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Interne Revision: Funktion, Rechtsgrundlagen und Compliance
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eBook504 Seiten5 Stunden

Interne Revision: Funktion, Rechtsgrundlagen und Compliance

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Über dieses E-Book

Die interne Revision erbringt im Auftrag der Unternehmensleitung unabhängige und objektive Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen. Die unterscheidet sie von anderen unternehmensinternen Kontrollstellen, etwa dem Controlling. Das Werk beschreibt die Grundlagen für eine effektive interne Revision. Ideal auch für Ein- und Umsteiger in die neue Tätigkeit als Revisor.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum11. Dez. 2012
ISBN9783834938794
Interne Revision: Funktion, Rechtsgrundlagen und Compliance

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    Buchvorschau

    Interne Revision - Jörg Berwanger

    Jörg Berwanger und Stefan KullmannInterne Revision2. Aufl. 2012Funktion, Rechtsgrundlagen und Compliance10.1007/978-3-8349-3879-4_1© Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

    1. Die Interne Revision in deutschen Wirtschaftsunternehmen – Grundlagen

    Jörg Berwanger¹   und Stefan Kullmann²  

    (1)

    Zum Hirschweiher 4, 66539 Neunkirchen, Deutschland

    (2)

    Lortzingstr. 10, 45884 Gelsenkirchen, Deutschland

    Jörg Berwanger (Korrespondenzautor)

    Email: berwangergabiundjoerg@t-online.de

    Stefan Kullmann (Korrespondenzautor)

    Email: stefan.kullmann@evonik.com

    1.1 Kulturfragen – deutsche Unternehmen auf Suchpfaden unterwegs

    1.1.1 Globalisierung als Initial-Stichwort

    1.1.2 Verschiebung von Werten in der Gesellschaft

    1.1.3 Auswirkungen auf die Interne Revision

    1.1.4 Compliance – die Zaubermaus im Unternehmen oder sanftes Monster?

    1.2 Die Organisation des Berufsstands

    1.2.1 The Institute of Internal Auditors (IIA)

    1.2.2 Deutsches Institut für Interne Revision e. V. (DIIR)

    1.2.3 The ECIIA – die europäische Interessenvertretung

    1.2.4 Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V.

    1.3 Die Position der Internen Revision im Unternehmen

    1.3.1 Glossar

    1.3.2 Aufgaben, Rechte, Pflichten, organisatorische Eingliederung

    Zusammenfassung

    Der in Deutschland erstmals Anfang der siebziger Jahre verwendete Begriff wurde spätestens im Jahr 1983 weltweit durch den Artikel „Globalization ofMarkets (von Theodore Levitt) verbreitet. Er bezeichnet einen Entwicklungsprozess, über dessen Beginn in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht werden. Mitunter wird zurückgegangen bis in die Antike, wo auch immer schon nach neuen Handelsmärkten und -wegen gesucht wurde. Weitere zeitliche Meilensteine sind 1492 (Kolumbus in Amerika), 1499 (Rückkehr von Vasco da Gama aus Indien) und das 19. Jahrhundert mit den Anfängen der Industrialisierung. Andere platzieren die zeitliche Verortung ihres Beginns wesentlich später, nämlich in die 70/80er Jahre des letzten Jahrhunderts, indem auf die Einführung der „floatendenWechselkurse (1971/1973) oder auf die Ölkrisen (1973 und 1980) hingewiesen wird.

    1.1 Kulturfragen – deutsche Unternehmen auf Suchpfaden unterwegs

    1.1.1 Globalisierung als Initial-Stichwort

    Der in Deutschland erstmals Anfang der siebziger Jahre verwendete Begriff wurde spätestens im Jahr 1983 weltweit durch den Artikel „Globalization of Markets (von Theodore Levitt) verbreitet. Er bezeichnet einen Entwicklungsprozess, über dessen Beginn in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht werden. Mitunter wird zurückgegangen bis in die Antike, wo auch immer schon nach neuen Handelsmärkten und -wegen gesucht wurde. Weitere zeitliche Meilensteine sind 1492 (Kolumbus in Amerika), 1499 (Rückkehr von Vasco da Gama aus Indien) und das 19. Jahrhundert mit den Anfängen der Industrialisierung. Andere platzieren die zeitliche Verortung ihres Beginns wesentlich später, nämlich in die 70/80er Jahre des letzten Jahrhunderts, indem auf die Einführung der „floatenden Wechselkurse (1971/1973) oder auf die Ölkrisen (1973 und 1980) hingewiesen wird. In Deutschland werden besonders die Jahre 1989 (die Wende in Europa) und 1993/1994 (Nachkriegsrezession) markiert. Vielen Ansätzen gemein ist die Aussage, dass es sich um einen stetig voranschreitenden Prozess handelt. Definitionen und Beschreibungen haben sich im Laufe der Zeit von ihrem Bedeutungsinhalt her nicht groß verändert, lediglich die Wortwahl changiert. Nach einer Definition der OECD handelt es sich bei Globalisierung um einen „Prozess, durch den Märkte und Produktion in verschiedenen Ländern immer mehr voneinander abhängig werden – dank der Dynamik des Handels mit Gütern und Dienstleistungen und durch die Bewegungen von Kapital und Technologie."¹ Globalisierung als die so umschriebene Verdichtung von Raum und Zeit, hervorgerufen durch sinkende Transport- und Informationskosten und durch fallende Grenzen, wurde bereits im 19. Jahrhundert ähnlich gedeutet. Solche frühere Vorlagen hatten sicherlich auch Beispielfunktion für spätere Ansätze: „Wenn Dampfkraft erst perfektioniert ist, wenn sie zusammen mit Telegraphie und Eisenbahn die Distanzen schwinden lässt, werden nicht nur Güter reisen. Auch Ideen werden Flügel haben. Wenn Steuer- und Handelshemmnisse zwischen den Staaten gefallen und die Völker einander immer näher rücken, wie wollen wir dann die alte Trennung wiederbeleben?" (Chateaubriand 1841).

    Man kann Globalisierung und ihre Überwindung von Grenzen im großen Stil in fünf Teilaspekte, die internationale Handelsverflechtung, ausländische Direktinvestitionen, die Operationen transnationaler Unternehmen, die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten und in die internationalen Finanzmärkte zerlegen.² Neben kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen³ geht es – auch im Fokus dieses Buches – vorrangig um ein ökonomisches Phänomen in Form der Entstehung weltweiter Märkte für Produkte, Kapital und Dienstleistungen durch Zunahme und Verdichtung von grenzüberschreitenden Aktivitäten. Haupttreiber und Betroffene dieser Internationalisierung sind die Unternehmen als die Produzenten von Gütern und/oder Dienstleistungen, die auf diesen Märkten gehandelt werden. Sie müssen sich neuen Herausforderungen stellen, etwa in Form einer zunehmenden Vereinheitlichung von Rechnungslegungsgrundsätzen (Stichworte: IFRS und US-GAAP) oder durch das Festgelegtwerden auf internationale Standards bei interner Unternehmenskontrolle (SOX und 8. EU-Richtlinie).

    Über Globalisierung ist schon sehr viel geredet und geschrieben worden. Insbesondere wird sie – gemeinsam mit gleichzeitig eingeführten, zum Teil anglizistisch geprägten „neuen revolutionären Rätselwörtern aus der Gesellschaftsretorte des Managements (Ulrich Beck), wie z. B. Neoliberalismus bzw. -konservatismus, Intrapreneurship oder Shareholder Value – vielfach auch kritisch diskutiert. Das kann alle Jahre wieder anschaulich und eindrucksvoll, etwa anlässlich von Konferenzen, so etwa beim G 8 Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007, besichtigt werden. Oft wird in Diskussionen das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik angesprochen und erörtert, wer hier wen dominiert. Bourdieu bezeichnete Globalisierung als die „entscheidendste Waffe der Kämpfe gegen die Errungenschaften des welfare state.⁴ Polemisch gewendet kommt das wie folgt daher: „Globalisierung ist, wenn du deinen Job verlierst, damit dein Unternehmen mehr Gewinn macht." (Gewerkschafter). Mit der Attac hat sich eine weltweit operierende Gegenbewegung gebildet. Sie vertritt u. a. soziale Interessen der Beschäftigten.

    Der Globalisierung werden vielfache zwanghafte Wirkungen auf deutsche Unternehmen zugeschrieben: Ein verschärfter Preiswettbewerb auf den Absatzmärkten mit hohem Aufwand für die Sicherung der Kundenanforderungen mit etlichen Begleitumständen (u. a. ggf. mit der Aufbringung der Flexibilität zur Produktionsverlagerung zum ausländischen Kunden hin und höchste Anforderungen an die Termintreue) führe zu einem Diktat der Dauerbewegung. Der „digitale Kapitalismus erbringe eine „Nanosekunden-Kultur, d. h., die davon Betroffenen müssten schnell, mobil, flexibel und ubiquitär sein.⁵ In der Literatur wird insoweit ein Fetisch des Wandels kritisiert: „Unternehmen tun so, als würden sie sich immer wieder neu erfinden. Sie machen den Übergang zum Dauerzustand: ‚Wir tun was!‘ Das Unternehmen wird zum Chamäleon, um bloß nicht als Verlierer dazustehen.⁶ Selbst wenn in der einen oder anderen Facette objektiv nichts dahinter sein mag und kein Handlungsbedarf besteht, lassen sich viele Unternehmen doch davon beeindrucken und zu Aktionismus verleiten. Das wiederum fordert andere Unternehmen, dies nachzuahmen und in den Wettkampf dieses „Beschleunigungsrennens einzutreten – „selbst, wenn man erkennt, dass es im Abgrund enden wird.⁷ Die Situation erinnert an die scheinbare Verlockung, die von verbotenen Liebesaffären ausgehen kann⁸ und entspricht ganz dem Bild Schumpeters⁹ vom Wettbewerb im Kapitalismus, den er als „Prozess der schöpferischen Zerstörung beschreibt: „In der kapitalistischen Wirklichkeit (wirkt) … die Konkurrenz der vorhandenen Ware, … des neuen Organisationstyps … nicht nur …, wenn sie tatsächlich vorhanden ist, sondern auch, wenn sie nur eine allgegenwärtige Drohung ist. Sie nimmt in Zucht, bevor sie angreift. Wenn es denn glücklicherweise nicht im Abgrund endete, wird dann eben Jahre später die Umsetzung scheinbar großer (Ent-)Würfe u. U. unter Inkaufnahme von Milliardenverlusten wieder revidiert. Dazu können auch Scheidungen gehören. Das zeigt das Beispiel der Daimler-Chrysler Fusion („Welt-AG), denn schließlich handelte es sich dabei um eine „Ehe, wie sie im Himmel geschlossen wird." (Jürgen Schrempp im Mai 1998¹⁰). Chrysler wurde im Jahr 2007 an den Finanzinvestor Cerberus abgegeben, nach der griechischen Mythologie ist das der mehrköpfige Hund, der den Hölleneingang bewacht. 2009 hat der dann auch zugeschnappt, denn Chrysler ging Pleite. Seitdem bemüht sich Chrysler gemeinsam mit Fiat.

    Wenngleich oft arg strapaziert und überbewertet ist „Globalisierung" jedenfalls ein Schlüsselwort in unserer Zeit. Trotz eines gewissen Gewöhnungseffektes im Zeitraum seit Erscheinen der 1. Auflage dieses Buches kann das so festgestellt werden. Das gilt allemal für die Globalisierung der Finanzmärkte , der eine Mitursache für die weltweite Finanzkrise (siehe Vorwort) zugeschrieben wird. Als in erster Linie wirtschaftliches Phänomen fungiert Globalisierung daher nach wie vor als eine Art Initial-Stichwort, als thematischer Impulsgeber für das gesamte Untersuchungsprogramm auch dieses Buches. Viele der hier besprochenen Themen zur Internen Revision sind nämlich zumindest mittelbar darauf zurückzuführen. Denn es ist – wie skizziert – die Globalisierung, die zurzeit den nachhaltigsten Eindruck auf deutsche Unternehmen ausübt. Das betrifft insbesondere größere Unternehmen und Konzerne, die oft international agieren. Auch verfügen sie regelmäßig über eine Interne Revision.¹¹

    Für eine Diskussion der verschiedenen mit dem Globalisierungsbegriff verbundenen, sehr interessanten Implikationen und Auswirkungen auf andere Gebiete (soziale, politische, kulturelle und mediale) ist das vorliegende Buch allerdings nicht die richtige Plattform. Die weitere Ausbreitung und auch nur das Anreißen aller Themen würden seinen Rahmen sprengen. Die Verfasser müssen sich daher im Wesentlichen auf eine holzschnittartige Darstellung der Auswirkungen auf die Unternehmen beschränken, soweit diese für die Beschreibung der Auswirkungen für die Interne Revision und für die Compliance von Bedeutung sind. Diesem Ansatz folgt der gedankliche Duktus des gesamten Buches. Vor allem ökonomische und rechtliche Umstände bilden daher die roten Fäden, entlang derer Fragen rund um die Interne Revision und die Compliance aufgeworfen und beantwortet werden sollen. Von den skizzierten Entwicklungen sind natürlich alle Mitarbeiter in diesen Unternehmen betroffen. Davon besonders stark berührt werden aber ihre Revisions- und Compliance abteilungen, weil es deren Arbeit, ähnlich wie der des Controlling,¹² inhärent ist, alle anderen Unternehmensteile im Fokus zu haben. Dazu gehören auch sozio-kulturelle Auswirkungen auf die Unternehmen, weil sich deren Leitungen im Druck sehen, Kulturen und Wertmaßstäbe diesen Entwicklungen anzupassen. Daraus ergeben sich dann regelmäßig auch Aufgabenfelder für die Interne Revision und für die Compliance , etwa wenn ein Verhaltenskodex überprüft werden soll. Dass die Aufgaben gerade in diesem Bereich speziell für die Interne Revision zuweilen schier unlösbar erscheinen und die Revision in das Dilemma einer Zwickmühle gebracht wird – etwa, wenn sich das Top-Management selbst nicht an die von ihm ausgegebenen Werte hält und vielleicht in manchen Fällen (etwa bei Korruption) sogar gegen Gesetze verstößt und die Revision dies erkennt – auch darauf wird in diesem Buch einzugehen sein.

    1.1.2 Verschiebung von Werten in der Gesellschaft

    1.1.2.1 Die soziologische Systemtheorie

    Wertet man das Wirken und Werken der Unternehmen in makro-soziologischen Kategorien, betreiben sie als Teile des gesellschaftlichen Subsystems „Wirtschaft Daseinsvorsorge für das gesamtgesellschaftliche System. Nach der soziologischen Systemtheorie hat die moderne Gesellschaft für die Erfüllung ihrer wesentlichen Funktionen und Aufgaben eigene Subsysteme ausdifferenziert, um das Ganze am Laufen zu halten: Neben der Wirtschaft (zuständig für die zukunftsstabile Vorsorge) sind das die Politik (zur Herstellung allgemeinverbindlicher Entscheidungen), das Recht (Sicherung von Erwartungen), die Familie (Reproduktion), die Religion (Sinn- und Jenseitsfragen) und die Wissenschaft (Wahrheit). Obwohl sie alle aufeinander angewiesen sind, sind sie nach der Theorie in ihren Regeln und ihrem Verhalten zum großen Teil voneinander unabhängig. Sie formulieren jeweils ihre eigenen Universalitätsansprüche an die Behandlung aller Themen und folgen dabei ihren eigenen Regeln. Nach der Theorie sie sind füreinander blind, sie befolgen relativ „stur nur ihre eigenen Parameter und Regeln und sollen sich so allein aus eigener Kraft (weiter-)entwickeln.¹³ Im Laufe der Geschichte haben sich diese unterschiedlichen Universalitätsansprüche gegeneinander verschoben, mal hatte das eine Teilsystem die Oberhand, mal ein anderes. So stand im 16. Jahrhundert in Zentraleuropa die Religion im Vordergrund, sie wurde im 17. Jahrhundert von der Macht abgelöst, die im 18. Jahrhundert dem Recht weichen musste. Dieses wiederum wurde im 19. Jahrhundert von der Wirtschaft abgelöst, dem im 20. Jahrhundert die Fokussierung auf das Individuum folgte. Im Moment – Globalisierung! – sieht es so aus, dass für das 21. Jahrhundert ein Comeback der Wirtschaft zu konstatieren sein wird.¹⁴

    Des Öfteren zu beobachtende „grenzüberschreitende Konflikte bieten praktische Anhaltspunkte dafür, dass diese Ansicht der Systemtheorie zumindest in Teilaussagen zutrifft. Besonders augenscheinlich wird ein solcher Konflikt zwischen den Teilsystemen Wirtschaft und Recht bei der ökonomischen Theorie des „effizienten Vertragsbruchs, die Vertreter der sog. Konstitutionellen Politischen Ökonomie bemühen: Warum nicht einen Vertrag brechen, wenn es hierfür gute ökonomische Gründe gibt, es sich – auch nach Abzug aller Pönalen, Schadensersatzansprüche und sonstiger Kosten (z. B. für den Anwalt) – noch rechnet?!¹⁵ Das nicht kompatible Werteverständnis zwischen der Wirtschaft und dem Recht kommt auch in der Äußerung „Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen." (Josef Ackermann zum Thema Mannesmann) zum Ausdruck. Das letzte hier anzuführende Beispiel betrifft den Fall, dass viele den Kopf schütteln, wenn die katholische Kirche oder ihr Oberhaupt gegen Empfängnisverhütung in Entwicklungsländern plädiert. Manche glauben dann, sie verstehen die Welt nicht mehr, vergessen aber dabei, dass der andere – sprichwörtlich – in seiner eigenen Welt (Systemtheorie!) lebt, und ausschließlich dort geltende Maßstäbe zur Lösung des Problems definiert hat und auch anwendet. Vielleicht sind aber diese Divergenzen bei den Sicht- und Herangehensweisen an dasselbe Thema so schlecht auch wieder nicht – kann sich doch ein streitig ausgetragener Diskurs auch belebend und produktiv auf die gesellschaftliche Fortentwicklung auswirken, meinen die Verfasser.

    1.1.2.2 Ziele und Werte in Unternehmen – Anspruch und Wirklichkeit

    Das Leben in einer eigenen Welt gibt auch das Stichwort für eine Hinwendung des Blicks auf die Unternehmen selbst. Diese sind im Sinne der Organisationssoziologie Organisationen. Die Organisationssoziologie sieht sie als sog. soziale Subjekte mit jeweils eigener Kultur und eigenem Wertesystem. Die daraus hergeleitete soziale Handlungsfähigkeit des Unternehmens wird maßgeblich von seinen Zielsetzungen beeinflusst, was auch in einer weiteren allgemeinen Definition der Organisation als „einem sozialen System mit überdurchschnittlich spezifizierter Zielbestimmung und überdurchschnittlich spezifizierter Struktur"¹⁶ zum Ausdruck kommt. Solche Sozialsysteme bilden Geflechte sozialer Positionen, die den Beitrag und die Rolle des einzelnen Akteurs zur Erreichung von Systemzielen definieren. Werte sind allgemein zu beschreiben als übergreifende „Orientierungsleitlinien zentralen Charakters, welche Realitätssicht, Einstellungen, Bedürfnisse und Handlungen einer Person steuern. Ziele sind „Aussagen oder Vorstellungen über zukünftig gewünschte Zustände, die durch Entscheidungen und entsprechende Handlungen realisiert werden sollen.¹⁷

    Die Systemtheorie sieht Organisationen – und damit auch Betriebe und Unternehmen – als relativ geschlossene Systeme an, die intern mit unabhängigen Organisationsvariablen (Ziele, Instrumente, Bedingungen, diese jeweils untereinander verbunden) und mit abhängigen Organisationsvariablen (Strukturen, Funktionen, Verhalten, jeweils untereinander verbunden) ausgestattet sind. Zwischen beiden Variablen bestehen regelmäßig keine gegenseitigen Beziehungen, sondern es existiert vielmehr eine einseitige Abhängigkeit. Jede Organisationsanalyse hat in den Zielen ihren wichtigsten Ansatzpunkt, die Wichtigkeit von Zielen ist damit für das praktische Funktionieren der Organisation gewissermaßen immanent. Das gilt auch für Unternehmen und Betriebe, denn „oberste Aufgabe der Betriebsführung ist die Formulierung von Zielfunktionen des Betriebes."¹⁸ In der Soziologie wird allerdings zu Recht auch darauf hingewiesen, dass aus diesem Ansatz nicht zwangsläufig wirklich weiter Führendes resultieren muss, denn „ebenso wie edle Ziele, können die wahnwitzigsten Ideen mit konsequenter Zweckmäßigkeit durch eine Organisation verwirklicht werden. Die interne Rationalität der Organisation vermag dabei ihre Mitglieder sogar über die Irrationalität eines Zweckes zu täuschen, die interne Rationalität der Organisation sagt also nichts über die Vernunft und die moralische Qualität ihrer Ziele aus.¹⁹ Oft versuchen hier Wunschvorstellungen des Managements die reale Welt zu dominieren. Wenn aber die reale Welt nicht so ist, wie sie sein soll, gilt ein Wort Hegels: „Umso schlimmer für die Tatsachen.

    Dieses Dilemma offenbart sich oft bei Wertediskussionen in Unternehmen. Zu den Zielen gehört neben Vorgaben zu den strategischen und operativen Ausrichtungen des Unternehmens nämlich auch das Anhalten der Mitarbeiter, zum Voranbringen des Unternehmens, u. a. durch Unterlassung von Korruption, bestimmte Werte zu pflegen. Befördert wird dies durch eine wahre Industrie von Unternehmensberatern, die wohlfeile Konzepte liefern und ein offensichtliches Eigeninteresse an immer neuen Veränderungen haben.²⁰ Sie standen und stehen als überaus fleißige Hebammen auch an der Wiege der Zaubermaus Compliance (siehe dazu später) bereit. Die Vermittlung von Werten und „Business Ethics an angehende Manager haben sich auch Lehrstühle an Hochschulen (manche nennen sich „Business School) auf die Fahnen geschrieben. Mancher Manager mag sich vielleicht besser das von ihm bezahlte Lehrgeld wieder zurückzahlen lassen.²¹ Werte als „Leuchttürme in stürmischer See (so eine Veröffentlichung zur Unternehmensethik) sollen Unternehmenskulturen schaffen, in denen über Fragen der Unternehmensethik offen und ohne Berührungsängste diskutiert werden soll. Wenn die Mitarbeiter diese Philosophie des Unternehmensleitbildes verinnerlichen und vorleben, zeigen sie nach der Theorie Führungskompetenz. Die von den Unternehmen propagierten Leitbilder erinnern inhaltlich an Tugendvorstellungen, wie sie schon von Platon und Aristoteles in der Antike entwickelt wurden. Insbesondere die vier sog. Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Weisheit, Tapferkeit (= Mut) und Besonnenheit müssen als Paten herhalten und werden im Neusprech in Losungen verwendet wie etwa: „Wir wollen wachsen durch – vollen Einsatz, Mut zum Neuen, verantwortliches Handeln.

    Bei so hohen Ansprüchen bleibt es nicht aus, dass diese Idee oft von der Wirklichkeit blamiert wird. Dabei reicht es oft nicht einmal zu einem Reißen der Messlatte, weil sie mit deutlichem Abstand untersprungen wird. Trotz den in Firmenzeitschriften und Wertefibeln suggerierten Bildern einer heilen Welt mit „hehren Organisationszielen" mit dem Aufbau einer Corporate Identity trifft man nämlich in der Realität mancher Unternehmen auf Führungskräfte ohne Charisma und ein von Darwinismus und Opportunismus geprägtes Betriebsklima. Die Sprüche von der Einmaligkeit, der Hierarchiefreiheit, Fairness und Partnerschaft entsprechen in vielen Fällen nicht der Realität.²² Wie von Hobbes beschrieben geht es munter kreuz und quer und jeder gegen jeden: Neben den „klassischen Fallgruppen Mitarbeiter gegen Management und umgekehrt finden sich auch die Konstellationen des „peer-to-peer-pressure: Management untereinander und Mitarbeiter untereinander. Schütz²³ hat das Abteilungsdenken in deutschen Unternehmen erforscht. Er hat dabei herausgefunden bzw. folgert aus den Befragungsergebnissen: „… Aus diesem Fundus habe ich ein Portfolio von Fallbeispielen ausgewählt, die vor allem einen zentralen Aspekt verdeutlichen: Wer in seinem Unternehmen laufend Grabenkriege erlebt, der steht nicht alleine da. Denn das Abteilungsdenken grassiert auf breiter Front. Dabei tauchen immer wieder dieselben skurrilen Symptome auf. Sollten Sie also bei der Lektüre eine gewisse Ähnlichkeit mit Ihrem Unternehmen entdeckt haben, so ist das natürlich zufällig. Gleichzeitig ist es jedoch hoch wahrscheinlich …" (Schütz, ebd., S. 223).

    Manager erscheinen in diesem Zusammenhang als „Mythopoeten"²⁴, deren Arbeit in einem wichtigen Teil in der Erzeugung schönen Scheins besteht, der verbreitet wird durch „ubiquitäres Visionsgeraune (Reinhard Sprenger). „Eindrucksmanagement, „Ranküne oder „Schaulaufen als sog. leistungsferne Strategien, und Missgunst und Neid²⁵ sind weitere Stichworte, die die Situation in Unternehmen charakterisieren. Speziell zum Anspruch auf Expertentum etwa, erhoben von Managern, spricht MacIntyre²⁶ von einer „metaphysischen Überzeugung vom Expertentum der Manager. Die werde in Unternehmen institutionalisiert und als „Scharade vorgeführt: „Es ist der theatralische Erfolg, der in unserer Zivilisation Macht und Autorität verschafft. Der effektivste Bürokrat ist der beste Schauspieler … Die theatralischen Begabungen der Spieler in unbedeutenden Statistenrollen sind für das bürokratische Schauspiel ebenso notwendig wie die Beiträge der großen Charakterdarsteller aus der Chefetage." (MacIntyre) Der Vortrag von Sprechrollen durch große Charakterdarsteller führt allerdings mitunter – umgekehrte Rollen! – zu hohen Gagenforderungen des gar nicht applaudierenden Publikums. So etwa die knapp 800 Mio. Euro, die die Deutsche Bank wegen der öffentlichen Äußerungen ihres früheren Chefs Rolf Breuer zur Geschäftslage bei Leo Kirch per gerichtlichem Vergleich an dessen Erben zahlen sollte. Der scheiterte jedoch, bei Redaktionsschluss zu dieser 2. Auflage war der Rechtsstreit beim OLG München noch nicht beendet.

    Beispielgebend für diese Realmisere ist ein schon inflationär gebrauchter Begriff, der bei kaum einer Diskussion in modernen Unternehmen fehlen darf. Es geht um das Team (das ist die Unterwerfung der Begabten unter die Mittelmäßigen, so Reinhard Sprenger). Eine – auch aus Sicht der Verfasser – zutreffende Einschätzung zur Bedeutung des Teamgedankens, wie er in der Realität (leider!) oft gelebt und verstanden wird, und die man besser kaum formulieren kann, vertritt Sprenger²⁷: „Team ist in der Welt des Managements ein nahezu sakrosankter Begriff mit immunisierender Aura: positiv, populär, produktiv. Er trägt eine Vorentscheidung für etwas Angenehmes und moralisch Hochstehendes in sich … Wir erleben geradezu eine Team-Inflation: Chefs, die oft gerade nicht ‚teamfähig‘ in dem von ihnen proklamierten Sinn sind, nennen ihre Mitarbeiter ‚mein Team‘ (heißt etwa: ‚Seid fleißig und zankt euch nicht!‘) … Teamwork ist … unter Wettbewerbsbedingungen schwierig, und wirklich erfolgreiche Teams sind äußerst selten. Am seltensten an der Unternehmensspitze. Da sitzen im Regelfall Menschen, die ihre Karriere ihrer Teamfähigkeit gerade nicht (Hervorhebung auch bei Sprenger) verdanken – aber andere zur Teamarbeit auffordern. Die Aussage Sprengers, dargeboten in populär-sprachlicher Verpackung, wird von wissenschaftlicher Seite geteilt. Beck et al. meinen, wegen der Rivalität um den Aufstieg könnten Manager kaum im Team arbeiten, ohne ein wesentliches Mittel in der Rivalität um den Aufstieg aus der Hand zu geben. Spannungen aus der erforderlichen Arbeit im Team führten dazu, dass der Manager trotz der individualistischen Konkurrenz Entscheidungen kollegial erarbeiten müsse. Dies falle ihm der Statuskonkurrenz wegen aber schwer. Damit seien Klagen verbunden, dass harte Arbeit nicht einmal genüge, vielmehr müsse man sich dann auch noch als „netter Kerl zeigen.²⁸

    Trotz des ernsten und bedenklich stimmenden Hintergrunds vergnüglich zu lesen sind die nach wie vor aktuellen Geschichten über einen verfehlten Führungsstil aus der Weimarer Zeit²⁹, in der sich ein „Wirtschaftsführer in seinem Büro ganz abschottet von den Mitarbeitern: Kein Lärm dringt in die „mönchische Abgeschiedenheit seines Zimmers, der Schreibtisch ist mit wenigen Papieren bedeckt, er thront ganz weit oben in einer Wipfelruhe³⁰, die „überall in den oberen Sphären zu herrschen scheine. Ähnlich auch der Kriegsminister, der angesichts der vorgefertigten Aufmarschpläne ebenfalls friedlich und unbeschäftigt in seinem Arbeitsraum saß, während draußen die Truppen marschierten – „Der Krieg selbst ging dann freilich verloren …. Soweit ersichtlich, gibt es zum mangelnden Teamverhalten von Managern keine belastbaren empirischen Untersuchungen, denn welcher Manager wird eine vorhandene Egomanie bei seiner Befragung schon eingestehen. Zumal, wenn er möglicherweise nicht in der Lage ist, diese sich selbst einzugestehen. Dennoch darf das Vorhandensein dieser Probleme hier unterstellt werden.

    Auch im Bereich der gewöhnlichen Mitarbeiter untereinander kann es „sportlich" zugehen, was neben persönlichen Eigenheiten der Protagonisten auch den von der Leitung geschaffenen Strukturen zuzuschreiben ist. Voß und Pongratz³¹ gehen mit Bezug auf Gruppenprozesse im Arbeitsbereich (am Beispiel der sog. lean production) davon aus, dass bei der Lösung der kollektiven Aufgaben der Gruppendruck dem Druck des Vorgesetzten oft in nichts nachstehe. Speziell zum Team auch Opaschowski³²: „Teamarbeit wird oft beschworen, aber nur selten gelebt. Meist spielt dieser Begriff im Arbeitsalltag nur eine taktische Rolle: Er suggeriert Modernität und überdeckt Interessengegensätze zwischen Mitarbeitern. Teams erzeugen mitunter einen größeren Druck auf den Einzelnen als eine starre Hierarchie. So kann das Team schnell zu einem Instrument sozialer Kontrolle umfunktioniert werden. Moderne oder als modern erachtete Managementkonzepte verstärken denn auch eher das Gegeneinander als das Miteinander. So z. B. das sog. Intrapreneurship, ein partizipatives Managementprinzip, das auf den Amerikaner Pinchot zurückgeht. Er hat zu seinen „Intrapreneur’s Ten Commandments u. a. folgendes formuliert: „Circumvent any orders aimed at stopping your dream; „Do any job needed to make your project work, regardless of your job description; „Follow your intuition about the people you choose, and work only with the best; „Work underground as long as you can – publicity triggers the corporate immune mechanism; „Remember it is easier to ask for forgiveness than for permission; „Never bet on a race unless you are running in it.³³

    Wohl als verlorenes Rennen, auf das er nicht wetten würde, sieht Neuberger die Bemühungen um den Aufbau einer sog. Corporate Identity. Er meint, zur Rolle der Manager als „Mythopoeten gehöre die Produktion von „Management-Kitsch, die Corporate Identity gehöre hier dazu.³⁴ Wolf verweist darauf, dass der Aufbau einer Corporate Identity einer von etlichen Bausteinen sei, mit denen in Unternehmen Rationalisierung betrieben werden soll. Dies führe nämlich zu einer „Moralisierung des betrieblichen Sozialzusammenhangs, Werte und Normen sollen so bewusst zu Medien des Rationalisierungshandelns gemacht werden.³⁵ Oft als Mythen entpuppen sich z. B. auch Losungen wie: Leistung lohnt sich; der Beste setzt sich durch; es geht fair zu; man muss der Sache dienen, und zwar gemeinsam und begeistert! Ähnlich kritisch auch der amerikanische Schriftsteller Douglas Coupland:³⁶ Die moderne Arbeitswelt stecke zwar in der Krise, jedoch sei „die damit einhergehende zynische Unternehmenskultur … voll intakt: junge, naive Mitarbeiter an Schreibtische zu ketten und mit Süßigkeiten, Tischtennis und ‚Spaß‘ ruhig zu stellen.

    In der Literatur wird im Übrigen aber auch darauf hingewiesen, dass sich aus der unvermeidlichen Spannung zwischen Entscheidung, Kommunikation und Handlung manchmal sogar eine gewisse Notwendigkeit zur Heuchelei und Scheinheiligkeit in Organisationen ergebe.³⁷ Getroffene Entscheidungen müssen im Nachhinein oft gerechtfertigt werden, was dann – notgedrungen – oft so geschieht, dass die nicht zum Zug gekommenen Alternativen minimiert oder schlecht gemacht werden müssen. In der Psychologie wird das als postdezisionale Dissonanz-Reduktion bezeichnet. „Zu Fehlern zu stehen und nüchtern zu handeln, ist allerdings schwierig, wenn eine Gesellschaft – im Spiegel ihrer Medien – nur noch in Kriterien von Sieg oder Niederlage zu urteilen vermag. So äußert auch Vontobel³⁸ ein gewisses Verständnis für die Situation und die Befindlichkeiten von Managern. Der Grat vom „Heilsbringer zum Sündenbock³⁹ ist schmal. Manager werden anfangs gehätschelt als „Great Man, wenn es schief geht, werden sie oft gefeuert. Die „wahren Gründe einer Angelegenheit können daher vom Management in Unternehmen oft nicht kommuniziert werden, es würden dann stattdessen vernünftige und sozial akzeptierte genannt. „Scheinheiligkeit sei daher nicht zufällig, sondern im Ergebnis mitunter sogar überlebensnotwendig für das System (Neuberger).⁴⁰ Es gebe daher, so Neuberger weiter, in Organisationen ein latentes Wissen, das viele oder gar alle haben, das aber nicht thematisiert werden dürfe, weil ansonsten Abwehrmaßnahmen in Gang gesetzt werden müssten, die eine systemzerstörerische Wirkung haben könnten. Es geht dabei also um Regeln einer Organisation als Konventionen, die wirksam sind und trotzdem oder gerade deshalb nicht öffentlich diskutiert werden könnten.⁴¹ Das erinnert an den Fatalismus, der bei den Rolling Stones zum Ausdruck kommt, wenn sie den Teufel sagen lassen: „And what’s puzzling you is just the nature of my game.⁴² Eine Begleiterscheinung davon sei, dass nicht konsequent gegen die Verletzung von Vorschriften, gegen Blaumachen, gegen Mobbing etc. vorgegangen werde. Keine solchen Rechtfertigungen verdient indes der von Gesterkamp⁴³ erwähnte Fall: Putzfrauen in einem Unternehmen waren angewiesen, bei den Spitzenmanagern abends auf keinen Fall das Licht zu löschen – auch wenn die längst gegangen sind. Andere sollten glauben, dass die noch fleißig sind, denn: Karrieren werden angeblich nach 17 Uhr entschieden.

    Zum Abschluss dieser Überlegungen zur vielfach anzutreffenden Unternehmenswirklichkeit noch eine Metapher in Form einer kleinen Geschichte. Mit ihr soll die stetige Verfälschung, Brechung, Veränderung oder eben „Organisation von Wahrheit illustriert werden: Als Gott und der Teufel einst spazieren gingen, sah Gott plötzlich vor sich ein helles, leuchtendes Licht. Er bückte sich, betrachtete es und hob es auf. „Sieh her, sagte er zum Teufel „das ist die Wahrheit. Der Teufel betrachtete das Licht kurz, nahm es und antwortete: „Sehr schön, ich behalte es und verwalte es für Dich.⁴⁴ Selbstverständlich liegt es den Verfassern fern, Manager mit Teufeln, auch nicht mit „armen Teufeln", zu vergleichen.

    Dass sich diese innere Zerrissenheit der Unternehmen auch in ihrem Umgang und ihrer Präsentation nach außen spiegeln kann, wird später unter dem Stichwort „Korruption" zu behandeln sein.

    1.1.3 Auswirkungen auf die Interne Revision

    Vorstehend dargestelltes Gedankengebäude mag manchen Leser irritieren und ihm schief erscheinen. Sicherlich ist es nur zum Teil der Globalisierung zuzuschreiben, es ist aber doch oft real. Es wurde deshalb relativ ausführlich beschrieben und zur Untermauerung mit etlichen Zitaten und Fundstellen unterlegt, weil die besondere Herausforderung für die Interne Revision und auch für die Compliance herausgestellt werden soll. Denn die Interne Revision und die Compliance sind diesen Widrigkeiten im besonderen Maße ausgesetzt. Die Situation erbringt nämlich für ihre Mitarbeiter eine weitere Erschwerung ihrer Arbeit. Zwar besteht ihre Tätigkeit – zumindest nach der unternehmensoffiziellen Lesart von ihrer Aufgabe – u. a. gerade darin, die Wahrheit über heikle „Nicht-Themen aussprechen zu müssen oder doch zumindest „zu sollen. Ihre Mitarbeiter sollen als eine Art „hauptberuflicher Whistleblower Handlungsempfehlungen vorschlagen, über die niemand anderes im Unternehmen sprechen und die keiner anpacken will. Die Realität ist aber oft eine andere. Wenn es auch nicht so sein mag, dass „Topmanager vom Revisionsmanager einen kurzweiligen Vortrag über amüsante Ergebnisse der Revision erwarten⁴⁵, werden kritische Anmerkungen und Überlegungen der Internen Revision eben nur zu gerne verdrängt. So etwa kann schon der eigentlich als harmlos einzustufende Vorschlag, vor dem Hintergrund einschlägiger Erfahrungen in einem deutschen Unternehmen (Stichworte: „VW und „Brasilien) auch einmal – ohne besondere Verdachtsmomente – das Geschäfts- und Abrechnungsgebaren des eigenen Betriebsrats einer Revisionsprüfung zu hinterziehen, Abwehrmechanismen des Vorstands („Da lassen Sie mal besser die Finger davon!) auslösen.⁴⁶ Dazu bleibt nur festzustellen: „Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt! – oder, frei nach Nikolaj Gogol, zu seinem literarischen Werk „Der Revisor: „Der kleinste Schein von Wahrheit – und man steht gegen dich auf, und nicht nur ein einzelner Mensch, sondern ganze gesellschaftliche Gruppen.

    Dabei ist schon die gewöhnliche Arbeit, etwa die Überprüfung von Arbeitsprozessen

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