Heimat bleibt unvergessen: 30 Jahre Bund der Vertriebenen - Regionalverband Bad Salzungen
Von Jana Henn
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Buchvorschau
Heimat bleibt unvergessen - Jana Henn
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Inhalt
Vorwort
Wo war das eigentlich? – Die Ostgebiete
▪ Ostpreußen
▪ Westpreußen
▪ Pommern
▪ Schlesien
▪ Ostbrandenburg/Neumark
Flucht/ Vertreibung /Aussiedlung
Erwin Schulz
▪ Meine Heimat
▪ Flucht und Vertreibung
▪ Ankommen
▪ Endlich zu Hause
▪ Aktiv sein, damit es nie wieder passiert
▪ Recherchen
Frauenburg in Ostpreußen
Rettung über das Eis und die Ostsee
Alfred Hoffmann
▪ Meine Heimat
▪ Geflüchtet, zurückgekommen, vertrieben
▪ Anpassen und doch fremd sein
▪ Neuanfang
▪ Von Sachsen-Anhalt nach Thüringen
▪ Engagierte Arbeit für den BdV
Wittgendorf/ Cunzendorf /Sprottau in Niederschlesien
Krieg und Gewalt
▪ Vergewaltigungen
▪ Suizide
Gerda Polzt
▪ Meine Heimat
▪ Vertreibung aus Königsberg
▪ Keiner wollte uns
▪ Ein neues Zuhause
▪ Helfen ist Herzenssache
▪ Immer mein Königsberg
▪ Recherchen
Königsberg – Maraunenhof in Ostpreußen
Aufnahme- und Quarantänelager
Doris Timm
▪ Meine Heimat
▪ Mit dem Zug ins Erzgebirge
▪ Neuanfang
▪ Zuhause gesucht
▪ »Sie wird in allem helfen«
▪ Heimweh-Reisen
▪ Recherchen
Tollmingen in Ostpreußen
Suchdienste
▪ Suchdienst für vermisste Deutsche in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands/in der Deutschen Demokratischen Republik
▪ DRK-Suchdienst
▪ Wehrmachtsauskunftsstelle (WASt)
▪ Kirchlicher Suchdienst
▪ Internationaler Suchdienst - Arolsen Archives
▪ Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
Marianne Feldmann
▪ Meine Heimat
▪ Kriegsende
▪ Zwangsverpflichtet
▪ Schlesien ist so schön wie Thüringen
▪ Arbeit, Familie, Zuhause
▪ Im Gespräch
Altlässig / Gottesberg in Niederschlesien
Schule
Lieselotte Kümpel
▪ Meine Heimat
▪ Herzeleid
▪ Leben auf Polnisch
▪ Vertreibung
▪ Neuanfang
▪ Familie
▪ Heimweh-Reisen
Schwessin in Hinterpommern
Neue Heimat Thüringen – Archivfunde
▪ Umsiedler/Neubürger
▪ Stasi
Günter Sonder
▪ Meine Heimat
▪ Krieg
▪ Evakuiert nach Preußisch Stargard – geflüchtet nach Thüringen
▪ Neuanfang
▪ Eisenbahner aus Leidenschaft
▪ Familienleben
▪ Recherchen
Deutsch Eylau in Westpreußen
Lazarettzüge und Lazarettschiffe
Erika Greifzu
▪ Meine Heimat
▪ Flucht
▪ Veränderte Heimat
▪ Aussiedlung
▪ Endlich Zuhause
▪ Arbeit statt Ausbildung
▪ Die Geschichte mit dem Franzosen
▪ Alte Heimat
Laskowitz/ Markstädt in Niederschlesien
Über-Lebensmittel
Bund der Vertriebenen (BdV)
Vergessene Wörter
Ein Nachwort und ein Dankeschön
Bildnachweise und Bildquellen
Ein Bild, das Text, Person, Boden, Personen enthält. Automatisch generierte BeschreibungVorwort
Das vorliegende Buch entstand aus der Idee heraus, die Lebensgeschichten von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zu bewahren. Anlass dazu gab das dreißigjährige Jubiläum des Bundes der Vertriebenen (BdV), Regionalverband Bad Salzungen e.V. Zunächst war nur die Lebensgeschichte von Erwin Schulz im Gespräch. In den verschiedenen Veranstaltungen des BdV, die ich als Gast und Pressevertreter besuchte, wurden es aber immer mehr Lebensgeschichten, sodass ich schon bald der Überzeugung war, dass sie nicht verloren gehen dürfen. Ich lernte Menschen kennen, die mich beeindruckten und begeisterten, da sie souverän über die Geschichte unseres Landes in schweren Zeiten berichteten. Ich wollte in die Tiefe gehen, nachrecherchieren, ein paar blinde Flecken in den Lebensläufen auffüllen. Auch die technische Umsetzung war schnell geklärt. Der Medienservice Dei-Richter aus Stadtlengsfeld übernahm sowohl Video-, als auch Audioaufnahmen und unterstützte das Vorhaben mit viel Engagement. So gibt es die Möglichkeit, nicht nur die Geschichte der Zeitzeugen nachzulesen, sondern auch deren Gesichter zu sehen und ihre Stimmen zu hören. Es entstand eine Dokumentation.
Ergänzend zu den einzelnen Erzählungen, möchte ich Hintergrundwissen vermitteln. Warum ist alles so passiert, wie es passiert ist? Welcher Lebensumstand, welches Umfeld spielte welche Rolle? Was hat das mit den ganz persönlichen Erinnerungen zu tun? Es geht darum, der Leserschaft die Möglichkeit zu geben, die erfahrene Geschichte selbständig einzuordnen. Ich habe dafür in Archiven recherchiert, mit Fachleuten gesprochen und ähnliche Lebensläufe verglichen. Einen wissenschaftlichen Blick für ein solches Projekt zu gewinnen, ist gerade bei diesem Thema sinnvoll. Ratschläge über Oral History holte ich mir bei der Point Alpha Stiftung in Geisa, wo gleichfalls ein Zeitzeugenprojekt bearbeitet wird. Dort konnte ich mich auch über den Forschungsstand zum Thema Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa informieren. Mir war am Anfang nicht bewusst, dass ich mit dem Thema »Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten« einen Drahtseilakt vollführe. Es ist nach wie vor eine Herausforderung, Deutsche als Opfer im Zweiten Weltkrieg zu sehen, ohne in Konflikt zu kommen mit all den anderen Opfern des Nationalsozialismus, die es ohne den deutschen Überfall auf Polen von 1939 und den Weltkrieg zwischen 1939 und 1945 nicht gegeben hätte. Schuld gegen Schuld aufzurechnen, Opfer gegen Opfer zu stellen, will keiner. Die Aufgabe einer Dokumentation ist es vielmehr, die Vergangenheit aufzubewahren und nicht, diese moralisch zu bewerten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zur Eröffnung des Dokumentationszentrums Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin: »Um eine gute Zukunft gestalten zu können, müssen wir die Erinnerung an vergangenes Leid wachhalten.« Das versuche ich mit diesem Buch entsprechend.
Die Geschichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sind authentisch. Sie berichten aus der Kinderperspektive beziehungsweise aus der Perspektive der Jugendlichen, wie sie ganz persönlich dieses kollektive Trauma der Flucht und der Vertreibung wahrgenommen haben und was das Leben »danach« für sie bereitgehalten hat. Für eine bessere Lesbarkeit habe ich das eine oder andere Wort eingefügt, den Inhalt damit aber nicht angetastet. Ich hoffe sehr, dass ich den Lebensgeschichten der Zeitzeugen damit gerecht werden kann.
Wo war das eigentlich? – Die Ostgebiete
Übersicht der Ostgebiete 1939
Die deutschen Ostgebiete, um die es in diesem Buch geht, lagen östlich der Grenzlinie von Oder und Neiße. Ihr Verlauf wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1921 festgelegt. Diese Gebiete umfassten die historischen Landschaften Ost- und Westpreußens, Nieder- und Oberschlesiens, Hinterpommerns sowie Ostbrandenburg/Neumark. In den deutschen Ostmarken lebten 1939 insgesamt 9,6 Millionen Deutsche. Diese sogenannten Ostgebiete gehören heute überwiegend zu Polen, teilweise auch zu Russland, Litauen und Tschechien, sowie ein kleiner Teil des ehemaligen Schlesiens zur Bundesrepublik Deutschland.
Zudem gab es deutsche Minderheiten auch in Ostmitteleuropa, vom Baltikum über Polen, Böhmen und Mähren, Ungarn bis nach Rumänien und Jugoslawien. Die Freie Stadt Danzig, die nach dem Ersten Weltkrieg unter Aufsicht des Völkerbundes stand, bildete eine völkerrechtlich anerkannte besondere Einheit und ihre Bevölkerung entwickelte ein eigenes Selbstbewusstsein. Das beleuchtet gut die deutsche Literatur, insbesondere die Werke von Günter Grass.
Ostpreußen
Im Text des Ostpreußenliedes von Erich Hannighofer heißt es zu Beginn: »Land der dunklen Wälder, der kristallnen Seen, über weite Felder, lichte Wunder gehn.« Damit ist alles in allem beschrieben, was die ostpreußische Landschaft so besonders macht: Wälder, Wasser und Felder.
Bis 1945 war Ostpreußen der östlichste Landesteil Deutschlands. Man bezeichnete diese Region auch als »Kornkammer Deutschlands«. Aufgrund seiner Lage zwischen Nogat und Memel geriet dieser Landesteil immer wieder in kriegerische Auseinandersetzungen. Im Ersten Weltkrieg wurde er zum entscheidenden Schauplatz an der Ostfront.
Mit der Friedenskonferenz 1919 im Versailler Schloss und der Unterzeichnung des Friedensvertrages endete der Erste Weltkrieg mit der Konsequenz für Ostpreußen, dass es zu einer Exklave des Deutschen Reichs wurde. Das Staatsgebiet wurde durch den sogenannten Polnischen Korridor getrennt. In der Zeit der Weimarer Republik gab es auf deutscher Seite Hilfsmaßnahmen, um die ökonomischen Nachteile von Ostpreußen infolge der Exterritorialität auszugleichen.
Der Zweite Weltkrieg begann auch von Ostpreußen aus. Mit dem Beschuss der Munitionslager auf der Westerplatte bei Danzig, den Luftangriffen auf die polnische Stadt Wieluń und der Zerstörung der Weichselbrücke bei Dirschau begann das »Dritte Reich« den Zweiten Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen.
In Ostpreußen befand sich die Wolfsschanze, Hitlers Führerhauptquartier bei Rastenburg in der Nähe des Dorfs Görlitz. Von hier aus starteten die Planungen zum Vernichtungskrieg gegen die UdSSR. Ebenso wurden ideologische Grundfragen der Judenvernichtung diskutiert. In der Wolfsschanze wollte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg Hitler töten, um den Krieg zu verkürzen. Ostpreußen steht gleichwohl auch für Kriegsverbrechen wie die Massaker von Palmnicken durch die Deutschen oder die Massaker von Nemmersdorf und Metgethen durch die Rote Armee. Heute ist Ostpreußen dreigeteilt. Der südliche Teil gehört zu Polen, der nördliche Teil zu Litauen und das Land dazwischen gehört zu Russland.
Westpreußen
Hermann Löns schreibt in Erinnerung an seine Heimat Westpreußen: »Nach Osten zieht’s mich mächtig hin, »Nach Hause« klingt’s in meinem Sinn: drei Klänge sind’s vom Heimatland, die mir das Herz entwandt; …«
Als Westpreußen wird die Region bezeichnet, welche sich am Unterlauf der Weichsel von Thorn im Süden bis nach Danzig an der Ostsee erstreckt. Westpreußen hatte nach dem Ersten Weltkrieg einen beträchtlichen Teil der Kriegslast zu tragen, die im Versailler Vertrag festgeschrieben wurde. Westpreußen links der Weichsel und das Kulmerland wurden ohne Volksbefragung vom Deutschen Reich abgetrennt. Zwischen Ostpreußen und dem Mutterland klaffte der sogenannte »Korridor«, ein Landstreifen zwischen Pommern im Westen und dem Unterlauf der Weichsel im Osten. Für die restlichen Kreise Westpreußens, also Stuhm, Rosenberg, Marienburg östlich der Nogat und Marienwerder östlich der Weichsel sowie für den ganzen Regierungsbezirk Allenstein nebst dem Kreis Oletzko war eine Volksabstimmung nach dem Ersten Weltkrieg 1921 verfügt worden. Nach dieser blieben die Kreise Deutsch Krone, Flatow und
Schlochau in Preußen in der Weimarer Republik und wurden mit dem Kreis Fraustadt zu einer neuen Provinz »Grenzmark Posen-Westpreußen« vereinigt. Danzig stand fortan als eine Freie Stadt unter dem Schutz des Völkerbundes.
Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges nahmen deutsche Truppen einen großen Teil des vormals westpreußischen Gebiets ein. Im Zuge der sogenannten »Eindeutschung« Westpreußens fielen zahlreiche polnische Intellektuelle, Geistliche und Politiker Massenermordungen zum Opfer. Wie überall im Deutschen Reich wurden gleichfalls Patienten der psychiatrischen Kliniken, sogenannte »Asoziale« und Fürsorgezöglinge im Rahmen von Aktionen, wie der Aktion T4, getötet, ohne Rücksicht auf die Nationalität. Im Reichsgau lag das Konzentrationslager Stutthof. Es wurde zunächst als Zivilgefangenenlager in Betrieb genommen. Als Vernichtungslager hatte es ab 1944 zahlreiche Außenlager.
Das ehemalige Westpreußen ist heute vollständig Staatsgebiet von Polen.
Pommern
Im 1851 getexteten Pommernlied von Gustav Adolf Pompe heißt es in den ersten beiden Strophen: »Wenn in stiller Stunde Träume mich umwehn, bringen frohe Kunde Geister ungesehn, reden von dem Lande meiner Heimat mir, hellem Meeresstrande, düsterm Waldrevier. Weiße Segel fliegen auf der blauen See, weiße Möwen wiegen sich in blauer Höh’, blaue Wälder krönen weißer Dünen Sand; Pommerland, mein Sehnen ist dir zugewandt!«
Pommern erstreckte sich einst entlang der südlichen Ostseeküste von der Mündung der Recknitz im Westen bis zur Mündung der Piasnitz (Piaśnica) im Osten, was einer Luftlinie von 365 Kilometern entspricht. Der Name »Pommern« geht auf die westslawische Bezeichnung für ‚am Meer gelegen‘ zurück. Die Region reicht von der Ostseeküste und deren vorgelagerten Inseln knapp fünfzig Kilometer bis zu fast zweihundert Kilometer weit ins Binnenland. Die Region Hinterpommern wurde bis 1945 von Deutschen bewohnt. Es gab eine kleine polnische Minderheit.
Nach dem Ersten Weltkrieg grenzte Pommern mit seinen östlichen Kreisen an Polen. Der sogenannte Korridor und der Verlust des Hinterlandes mit den Provinzen Westpreußen und Posen verstärkte nach dem Versailler Vertrag die wirtschaftliche Krise sowohl der Landwirtschaft als auch besonders in Stettin, dem industriellen Herzen der Provinz.
Zu Kriegsbeginn 1939 wurden, ähnlich wie in Westpreußen, im Wald bei Piaśnica tausende Menschen erschossen. Sie waren Angehörige der polnischen und kaschubischen Intelligenz, Patienten deutscher und polnischer Psychiatriekliniken sowie deportierte Juden aus dem Reichsgebiet.
Während des Zweiten Weltkrieges gehörte Pommern zu den weniger vom Luftkrieg betroffenen Gebieten. Die Region wurde auch von direkten Kampfhandlungen verschont. Ab Ende Februar 1945 eroberte die Rote Armee innerhalb weniger Tage alle hinterpommerschen Städte.
1945 wurde das Land auf der Basis des Potsdamer Abkommens geteilt, wobei der genaue Verlauf der Demarkationslinie westlich von Stettin und Swinemünde/Świnoujście erst mit dem Schweriner Vertrag vom 21. September 1945 zwischen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland und dem kommunistischen Polen festgelegt wurde. 82 Prozent der Provinz Pommern östlich der Oder fielen damit unter sogenannte polnische Verwaltung und gehören seitdem zum polnischen Staatsgebiet.
Schlesien
Für den Schriftsteller Goethe war Schlesien ein »zehnfach interessantes Land« und »ein sonderbar schönes, sinnliches und begreifliches Ganzes«.
Schlesien war die größte Provinz Preußens und die Landeshauptstadt Breslau die fünftgrößte Stadt des Deutschen Reiches. Die Region liegt im Südosten beidseits des Ober- und Mittellaufs der Oder. Die Sudeten bis zu den Beskiden bilden eine natürliche Grenze.
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Provinz unmittelbar von den Auswirkungen des Versailler Vertrags betroffen. Infolge einer Volksabstimmung und militärischer Aufstände von Polen wurde Oberschlesien 1921/22 geteilt. Einen Teil schlug man Polen als Woiwodschaft Schlesien (das sogenannte Ost-Oberschlesien) zu. Der größere Teil verblieb im Deutschen Reich.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Provinz Oberschlesien 1941 reorganisiert. Sie umfasste dann auch den Landstrich Auschwitz, der durch das Vernichtungslager und die systematische Ermordung von mehr als einer Million europäischer Juden zum Sinnbild der nationalsozialistischen Verbrechen wurde. Im niederschlesischen Kreis Schweidnitz gab es zudem das Konzentrationslager Groß-Rosen.
In Schlesien entwickelte sich aber auch der Widerstand des sogenannten Kreisauer Kreises gegen den Nationalsozialismus. Mitglieder dieser Gruppe glaubten an ein Deutschland ohne eine Diktatur. Die meisten bezahlten dafür mit ihrem Leben.
Schlesien ist in seinen ehemaligen Grenzen heute hauptsächlich polnisch. Kleine Teile sind aber auch Tschechien und Deutschland zugehörig.
Ostbrandenburg/Neumark
»Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen.«, schrieb der Brandenburger Theodor Fontane 1862 im ersten Band seines Romans »Wanderung durch die Mark Brandenburg«.
Die Provinz Brandenburg, ehemals Mark Brandenburg, wurde 1815 gebildet. Sie lag östlich der Oder, aber ohne die Altmark westlich der Elbe, die an die Provinz Sachsen angeschlossen war. Zur Provinz gehörten auch die Niederlausitz sowie die Neumark. Die Neumark ist eine historische Landschaft östlich der Oder.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Osten der Provinz Brandenburg, infolge der Versailler Beschlüsse, zum Grenzland zu Polen. Nach der Auflösung der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen kamen im Jahr 1938, zwei Bezirke zur Provinz Brandenburg. Es wurden drei Bezirke an die Pommern abgegeben.
Im Zweiten Weltkrieg wurden in der Provinz Rüstungsbetriebe und militärische Anlagen errichtet. Es entstanden die Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg und das Frauen-Konzen-trationslager Ravensbrück bei Fürstenberg an der Havel. In den Städten, in den Fabriken und auf dem Land waren zehntausende Zwangsarbeiter, Häftlinge und Kriegsgefangene beschäftigt. Viele arbeiteten in Rüstungsbetrieben, die größtenteils unterirdisch versteckt in den brandenburgischen Wäldern lagen. Neben den vielen Bombenangriffen auf brandenburgische Städte gingen in den Kämpfen der sowjetischen und deutschen Divisionen in dem Raum zwischen Elbe und Oder märkische Dörfer und Städte in Flammen auf.
Als sich Ende Januar 1945 die Rote Armee der Oder näherte, kam es zur Flucht der deutschen Bevölkerung. Die Menschen, die nicht flüchten konnten oder wollten, wurden von der Front überrollt und litten dann unter Requirierungen, Verschleppungen und Gewaltakten.
In der Potsdamer Konferenz wurde die Oder-Neiße-Linie zur Grenze zwischen Polen und Deutschland bestimmt. Brandenburg war von diesem Zeitpunkt an geteilt.
Die Gebiete westlich der Oder des historischen Brandenburgs gehören heute zu Deutschland. Ostbrandenburg, einschließlich der Neumark, ist polnisches Staatsgebiet.
Flucht/ Vertreibung /Aussiedlung
Allein in Europa mussten infolge des vom Nationalsozialismus entfachten Krieges sowie der militärischen Expansion der Sowjetunion zwischen 1939 und 1947 nahezu fünfzig Millionen Menschen unter Zwang ihre Heimat verlassen. Deutsche wurden davon nicht verschont. Jeder vierte der europäischen Vertriebenen war Deutscher.
Altbundespräsident Joachim Gauck sagte über die Flucht und die Vertreibung aus den ehemals deutschen Ostgebieten: »Ausgegrenzt, verfolgt, vertrieben wurden Menschen seit Urzeiten. Aus der Geschichte kennen wir die Konflikte zwischen Sesshaften und Nomaden, zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Und im Nationalstaat des 19. und 20. Jahrhunderts erschienen Minderheiten häufig als potenziell illoyal, als Fremdkörper, die es zu assimilieren oder auszutauschen, zu vertreiben oder gar zu vernichten galt. Zeitweise sah die Politik im Bevölkerungsaustausch sogar ein probates Mittel der Konfliktlösung. Der sogenannte ‚Bevölkerungstransfer‘ von Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Böhmen, Mähren, aus der Batschka und vielen anderen Gegenden in Mittel- und Südosteuropa erschien auch den alliierten Regierungschefs Churchill, Truman und Stalin als adäquate Antwort auf den Tod und Terror, mit dem Nazi-Deutschland den Kontinent überzogen hatte. Als die Potsdamer Beschlüsse im August 1945 die rechtliche Basis dafür schufen, waren allerdings längst Fakten geschaffen worden: Millionen Deutsche waren bereits aus dem deutschen Osten, aus Polen, der Tschechoslowakei, aus Ungarn, Jugoslawien, Rumänien geflüchtet und vertrieben. Und was ‚in ordnungsgemäßer und humaner Weise‘ erfolgen sollte, hatte sich in der Realität als Alptraum erwiesen.«
Was Gauck hier anspricht, haben die Protagonisten dieses Buches erlebt. Als Deutsche lebten sie in Ost- und Westpreußen, in Niederschlesien und Hinterpommern. Sie erlebten Flucht, Vertreibung und Aussiedlung in ihren Kinder- und Jugendjahren.
Bevor es die Flucht und die Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten gab, hatten die Nationalsozialisten Pläne entworfen, den deutschen Lebensraum bis zum Ural auszuweiten. Der sogenannte »Generalplan Ost« sah damit auch die Vertreibung und Umsiedlung der dort lebenden slawischen Bevölkerung vor. Mögliche Opfer nahm man dabei in Kauf. Die zahlreichen Juden plante man zu töten. Es wurde vom »Lebensraum im Osten« und von »Germanisierung« gesprochen. Die Bewegung Richtung Osten schlug zum Ende des Zweiten Weltkrieges in eine Westbewegung um.
Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung erfolgte als Konsequenz der militärischen Niederlagen der deutschen Truppen und letztlich des Zusammenbruchs des »Dritten Reiches«. Drei Phasen lassen sich dabei herausstellen: Auf die Flucht vor der Roten Armee, folgten