk war ihnen näher als Marx und Adorno. Sie dachten konservativ, identifizierten sich mit der Politik von Helmut Kohl und der deutschen Einheit und ihre Helden waren die Manager von VW, Daimler-Benz oder der Deutschen Bank. Die beiden jungen Männer stammten aus elitären Familien und auch die Verwandtschaft der jungen Dame war gut situiert.

    Sven Beck, der Anführer dieses Trios, war ein geborener Befehlshaber; einer, nach dessen Pfeife alle anderen zu tanzen pflegten. Er war groß, kräftig und trug sein kurzes dunkelblondes Haar nach hinten gekämmt. Sein Vater war ein bekannter Rechtsanwalt, der ausgezeichnete Kontakte zu den großen Wirtschaftsunternehmen pflegte. Er beriet Konzerne und vertrat die Interessen verschiedener einflussreicher Wirtschaftskapitäne. Becks Familie stammte eigentlich aus Hamburg, wo seine Vorfahren angesehene Kaufleute und Juristen gewesen waren. Da sich sein Großvater während des Dritten Reiches den Machthabern etwas zu heftig angedient hatte, suchte dieser nach den Kriegswirren ein neues Betätigungsfeld und fand es in Frankfurt. Er wurde zu einem allseits respektierten Strafverteidiger und saß am Ende seiner Karriere sogar im Frankfurter Stadtparlament.

    Der Enkel, der mit seinen Eltern eine Prachtvilla in Oberreifenberg im Taunus bewohnte, war auf die Strafverteidigung nicht besonders erpicht. Er wollte eher in die Fußstapfen seines Vaters treten und als Wirtschaftsjurist seinen Werdegang gestalten. Nicht von ungefähr belegte er als Zusatzfach die Betriebswirtschaft, die ihn schon immer sehr interessiert hatte. Eigentlich wollte er in die Politik, um dort seine Ideen, die er en masse hatte, zu verwirklichen. Deswegen war er auch Mitglied in der Jugendorganisation der Partei, die seine Interessen nach seiner Ansicht am besten vertrat. Auch seine Kommilitonen fanden ihre politische Heimat in dieser Parteigruppe.

    Der zweite im Kreis der Karrieremacher war ein etwas untersetzter junger Mann mit einem hübschen Gesicht. Er hatte dichtes schwarzes Haar und seine großen braunen Augen brachten so manches Mädchen um den Schlaf. Er gefiel den Damen und er wusste und genoss es. Seine Familie stammte aus Frankfurt, sein Großvater hatte eine Managerstelle bei der IG Farben gehabt und nach dem Krieg bei den Farbwerken Hoechst gearbeitet, wo er es zum Rang eines Direktors gebracht hatte. Sein Sohn und der Vater unseres Studenten war ein hoher Beamter beim Frankfurter Bauamt. Über seinen Schreibtisch gingen sämtliche Bauanträge im Frankfurter Stadtgebiet. Er war der Herr über Genehmigungen und Absagen, über Großbauprojekte und über den Bau von Gartenhäuschen. Er kannte alle Frankfurter Bauherren und sie kannten ihn. Er gehörte zu denjenigen Beamten, die kein Herz aus Stein hatten und mit denen man über alles reden konnte. Sein Sohn hieß Olaf Jansen und träumte davon, ein berühmter Anwalt oder noch besser ein bekannter Politiker zu werden. Er war ehrgeizig, ein kühl denkender Mensch, der alles plante und abwog, bevor er etwas in die Wege leitete.

    Die Dritte im Bunde war eine junge Frau. Sie war von durchschnittlicher Statur und durchschnittlichem Aussehen, mit dunkelblondem Haar, das ihr auf die Schultern fiel. Sie wirkte nicht besonders graziös, sondern hatte eher das Gesicht eines Wiesels. Sie war intelligent und sehr ehrgeizig und sie besaß die Gabe, schwächere Menschen für ihre Vorhaben auszunutzen oder sie zumindest zu beeinflussen. Mit den charakterstarken Menschen wusste sie sich zu arrangieren. Ihr Name war Amanda Lange, sie stammte aus dem Stadtteil Griesheim. Ihr Großvater hatte in den Dreißigerjahren in Frankfurt bei der Kriminal-, später bei der Geheimen Staatspolizei gearbeitet. Während des Krieges hatte er »mit der Waffe in der Hand« gedient, wie er immer wieder betonte. Seine Gattin war die Tochter des ehemaligen Polizeichefs Müller, der nach dem Krieg auf dem Weg zur Arbeit eines Tages verschwand und nie wieder auftauchte. Bis zum heutigen Tag galt sein Fall als ungeklärt. Der Sohn hatte es zum Revierleiter in Griesheim gebracht, und auch die Enkelin sollte in den Polizeidienst eintreten. Doch Amanda wollte lieber Staatsanwältin werden und den Kommissaren das Fürchten lehren. Auch sie wollte später in die Politik und es irgendwann möglichst bis nach Berlin schaffen.

    Die drei »Musketiere« sahen sich gut gerüstet für den Kampf um die Macht und sie waren bereit, dafür Opfer zu bringen. Sie wussten, dass sie auf ihrem Weg nach oben keine Rücksicht auf die Mitmenschen nehmen konnten, denn nur wer Macht besaß, konnte Entscheidungen fällen und die Massen beeinflussen.

    Das »Dreigestirn« war nicht nur miteinander befreundet, Amanda war auch in wechselnden Abschnitten mit einem der beiden Studenten liiert. Zunächst war sie mit Sven zusammen, danach verlebte sie eine schöne Zeit mit Olaf, um später wieder zu Sven zurückkehren. Manchmal, wenn die Lust zur Qual wurde, verbrachte sie süße Augenblicke mit Olaf. Alle drei waren mit diesem Spiel zufrieden und führten ein erfülltes und ereignisreiches Leben. Außer in der Liebe, in der sie ihr konservatives Gedankengut beiseiteschoben und sehr weltoffen wirkten, galt ihr ganzes Augenmerk ihrer späteren Karriere, der sie sich mit großem Eifer widmeten. Sie lernten fleißig und bestanden alle Examen ohne Probleme.

    Nun war die Zeit gekommen und die drei zu allem entschlossenen jungen Menschen hatten mit dem Staatsexamen in der Tasche das Gemäuer der Frankfurter Johann Wolfgang von Goethe-Universität verlassen. Die Welt stand ihnen offen, man musste nur nach den reifen Früchten greifen. Und das taten sie auch auf beeindruckende Art und Weise.

    Jochen Abel hatte es nicht immer leicht gehabt im Leben. Seine Eltern hatten ein kleines Geschäft geführt und sein Vater war sehr streng gewesen und hatte viel verlangt, manchmal zu viel. In den Wirren der Nachkriegszeit hatte es Jochen Abel dann nach Frankfurt verschlagen, wo er Arbeit beim Bau eines Einkaufszentrums fand. Da er seine Arbeit gut und fleißig bewerkstelligte, fiel er dem Polier ins Auge, der ihn dem Firmenchef als festen Mitarbeiter empfahl. In dieser Baugesellschaft lernte Jochen alle Kniffe und Tricks dieser Branche. Schon zwei Jahre später heiratete er die Tochter des Bauunternehmers, mit der er wiederum eine Tochter hatte. Seine Frau war keine Schönheit und er war nicht in sie verliebt, aber er respektierte sie und wollte ihr ein guter Gatte sein. Als der Schwiegervater das Zeitliche segnete, stieg Jochen Abel zum Firmenleiter auf. Damit begann seine steile Karriere.

    Im Auftrag von Banken und Versicherungen kaufte er Grundstücke und Immobilien und ließ die Gebäude abreißen, um die leeren Areale an potente Investoren zu verkaufen. Jahrelang machte er für die Konzerne die Drecksarbeit, die aber von seinen Auftraggebern fürstlich entlohnt wurde.

    Eines Tages beschloss Jochen, sein Tätigkeitsfeld zu erweitern und selbst Großprojekte zu bauen. Am Anfang kämpfte er mit Schwierigkeiten, die ihm seine ehemaligen Auftraggeber bereiteten, aber peu à peu befreite er sich aus ihrem Schatten und verwirklichte eigene Projekte. Im Lauf der Zeit wurde er zum respektierten Big Player im Bau- und Immobiliengewerbe. Er baute nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Den Namen Abel kannten jedoch nur die Insider, seine Firmen hießen Bauwelt, Centralbau, J. A. Bau oder Baufinger Bau-Management. Er baute ein spektakuläres Einkaufszentrum in Mexiko, die Postverwaltung in Djakarta, ein Shoppingcenter in Hannover und einen ganzen Stadtteil mit Wohnungen, Geschäften und der dazugehörigen Infrastruktur in Saudi-Arabien. Er baute im Irak, in Norwegen, den USA und Kanada. Mit den Chinesen gründete er ein Joint Venture in Peking.

    Mit der Zeit wurde er der wichtigste und vermögendste Bauunternehmer Europas. Viele Konkurrenzfirmen kaufte er auf und ließ sie unter ihrem bisherigen Namen weiterarbeiten. So wurde er zu einem der reichsten Männer Deutschlands, nur wusste das kaum einer, denn er blieb immer im Hintergrund, nie sah man ihn auf Partys oder anderen Veranstaltungen. Er mied die Öffentlichkeit und man wusste so gut wie nichts über ihn.

    Jochen Abel hatte neben seiner Ehefrau noch eine Freundin, die früher auf weniger anständige Art und Weise ihr Geld verdient hatte. Sie war eine wunderschöne, aparte Frau mit dem gewissen Etwas. In ihrer Jugend in Gießen war sie ein kaum beachtetes Mauerblümchen gewesen. Ihr erster Freund, Harald Beckmann, ein kleiner Ganove und Dealer, erkannte sofort das Potenzial, das in diesem Mädchen steckte, und machte aus Marie Kolesniak das Model Marie, das seine Kunden begeisterte. Als es für Beckmann, den man in seinen Kreisen nur Harry Nixnutz nannte, in Gießen zu eng wurde, zog er nach Frankfurt, die schöne Marie in seinem Schlepptau. Marie landete in einem Freudenhaus, wo sie Jochen Abel begegnete. So entstand die Beziehung, die zu einer großen Liebe wurde. Nachdem Abels Ehefrau an Krebs erkrankte und einige Zeit später ihrer Krankheit erlag, machte Abel Marie zu seiner offiziellen Partnerin und bald danach zu seiner Gemahlin.

    Abels Tochter Sarah besuchte die besten Internate in Amerika und blieb in den USA, wo sie einen Rechtsanwalt heiratete. Dieser war ein Hai in seiner Branche und sein Hunger nach lukrativen Fällen war kaum zu stillen. Eines Tages wurde er im Gericht erschossen. Sarah heiratete danach seinen Partner, der das stille Arbeiten bevorzugte. Zum Vater hatte sie gar keine Beziehung und auf sein Geld pfiff sie, sie hatte selbst genügend.

    Mit seiner zweiten Gattin bekam Jochen Abel ebenfalls eine Tochter, die sie Anna nannten. Die neue Frau Abel lernte schnell die Etikette der sogenannten besseren Gesellschaft, blieb aber in ihrem Innersten die Marie aus Gießen. Ab und zu hatte sie noch Kontakt zu Harald Beckmann, der als Harry Nixnutz im Frankfurter Bahnhofsviertel Karriere machte und gern heikle Aufträge entgegennahm. Nach außen mimte er weiterhin den Kleinganoven mit überschaubarer Intelligenz, in Wirklichkeit hatte er gute Verbindungen in die Frankfurter Unterwelt. Er arbeitete eng mit einem gewissen Günther Lerch zusammen, der einer der Großen im Milieu war und überall Einfluss hatte.

    Für Marie Abel begann das Märchen mit dem Umzug in die Villa ihres Mannes in Sachsenhausen. In diesem Gebiet zwischen der Babenhäuser und der Mörfelder Landstraße hatte man nach dem Krieg eine Art Ghetto für die reichsten Frankfurter Bürger errichtet. Imposante Villen und Schlösschen standen am Stadtwald. Wer am Lerchersberg, so hieß das Gebiet, Quartier bezog, der durfte sich zur Elite des Frankfurter Bürgertums zählen. Hier wohnten bekannte Künstler neben Baulöwen, Bankmanager neben Politikern, Unternehmensgrößen neben den Superreichen aus der Unterwelt. Jede Villa wurde von Sicherheitsfirmen überwacht, häufig sah man nur die Security-Leute, selten die, die von ihnen beschützt wurden.

    In eine dieser Prachtvillen übersiedelte die neue Frau Abel. Marie schickte ihre Tochter jedoch in die örtliche Schule, obwohl ihr Vater die besten Internate für sie ausgesucht hatte. Nach der Grundschule besuchte das Mädchen das Goethe-Gymnasium und absolvierte ein bravouröses Abitur. Sie immatrikulierte sich an der Frankfurter Universität, denn ihr Wunsch war es, Anwältin zu werden.

    Die Zeit blieb nicht stehen, der Milliardär spürte sein Alter, er litt unter verschiedenen Krankheiten. Jochen Abel musste mehr auf seine Gesundheit achten. Das Firmenkonglomerat wurde in verschiedene Aktiengesellschaften umgewandelt, in allen Gesellschaften fungierte Jochen Abel als Aufsichtsratsvorsitzender. Seine Marie half ihm so gut sie konnte, aber viel konnte sie nicht machen.

    Eines Tages erlitt der Firmenmogul einen Schlaganfall, der ihn ans Bett fesselte. Er war bei vollem Bewusstsein, konnte aber nicht sprechen und sich auch kaum bewegen. Marie versuchte seine Geschäfte weiterzuführen, aber sie war in der Betriebswirtschaft nicht bewandert, deshalb überließ sie die Geschäftsleitung dafür ausgebildeten Managern, was eine weise Entscheidung war. Tochter Anna stand kurz vorm Staatsexamen und verspürte kein Bedürfnis, sich der Leitung des Firmenimperiums zu widmen. Ihr Ziel war eine Hilfestellung für den kranken Vater, um sein Lebenswerk zu erhalten.

    Um die privaten Geschäfte zu ordnen, engagierte Marie Abel einen jungen Finanzberater, der außerdem ein promovierter Jurist war. Knut Petersen sollte ihr persönlicher Vermögensberater und juristischer Beistand sein. Er stammte aus Kiel und hatte in Hamburg studiert. Knut Petersen sah verdammt gut aus und besaß zudem Charme und Einfühlungsvermögen, was seine Wirkung auf die Frauen nicht verfehlte. Er war einer, den die Frauen liebten und der ihre Liebe gern erwiderte. In Kiel und Hamburg ließ er viele gebrochene Frauenherzen zurück, als er nach München ging und dort eine Stelle bei einem bekannten Versicherungsunternehmen antrat. Auch die bayerischen Mädels fanden Gefallen an dem kühlen Norddeutschen, sodass er sich über Einsamkeit nicht beklagen brauchte. In Frankfurt wollte er nun ein geordnetes Leben führen, vielleicht auch heiraten und Kinder haben. Die Arbeit bei den Abels sollte interessant, nicht besonders schwierig und abwechslungsreich sein. Er freute sich auf die neue Aufgabe.

    Noch bevor er seinen neuen Job antrat, lernte er bei einem Empfang in Frankfurt eine reizende Staatsanwältin kennen. Diese Dame gefiel ihm auf Anhieb. Er fand sie so faszinierend, dass er versuchte, sie in sein Hotelzimmer einzuladen, was sie verständlicherweise ablehnte. Er wandte alle möglichen Tricks an, um mit ihr die Nacht verbringen zu können, aber alle Bemühungen schlugen fehl. Als er schon nicht mehr an sein Glück glaubte und fast aufgeben wollte, sagte sie plötzlich doch noch ja.

    Nach dieser Nacht voller Leidenschaft und Zärtlichkeit teilte sie ihm unvermittelt mit, dass sich diese Begegnung nicht wiederholen würde. Sie habe nur nach einem körperlichen Ausgleich gesucht und den habe sie auch bekommen. Knut Petersen war zutiefst schockiert und fühlte sich herausgefordert. Seine Partnerin für eine Nacht war zwar nicht besonders schön, ihr Gesicht erinnerte ein bisschen an ein Wiesel, aber ihre Charakterstärke, ihre Willenskraft und ihr Auftreten imponierten ihm. Auf alle Fälle schien sie ein Machtmensch zu sein und dies gefiel Petersen, der die netten Mauerblümchen verabscheute.

    Er erkundigte sich bei einem Bekannten aus der Anwaltsbranche nach ihr und erfuhr, dass sie eine aufstrebende Juristin war, der große Chancen eingeräumt wurden, den scheidenden Oberstaatsanwalt zu beerben. Sie war noch dazu eine gute Partie und der angehende Vermögensverwalter verliebte sich Hals über Kopf in die junge Frau.

    Günther Lerch war ein groß gewachsener Mann, der früher Kampfsport betrieben und einige Kämpfe auch gewonnen hatte. Im Krieg hatte er viele unschöne Dinge machen müssen und schreckliche Situationen erlebt. Darüber wollte Günther Lerch nicht reden, er wollte nicht einmal daran denken oder erinnert werden. Jetzt schämte er sich seiner Taten, aber damals hatte er keine Möglichkeit gehabt, abzulehnen. Er war in Berlin nach einem Raubüberfall verhaftet und zur Arbeit in einem Strafbataillon verurteilt worden. Er war nur der Fahrer des Fluchtwagens gewesen, deshalb gab man ihm die Chance, seine Untat zu sühnen, indem er in einem Konzentrationslager Dienst tat.

    Kurz bevor der Krieg endgültig zu Ende war, flüchtete Lerch aus dem Lager und verschwand nach Frankfurt. Im Nachkriegsdeutschland eröffnete er zusammen mit einem jüdischen Kompagnon ein Freudenhaus, dazu kamen bald einige Nachtklubs und Spielhallen. Danach investierte er sein Geld in Immobilien und so lernte er den Baulöwen Jochen Abel kennen, der Lerch viele Investitionsmöglichkeiten eröffnete. Diese Investitionen brachten ihm gutes Geld ein und es entstand eine Freundschaft mit dem Immobilienmagnaten.

    Mit der Zeit wurde Lerch zu einer Größe im Rotlichtmilieu und beherrschte zusammen mit einigen anderen Anführern der Unterwelt das Bahnhofsviertel. Eines Tages half er seinem Freund Abel, eine prekäre Lage zu meistern. Irgendein rücksichtsloser Wettbewerber in der Baubranche versuchte, Abel einzuschüchtern, um seine Geschäfte zu übernehmen. Verzweifelt kam dieser zu Lerch und erzählte ihm von den Drohungen.

    »Wozu hat man Freunde, Jochen?«, beschwichtigte ihn der Unterweltkönig und meinte, er könne beruhigt nach Hause gehen. Er werde schon dafür sorgen, dass dieser Widersacher ihn nie wieder belästigen werde. Abel fragte nicht nach der Art dieses Dienstes, ihm war nur wichtig, dass dieser gefährliche und rücksichtslose Mensch, der sich auch in Unterweltkreisen bewegte, in die Schranken gewiesen wurde. Mit dem Tag des Gesprächs wurde der unangenehme Störenfried nicht mehr gesehen.

    Den Auftrag zur Einschüchterung erhielt damals ein etwa dreißigjähriger Mann, der trotz seiner Drogenprobleme ein verlässlicher Erfüllungsgehilfe von Günther Lerch war. Man nannte ihn Harry Nixnutz, seinen richtigen Namen kannte kaum jemand in der Frankfurter Unterwelt. Nixnutz stammte aus Gießen und hatte von dort seine Freundin Marie Kolesniak mitgebracht, die schnell Günther Lerchs Gefallen fand. Da der Drogendealer zunächst an seinem Mädchen festhielt und es für unverkäuflich erklärte, musste der Rotlichtpate sehr deutlich werden. Danach einigte man sich und Lerch nahm Marie und Harry unter seine Obhut. Er machte Marie zu seiner Gespielin und zum ersten Freudenmädchen am Platz, das nur für besondere Kunden zu buchen war, und Harry wurde zum wichtigsten Gehilfen des Frankfurter Unterweltbosses.

    Die Affäre mit Marie dauerte einige Jahre, dann wandte sich Günther Lerch jüngeren, nicht immer attraktiveren Frauen zu. Es traf sich gut, dass Marie einen Kunden traf, der sie tröstete und für ihr Wohl sorgte. Auch Günther Lerch war mit dem neuen Freund seiner Marie einverstanden: Es war Jochen Abel, der Marie nach dem Tod seiner Frau heiratete, als sie mit Anna schwanger wurde. Günther Lerch fungierte sogar als Pate der kleinen Anna und hatte immer das Gefühl, der wahre Erzeuger des Kindes zu sein. Er hatte die Obsession, Marie und Anna beschützen zu müssen.

    Auch das Leben Jochen Abels war ihm nicht gleichgültig. Er beriet ihn in verschiedenen Angelegenheiten, denen der Baulöwe alleine nicht gewachsen war. Er empfahl ihm, Tadzio als Leibwächter zu engagieren. Tadzio, den alle nur Pan (Herr) Tadzio nannten, war ein polnischer Marineinfanterist, ehemaliges Mitglied der Stetzki-Gang, eine berüchtigte kriminelle Organisation in Stettin. Als es dem Haudegen in seiner Heimat zu heiß wurde, erkor er Wien zu seinem neuen Domizil. Man munkelte, der fast zwei Meter große und einhundertzwanzig Kilo schwere Draufgänger sei dort für den österreichischen Geheimdienst tätig gewesen, denn er wusste vieles, was andere gerne wissen wollten. Nach zwei missglückten Attentaten auf seine Person flüchtete er nach Frankfurt, wo Günther Lerch ihn unter seine Fittiche nahm und ihm den Job bei der Familie Abel besorgte. Pan Tadzio, der Hüne mit dem Aussehen eines Catchers, diente dem neuen Herrn treu und gewissenhaft.

    Marie Abel konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Pan Tadzio verschiedene Informationen über die Familie Abel direkt an seinen Gönner aus dem Bahnhofsviertel weitergab. Als Jochen Abel nach seinem Schlaganfall ans Bett gefesselt war, trafen Lerchs Leute besondere Sicherheitsvorkehrungen. Harry Nixnutz wurde beauftragt, Informationen über den Vermögensverwalter und Finanzberater Knut Petersen einzuholen. Lerch wollte alles wissen und Harry konnte diesen Auftrag zur vollen Zufriedenheit des Bosses erfüllen.

    Hauptkommissar Armin Steinacker von der Frankfurter Mordkommission hatte ein ungutes Gefühl. Der alte Staatsanwalt Kurt Moritzen wurde in den Ruhestand verabschiedet, an seiner Stelle sollte eine neue Kollegin die Geschäfte führen. Sie war bekannt als eine zähe, kompromisslose Vertreterin der Anklageseite. Sie hatte ihre eigene Meinung und vertrat diese auch vehement. Der Kommissar hatte nichts gegen Frauen in diesem Beruf, aber er wusste, dass die Zusammenarbeit mit ihr viele Komplikationen und Schwierigkeiten bereithalten würde. Sie war früher für die Drogenfahndung zuständig gewesen und die Kollegen hatten mit ihr einige harte Nüsse zu knacken gehabt.

    Zudem bekam die von Steinacker geführte Mordkommission jetzt einen neuen Leiter, Dr. Lindner. Sein ehemaliger Chef, mit dem Steinacker noch die Polizeischule besucht hatte, wurde in Pension geschickt. Mit ihm hatte er jahrzehntelang ausgezeichnet harmoniert. Eine Zeit lang hatte Steinacker die Abteilung kommissarisch geleitet, doch nun hatte man ihm einen studierten Juristen vor die Nase gesetzt. Er war überrascht zu erfahren, dass Dr. Lindner neben Jura auch Psychologie und Kriminalistik studiert hatte und als absoluter Fachmann auf seinem Gebiet galt. Dr. Lindner war jung und sehr ehrgeizig, ein ausgezeichneter Theoretiker, dem allerdings noch die Berufspraxis fehlte. Er verstand sich prächtig mit Steinackers Mitarbeiter Doppelmayer, mit Steinacker selbst gestaltete sich die Zusammenarbeit eher schwierig.

    Bei einem gemeinsamen Mittagessen mit dem Chef des Raubdezernats, Fred Sattler, erfuhr Steinacker mehr über seinen Vorgesetzten und die neue, für seine Abteilung zuständige Staatsanwältin. Sattler erzählte, dass die beiden zusammen an der Frankfurter Universität studiert hatten. Die neue Staatsanwältin werde aber nicht lange bei der Mordkommission bleiben, weil sie Höheres im Sinn habe, meinte er und lächelte verschmitzt.

    »Die Dame ist sehr ehrgeizig. Man munkelt, sie sei die Geliebte von Oberstaatsanwalt Förster und eine heiße Anwärterin auf seine Nachfolge. Der Alte ist ja Kandidat für einen Posten im Justizministerium in Berlin. Und dass Förster ein geiler Bock ist, wissen wir alle. Es kann sich also lohnen, ihm eine besondere Freundschaft anzubieten«, lachte der Chef des Raubdezernats.

    »Wodurch unterscheidet sie sich dann noch von einer Prostituierten?«, fragte Steinacker.

    »Die sind ehrlicher«, antwortete Sattler sarkastisch.

    Es interessierte Steinacker allerdings nur am Rande, ob an diesem Gerücht von einer Liaison etwas Wahres war, ihm ging es vor allem um seine Unabhängigkeit bei den Ermittlungen. Nachdem ihm schon Dr. Lindner die Autonomie streitig machte, wollte er nun die Neue zwingen, Farbe zu bekennen.

    An diesem Tag hatte der scheidende Staatsanwalt Moritzen den Kommissar und seinen Assistenten Doppelmayer in sein Büro gebeten. Dort saß schon eine etwa fünfunddreißigjährige Dame, ebenso waren Dr. Lindner und der Oberstaatsanwalt Dr. Förster anwesend.

    Steinacker musterte die neue Staatsanwältin, die ihm als Amanda Lange vorgestellt wurde. Ihre ganze Haltung zeugte von einer Frau mit großer innerer Stärke, Durchsetzungsvermögen und eisernem Willen. Ihr Gesichtsausdruck erinnerte den Kommissar an ein Wiesel, das immer wachsam und sprung- und abwehrbereit ist. Sie und Dr. Lindner könnten nach seinem Gefühl charakterliche

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