Vertrieb und Marketing in der digitalen Welt: So schaffen Unternehmen die Business Transformation in der Praxis
Von Hartmut Biesel und Hartmut Hame
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Vertrieb und Marketing in der digitalen Welt - Hartmut Biesel
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018
H. Biesel, H. HameVertrieb und Marketing in der digitalen Welthttps://doi.org/10.1007/978-3-658-17532-0_1
1. Die Digitale Transformation im Markt- und Kundenmanagement
Hartmut Biesel¹ und Hartmut Hame²
(1)
Der Umsetzungspartner, Dortmund, Deutschland
(2)
apricot GmbH, Dortmund, Deutschland
Hartmut Biesel (Korrespondenzautor)
Email: h.biesel@umsetzungspartner.de
Hartmut Hame
Email: h.hame@teampenta-apricot.de
Zusammenfassung
Die Digitalisierung der Welt verändert die Aktivitäten des Markt- und Kundenmanagements. Die Kunden bestimmen inzwischen die Kommunikationsspielregeln bei den Anbietern. Die Digitale Transformation ist keine neue IT-Technologie, Treiber der digitalen Transformation sind die Nutzer. Die Unternehmen müssen lernen, die digitalen Werkzeuge den Anforderungen und Wünschen der Nutzer anzupassen, und nicht wie in der Vergangenheit darauf zu hoffen, dass sich die Nutzer auf die Anbieteroptionen einlassen. Die Aufmerksamkeit von potenziellen Kunden zu erreichen ist ein Gut, das nur begrenzt zur Verfügung steht, Aufmerksamkeit wird zur neuen Währung der Zukunft. Wer als Unternehmen Erfolg haben will, muss im Markt sichtbar sein. Durch die Digitalisierung werden sich gewohnte Geschäftsmodelle verändern, neue Leistungsangebote entwickelt. Durch die digitale Transformation erhalten die Unternehmen bessere Markt- und Kundenkenntnisse und können dadurch maßgeschneiderte Services und Produkte anbieten. Dies hat Konsequenzen für die Ausrichtung des Kundenmanagements: Strukturen und Prozesse müssen verändert werden, Mitarbeiterfähigkeiten den Kundenerwartungen angepasst werden, Organisationsstrukturen überprüft werden etc. Unternehmen, die sich nicht rechtzeitig mit den digitalen Marktveränderungen auseinandersetzen laufen Gefahr, sich nicht rechtzeitig auf die neuen Marktbedingungen einstellen zu können. In diesem Kapitel setzen wir uns grundsätzlich mit dem Thema „Digitale Transformation" auseinander, um Ihnen eine Grundlage für den Einstieg in dieses Thema zu bieten.
Der Einsatz und die Nutzung digitaler Werkzeuge sind in der Gesellschaft oder Wirtschaft zur Normalität geworden! Die Zahl der Nutzer von sozialen Medien wie Facebook & Co. auf mobilen Endgeräten hat längst die Milliardengrenze überschritten, mit stark steigender Tendenz. Nutzer verbringen inzwischen bis zu sechs Stunden pro Tag in sozialen Netzwerken – mit gravierenden Folgen. Die Suchtbeauftragte der Bundesregierung hat 560.000 Menschen in Deutschland als online-süchtig eingestuft. Die Ruhephasen der Menschen werden immer kürzer und führen zu gesundheitlichen Risiken bei den Beschäftigten. Jederzeit erreichbar zu sein und eine hohe Reizüberflutung kann außerdem die Arbeitsatmosphäre in den Unternehmen negativ beeinflussen. Täglich werden über digitale Medien 200 Mrd. Emails und 30 Mrd. WhatsApp-Nachrichten versandt. Alleine in Deutschland veröffentlichen die Nutzer monatlich durchschnittlich 90 Inhalte über soziale Netzwerke, pro Tag sind dies insgesamt über zwei Milliarden neue Einträge.
In Deutschland nutzt zurzeit mehrheitlich die jüngere Generation die digitalen Medien, die ältere Generation holt aber auf und verzeichnet hohe Wachstumsraten. Gemessen an der Nutzerzahl wäre Facebook & Co. heute das drittgrößte Land der Welt. In Großbritannien wird inzwischen die Hälfte des mobilen Internetverkehrs über soziale Medien abgewickelt. Facebook ist zwar das größte, aber weltweit nicht das einzige soziale Netzwerk. Auch andere Netzwerke glänzen mit beeindruckenden Zahlen. So gewinnt etwa das Karriere-Netzwerk „LinkedIn jede Sekunde ein neues Mitglied. Alle 60 s werden mehr als 6000 Bilder auf „flickr
hochgeladen, knapp 100.000 Tweets über „Twitter versandt, 20.000 Postings auf „tumblr
eingestellt und 600 neue Videos auf „YouTube" hochgeladen. Angeblich werden weltweit mehr iPhones verkauft als Kinder geboren. Und in vielen Ländern sind inzwischen mehr Smartphones im Einsatz als Einwohner im Land leben.
In den letzten 20 Jahren wurden durch Wissenschaft und Berater circa 13 „neue" Managementmethoden beschrieben und den Unternehmen angeboten, meist mit einer sehr geringen Halbwertzeit. Die Digitalisierung der Welt hat ein anderes Kaliber, auch wenn sofort wieder ein neues Schlagwort in aller Munde ist: Digitale Transformation. Aber viele Unternehmen unterliegen einem grundlegenden Missverständnis, wenn sie die Digitale Transformation als Einführung einer neuen IT-Technologie verstehen. Treiber der Digitalen Transformation sind die Menschen. Nur wenn sie in ausreichender Zahl eine vorhandene Technologie nutzen, kann eine Digitale Transformation stattfinden. Die Unternehmen werden lernen müssen, ihre digitalen Technologien den Anforderungen und Wünschen der Nutzer anzupassen, und nicht wie in der Vergangenheit darauf hoffen, dass die Nutzer sich auf die Anbieteroptionen einlassen. Die von den Menschen akzeptierten und genutzten Technologien werden gewohnte Geschäftsmodelle teilweise nachhaltig verändern, neue Leistungsangebote schaffen und erhebliche Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten haben. Falsche Einschätzungen der Kundenwünsche, fehlender Wille zur Weiterentwicklung oder Beharren auf dem Gewohnten werden Unternehmen in ihrer Existenz besonders dann gefährden, wenn die Nutzer den Einsatz einer Technologie als selbstverständlich voraussetzen und sich bei einem Nicht-Angebot einem anderen Anbieter zuwenden.
Die Digitalisierung verändert die Welt.
Sie wird Branchen und Organisationen grundlegend verändern und manche Berufe oder Tätigkeiten überflüssig machen. Einerseits werden viele Fachkräfte benötigt, die ein vernetztes Know-how in den Bereichen Marketing, Vertrieb und IT besitzen. Diese stehen derzeit in Deutschland nur bedingt zur Verfügung. Es müssen Studiengänge angepasst oder geschaffen werden, die die Themen „Markt- und Kundenmanagement und „IT
miteinander verknüpfen. Andererseits ist damit zu rechnen, dass sich die Unternehmen aufgrund der Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitsplätzen von einer nicht unerheblichen Zahl von Mitarbeitern trennen werden. Es werden derzeit dazu die unterschiedlichsten Zahlen veröffentlicht und es bleibt vorerst eher ein Blick in eine Glaskugel. Aber eines ist klar: Durch die Digitalisierung werden mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als neue geschaffen werden.
Interessant ist, dass weder die Politik noch die Wirtschaft die Frage thematisiert, welche Tätigkeiten beispielsweise in Zukunft Kassiererinnen im Einzelhandel oder Innendienstmitarbeiter im administrativen Bereich ausüben sollen, wenn deren Arbeitsplätze digitalisiert werden. Das ist grob fahrlässig. Denn eine der wichtigsten Zukunftsfragen wird nicht aufgegriffen: Mit welchem Gesellschaftsentwurf sollen der Staat, die soziale Gemeinschaft und Privatwirtschaft in Zukunft gesteuert werden, wenn einerseits durch die Digitalisierung trotz eines geringer werdenden Personaleinsatzes die Produktivität in der Wirtschaft weiter steigt und andererseits immer mehr Arbeitnehmer aus der Wertschöpfungskette herausfallen? Nehmen Sie zum Beispiel den Bankenbereich, in dem mobiles Bezahlen immer mehr zum Alltag wird:
Apple startet mit Apple Pay in Frankreich und in der Schweiz ein mobiles Bezahlsystem.
Twint ist ein Gemeinschaftsunternehmen zur Vermarktung mobiler Zahlsysteme mehrerer Schweizer Banken und des Börsenbetreibers Six, die Schweizer Handelsketten Coop und Migros akzeptieren das neue Bezahlsystem.
Rewe führt in Deutschland gemeinschaftlich mit American Express die bargeldlose Bezahlung per Smartphone ein.
PayPal hat 2015 28 % der 4,9 Mrd. Zahlungen über mobile Geräte bargeldlos abgewickelt. Tendenz steigend.
Wie viele Mitarbeiter benötigt der Bankensektor in Zukunft, wenn immer stärker Zahlungsprozesse automatisiert und standardisiert werden und die Kunden ihre Smartphones als Bargeldersatz nutzen? Weitere Beispiele für praxisnahe Lösungen und kundenindividuelle Mehrwertangebote sind der Fahrdienst „My Taxi", der über eine App bestellt und bezahlt wird, oder mobile Bezahlsysteme für den Parkraum in den Innenstädten. Die Digitalisierung wird Social-Business-Angebote kontinuierlich erweitern. Es ist eindeutig: Die Digitalisierung ist keine Trenderscheinung.
Viele Unternehmen „fremdeln mit der digitalen Revolution, unabhängig von der Unternehmensgröße. Auch wenn in digitale Werkzeuge investiert wird, ein ganzheitlicher Ansatz ist noch immer die Ausnahme in der Wirtschaft. Notwendig ist für jedes Unternehmen die Entwicklung eines individuellen Plans, wie die digitale Zukunft in Vertrieb und Marketing gestaltet werden soll. Es reicht nicht aus, auf einen Mix aus neuer Technologie und alten Leistungen zu setzen. Dann bleibt es bei Apps und Modifikationen von Websites – mit der Gefahr, dass dieser Aktionismus zu einer „Me too
-Positionierung führt.
In einer digitalisierten Welt müssen sich Unternehmen neu erfinden.
Digitale Konzepte verändern beziehungsweise erweitern die vorhandenen Geschäftsmodelle durch die Nutzung digitaler Werkzeuge in der Umsetzung. Dabei geht es ausschließlich darum, kundenmehrwertorientierte Leistungen zu entwickeln und nicht wie in der Vergangenheit eigenzentrierte und wettbewerbsorientierte Angebote zu forcieren. Produkte werden immer austauschbarer, die potenziellen Interessenten können sich problemlos alle Informationen aus dem Netz herunterladen. Deshalb werden Beratungs-, Service- und Dienstleistungen immer wichtiger, um sich aus Markt- und Kundensicht vom Wettbewerb zu unterscheiden. Die digitale Technologie unterstützt dabei, kundenorientierte Mehrwerte definierten Zielgruppen aktiv zu vermitteln. Der größte Blockierer von Entwicklung ist die Angst vor etwas Neuem. Neue Geschäftsmodelle stören die gewohnte „Sicherheit", Unbekanntes wird schnell mit Risiko verbunden. Es ist wenigen klar, wie gefährlich es ist nicht zu erkennen, welche Risiken durch das Beharren auf gewohnten Geschäftsmodellen bestehen. Aber: der Markt wartet nicht, Unternehmen handeln oder werden irgendwann behandelt.
Unternehmen, die sich nicht rechtzeitig mit der Digitalisierung des Vertriebs und Marketings befassen, laufen Gefahr, sich bei der schnellen Veränderung des Marktes nicht rechtzeitig anpassen zu können. Ein Unternehmen muss nicht umgehend in alle Möglichkeiten der Digitalisierung investieren. Verzichtet werden kann aber nicht auf die Überprüfung der vorhandenen Geschäftsmodelle und die Entscheidung, ob und welche Anpassungen bezüglich Digitalisierung und Mitarbeitersteuerung vorgenommen werden müssen. Nur die Unternehmen, die sich an den Wandel anpassen können, werden weiterhin eine starke Rolle im Wettbewerb spielen.
Viele Arbeitnehmer unterschätzen zudem die Auswirkungen der Digitalen Transformation auf ihre Arbeitsplätze. Zwar erwarten viele Arbeitnehmer zwar eine geringfügige Änderung des Aufgabenspektrums, aber keinen starken Wandels ihrer Jobs. Aber: Je höher der Anteil der Routinetätigkeiten ist, desto höher ist auch die Automatisierungswahrscheinlichkeit. Das gilt gleichermaßen für Maschinenbediener in der Produktion wie auch Bürotätigkeiten in der Administration oder für hoch qualifizierte Tätigkeiten im Controlling oder in der IT-Administration. Künstliche Intelligenz wird diese Aufgaben in Zukunft kostengünstiger und oft auch besser erledigen. Bis zu fünf Millionen Tätigkeiten könnten nach Ansicht verschiedener Arbeitsmarktforscher mit moderner Technik in Deutschland komplett automatisiert werden.
Diese Entwicklung erfordert ein anderes Managementverständnis:
Abschied vom traditionellen Hierarchie-Denken
Auseinandersetzung mit der Digitalen Transformation
Überprüfung der aktuellen Prozesse und Strukturen im Markt- und Kundenmanagement
Kundenmehrwertorientierung statt Eigenzentrierung
Es gibt kein einheitliches Verständnis darüber, was „Digital Leader" in Zukunft aus Markt- und Kundensicht leisten müssen. Zwar sind die meisten Manager überzeugt, dass die Digitalisierung für die Weiterentwicklung von Unternehmen extrem wichtig ist, aber gleichzeitig halten sie das Thema für das eigene Unternehmen nicht immer für relevant. Dieser Widerspruch resultiert aus meiner Sicht aus dem mangelhaften digitalen Wissen vieler Führungskräfte.
Die Digitale Transformation wird Unternehmen, potenzielle Kunden, Mitarbeiter oder Lieferanten miteinander vernetzen. Hierarchiefreies Denken und die Fähigkeit zur Vernetzung sind die Voraussetzungen, um die Position eines „Digital Leader" einzunehmen. Aber nur eine Minderheit von 15 % der Führungskräfte setzt sich für Collaboration-Tools ein. Die neue Arbeitswelt wird in Zukunft jedoch geprägt durch durchlässige Netzwerke, es entstehen zunehmend Arbeitsplätze ohne eindeutige organisatorische Zugehörigkeiten. Peer-to-Peer-Modelle werden die klassische Hierarchie zunehmend verdrängen, etwa durch die Bildung von Communitys, in denen sich hoch qualifizierte Fachkräfte weltweit austauschen. Die Notwendigkeit, gemeinsam mit den Kunden zu entwickeln und zu produzieren, wird zu einer weiteren Öffnung und Auflösung gewohnter geschlossener Unternehmensstrukturen führen.
Die Sicherstellung einer Digitalen Transformation ist keine Sachaufgabe einer IT-Abteilung. Konzerne können sich vielleicht einen „Chief Digital Officer (CDO) leisten. In den meisten Unternehmen sind jedoch alle Mitarbeiter eines Unternehmens dafür verantwortlich, eine Digitale Transformation zu ermöglichen. Es reicht nicht aus, einen Chief Digital Officer ohne Budget und klare Verantwortlichkeit zu berufen oder das Budget für Marketing in den sozialen Medien aufzustocken. Eine Digitale Transformation erfordert die Bereitschaft zu erheblichen Veränderungen bei allen Beteiligten, hierarchieübergreifend. Kleine Korrekturen bewirken in der Regel nur kleine Effekte. „Der Hering stinkt vom Kopf her
, sagt man in Norddeutschland. Dies ist auch in diesem Falle richtig: Viele Führungskräfte sehen immer noch nicht die Notwendigkeit, eine Digitale Transformation einzuleiten. Halbherzige Bemühungen bringen aber keine grundsätzliche Veränderung.
Ohne Investitionsbereitschaft und Mitnahme der Mitarbeiter wird es nicht gehen, die Digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen. Digitalisierung ist Chefsache, zum Beispiel die Entscheidung, einen verantwortlichen Mitarbeiter für die Umsetzung der Digitalen Transformation zu benennen, der direkt der Geschäftsleitung berichtet. Er kann den Umsetzungsprozess steuern und vorantreiben und zum Beispiel eine Vermittlerrolle zwischen den Fachabteilungen und der IT einnehmen.
Jedes Unternehmen muss aber seinen eigenen Weg der Digitalen Transformation finden. Sicherlich wird es Best Practice-Beispiele geben. Aber die Vorgehensweisen der Vergangenheit greifen nicht mehr wie gewohnt, es gibt kein Standard-Set an Maßnahmen und Tools. Berater werden versuchen, einen vermeintlich richtigen Weg zu vermitteln. Das wird nicht funktionieren, denn jedes Unternehmen ist ein Unikat. Die Digitalisierung muss einen Mehrwert für die Kunden, das eigene Unternehmen und jeden Mitarbeiter bieten. Die Digitale Transformation wird außerdem zu einer Veränderung der Arbeitsbedingungen führen, zum Beispiel zu einer Diskussion über die Notwendigkeit einer Präsenzpflicht im Unternehmen. Gleichzeitig werden sich die Hierarchieebenen weiter verschlanken. Es wird keinen Musterweg geben, den man einfach kopieren könnte (Fürg 2016).
Die Gewinner der Digitalen Transformation richten sich an dem Markt und den Kunden aus und passen ihre Geschäftsmodelle den Marktgegebenheiten an. Die Digitale Transformation setzt auf kundenzentrierte Methoden und Techniken, die Vernetzung und Austausch ermöglichen. Gerade das Vernetzungsverhalten der Menschen wirkt sich schon heute nachhaltig auf die Wirtschaft aus:
Konsumenten tauschen Meinungen und Erfahrungen in sozialen Netzwerken aus, fragen Bekannte online zu Kaufempfehlungen, negative Erfahrungen verbreiten sich über Nacht weltweit.
Immer mehr Menschen können immer schneller auf dieselben Informationen zugreifen und es wird immer schwieriger, sich durch das Abschirmen von Informationen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen oder je nach Anlass unterschiedlich zu kommunizieren.
Starbucks erreicht beispielsweise über seine eigene Website monatlich knapp 2 Mio., über Facebook 20 Mio. Besucher.
Auf Unternehmen hat dies vielfältige Folgen. Digitale Medien werden zu einem wesentlichen Werkzeug in der Positionierung von Unternehmungen und Marken und zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Marketing–Mix. Private und geschäftliche Netzwerke verbinden sich zunehmend, werden über digitale Medien organisiert und verändern die Formen der Kommunikation. Immer mehr Unternehmen starten „Enterprise 2.0"-Initiativen und vernetzen Mitarbeiter, Kunden, Partner und Lieferanten in firmeneigenen sozialen Netzwerken (ESN = Enterprise Social Network).
Beispiele
In kurzer Zeit hat die BASF über 30.000 Mitarbeitern miteinander vernetzt und die Möglichkeit geschaffen, sich in themenspezifischen Teams selbst online zu organisieren und auszutauschen.
ATOS, mit 80.000 Mitarbeitern in 42 Ländern eines der größten IT-Unternehmen, verzichtet in der firmeninternen Kommunikation fast ganz auf E-Mails und setzt stattdessen auf soziale Netzwerke.
Alcatel Lucent hat binnen eines Jahres 60.000 Mitarbeiter in einem sozialen Netzwerk, in dem sich über 4000 Gruppen selbst organisieren, zusammengeführt.
Erfahrungsberichte von Unternehmen zeigen, dass sich der Umfang des E-Mail-Verkehrs erheblich reduziert und dadurch die Mitarbeiterproduktivität erhöht und die Zahl der unsinnigen Meetings reduziert wird.
Die Nachkriegsgenerationen standen für Aufbau und Sicherheit und waren eher konservativ ausgerichtet. Die nachfolgende X-Generation strebte Karriere und Status an und agierte zielorientiert. Für die Y-Generation der Zukunft wird soziale Vernetzung durch die digitalen Medien zum Alltag gehören. Es gehört daher zur Führungsaufgabe in der Zukunft, kollektive Intelligenz zu ermöglichen, unentdecktes Wissen freizusetzen und andere Organisationsformen zuzulassen. Das Pushen und Initiieren von Veränderungsprozessen wird zukünftig die Kernaufgabe von Unternehmen sein. Veränderungen erzeugen Spannungen, Stress und Abschiedsschmerzen von lieb gewonnenen Ritualen und Spielregeln. Der immer schneller werdende Wandel in der Gesellschaft, im Markt, bei Kunden etc. verlangt eine Änderung der Denkausrichtung des gesamten Unternehmens, insbesondere des Kundenmanagements. Der Wandel wird in einer Digitalen Transformation zur Konstanten. Industrie 4.0 und die digitalen Medien führen zu einer immer stärker werdenden Internationalisierung und Globalisierung und treiben die Neuausrichtung des Vertriebs und Marketings.
Deshalb wird es einer der wichtigsten zukünftigen Erfolgsfaktoren im Kundenmanagement sein, rechtzeitig Trends zu erkennen und zu analysieren. Nur dann können zeitnah Aktivitäten überprüft und die Marketing- und Vertriebsorganisation flexibel auf die neuen Herausforderungen eingestellt werden. Erfahrungen der Vergangenheit helfen in Zukunft immer weniger, in komplexer werdenden Märkten den Wandel zu gestalten, wenn der Markt den Anbietern nicht mehr die Zeit gibt, wie in der Vergangenheit gewohnt Strategiemodule mit höchstem Perfektionsanspruch im Unternehmen zu entwickeln und umzusetzen. Eine Balance zu finden zwischen Bewährtem und Weiterentwicklung, wird künftig die größte Herausforderung sein.
Die Unternehmen müssen deswegen in der Lage sein, sich in immer kürzeren Zyklen auf veränderte Marktbedingungen einzustellen. Die Halbwertzeit des Wissens sinkt weiterhin rapide. Unternehmen benötigen in einer Digitalen Transformation agile Vorgehensweisen:
Schnelle Anpassung an die Kundenbedürfnisse
Positiver Umgang mit sich verändernden Marktherausforderungen
Konsequente Anpassung der internen Prozesse und Strukturen an die Marktbedingungen
Klare Unternehmensspielregeln, dass jeder Mitarbeiter für die Steigerung des Kundenmehrwerts verantwortlich ist
Akzeptanz, dass schnelle Marktveränderungen zu Instabilität im Unternehmen führen
Aufbau flacher Hierarchien und Abbau des Hierarchiedenkens
Sicherstellung des Informationsflusses innerhalb des Unternehmens
Vertrauenskultur statt Mitarbeiterbevormundung
Aufbau von Partnerschaften
Die Digitale Transformation wird das Team-Denken verstärken. Führungsverantwortliche werden lernen müssen, los zu lassen; und Mitarbeiter werden lernen müssen, sich selbst zu organisieren und Verantwortung für ihre Leistungen zu übernehmen. Ohne Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter und deren Leistungsbereitschaft wird es nicht gehen. Die Führungsebene der Zukunft wird zum Dienstleister ihrer Mitarbeiter. Sie räumt die Hürden aus dem Weg, die die Teams bei der täglichen Umsetzung behindern. Agile Unternehmen werden in einer Welt der Digitalen Transformation die Gewinner sein. Sie sind in der Lage, Trends schnell zu erspüren, Produkte und Dienstleistungen schneller den Markt- und Kundenbedürfnissen anzupassen und die Kunden und Mitarbeiter ins Zentrum der wirtschaftlichen Aktivitäten zu stellen (Veuve 2016).
Resümee
Der Einsatz und die Nutzung digitaler Werkzeuge sind in der Gesellschaft oder Wirtschaft zur Normalität geworden! Die Unternehmen werden lernen müssen, ihre digitalen Technologien den Anforderungen und Wünschen der Nutzer anzupassen und nicht wie in der Vergangenheit darauf hoffen, dass sich die Nutzer für Anbieteroptionen begeistern.
Die von den Menschen akzeptierten und genutzten Technologien werden gewohnte Geschäftsmodelle teilweise nachhaltig verändern, neue Leistungsangebote schaffen und erhebliche Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten haben.
Die Digitalisierung verändert die Wirtschaft. Durch sie werden sich Branchen und Organisationen grundlegend wandeln und manche Berufe oder Tätigkeiten überflüssig machen.
Produkte werden immer austauschbarer, die potenziellen Interessenten können sich problemlos alle Informationen aus dem Netz herunterladen. Deshalb werden Beratungs-, Service- und Dienstleistungen sein immer wichtiger, um sich aus Markt- und Kundensicht vom Wettbewerb zu unterscheiden.
Viele Arbeitnehmer unterschätzen die Auswirkungen der Digitalen Transformation auf ihre Arbeitsplätze. Aber: je höher der Anteil der Routinetätigkeiten ist, desto höher ist auch die Automatisierungswahrscheinlichkeit.
Die Digitale Transformation wird Unternehmen, potenzielle Kunden, Mitarbeiter oder Lieferanten miteinander vernetzen. Hierarchiefreies Denken und die Fähigkeit zur Vernetzung ist Voraussetzung, um die Position eines „Digital Leader" einzunehmen.
Eine Digitale Transformation erfordert die Bereitschaft zu erheblichen Veränderungen bei allen Beteiligten, hierarchieübergreifend. Kleine Korrekturen bewirken in der Regel nur kleine Effekte.
Die Digitale Transformation wird das Team-Denken verstärken. Führungsverantwortliche werden lernen müssen loszulassen; und Mitarbeiter werden lernen müssen, sich selbst zu organisieren und Verantwortung für ihre Leistungen zu übernehmen.
Literatur
Fürg D (2016) Warum Digitalisierung nicht für alle gleich funktioniert. https://www.xing.com/news/insiders/articles/warum-digitalisierung-nicht-fur-alle-gleich-funktioniert-505296. Zugegriffen: 12. Juli 2017
Veuve A (2016) Modell der Zukunft: Das Agile Unternehmen. https://www.xing.com/news/insiders/articles/modell-der-zukunft-das-agile-unternehmen-530666. Zugegriffen: 12. Juli 2017
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018
H. Biesel, H. HameVertrieb und Marketing in der digitalen Welthttps://doi.org/10.1007/978-3-658-17532-0_2
2. Die Digitalisierung des Marketings und Vertriebs
Hartmut Biesel¹ und Hartmut Hame²
(1)
Der Umsetzungspartner, Dortmund, Deutschland
(2)
apricot GmbH, Dortmund, Deutschland
Hartmut Biesel (Korrespondenzautor)
Email: h.biesel@umsetzungspartner.de
Hartmut Hame
Email: h.hame@teampenta-apricot.de
Zusammenfassung
Die digitale Transformation ist kein Placebo, sondern erfordert mutiges und dauerhaftes Handeln! Verzichten Sie auf Appelle, Leuchtturmprojekte oder Kampagnen. Der Markt und die Kunden ändern ihre Gewohnheiten, sie stellen Gewohntes aufgrund der Möglichkeiten der digitalen Transformation zur Disposition. Vom Marketing erwarten die Kunden, dass sie individueller als in der Vergangenheit bedient werden; vom Vertrieb, dass die Verkäufer mehr Ideen und Informationen bieten, als im digitalen Netz vorhanden sind. Dieses Kapitel beschreibt, wie Kunden bestimmen, ob der von den Unternehmen angebotene „Content" für sie ausreichend ist. Die Werbemanager waren in der Vergangenheit zufrieden, wenn sie mehr Aufmerksamkeit erzeugen konnten, ohne jedoch den langfristigen Anspruch der potenziellen Kunden zu berücksichtigen. Die Folge: Eine Aufmerksamkeitsoffensive folgte auf die andere, nachhaltig verändert wurde dadurch aber nichts. Jetzt spüren das Marketing und der Vertrieb durch die digitale Transformation den Markt- und Kundendruck, Kundenangebote und interne Prozesse neu auszurichten. Und noch etwas verändert sich: Start-ups mischen mit ihren Geschäftsmodellen gewohnte Branchenusancen auf. In disruptiven Prozessen fordern sie die etablierten Anbieter, die sich auf die Verbesserungen ihrer Produkte und Dienstleistungen konzentrieren, heraus. Das Kapitel gibt Ihnen eine Idee, wie Sie durch einen ganzheitlichen Marketing- und Vertriebsansatz unter Berücksichtigung der Chancen durch Industrie 4.0 die Kundenorientierung – Flexibilität und Individualität – in Ihrem Unternehmen stärken können.
Markt und Kunden verhalten sich in Zukunft noch disruptiver, sie stellen Gewohntes aufgrund der Möglichkeiten der Digitalen Transformation zur Disposition. Disruptiv war die Gesellschaft und Wirtschaft schon immer, allerdings nicht in der heutigen Geschwindigkeit. Es ist deshalb die Aufgabe jeden Unternehmens, rechtzeitig Trends und verändertes Käuferverhalten zu erspüren, um sich evolutionär den veränderten Bedingungen anzupassen und nicht den Anschluss zu verlieren. Der Bereich B2C hat in den letzten Jahrzehnten bei der Vermarktung neuer Produkt- und Leistungsideen stark auf Marketingkommunikation gesetzt, der Bereich B2B hat sich dagegen auf technische Weiterentwicklung konzentriert. Beide Bereiche haben sich mit digitalen Konzepten auseinandergesetzt, die Investitionsgüterhersteller zum Beispiel mit Themen wie „Sensorik", M2M-Konzepte oder Industrie 4.0. Doch die Branchengrenzen lösen sich auf. Was heute in einem strategischen Geschäftsfeld erfolgreich von Kunden akzeptiert wird, weckt automatisch das Bedürfnis, diese Produkte oder Leistungen von jedem Anbieter bekommen zu wollen. Zeitgemäß ist beispielsweise nicht mehr in einer Welt von Lieferando & Co das Anstehen nach einem Produkt. McDonald’s hat dies erkannt und verändert das über lange Zeit bewährte Geschäftsmodell:
Beispiel McDonald‘s
Ein überarbeitetes Küchen- und Bestellsystem bei gleichbleibender schneller Speisenzubereitung ist der Ausgangspunkt des veränderten Geschäftsmodells. McDonald‘s verabschiedet sich von der früheren Fließbandfertigung und bietet den Kunden zukünftig individualisierte Bestelloptionen. Statt sich an der Verkaufstheke anzustellen und die Bestellung aufzugeben, will McDonald‘s in Zukunft die Gäste am Tisch bedienen. Sie können vorab ihre eigenen Menüs an einem Terminal im Eingangsbereich zusammenstellen. Bezahlt wird digital über eine Smartphone-App. Die Mitarbeiter werden umfunktioniert zu Kundenberater/-innen.
Die Digitale Transformation des Marketings und Vertriebs ist nach Ansicht vieler Führungskräfte ein wichtiges Thema. Sie spüren den Markt- und Kundendruck, Angebote und Prozesse zu digitalisieren. Facebook, Google, Amazon oder amerikanische Start-ups wie der Taxivermittler Uber oder das Unterkunftsportal Airbnb mischen mit ihren Geschäftsmodellen die gewohnten Branchenusancen auf. Die Gewinne werden zurzeit noch überwiegend aus dem Geschäft mit den Privatkunden erzielt. Aber Google & Co. Investieren zusätzlich in den B2B-Markt, um