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Thaddäus von Grimm: Im Affenzahn durch Africa
Thaddäus von Grimm: Im Affenzahn durch Africa
Thaddäus von Grimm: Im Affenzahn durch Africa
eBook272 Seiten3 Stunden

Thaddäus von Grimm: Im Affenzahn durch Africa

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Über dieses E-Book

Es ist eine gar seltsame Expedition, die sich im Winter 1901 die staubigen Ufer des Nil entlangquält. Drei Männer sitzen auf dem Kutschbock: Die zwei Dresdner Studenten Thaddäus von Grimm und Paul Ullrich sowie ihr greiser Hauslehrer Hieronymus Malthasis. Ihnen voran stapft Oswin, ein stolzer, jedoch nicht selten widerspenstiger Gaul aus edler sächsischer Zucht. Ein Dutzend Fässer Wein haben sie geladen. Ihr Ziel ist das Ruwenzorigebirge im tiefsten Herzen Afrikas. Dieses Buch erzählt die spannende Geschiche jener gar seltsamen Expedition.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Nov. 2014
ISBN9783738664690
Thaddäus von Grimm: Im Affenzahn durch Africa
Autor

Marc Zoellner

Marc Zoellner, Jahrgang 1982, stammt aus der traditionsreichen Porzellan- und Weinstadt Meißen. Er studierte Philosophie in Dresden sowie Arabisch in Sana'a und ist seit 2008 in Sachsen und Kanada als freischaffender Journalist, Publizist und Übersetzer tätig. Nach "Meine Deine Nachbarschaft" ist dieses Buch seine zweite selbständige Veröffentlichung.

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    Buchvorschau

    Thaddäus von Grimm - Marc Zoellner

    Über das Buch:

    Es ist eine gar seltsame Expedition, die sich im Winter 1901 die staubigen Ufer des Nil entlangquält. Drei Männer sitzen auf dem Kutschbock: Die zwei Dresdner Studenten Thaddäus von Grimm und Paul Ullrich sowie ihr greiser Hauslehrer Hieronymus Malthasis. Ihnen voran stapft Oswin, ein stolzer, jedoch nicht selten widerspenstiger Gaul aus edler sächsischer Zucht. Ein Dutzend Fässer Wein haben sie geladen. Ihr Ziel ist das Ruwenzorigebirge im tiefsten Herzen Afrikas. Dieses Buch erzählt die spannende Geschiche jener gar seltsamen Expedition.

    Über den Autor:

    Marc Zoellner, Jahrgang 1982, stammt aus der traditionsreichen Porzellan- und Weinstadt Meißen. Er studierte Philosophie in Dresden sowie Arabisch in Sana'a und ist seit 2008 in Sachsen und Kanada als freischaffender Journalist, Publizist und Übersetzer tätig. Nach Meine Deine Nachbarschaft ist dieses Buch seine zweite selbständige Veröffentlichung.

    Für Sandra von Mupfi

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    EUROPA

    Eine durchwachsene Gesellschaft

    Frische Fische und ein Moloch

    Vier historische Momente

    Elf Freunde und ein Ball

    Der König ist tot!

    AFRICA

    Den Fuß im Sande Africas

    Der letzte Hellene

    Der Staub von tausend Jahren

    Von Krokodilen und Kamelen

    Im Kugelhagel bei Khartoum

    Im Reich der Sklavenjäger

    Im Hause des Tippu-Tip

    Im Nebelgebirge

    Das Tor zur Hölle

    Nachwort

    Vorwort

    Es ist mir ein herzliches Anliegen, Ihnen, werte Leser, anbei von jenen Ereignissen zu berichten, welche mich im Lenze anno Domini 1901 aus meiner Heim-und Residenzstadt, wie ich sie liebevoll zu nennen pflege (obbei ich fürwahr nicht wie die Herren weilte, wie ich Ihnen einzugestehen hierbei gedenke), der wohl hübsch zu bewohnenden Elbflorenz des Namens Dresden, zu führen gedachten und geradewegs ins Herze jenes uns in seit jeher in Erstaunen und Schwelgerei versetzenden Kontinentes, des unbekannten dunklen Africa.

    Nur Gott allein und meine getreue Minna, die meiner Eingedenk mir in all den Tagen die Treue hielt, wissen, wieviel Gram es mir bereitete, in den Jahren meines Eremitiums nicht die Hand zur Feder führen und gar sogleich in der Wildernis der Dschungel und Wüsten dieses Fleckchen Erdes die Memoiren meiner Reise niederfassen zu können. Angesichts derer Erinnerungen sitze nun auch ich hier im Licht der trüben Kerze, halb bekümmerten Auges, halb der Freude innig, meine Minna, die ich in Jahren nicht sah und umarmte, wieder gesund und wohlauf an meiner Seite wissen zu dürfen.

    Manche Geschichten, so muss ich erläutern, bedürfen einer längeren Einleitung, denn wisset, Leser, dass auch der längste Weg nur mit dem ersten gesetzen Schritt vor sich beginnt. Anbei, ich werde Ihnen in der Handlung nicht aus dem Sichtfelde galoppieren, denn wie meine erlebte Reise, zu welcher wir sogleich aufholen wollen, führe ich nun auch meinen Monolog zu Ihrem Amusement in der mir innenwohnenden sächsischen Gemütsamkeit fort. Und so beginne ich am Anbeginn jeglichen Beginnes, nur wenige Schritte, nach denen Adam mit Fraulichkeit das Paradies verließ, das Imperium Romanum den Goten zu Opfer ward und mein Herr Vater meine selige Mutter ehelichte. Gott habe sie lieb!

    Geboren ward ich, so es denn für Sie von Interesse sei, fürwahr, für unsere Erzählung wird es dies noch, so darf ich versprechen, an den Ufern des Flüssleins Elbe, welche sich weiland aus den Bergen und Klüften der taträischen Gebirge gießt, und, mit den Wassern der Schweizer Hochfelsen gefüllt, sich sacht ihren Weg bahnt, um im Umlande der Dresdner Barockale die Sträucher und Stöcke des begehrlichen Weines unseres sächsischen Königreichs zu speisen. In einem Häuslein auf dem Lande wuchs ich auf, ein kleiner Hof mit dreierlei Seiten, einem gespannhohen Tor und einer Scheune, gefüllt mit Rüben und Kartoffeln.

    Wie schon mein Großvater und bereits der seinige, so stand auch mein Herr Papa seit jeh als Winzer im Dienste der chursächsischen Mundschenkerie. Die Weine meiner Familie, ihnen voran der verlockend süße Traminer, fanden bei Hofe großen Begehr, und so kam es, dass mein Herr Papa die Tage seines Lebens damit verbringen durfte, in seiner Kutsche von Gut zu Schloss zu reisen, den Herren ihren Wein zu beliefern und derbei zu mancher Festlichkeit an reich gedeckter Tafel geladen wurde. Nicht selten ward auch mir das Vergnügen zuteil, ihn dabei zu begleiten.

    Meine Frau Mutter verstarb mit mir als ältestem Sohne im Kinderbett, diesweil ich ohne Brüder aufwuchs. Einzig meine Base, deren Vater mein Onkel und der Gatte der Schwester meiner Frau Mama war und als Handelsattaché im Fränkischen auswärts lebte, verbrachte ihre frühen Tage mir als Spielgefährtin zur Seite auf dem Hof meiner Familie, bis sie als junge Dame, denn sie ward wahrlich hochbegabt, woran keinerlei Zweifel bestand, von ihrem Mäzen auf eines der churfürstlichen Elysseen fernab im Bautzener Lande beordert wurde, um dort das Pianissimo zu studieren. Dies war wohl eine Art von Klavier, obgleich ich mich bereits als Heranzögling mehr des Weines als der Musika zugewandt fühlte und mich somit auch heute zu keiner hinreichenden Expertise verleiten lassen möchte.

    Fortan ward ich gezwungen, mir meine Kameraden auf unseren wöchentlichen Ausflügen in die Residenz zu suchen. Anfangs waren es die Söhne der Kaufleute, mit denen mein Herr Vater zu Hofe verkehrte, wohl erzogen in Ausdruck und Manier, jedoch mit dem Holzschwerte plumb und unbeholfen und voller Furcht vor Schlamm und Matsch. Später Gehilfen aus des Königs Küche, die Fuhrwerkpfleger sowie ein Gärtner, der sein Tagewerk auf den Terrassen des Elbufers verrichtete und zu welchem ich trotz seines hohen Alters und dem wuseligen langen Bart ein gar freundschaftliches Verhältnis unterhielt. Zu meinem Vergnügen unterrichtete er mich in mancherlei Dingen, von welchen mein in Griechisch und Latein abbrevierter Hauslehrer, Herr Hieronymus Malthasis, lediglich resigniert zu schweigen verstand.

    Schon auf meines Herrn Vaters Gut verbrachte ich die helleren Tage mit Pflege und Beschneidung des Weines. Ich wusst recht bald, welche Trauben reif zur Ernte und welche bekümmert vom Mehltau und den Schnecken bestenfalls vom Trog zur Kippe zu wandern bereit waren. Andere Pflanzen jedoch fanden in den Augen meines Herrn Vaters lediglich Bestand als unnützes Kraut und erfuhren die diesbezügliche elementare Behandlung. Dieser Gärtner jedoch, jenen, den ich soeben bereits erwähnte, wie Sie sich erinnern können, werte Leser, lehrte mich die Unterschiede zwischen einer Fülle an Bäumen und Gewächsen, welche ich hierbei alphabetisch wiedergeben möchte, als da wären der Ahorn, die Akazie, die Birke, die Buche, die Drolpe, die Eiche, die Esche und die Fichte. Und so ging es hernach fort bis zur Zypresse.

    So ward ich allmählich bewandert in den Geheimnissen der Botanica. Oft, während die Herren zu Hofe ihren Geschäften von Rechnung und Buchführung nachgingen, einer recht eigensinnigen Veranstaltung, die in ihrer Langeweile Stunden und Tage füllen konnte, nahm dieser Gärtner mich als Knaben zur Hand, führte mich in den Großen Garten, dem churfürstlichen Park unserer Hauptstadt, und erklärte mir, welche Bäume welche Blätter trugen, woran man die Samen der Farbe und manchmal auch der Flügel her ihren Erzeugern zuordnen konnte und welche Kastanien, die des Herbstes zu Laub und Boden fielen, von den Menschen gekocht werden konnten.

    Mein Herr Vater, frei des Interesses, mir eine kaufmännische Ausbildung zuteil werden zu lassen, förderte mich in meinem Verlangen, der Natur in ihrer wortwörtlichen Wurzel auf die Spur zu kommen, und so erdachte er sich manch teures Geschenk an Büchern des Gelehrten Linné sowie des Engländers Darwin. Nur über ersteren jedoch durfte ich zu Hofe diskutieren und nur aus ihm im Beisein anderer lesen. Spät erst erfuhr ich, worin die Sorge meines Herrn Papa begründet lag. Doch ich verstand. Und auch mein Herr Vater ging Sonntags immer brav zur Messe.

    Dem Studium der Botanica folgte alsbald jenes der Faunistik. Diese Gelegenheit bot sich mir nicht nur, da uns, dem Gärtner und mir, auf unseren Ausflügen immer wieder die seltsamsten Kreuche und Fleuche über den Weg liefen, Salamander, Hirschkäfer, Tauben und Rebhühner und im Schein des fahlen Mondes, wenn der Abendstern sich mit den Strahlen der versinkenden Sonne zu bedecken gedachte, manch Reh und Fuchs.

    Es waren für mich immer die besonderen Erlebnisse, denn lassen Sie sich erzählen, werte Leser, dass, obwohl meine kindliche Schlafkammer sich im Gebälk des Dreiseitenhofs befand, ich doch bei meinen Rundgängen durch die Weinberge kaum ein Haar an Tieren zu Gesicht bekam. Fürwahr, Schnecken sämtlicher Arten sah ich mehr, als eine Rotte Enten zu Lebtag je hätte verzehren können, auch Käfer und kniehohe Ameisenhügel, deren Heerscharen von Bewohnern sich die nackten Kriecher zur Beute machten, Krähen überdies und so manche Blindschleiche. Doch den Säugern war unser Anwesen zu kahl und schließlich zu steil, um sich über diesen tummeln zu können.

    So ward es wohl nicht verwunderlich, als meine Stunde heranbrach und mir der Herr Hieronymus Malthasis zeitgleich mit der Bescheinigung zur höheren Reife den Laufpass gab, indem er mich beiseite nahm, mir die Hand zum Abschied schüttelte und bemerkte, ich solle mich künftig vor dem Biß der Wölfe zu schützen wissen, falls ich denn je ein Studium der Biologie aufnehmen mochte. So packte ich meine Bücher, umwickelte den Band des Engländers Darwin vorsichtig mit einem samtenen Tuch, auf dass er nicht zerkratzen würde, da er ganz unten im Koffer lag, steckte noch allerlei Hemden und Wäsche hinzu und bezog eine kleine Dachmaisonade unweit der Kirche Unserer Lieben Frauen.

    Es waren unbeschwerte Tage, welche nun folgen sollten. Im Eifer meiner Jugend stürzte ich mich auf den mir von meinen Lehrenden vermittelnden Stoff, verbrachte die Stunden zwischen den Lesungen in der Asservatenkammer der Alma Mater, um in Alkohol eingelegte Schädel von Mensch und Tier zu vermessen, sammelte Blüten und Blätter der heimischen Gewächse für mein kleines, in der Stube meines Zimmers ruhendes Herbarium, sezierte dererlei Gewürm, welches ich mit dem Spaten heimlich aus den Gärten der universitären Nachbarschaft erntete und bewunderte die reichhaltige Fülle an Werken über Kunst, Geschichte und Philosophie unserer Bibliotheca.

    Des Abends, wenn unser Tagwerk vollbracht war und der Hunger im Magen wühlte, begaben sich die Kommillitonen, dies war der Terminus Technicus, der sogenannte Fachbegriff für uns Schüler an der Universität, mit mir in die Cafés des Dresdner Altmarktes, um vom Weine und den Haxen zu schlemmen und den Tag Revue passieren zu lassen. An einem dieser schicksalträchtigen Sonntage lernte ich dort auch zum Tanztee meine getreue Minna kennen, doch das ist eine andere Geschichte.

    Es begab sich nun im dritten Jahre meiner Lehrzeit, dass wir erneut zu Tische saßen, meine Freunde und ich, und uns am Traminer verköstigten, als sich plötzlich das Gespräch auf meine berufliche Tätigkeit zu lenken begann. Ich greife vorweg, werte Leser, denn ich verschwieg Ihnen völlig, bereits vor geraumer Zeit eine Stelle, welche mir mein Herr Professor, der ehrenwerte Dr. Salbadin Grünzeh, im zoologischen Garten unweit der Alma Mater verschaffte, bewilligt bekommen zu haben. Gern spotteten meine Kameraden, ich sei fürderdar zum Tierpfleger abberufen worden, mir selbst jedoch bereiteten die Tätigkeiten meines Umfeldes große Freuden, da ich sie überdies auch als weniger beschmutzend fand als meine jugendlichen Werke auf den väterlichen Weinbergen.

    Zwar bestand meine hauptsächliche Aufgabe in der Brutpflege des vorrätigen Gefieders, als da wären die Finken und die Sperber, aber auch die Eulen, die Greife und die Gänse des Gartensees, jedoch erhielt ich ob meines Fleißes vom Direktor des Etablissements, Herrn Dr. Magnus Sauerland, auch tiefreichende Einblicke in das Leben und die Vermehrung der größeren Landsäuger gewährt.

    Es waren prachtvolle Tiere anbei; schwarz und weiß gestreifte Zebrapferde aus Deutsch-Ostafrika, die, wie mir versichert wurde, unter gefahrenvollen Umständen erst kürzlich in die Heimat verschifft worden waren (wobei neben dem Großteil der Huftiere auch mehrere Seemänner an Durst und der Syphilis verstarben, Gott habe sie selig), gewaltige Hippopotami von den Ufern des Nils, eine Giraffe, deren Hals die Gatter des Geheges um Elle und Fuß zu überragen schien, mehrere graue Elefanten und sogar einige Kängurus, welche noch im Jahre meiner Abreise ihren Weg nach Dresden als Geschenk seiner ehrenwerten Lordschaft John Adrian Hopetown als Bekundung der immerwährenden Freundschaft zwischen dem Deutschen Reiche und des Commonwealths von Australien fanden, dieser neuen prächtigen Nation, die im Jänner selbigen Jahres von der englischen Königin Victoria in die Souveränität entlassen ward, worauf die gleiche Königin nur drei Wochen später für immer verschied, was jedoch vollkommen zusammenhanglos ist.

    Zumindest die Kängurus, so bekam man bei deren lustig anzusehendem Hüpfen und Boxen den Eindruck, schienen sich nicht um des Todes ihro Majestät zu bekümmern. Sie lebten gleich mir unbeschwert in die Tage und wußten noch nichts vom kommenden harschen Winter.

    Besonderes Interesse erweckten bei mir jedoch die Großkatzen, allen voran der afrikanische Leu, der mit seinen Gefährtinnen auf dem großen grauen Stein in der Sonne zu liegen pflegte, die Tatzen über die Nase gestülpt, und, nur von Fliegen und Hummeln gestört, die er jedoch mit seinem mächtigen Schweif immer wieder gekonnt zu vertreiben verstand, vor sich hin döste, bis es Futterzeit ward. Zwei Menschen hatte er bereits mit Haut und Haar verschlungen, so munkelten die Pfleger, zwei afrikanische Askaris, denen auf einer Jagdsafari die fragwürdige Ehre zuteil wurde, die langen Stöcke vor sich zu halten, um selbigen Leu in den Käfig der Expedition zu sticheln. Der „sanftmütige Abraham", was sein Name war, besaß meinen größten Respekt sowie meine zutiefste Zuneigung.

    Nun aber schweifte ich doch wieder ab, werte Leser, wofür ich mich bei Ihnen in aller Form entschuldigen möchte, doch wenn wir sächsischen Leute einmal ins Plaudern geraten, vergessen wir gern die Zeit und den Faden unserer Geschichte. Meine Kommillitonen und ich saßen also in einem jener Cafés zur Fassade der Kirche Unserer Lieben Frauen und waren bereits innig im Weine vertieft, als wir plötzlich unser Knobelspiel unterbrachen und sich das Gespräch auf meine berufliche Tätigkeit zu lenken begann. Ich berichtete meinen Kameraden all jenes über die Katzen, das Känguru und die Zebrapferde, was ich Ihnen, werte Leser, weiter oben bereits erläuterte, ein Monolog, welcher bei denen, also meinen Kameraden, höchste Aufmerksamkeit erweckte.

    Und wissen Sie, wenn man so dem Alkohole nachhängt und sich darob zutiefst konzentriert, so ich mich eingedenk der Gewißheit ausdrücken möchte, da ich weiß, daß unter Ihnen, werte Leser, sich auch Damenvolk befinden möge und es mir äußert peinlich wäre einzugestehen, dass der fachgerechte Ausdruck unserer Tätigkeit diesen Abends nicht das 'Vertiefen', sondern ehrlicherseits das 'Excessieren' sei, denn wir tranken ad dato recht genüßlich, wie uns der Deckel des Wirtes und auch unsere schwankenden Heimschritte später noch beweisen sollten, und ich vor Damenvolk nicht gern mit diesen leidenschaftlichen Angewohnheiten meiner erblühenden Aduleszens mich zu prahlen gerühme (wohlan, jetzt ist es draußen!), gereifen einem die merkwürdigsten Ideen im Kopfe.

    Denn wie wir so ob der Tiere des zoologischen Gartens unserer Heimat Dresden resummierten, uns gegenseitig berichteten, welch schwirrend, kringelnd und stampfend Geschöpf denn unser liebstes sei (wobei ich mit dem Leu begann) und was dersonst uns noch zur Thematica einzufallen verstand, schob sich unter uns zur Plötze der Zweifel, ob denn nicht noch etwas vergessen ward. Und so begannen wir, Sie mögen nicht lachen, doch es ward Tatsache, an den Fingern zu zählen und auf der Rückseite des Weinregisters niederzuschreiben, was denn an Bestand an Tieren im zoologischen Garten bereits vorhanden war und was wir innigst, wie uns unbewußt bereits beschlich, vermißten. Es lag uns beinahe schon allen auf den Zungen, und mit beinahe meine ich exclusive des Studiosus Paule Ullrich, der sich angesichts des vollen Mondes und seiner leeren Becher schnarchend zum Schlaf in sein kleines Reich zwischen Nischenbank und Stammgasttisch zurückgezogen hatte, derweil ihm erst am nächsten Morgen wieder und ihm zum Unwohlsein manch seltsam neuer Geschmack auf der Zunge lag.

    Nun, zu unserem Vergnügen, denn wir waren wahrlich vergnügt, was wir wohl auch gewesen wären, hätte das Gespräch sich nicht auf jene Begebenheit gelenkt, fiel uns denn auf, dass dem Zoopark an nichts mangele: Nicht an den Trampeltieren, die da wären das Flußpferd, das schwarz-weiße Zebra, der Leu, der ja nicht so laut trampelt und der Elefant, der dem Leu alle Ehre macht. Aber auch das Crocodilus, welches zu füttern das Schwerste von allen ist, wobei hier nicht die Fütterung an sich so böse behende kommt, sondern vielmehr die Säuberung hernach, was, wie Sie verstehen können, werte Leser, einer Lebensaufgabe gleich scheint, denn es ist das Leben, welches der zum Kehren einbestellte Bursche hierbei, gegensätzlich zur grimmigen Schuppenechse, riskiert.

    Doch eines fehlte uns in unserer Aufzählung und Sie werden nie darauf kommen, denn wir kamen auch nicht darauf, obwohl wir das Fach zum Studiosi uns erkoren hatten, aber wie es der Wille verlangt, so ward die Zunge doch im Weinrausche so taub wie das Hirn an sich. Wir zählten Wasser, Land und Luft beisammen und kamen erst spät, da wir nach Glied- und Flügelmaßen auf die fehlenden Komponente stießen, auf den Begriff, der uns bereits geraume Zeit auf dem Gaumen brannte: Denn niemand hatte an die Affen gedacht!

    Wir nickten uns einhellig zu, ein solcher faux pas könne nicht, dürfe nicht und würde nicht passieren sollen. Es ist oft der Fall, dass man gerade an jenes nicht denkt, welches augenscheinlich fehlt. Sucht man nach dem Biere beim Tanztee den Schlüssel für seine Maisonade, findet man diesen des göttlichen Willens her immer in jener Tasche, in welcher man zuletzt kramt. Schaut man in seiner Fracktasche beim Verlassen des Tanztees nach dem letzten verbliebenen Groschen, um die Rechnung zu begleichen, so darf man sich sicher sein, diesen nicht im Mantel, sondern im zuhinterst verbliebenen Hosenbeutel vorzufinden. Kramt man in seinem Gedächtnis nach all jenen Tieren, die man vermißt, so weiß man, dass diese sich erst schemenhaft dann zu Wort melden, wenn das Gespräch vorbei ist und man sich längst auf dem Rückwege zu seiner Schlafstube befindet.

    Es ward, gerade darob uns auffiel, dass wir doch im zoologischen Garten zu Dresden keine Affen haben, denn dieses Faktum ward per se handlägig, und gerade darob der Tatsache, dass der begabte Kaufmann Herr Dr. Peters dem Kaiser Deutsch-Ost für das Reich erwarb und unsere Forscher über die Natur und Landschaft der Kolonie schreiben ließ, wir doch in unseren heimischen Kreisen an Säugern vermißten, was dort wie die Sachsentauben den Belag von den Brötchen fraß. Und so gedachten wir: Wenn wir schon nicht die genialen Thesen auf die Tische legten, die denn von Nöten wären, um uns unsere Zensuren einzuholen, die wir der einhelligen Meinung des weinseligen Stammtisches nach verdienten, doch zumindest jene Tiere, hier also die Affen, zum zoologischen Garten führen könnten, um uns auf anderem Wege selbige Noten zu verdienen.

    Sicher kennen Sie, werter Leser, den Zustand, in dem man sich befindet, wenn man sich zu sehr des Weines beköstigt. Es werden einem die Beine wohlig und der Körper bequem, im Kopfe drehen Myriaden unsortierter Gedanken ihre Kreise, und wenn es dem Zecher gelingt, einen dieser mit beiden Händen zu erhaschen, um ihn vor dem inneren Auge, wie ich es ausdrücken möchte, zum Verhör zu bewegen und in seiner Tiefe zu erloten, so begibt er sich glatt wie die Haut eines Aalfisches wieder dem Griff des Denkers und entfleucht in jene Gefilde der Hirnrinde, deren Gewaltigkeit man alsbald zu erkunden vergißt, derweil man schon dem nächsten Schatten nachjagt.

    Und so erscheint es, dass sich das Gespräch zweier Trinkender vom Zehnten zum Hundertsten, von diesem zum Tausendsten furcht, um schlußendlich einen Kreis zu formen, worauf die Handlung erneut ihren Ausgangspunkt erreicht, nur um wiederum ihre Wege zu schreiten. Den Zechern an sich wirkt dies nicht so, es ist ihnen hingegen, als würden sie sich focussiert allein ihrem hehren Thema zugewandt befinden, worauf ihnen die merkwürdigsten Details zu den schlichtesten Momenten einfallen. Ein im beiderlei Sinne des Wortes berauschendes Erlebnis, möchte man meinen, sofern man sich die nächsten Tage nicht berichten läßt, was man selbst seinem Gegenüber erzählte.

    Meine selige Großmutter, von welcher ich Ihnen bislang noch nicht zu berichten gedachte, was unserer Geschichte jedoch

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