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Hirtenwege: Unterwegs zu den Weidelandschaften im Osten Mitteleuropas
Hirtenwege: Unterwegs zu den Weidelandschaften im Osten Mitteleuropas
Hirtenwege: Unterwegs zu den Weidelandschaften im Osten Mitteleuropas
eBook417 Seiten5 Stunden

Hirtenwege: Unterwegs zu den Weidelandschaften im Osten Mitteleuropas

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Über dieses E-Book

Seit seinem Landwirtschaftsstudium faszinieren den Autor die Landschaften im Osten Mitteleuropas. Außer den endlosen Wäldern der Karpaten findet man hier die artenreichsten Wiesen der Welt. Wandernde Viehherden haben hier nicht nur in der Natur ihre Spuren hinterlassen, sondern auch im kulturellen Erbe.
Das Buch verführt zu Streifzügen von der Gegend um Wien bis an das Schwarze Meer. Es führt in Landschaften, die oft gar nicht weit weg, aber doch noch immer ein wenig hinter dem ehemaligen »Eisernen Vorhang« versteckt sind. Es bietet zunächst einmal Reise- sowie Lesetipps. Darüber hinaus lädt es dazu ein, sich über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Landschaft Gedanken zu machen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum13. Juni 2022
ISBN9783756269662
Hirtenwege: Unterwegs zu den Weidelandschaften im Osten Mitteleuropas
Autor

Harald Rötzer

Harald Rötzer wurde 1970 in Wien geboren. Er studierte Landwirtschaft und beschäftigt sich mit den Pflanzen, die auf Wiesen und Weiden wachsen, und damit auch mit der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Seine Leidenschaft für Reisen und Wanderungen führt ihn immer wieder in die Landschaften in und um die Karpaten.

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    Buchvorschau

    Hirtenwege - Harald Rötzer

    AUTOR

    Harald Rötzer wurde 1970 in Wien geboren. Er studierte Landwirtschaft und beschäftigt sich mit den Pflanzen, die auf Wiesen und Weiden wachsen, und damit auch mit der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Seine Leidenschaft für Reisen und Wanderungen führt ihn immer wieder in die Landschaften in und um die Karpaten.

    Inhalt

    Den Hirtenwegen folgen … (ein Vorwort)

    Wege Richtung Osten (ein Überblick)

    Lange Geschichte der Weiden

    Perchtoldsdorfer Heide:

    Ein Stück Steppe am Stadtrand Wiens

    Schneeberg:

    Almen am östlichsten Zweitausender der Alpen

    Steinfeld:

    Eine der westlichsten Steppen Europas

    Marchfeld:

    Sanddünen »wie in den asiatischen Steppen«

    Hainburger Berge:

    Schafweide als ein Pilotprojekt des Naturschutzes in den »Österreichischen Karpaten«

    Weiße Karpaten und Mährische Walachei:

    Eines der artenreichsten Wiesengebiete Europas und ein lebendiges Museum

    Land um die Tatra:

    Bergtourismus mit Brimsen, Liptauer und Räucherkäse

    Połoniny und Bieszczady:

    Almberge in einem ewigen Grenzland

    Seewinkel:

    Steppe hinter dem Neusiedler See

    Hortobágy:

    Faszination der Puszta in der Ungarischen Tiefebene

    Kiskunság:

    Sandpuszten zwischen Donau und Theiß

    Deliblat und Eisernes Tor:

    Durch die Vojvodina in die »Europäische Sahara« und an das Ende der Karpaten

    Huzulenland:

    Ein geheimnisvolles Bergvolk in einem Kerngebiet der ukrainischen Kultur

    Maramuresch und Bukowina:

    Traditionelle Landwirtschaft am Oberlauf von Theiß und Moldova

    Siebenbürgen:

    Bei den Sachsendörfern um Sibiu/Hermannstadt

    Mărginimea Sibiului und Retezat-Gebirge:

    Auf den Spuren der Transhumanz in den Südkarpaten

    Széklerland und Gyimes:

    Wiesen und Weiden in den Ostkarpaten

    Walachei und Dobrudscha:

    Steppen in der Nähe des Donaudeltas

    Im Süden der Ukraine und darüber hinaus:

    Ein Blick in die osteuropäische Steppenzone

    Wohin geht die Reise?

    Perspektiven der Weidewirtschaft

    Bildteil

    Den Hirtenwegen folgen … (ein Vorwort)

    Aufgewachsen bin ich in Wien und in den Leiser Bergen im niederösterreichischen Weinviertel. Hirtenweg war damals dort die Bezeichnung eines Wanderweges, der Orte miteinander verband, die von der Urgeschichte bis ins Mittelalter ihre große Zeit gehabt hatten. Gerade weil es damals in der Gegend keine Hirten und auch kein Weidevieh gab, war dieser Name für meine Fantasie sehr anregend. Wie die meisten Österreicher begegnete ich der Hirtenkultur und der Weidewirtschaft zunächst auf den Almen, den hochgelegenen Sommerweiden in den Alpen. Dort schien das auch hinzugehören, und dort ist es nach wie vor ein zentraler Aspekt der österreichischen Kultur. Im Osten des Landes gab es hingegen Acker- und Weinbau und damals auch noch ab und zu ein paar Rinder im Stall. Gleichzeitig war da gerade in den Leiser Bergen dieses faszinierende Grasland, das ein- oder zweimal im Jahr besonders bunt wurde und dazwischen im Sommer oft austrocknete. Irgendwann erfuhr ich, dass dieser Trockenrasen, auch dieses Wort lernte ich erst nach einiger Zeit kennen, mit dem damals niemand so recht etwas anzufangen wusste, ein besonderes Sorgenkind des Naturschutzes war.

    Auf den Trockenrasen der Leiser Berge freute ich mich im zeitigen Frühling über die Kuhschellenblüte, im Frühsommer über das Federgras, und manchmal beobachtete ich Ziesel, putzig kleine Nagetiere. In den 1980er-Jahren entstand in Österreich ein Trockenrasenkatalog, der auch heute noch ein faszinierender Führer zu diesen speziellen Teilen der Landschaft ist. Ich erfuhr, dass man die Trockenrasen als Vorposten der Steppen in der Ukraine, in Russland und noch weiter im Osten sehen kann, von denen ich damals allerdings keinerlei konkrete Vorstellung hatte. Auch lernte ich, dass diese Trockenrasen früher einmal Weideland waren. So bekam die Bezeichnung Hirtenweg in dieser Gegend für mich Sinn. Bei fehlender Nutzung wurden die früheren Weiden nach und nach von Gebüschen bewachsen. Auch das konnte ich beobachten. Wenn niemand eingriff, würden sie langsam wieder zu Wald werden. Tatsächlich erfuhr ich, dass auch der von mir oft erkundete Wald hinter »meinem« Dorf vor Jahrhunderten noch Weide gewesen war. Der Förster erzählte mir, dass möglicherweise ein paar besonders große knorrige Buchen in der ersten Zeit ihres Lebens auf der mehr oder weniger offenen Weide gestanden waren. Auch auf Hügeln, wo heute Äcker sind, waren einmal Weideflächen. Im Nachbardorf gibt es noch einen Hirtenberg. Und dort, wo mein Großvater als Kind auf der Gemeindeweide von einem Stier verletzt wurde, steht heute noch ein Kreuz, das aus Dankbarkeit für sein Überleben errichtet wurde. Ganz oben auf diesem Hügel fand ich noch ein paar Trockenrasenpflanzen. So konkret konnte Geschichte sein.

    Gerade diese Geschichten waren ein Grund dafür, dass ich mich Anfang 1989 entschloss, Landwirtschaft zu studieren. Ich hatte bald das Gefühl, genau das gefunden zu haben, was mich interessierte. Noch im gleichen Jahr geschah eine Art von Wunder, das das Leben so vieler Menschen in Mitteleuropa von Grund auf veränderte. Mit dem Ende des kommunistischen Systems im damaligen Ostblock war der »Eiserne Vorhang« Geschichte, jene scharfe Grenze, die den Kontinent vorher brutal in zwei Teile geteilt hatte, zwischen den Städten Wien und Bratislava mitten durch, knapp an den Leiser Bergen vorbei. Bis dahin hatte ich sowohl vom Leben der Menschen wie auch von den Landschaften dahinter kaum etwas gewusst. Über Tschechien gab es vor allem irgendwie unwirklich gewordene Erinnerungen der Großelterngeneration an Städte wie Brünn, Prag, Karlsbad oder Olmütz. Ähnlich war das auch mit Bratislava/Pressburg in der Slowakei. Hier begann ich bald mit Erkundungen.

    Ich entdeckte die Städte und bald auch das Land. Ich hatte das Gefühl, dort etwas anderes zu suchen als die meisten meiner Landsleute, die damals entweder zum billigen Einkaufen fuhren, alte Erinnerungen verklärten, oder auch gleich einmal nach wirtschaftlichen Chancen Ausschau hielten. Ich tat es zunächst vor allem den TschechInnen und SlowakInnen gleich, für die Reisen, Wandern und ab und zu im Zelt Übernachten ein wichtiger Teil ihrer Kultur geworden waren. Ich fuhr oft mit langsamen Zügen durch die Gegend, kaufte in den Dörfern ein, wanderte durch die Wälder und über die Wiesen, aß und trank mit Begeisterung das, was die anderen Ausflügler und Wanderer dort so genossen, freute mich über die Fremdsprachenkenntnisse so vieler junger Leute von dort, und schloss bald erste Freundschaften. Ein bisschen begann auch für mich Anfang 1990 eine eigentlich gar nicht so recht erwartete Zeit der Freiheit.

    Bald hatte ich so auch die Karpaten entdeckt, die ersten Male bei einem Spaziergang am Rand von Bratislava und nach einer Nachtzugfahrt zur Hohen Tatra. Das unbekannte Gebirge beginnt ja praktisch vor der Haustür Wiens. Ebenso faszinierte mich die weite Ungarische Tiefebene, die auch fast bis an den Wiener Stadtrand reicht. Immer mehr merkte ich, dass ich in diesen Landschaften nicht nur Natur entdeckte. In Wiesen und Weiden, Hecken und Obstbäumen, in alten Bauernhäusern und Almhütten, in Melkschemeln und alten Käsereitechnologien manifestierte sich das Erbe einer alten Kultur, die genauso Respekt verdient wie alte Schlösser, Bibliotheken oder Musikstücke. Die Hirtenkultur reicht bis in Urzeiten zurück, sie hat Gemeinsamkeiten und gemeinsame Wurzeln mit dem Nomadismus in anderen Teilen der Welt, und sie kennt im Grund genommen keine Grenzen. Und schließlich muss auch diese Kultur gepflegt und bewahrt werden, was sie auch mit anderen Formen des kulturellen Erbes gemeinsam hat. Naturschutz ist letzten Endes ein Teilaspekt dieses Bewahrens einer bedrohten Vielfalt. Und gerade nach dem Ende des die Natur oft ziemlich rücksichtslos behandelnden Systems des Kommunismus in meinen Nachbarländern hatten wir viele Ideen für den Naturschutz.

    Ich war wie gesagt oft langsam unterwegs, und so vergingen ein paar Jahre, bis ich auch Rumänien entdeckte, das Land hinter der Ungarischen Tiefebene. Wieder war ich fasziniert, und ich erinnere mich noch heute an meine erste Zugfahrt über Cluj in die Bukowina, bei der ich über Hirten mit Fellumhang vor dem Zugfenster genauso staunte wie über Bauern mit Sensen, die auf der Bahnstrecke über die Karpaten ein paar Stationen mit dem Zug mitfuhren. Noch später führte mich meine Neugier in für mich ähnlich spannende Gegenden im Süden Polens, im Südwesten der Ukraine und im Norden Serbiens.

    In der Zwischenzeit war ich landwirtschaftlicher Vegetationsökologe geworden, der sich vor allem mit den Wiesen und Weiden Niederösterreichs beschäftigte, in meiner Dissertation dann auch mit einem Vergleich der Steppen im Marchfeld, einem Teil dieses Bundeslandes, mit denen im Osten. Der Osten Mitteleuropas war aber nicht nur ein Urlaubsziel, das ich bei Übernachtungen im Zelt oder im Zimmer am Bauernhof ganz besonders genoss, ich begann mich auch immer mehr mit der Geschichte dieser Landschaften zu beschäftigen. Nicht zuletzt erlebte ich besonders in Rumänien und zwischendurch auch in den ukrainischen Karpaten die Landschaft und ihre Bewirtschaftung oft auch wie durch eine Art Zeitfenster, durch das ich etwas »live« erleben konnte, was in Österreich, in Deutschland, aber auch in Tschechien und in der Slowakei schon Geschichte war.

    Dabei denke ich jetzt nicht nur an so manches Pferdefuhrwerk, von dem ich als Wanderer auf der Landstraße mit freundlichen Worten ein Stück mitgenommen wurde. Ich denke vor allem an die Hirten, denen ich auf Bergpfaden in den Karpaten begegnete oder ab und zu auch auf einem Acker in der Ebene. Sie beeindruckten mich nicht nur durch trotz der Sprachdefizite meinerseits oft besondere Herzlichkeit und gelegentlich die Bereitschaft, ihren Käse und mein Brot miteinander zu teilen. Sie erinnerten mich auch daran, wie sehr dieses Land von alten Hirtenwegen durchzogen ist, und wie sehr diese ein Schlüssel sind, um Kultur, Landschaft und auch die Biodiversität zu begreifen.

    Reisetipp:

    Der Hirtenweg ist zwar aus dem touristischen Angebot des Naturparks Leiser Berge verschwunden, die Gegend ist aber immer noch ein guter Tipp, um bei Spaziergängen und Wanderungen um den höchsten Berg des Weinviertels (Buschberg, 492 m Seehöhe) eine Landschaft mit Wäldern, Äckern und recht großflächigen Steppenrasen kennen zu lernen. Nur 50 km nördlich von Wien ist die Gegend mit ihren kleinen Dörfern erstaunlich entlegen, und die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfordert etwas Geduld. Wenn es eine längere Wanderung sein soll, kann man von der Bahnstrecke Wien–Laa an der Thaya aufbrechen. Mit dem Bus kommt man nach Ernstbrunn, nach genauem Fahrplanstudium auch mitten ins Gebiet.

    Lesetipp:

    HOLZNER, Wolfgang: Österreichischer Trockenrasenkatalog. Grüne Reihe des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz, Wien 1986

    Wege Richtung Osten (ein Überblick)

    Vom Großraum Wien–Bratislava aus kann man sich grundsätzlich in zwei Richtungen auf den Weg in den Osten machen, durch die Karpaten oder die Donau abwärts durch die Tiefebene. Auf dem Weg durch die Berge folgen die Kleinen Karpaten, die Weißen Karpaten und die Beskiden, womit wir, zunächst einmal im Kopf, über den östlichen Rand Tschechiens schon bis nach Polen gereist sind. Fatra und Tatra sind bekannte Gebirgsstöcke in der Slowakei, die Waldkarpaten ziehen sich dann ein Stück durch die Ukraine und schließlich nach Rumänien hinein. Dort folgen Ost- und Südkarpaten, bis schließlich am Eisernen Tor an der Grenze mit Serbien wieder die Donau erreicht wird. Der höchste Berg der Karpaten mit 2.655 m Seehöhe befindet sich in der Hohen Tatra. In ihrem über 1.300 km langen Bogen umschließen die Karpaten ein Becken, das man grob in die Ungarische Tiefebene und das Hochland von Siebenbürgen einteilen kann. Die Ebene wird von der Donau durchflossen und ist eine Art Vorposten des weitläufigen Flachlandes Osteuropas.

    Alpen und Karpaten sind gewissermaßen das Rückgrat der mitteleuropäischen Landschaften. Dabei kommt den Karpaten, zumindest bei den Menschen, die westlich des ehemaligen »Eisernen Vorhanges« leben, die Rolle des »vergessenen Gebirges« zu. Interessanterweise hat das auch schon vor über 200 Jahren der Geograf und Naturforscher Balthasar Hacquet so gesehen. Er wurde um 1739 in Frankreich geboren, war Professor in Lemberg und Krakau und starb 1815 in Wien. Im Geist der Aufklärung unter Kaiser Josef II. beschrieb er die Karpaten in seinen Büchern, die den köstlichen Titel »Physikalisch-Politische Reisen« tragen und in den letzten Jahren in einer gekürzten Neuauflage erschienen sind. Er beobachtete, ersann Verbesserungsvorschläge für das Leben der Bergbewohner und trug gleichzeitig zur Eingliederung der Karpatenlandschaften in die Verwaltungsstrukturen der Habsburgermonarchie bei. Schon in der Vorrede zu seinem Werk schrieb er: »Unter der Gebirgskette von Europa hat der Strich, welcher die Karpaten ausmacht, das Schicksal gehabt, von Naturforschern am wenigsten bereist zu werden.«

    Vieles hat sich seit damals geändert, der Ruf der Wildheit, Unbekanntheit und Vergessenheit ist den Karpaten aber geblieben, gerade auch im Vergleich mit den Alpen, die mittlerweile touristisch erschlossen sind wie kein anderes Gebirge der Welt. Tatsächlich lassen auch heute noch manche Landschaften der Karpaten an das denken, was aus den Alpen in Landschaftsgemälden aus dem 19. Jahrhundert überliefert ist. Dazu passt eine oft deutlich einfachere Infrastruktur, aber im Grunde sind die Karpaten einfach zu bereisen. Es gibt nicht unbedingt schnellen, aber meistens gut organisierten öffentlichen Verkehr, zumindest in Tschechien und der Slowakei ein perfekt markiertes Wanderwegenetz, und auch in Polen, der Ukraine und Rumänien letztlich gar nicht so wenig Karpatentourismus, der meistens ein Binnentourismus der jeweiligen Länder ist. In allen Ländern gehören da heutzutage auch ein paar Schigebiete dazu.

    In vielen Teilen der Karpaten gehören die Wiesen- und Weidelandschaften zu den artenreichsten der Welt. Wie ihre Bewirtschaftung organisiert ist, ist von Gegend zu Gegend und von Land zu Land heute sehr unterschiedlich. Die Zukunftsperspektiven der Wiesen und der Landwirtschaft sind heute nicht leicht einzuschätzen. Je weiter man nach Osten kommt, desto mehr spielt eine auf den ersten Blick sehr traditionell wirkende Form der Landwirtschaft zur Selbstversorgung eine große Rolle. Aber wie überall wirken sich auch hier gesellschaftliche Veränderungen auch auf die Landwirtschaft aus. Es gibt auch einige Spezialitäten aus der Karpatenlandwirtschaft, die auch eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung erreicht haben, nicht zuletzt Brimsen und ein paar andere spezielle Käsesorten. Mit Ausnahme der Ukraine und Serbiens sind heute alle Länder der Region Mitglied der EU und nehmen somit auch an einem vielfältigen landwirtschaftlichen Förderungssystem teil, das nicht kostendeckende Produktpreise ausgleichen und ökologische Leistungen der Landwirtschaft abgelten soll. Gleichzeitig bemüht sich mit unterschiedlichen Ansätzen und Möglichkeiten in allen Ländern auch staatlicher und zivilgesellschaftlich organisierter Naturschutz um die Erhaltung der Artenvielfalt. Außer den Wiesen und Weiden gehören auch die Buchenwälder zum wichtigen Naturerbe der Karpaten.

    In der Ukraine und in Rumänien können die Karpaten auch als die Grenze Mitteleuropas zu Osteuropa gesehen werden. Auf der östlichen Seite folgt weitgehend ebenes Land, oft mit eingeschnittenen Flusstälern. Während heute der Ackerbau dominiert, reiste man hier in früheren Jahrhunderten durch endlose Steppenlandschaft, die unzähligen Viehherden als Weideland diente.

    Wählt man von Wien weg den erwähnten Weg durch die Ebene, stößt man nach dem Wiener Becken zunächst auf das Leithagebirge, einen recht sanften und isolierten Ausläufer der Alpen. Dahinter folgt die Kleine Ungarische Tiefebene, in die beim Neusiedler See auch das österreichische Staatsgebiet hineinreicht. Grob der Donau folgend werden bei Budapest wieder niedrige Berge gequert: das Ungarische Mittelgebirge. Dahinter erstreckt sich dann die Große Ungarische Tiefebene, die sich dann auch ein ordentliches Stück nach Serbien und Rumänien hinein zieht. Uralten Wegen folgend können wir von Belgrad aus durch fruchtbare Täler zwischen den Gebirgen der Balkanhalbinsel hindurch Mitteleuropa Richtung Mazedonien und Griechenland verlassen. Nicht zufällig kam diese alte Route Richtung Mittelmeer in den letzten Jahren als »Balkanroute« in die Medien. Oder wir folgen der Donau Richtung Schwarzes Meer, von wo sich Weiterwege weit nach Asien hinein ergeben, nicht zuletzt die berühmte Seidenstraße Richtung China. Oder wir queren doch das Hochland von Siebenbürgen, bis wir im Osten auf den Hauptkamm der Karpaten treffen.

    In verschiedener Weise teilt die Ungarische Tiefebene ihre Geschichte mit der Steppenzone Osteuropas. Auch sie wurde von wandernden Viehherden geprägt. Sie kamen im Westen bis in die Gegend um Wien, im Osten auf die Karpatenalmen und bis an das Schwarze Meer, und mitunter in beide Richtungen noch weiter. Am Eisernen Tor treffen nicht nur die Karpaten wieder auf die Donau und nähern sich dem Balkangebirge an, hier kommen sich die Ebenen Ungarns und die Steppen Osteuropas nahe. Südlich der Karpaten beginnt hier die Ebene der Walachei, die schon zur Steppenzone Osteuropas zu zählen ist.

    Noch weiter im Osten sind die Grenzen zwischen Europa und Asien erstaunlich unscharf. Es folgen die aus europäischer Perspektive endlosen Steppen Kasachstans und der Mongolei. Die Steppenzone zieht sich dann sogar noch ein Stück nach China hinein, und mit einem kleinen Umweg kann man auch noch die Gebirgssteppen Tibets dazuzählen.

    Lesetipp:

    SCHARR, Kurt (Hrsg.): Die Karpaten – Balthasar Haquet und das »vergessene« Gebirge in Europa. Innsbruck 2004

    Lange Geschichte der Weiden

    Weidelandschaften sind aus den Bemühungen der Menschen um die Erzeugung von Nahrung entstanden. Sie sind keine »unberührte Natur«, aber auch keine »gezähmte Natur« wie ein Acker, ein Garten oder ein Park, wo in erster Linie »nützliche« oder vom Menschen erwünschte Pflanzen wachsen. Sie sind »naturnah« in dem Sinn, dass hier viele Prozesse vom Menschen unbeeinflusst ablaufen. Sie sind deshalb auch wunderbare Orte, um über das Verhältnis von Mensch und Natur nachzudenken, über die Spannung und das Zusammenspiel zwischen Natur und Kultur, und dabei auch Fragen zu stellen wie diese: In welche Richtung kann und soll sich dieses Verhältnis weiterentwickeln, für sich persönlich, für eine Region oder die gesamte menschliche Gesellschaft? Vielleicht liegt ja auch an der Relevanz dieser Fragen einer der Gründe für die Faszination der Weidelandschaften.

    Die Geschichte unserer Weiden beginnt jedenfalls sehr früh. Wenn wir wollen, können wir sogar auf den Anfang der Menschheit in den tropischen Savannenlandschaften Afrikas zurückblicken. Wir sehen dort eine Landschaft, die erstaunlicherweise einer »halboffenen« Weide in Mitteleuropa gar nicht so unähnlich ist, wenn auch natürlich ohne landwirtschaftliche Nutztiere und mit ganz anderen Gräsern, Bäumen und wilden Weidetieren. Irgendwann im Laufe der Altsteinzeit, des mit Abstand längsten und aus unserer Perspektive am wenigsten verstehbaren Teils der Menschheitsgeschichte, wanderten von dort aus Menschen in mehreren Migrationswellen und mit Zwischenstationen nach Mitteleuropa. Wildfrüchte sammelnd und Wildtiere jagend kamen sie hier in eine Welt mit aus unserer heutigen Perspektive recht großen Tieren wie Wildrindern, Wildpferden, Hirschen, Bären und sogar Elefanten und Nashörnern, aber nicht unbedingt immer sehr menschenfreundlichem Klima. Sie lebten hier in Wäldern, dann wieder nach Klimaänderungen viele Generationen lang in Steppen. Dieser Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten, letztere auch Eiszeiten genannt, ging für uns unvorstellbar langsam vor sich, gerade auch im Vergleich mit dem derzeit vom Menschen verursachten Klimawandel. Die letzten vier Eiszeiten kann man anhand der Spuren von Gletschern und Flüssen in der Landschaft gut nachvollziehen. Dabei dauerte allein die letzte Eiszeit um die 60.000 Jahre, bevor sie in die derzeitige Warmzeit überging.

    Im Wechsel der Warm- und Kaltzeiten änderte sich auch der Tierbestand, der den Menschen als Jagdbeute diente. So lebten in den Wäldern der Warmzeiten zum Beispiel Waldelefanten, Mammuts hingegen in den eiszeitlichen Kältesteppen der nicht vergletscherten Teile Mitteleuropas. Darüber, wieweit diese riesigen, behaarten Elefanten tatsächlich von den altsteinzeitlichen Menschen gejagt wurden, vielleicht auch von darauf spezialisierten Gruppen von Menschen, und ob gar die Bejagung zu ihrem Verschwinden beitrug, gibt es wilde Spekulationen. Eine mögliche Kultur der Mammutjäger regt jedenfalls immer wieder Forschergeist und Fantasie an. Über diese Großtiere hinaus nutzten die altsteinzeitlichen Menschen aber sicher ein vielfältiges Nahrungsspektrum. Möglicherweise geht sogar unsere besondere emotionale Verbundenheit mit Bären darauf zurück, dass Menschen aus dem Beobachten dieser Tiere mit doch recht ähnlichen Nahrungsgewohnheiten lernen konnten, wie man in Mitteleuropa überlebt. Wildes Obst wie Heidelbeeren und Himbeeren spielten dabei gewiss eine Rolle, ebenso Blätter, Nadeln, Knospen und natürlich auch Früchte von Bäumen, die Samen von Gräsern, wohl auch Fische, und schließlich ein doch recht breites Spektrum an Säugetieren und Vögeln unterschiedlicher Größe als Jagdbeute, schließlich wahrscheinlich auch die leicht zu erbeutenden Eier der Wildvögel.

    Zumindest ein Teil der Menschen durchstreifte auf langen Wanderungen, bei denen sie den Herden des von ihnen gejagten Wildes folgten, große Landschaftsräume. Dabei stiegen sie in Zeiten und Regionen, in denen sich Wälder in den Tieflagen ausbreiteten, im Sommer auch über die Waldgrenze der Gebirge auf. Dort blieben immer gehölzfreie Flächen bestehen, die von den Wildtieren als Sommerweiden genutzt wurden. Deren Nahrungsbasis war mit der Ausbreitung der Wälder in den Warmzeiten nicht unbedingt besser geworden. Einerseits sind die nahrhaften Teile der Bäume für Weidetiere nicht immer so leicht zu erreichen wie Gräser und Kräuter auf dem Boden, andererseits sind die Blätter ausgerechnet der heute in Mitteleuropa häufigsten Baumarten, der Buchen und Eichen, aufgrund ihrer Inhaltsstoffe nur wenig als Nahrung für Mensch und Tier geeignet. Wenn man jetzt die Frage stellt, ob es denn deshalb gar keine Offenflächen unterhalb der Waldgrenze gegeben hat, kann diese aber nicht so einfach beantwortet werden. Erstens gibt es auch im Tiefland Standorte, die nur wenig für Waldwuchs geeignet sind, sei es wegen Trockenheit oder Vernässung. Zweitens muss doch auch den Pflanzenfressern eine gewisse Fähigkeit zugeschrieben werden, den Wald aufzulichten oder gar gebietsweise zurückzudrängen, sei es durch mechanische Beschädigungen oder den Verbiss von Jungbäumen. Man kann sich vorstellen, dass das für Elefanten und Nashörner noch mehr gegolten hat als für Rinder, Pferde oder Hirsche. Drittens waren die vorherrschenden Baumarten nicht immer die gleichen, sie wanderten in mehreren Wellen nach Mitteleuropa ein, wobei gerade die Buche nach der letzten Eiszeit erst sehr spät auftrat. Entscheidend ist auch, dass man die Größe des Raumes und die Länge des Zeitraumes in Betracht zieht. Man kann sich schnellere und langsamere dynamische Entwicklungen denken, bei denen in einzelnen Gebieten mehr oder weniger große gehölzfreie Flächen entstanden und wieder vergingen. Dieses Offenland kann jedenfalls auch als Weideland wilder Pflanzenfresser gesehen werden.

    Auf dieser Basis kann man sogar spekulieren, ob schon damals die Menschen dabei nachhalfen und, beispielsweise durch das Legen von Feuer, die Nahrungssituation ihrer Jagdbeute verbesserten. Genauso ist aber in den langen Zeiträumen da und dort der umgekehrte Einfluss der Menschen denkbar, indem durch eine Reduktion der Bestandesgröße wilder Weidetiere der Wald gefördert wurde. Mit beiden Überlegungen sollte man aber etwas zurückhaltend sein, weil doch aller Wahrscheinlichkeit nach die Bevölkerungsdichte der altsteinzeitlichen Menschen zumindest in Mitteleuropa recht gering war.

    Ein wichtiger Schritt im Verhältnis zwischen Menschen und Tieren geschah jedenfalls noch in der Zeit des Sammelns und Jagens. Nach und nach wurden aus Wölfen zunächst Jagdgefährten des Menschen und dann Hunde, die ersten Haustiere. Das ist nicht nur in Hinblick auf unsere heutigen vierbeinigen Gefährten interessant, sondern auch, weil sich später ein ähnliches Zusammenleben auch mit Weidetieren entwickeln sollte. Nebenbei sind auch Hinweise auf eine frühe Aufspaltung der Wolfsrudel in sesshafte und nomadische »Kulturen« interessant. Das dürfte mehr oder weniger parallel zu einer Spezialisierung von Menschengruppen auf unterschiedliche Lebensweisen schon in der Altsteinzeit geschehen sein.

    Spannend, aber äußerst spekulativ sind Überlegungen, wie noch längst in der Altsteinzeit direkt aus Afrika oder aus der von ihnen schon länger besiedelten Region um das Schwarze Meer zugewanderte »moderne« Menschen die hier schon lange lebenden, anatomisch anders gebauten Neandertaler verdrängten. Beide lebten jedenfalls lange Zeit nebeneinander und führten wahrscheinlich sogar einen ähnlichen Lebensstil. Dabei darf man sich das altsteinzeitliche Leben in Europa keineswegs als ein kümmerliches Dahinvegetieren vorstellen. Wenn auch die individuelle Lebenserwartung deutlich kürzer war als heute, muss man doch von bemerkenswerten kulturellen Leistungen sprechen. Die Menschen schafften es, hier viele Generationen lang zu überleben, sie erfanden immer wieder neue Werkzeuge, nutzten das Feuer und brachten sogar in Form von Felszeichnungen und Steinfiguren die ersten Kunstwerke hervor. Möglicherweise wurde ein Abgehen von dieser »ursprünglichen« Lebensweise gar nicht so richtig als Fortschritt erlebt. Eventuell könnten sogar weit verbreitete Mythen, die von einem vergangenen Paradies erzählen, in ihrem Kern an ein friedliches, naturverbundenes Leben in der Altsteinzeit erinnern. Es gibt jedenfalls deutliche Hinweise, dass die individuelle Lebenserwartung mit dem Beginn des Ackerbaus zunächst eher abnahm.

    Um vom Weideland der von den Menschen gejagten Wildtiere zu den ersten richtigen Weiden zu kommen, müssen wir Mitteleuropa noch einmal verlassen und in eine Region blicken, aus der eine neuerliche Einwanderungswelle die vielleicht gewaltigste Veränderung der menschlichen Lebensweise hierherbringen sollte. Ackerbau und Viehzucht begannen sich vor etwa 10.000 Jahren im Vorderen Orient zu entwickeln. An den Abhängen der Gebirge von Israel bis in den Iran, einer Region am Rand der Wüste, die wegen der Form auf der Landkarte auch »fruchtbarer Halbmond« genannt wird, weideten zunächst die Vorfahren unserer Schafe und Ziegen in Steppen aus wilder Gerste und wildem Weizen. Auch die Rinder wurden dort erstmals zum landwirtschaftlichen Nutztier. Das Leben als Jäger und Sammler wurde dabei allmählich von der gezielten Zucht von Haustieren und vom Anbau von Kulturpflanzen ersetzt. Man spricht von der neolithischen Revolution und nennt das Zeitalter, das daraus entstehen sollte, Jungsteinzeit oder Neolithikum.

    Man wird sich den Anfang dieser Neuerungen wohl wie ein experimentelles Herantasten über eine längere Zeit vorstellen müssen und kaum als einmalige Erfindung. Gut möglich ist es auch, dass die Menschen immer wieder ganz gut mit einigen der Zwischenstufen am Weg zum Haustier oder zur richtigen Kulturpflanze lebten, bevor dann wieder ein Schritt weiter gemacht wurde. Eine Theorie besagt zum Beispiel, dass Getreide, aus dem zum Beispiel eine Urform des Biers als vielleicht erstes alkoholisches Getränk produziert wurde, zunächst eher aus spirituellen oder kultischen Gründen genutzt wurde. Dadurch erreichte ein früher Ackerbau bereits eine größere geographische Verbreitung, bevor ihm dann einige Zeit später eine größere Bedeutung für die Ernährung zuteilwurde. Dabei revolutionierte der Getreideanbau die Lebensweise der Menschen und erzwang eine neue Form der Sesshaftigkeit. Die These wird jedenfalls vom Evolutionsbiologen Josef H. Reichholf aus München vertreten.

    Vielleicht galt ja auch für die ersten Haustiere, dass nicht von Anfang an Nützlichkeitsüberlegungen hinter der Domestizierung standen. Viel später waren ja Pferde in manchen Gebieten auch eher Statussymbole einer Oberschicht als verbreitete Nutztiere. Ziemlich sicher erforderte der Schritt vom Wild- zum Haustier ein langes, intensives Zusammenleben von Mensch und Tier, das wir uns heute eigentlich auch nicht mehr konkret vorstellen können.

    Die in Mitteleuropa auf altsteinzeitliche Weise lebenden Menschen haben wohl lange Zeit von diesen Entwicklungen in anderen Teilen der Welt nichts mitbekommen. Für sie endete mehr oder weniger gleichzeitig die letzte Eiszeit. Allerdings geschah auch das alles andere als mit einem Schlag, sondern, wie man heute vermutet, mit einer relativ raschen Erwärmung vor etwa 14.000 Jahren, einem neuerlichen jahrtausendelangen Temperaturrückgang und einer von einzelnen Kälteeinbrüchen unterbrochenen Wärmeperiode, die vor etwa 11.000 Jahren begann und die in Grund genommen bis heute anhält. Die flächige Vergletscherung im Norden Europas schmolz zu Beginn der Warmzeit ab, in den Alpen zogen sich die Gletscher in das Hochgebirge zurück, aus den Karpaten verschwanden sie völlig. Aus ihren Rückzugsräumen, überwiegend wahrscheinlich im Südosten und Südwesten Europas, da und dort aber wohl auch an geeigneten Standorten am Rand der mitteleuropäischen Gebirge, kehrten die Waldbaumarten in mehreren Einwanderungswellen nach ganz Mitteleuropa zurück. Als letzte Art kam, wie schon erwähnt, die Buche, heute der vorherrschende Waldbaum weiter Teile Mitteleuropas.

    Vermutlich erreichte die jungsteinzeitliche Landwirtschaft die großen Täler und Becken im Inneren Europas um etwa 5500 v. Chr. Am Weg aus dem Vorderen Orient hierher haben wohl die Region um das Schwarze Meer und hier vor allem die Vorländer des Kaukasus eine wichtige Rolle gespielt. Der wichtigste Ausbreitungsweg führte dann wohl die Donau entlang aufwärts. Weitere Wege in das Innere Europas führen über Griechenland und die »Balkanroute« oder um das Mittelmeer herum über Spanien. Ob dabei jetzt eine zugewanderte Bevölkerung die Ureinwohner verdrängte, oder ob diese freiwillig oder auch unter Zwang die neue Lebensweise übernahm, wird wohl immer ein Rätsel bleiben, wie wir auch von den steinzeitlichen Sozialstrukturen immer nur sehr vage Vorstellungen haben werden. Möglicherweise können in den Alpen und Karpaten (wie auch in anderen Gebirgen) verbreitete Sagen von »wilden Menschen« in einsamen Bergregionen als ein Hinweis für ein längeres Nebeneinander beider Kulturen gedeutet werden.

    Der Ackerbau bewirkte jedenfalls eine größere Ortsfestigkeit der menschlichen Ansiedlungen, wobei man aber auch dabei nicht zu sehr mit heutigem Maß messen sollte. Möglicherweise gab es auch schon sehr früh ein Nebeneinander einer sesshaften Bevölkerung mit nomadisch lebenden Menschengruppen, die einerseits in einem gewissen Austausch miteinander standen und andererseits ihre jeweilige Lebensweise immer weiter spezialisierten. Es ist sogar denkbar, dass es schon zwischen sammelnden und jagenden Menschen Vorbilder für eine ähnliche Arbeitsteilung gegeben hatte. Andererseits musste auch nicht jede Siedlung von Ackerbauern langfristig am gleichen Ort bleiben. Oft war das wahrscheinlich nur für wenige Jahre bis Jahrzehnte der Fall.

    Gewiss waren, wie uns zahlreiche archäologische Ausgrabungen beweisen, hochwassersichere Orte im Nahbereich von

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