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Nachhaltiges Facility Management
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eBook454 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Eine anwendungsorientierte Herangehensweise an das Thema Nachhaltigkeit im Facility Management erfordert praxisgerechte Bezugsgrößen und Kennzahlen. Die Autoren entwickeln hierfür eine Definition der Nachhaltigkeit, die sie mit den komplexen Bereichen und Prozessen des Facility Managements verknüpfen. Wesentliche Impulse und Ergebnisse für dieses Buch entstanden im Rahmen neuerer Forschung (RoSS, Return on Sustainability System), wobei in Zusammenarbeit mit Unternehmen praktikable Kennzahlen für das Facility Management erarbeitet wurden. An einem IT-gestützten System wird die flexible Erfassung, Verwaltung, Messung und Auswertung von Nachhaltigkeitskennzahlen im Unternehmen dargestellt. Das System wird in seinen Kernfunktionen beschrieben.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum9. Nov. 2012
ISBN9783642248917
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    Buchvorschau

    Nachhaltiges Facility Management - Kai Kummert

    Kai Kummert, Michael May und Andrea Pelzeter (Hrsg.)VDI-BuchNachhaltiges Facility Management201310.1007/978-3-642-24891-7_1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

    1. Einleitung

    Andrea Pelzeter¹  , Michael May¹   und Kai Kummert¹  

    (1)

    Mitglied des Ross-Forscherteams, Projektleitung: K. Kummert, Beuth Hochschule für Technik Berlin FB IV, Luxemburger Str. 10, 13353 Berlin, Deutschland

    Andrea Pelzeter (Korrespondenzautor)

    Email: Andrea.Pelzeter@hwr-berlin.de

    Michael May

    Email: m.may@htw-berlin.de

    Kai Kummert

    Email: kummert@beuth-hochschule.de

    Zusammenfassung

    Ressourcenverknappung und Klimawandel sind zentrale Themen des 21. Jahrhunderts. Das zukünftige Wirtschaften und Managen wird zunehmend an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit gemessen und beurteilt. Auch der Facility Manager muss sich dieser Herausforderung stellen. Zunehmend wird verlangt, dass er seinen Beitrag zum Nachhaltigen Bauen leistet und die Nutzung simuliert. Als Betreiber von nachhaltigkeitszertifizierten Gebäuden muss er die prognostizierte Performance des Gebäudes im Betrieb sicherstellen. Bei der Innenausstattung der Immobilien ist er gefordert, CO2-neutrale Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Auch hat er immer öfter nachzuweisen, welchen Beitrag seine zahlreichen und sehr unterschiedlichen Services leisten zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz des Unternehmens, der Kernprozesse und letztlich auch der Produkte. Die zentrale Frage an ihn ist: Wie kann er seinen jeweiligen Nachhaltigkeitsbeitrag nachweisen? Schließlich ist das stille Bemühen um nachhaltiges Handeln sehr ehrenwert, aber einen nach aussen hin sichtbaren Mehrwert erzielt dieses Bemühen erst, wenn es relevant, überprüfbar und kommunizierbar wird.

    Ressourcenverknappung und Klimawandel sind zentrale Themen des 21. Jahrhunderts. Das zukünftige Wirtschaften und Managen wird zunehmend an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit gemessen und beurteilt. Auch der Facility Manager muss sich dieser Herausforderung stellen. Zunehmend wird verlangt, dass er seinen Beitrag zum Nachhaltigen Bauen leistet und die Nutzung simuliert. Als Betreiber von nachhaltigkeitszertifizierten Gebäuden muss er die prognostizierte Performance des Gebäudes im Betrieb sicherstellen. Bei der Innenausstattung der Immobilien ist er gefordert, CO2-neutrale Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Auch hat er immer öfter nachzuweisen, welchen Beitrag seine zahlreichen und sehr unterschiedlichen Services leisten zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz des Unternehmens, der Kernprozesse und letztlich auch der Produkte. Die zentrale Frage an ihn ist: Wie kann er seinen jeweiligen Nachhaltigkeitsbeitrag nachweisen? Schließlich ist das stille Bemühen um nachhaltiges Handeln sehr ehrenwert, aber einen nach aussen hin sichtbaren Mehrwert erzielt dieses Bemühen erst, wenn es relevant, überprüfbar und kommunizierbar wird.

    Impulse für die Kommunikation über Nachhaltigkeit im FM geben bereits einige etablierte „Angebote": aus dem Blickwinkel der Volkswirtschaft wurden z. B. die OECD Nachhaltigkeitsindikatoren entwickelt (vgl. Abschn. 2.3). Diese bilden die Perspektive der Gesellschaft ab, die nur bedingt auf die Belange des FM und damit auf die verschiedenen Handlungsfelder des Facility Managers übertragbar sind. Eine größere Treffsicherheit im Hinblick auf relevante soziale Belange und Umweltbelange versprechen die Regelungen zur unternehmerischen Verantwortung, die aus den Konzepten der Corporate Social Responsibility (DIN EN ISO 26000) und Compliance Grundsätzen abgeleitet werden können. Überdies existieren einige Standards, die bei der Quantifizierung von Teilaspekten der ökologischen Nachhaltigkeit Orientierung geben, z. B. bei der Ökobilanzierung nach DIN EN ISO 14000ff. (vgl. Abschn. 2.4) oder den Regelungen zu Energiemanagementsystemen nach DIN EN ISO 16000ff bzw. 50000ff. Andererseits haben sich Leitlinien für das Verfassen von Nachhaltigkeitsberichten etabliert, z. B. seitens der Global Reporting Initiative (GRI). Alle diese Standards und Empfehlungen bilden ein geeignetes Suchfeld, welche Kennzahlen auch im FM relevant sein könnten. Aber ein FM-spezifisches Set an Nachhaltigkeitskennzahlen, das auf wesentliche Kennzahlen fokussiert und die FM-spezifischen Handlungsfelder und die Interaktion von FM-Kunde und FM-Dienstleister mit abbildet, fehlt bisher.

    1.1 Facility Management (FM)

    Die FM-spezifische Interaktion ergibt sich analog zur Definition des FM in DIN 15221-1 aus dem engen Zusammenwirken von FM-Dienstleister und FM-Kunde bei der Erbringung von Unterstützungs- oder Sekundärprozessen. Diese stützen den Haupt- bzw. Primärprozess des internen oder externen FM-Kunden, der beispielsweise in der Produktion von Gütern, in der Bereitstellung von Gesundheitsdiensten (z. B. im Krankenhaus), im Durchführen von Lehre (Hochschule) oder von administrativen Tätigkeiten (Büro, öffentliche Verwaltung), usw. bestehen kann. Sekundärprozesse zu den genannten Primärprozessen sind z. B.: die Organisation der Medienversorgung, die Instandhaltung der Gebäude, das Reinigen der Flächen, die kundenspezifischen Sicherheitsdienste, die internen Postdienste, das Catering, das Eventmanagement und viele andere, denkbare Services. Das Managen der gebündelten Sekundärprozesse auf strategischer, taktischer und operativer Ebene wird als FM bezeichnet (vgl. Abb. 1.1).

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    Abb. 1.1

    Kernprozessunterstützung durch die Primärprozesse der Auftragnehmer von FM-Dienstleistungen

    Da die FM-Dienstleistungen immer vor Ort, im und an den Facilities des Kunden erbracht werden, ist eine Abgrenzung der nachhaltigkeitsfördernden Aktivitäten zwischen Kunde und Dienstleister nicht ganz einfach. Die Messung des konkreten Beitrags der jeweiligen Dienstleistung zur Nachhaltigkeit des Primärprozesses stellt dabei die zu lösende Herausforderung dar. Im Einkaufs- und Vergabeprozess von Services und Managementleistungen gewinnt die Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitskennwerten der jeweiligen Dienstleister zunehmend an Bedeutung.

    1.2 Leitfragen des Buches

    Wir wollen mit diesem Buch folgende Fragen beantworten:

    Welche Kennzahlen eignen sich für die Quantifizierung der Nachhaltigkeit im FM und für FM-Organisationen?

    Welche Bezugsgrößen machen diese Kennzahlen angemessen vergleichbar?

    Wie kann die Kommunikation zwischen FM-Kunde und FM-Dienstleister über die Nachhaltigkeit der Sekundärprozesse strukturiert unterstützt werden?

    Die in der ersten Frage angesprochene Eignung wird noch dahingehend spezifiziert, dass eine Kennzahl dann geeignet ist, wenn sie als relevant und nachprüfbar, praktikabel und kommunizierbar eingeschätzt wird. Der Hintergrund dieser Festlegung besteht darin, dass nur diejenigen Kennzahlen in der Praxis eine Wirkung entfalten werden, die bedeutungsvolle und prüfbare Sachverhalte ausdrücken und durch die handelnden Parteien beeinflussbar sind (Relevanz). Wenn diese Kennzahlen jedoch z. B. umfangreiche, zusätzliche Erhebungen erfordern, wäre eine Nutzen-Kosten-Untersuchung durchzuführen. Deshalb werden zunächst Kennzahlen entwickelt, deren Basisdaten ohnehin in der Geschäftstätigkeit anfallen und ggf. nur zusammengetragen oder -gerechnet werden müssen. Das Kriterium der Kommunizierbarkeit steigert die Akzeptanz: was gut nach innen und nach aussen vermittelt werden kann, motiviert zur internen Verhaltensänderung bzw. macht Unterschiede sichtbar, die zu einem Wettbewerbsvorteil im Nachhaltigen Wirtschaften werden können.

    1.3 Anwendbarkeit der FM-spezifischen Nachhaltigkeitskennzahlen

    Die in den folgenden Teilen dieses Buches vorgestellten Kennzahlen basieren auf der klar umrissenen Dreigliedrigkeit der Nachhaltigkeit. Damit ist das System überprüfbar, nachvollziehbar und erweiterbar. Das Kriteriensystem und die Kennzahlen sind bewusst einfach gehalten und an ähnlichen Nachhaltigkeitsprogrammen orientiert, um die praktische Anwendbarkeit zu gewährleisten. Das Kennzahlenset ist auf die Erfassung und Bewertung nachhaltigkeitsrelevanter Sachverhalte ausgerichtet.

    Die Kennzahlen dienen sowohl den verantwortlichen Facility Managern in den Kunden-Organisationen als auch den Dienstleistern und auch dazwischengeschalteten Consultants als Instrument zur Erfassung und Bewertung der Nachhaltigkeit von definierten Untersuchungsbereichen. Dies können u. a. sein:

    Nachhaltigkeitsbewertungen von FM-Organisationen und Erstellung eines organisationsspezifischen Nachhaltigkeitsberichtes.

    Ausrichtung der Einkaufsprozesse von FM-Dienstleistungen an Kriterien der Nachhaltigkeit.

    Nachweis des Nachhaltigkeitsbeitrags der Sekundärprozesse inkl. Monitoring(sowohl aus Kunden- als auch Dienstleisterperspektive).

    Projekt-/Dienstleistungsspezifischer Nachweis der Nachhaltigkeit der Sekundärprozesse zwischen FM-Kunde und FM-Dienstleister inkl. Monitoring.

    Für die Umsetzung dieser an den Bedürfnissen der Praxis orientierten Zielsetzungen wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „RoSS – Return on Sustainability System " ein Team der drei Berliner Hochschulen: Beuth Hochschule für Technik Berlin, HTW Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und HWR Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (vertreten durch die drei Herausgeber dieses Buches) sowie der fünf FM-Praxispartner (Axentris GmbH, HSG Zander Nordost GmbH, Piepenbrock GmbH & Co. KG, Polis Immobilien AG, REMONDIS GmbH & Co. KG) und der GEFMA gebildet, denen wir an dieser Stelle ausdrücklich danken. Unser Dank gilt auch dem Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF), das das Projekt in dieser Konstellation finanziell gefördert hat.

    1.4 Konzeption der Untersuchung

    Die Forschungskonzeption verknüpfte die systematische Recherche und Strukturierung möglicher Nachhaltigkeitskennzahlen mit wiederkehrenden Konsultationen der Praxispartner sowie der erweiterten, FM-interessierten Öffentlichkeit. Im Rahmen von Einzelgesprächen und Workshops mit den Praxispartnern wurden nachhaltigkeitsrelevante Kennzahlen entwickelt, erörtert und modifiziert. Die zwischenzeitlich erarbeiteten Kennzahlen wurden durch eine vom Deutschen Verband für Facility Management GEFMA kommunizierte Umfrage (web-basiert) evaluiert. Die Weiterentwicklung und Praktikabilitätsprüfung der Kennzahlen erfolgte in zwei moderierten Experten-Workshops die aus FM-Verantwortlichen der Kunden- und Dienstleisterseite sowie Consultants und Wissenschaftlern zusammengesetzt waren.

    Auf diese Weise konnte die Praxistauglichkeit der hier vorgestellten Nachhaltigkeitskennzahlen für die FM-Branche aus den beteiligten Perspektiven bewertet werden.

    Die Forderung nach einem praxistauglichen System bedingt die Notwendigkeit einer softwareseitigen Umsetzung. Deshalb wurden alle Kennzahlen mit Definition, Berechnungs- und Interpretationshinweisen in die eigens entwickelte Software RoSS eingearbeitet und im Rahmen von Fallstudien durch die Praxispartner auf die praktische Umsetzbarkeit hin getestet.

    1.5 Überblick über die Kapitelinhalte

    Die Ergebnisse der Untersuchungen des Forschungsprojektes werden in diesem Buch im Zusammenhang mit den Grundlagen für Nachhaltiges Wirtschaften im FM vorgestellt. Es beginnt mit einem Überblick über verschiedene Methoden zur Quantifizierung von Nachhaltigkeit in Kap. 2: darin wird ein Überblick über den Ursprung der Nachhaltigkeitskonzeption und die darauf bezogene Entwicklung von Indikatorensystemen aus volkswirtschaftlicher Sicht gegeben. Eine Synopse von Nachhaltigkeitsberichterstattungen aus Sicht der Unternehmen schließt sich an und dient als Grundlage für die Ableitung von Nachhaltigkeitszielen für die weitere, FM-spezifische Untersuchung.

    Kapitel 3 gibt Antworten auf die Frage, welche Kennzahlen für die Kommunikation über Nachhaltigkeit im FM geeignet sind. Aufbauend auf den Umfrageergebnissen und den in Workshops erarbeiteten Empfehlungen werden Kennzahlen für die Management- und die Prozessebene des FM identifiziert. Diese werden im Detail erörtert hinsichtlich möglicher Berechnungsansätze, vorhandener Systemgrenzen (was wird berücksichtigt, was nicht?), Einflussmöglichkeiten und ihren Beziehungen zu anderen Nachhaltigkeitskennzahlen.

    In Kap. 4 werden die Herausforderungen und Möglichkeiten der Unterstützung von Nachhaltigkeitsbewertungen durch geeignete IT-Systeme betrachtet. Dabei wird auf verschiedene Systemkategorien eingegangen, die bereits heute ausgewählte Nachhaltigkeitskennzahlen abbilden und auswerten können. Es werden die Ergebnisse einer Umfrage zu dieser Thematik unter Anbietern von Computer Aided Facility Management (CAFM-) Software präsentiert, die einen deutlichen Handlungsbedarf signalisieren. Schließlich wird eine im Rahmen des Projektes RoSS entwickelte web-basierte Informationsplattform (RoSSApp) vorgestellt. Mit ihr können die in dem Forschungsprojekt entwickelten Kennzahlen angewendet sowie spezifische weitere Kennzahlen formuliert, erfasst und im Sinne eines Reportings bzw. Monitorings ausgewertet werden. Das Kapitel enthält Hinweise zu Funktionalitäten, insbesondere zur Datenerfassung und -auswertung sowie zur Nutzung durch die verschiedenen Anwendergruppen.

    Fallstudien sind Gegenstand von Kap. 5: Dabei haben Praxispartner die in Kap. 3 definierten Kennzahlen mittels der in Kap. 4 beschriebenen Software RoSSApp im eigenen Unternehmen angewendet. Dabei haben sie auch die praktische Anwendbarkeit getestet und beurteilt. Die Fallstudien belegen bei der großen Mehrheit der entwickelten Kennzahlen, dass die erforderlichen Basisdaten tatsächlich unternehmensintern verfügbar sind und mit vertretbarem Aufwand kommunizierbar gemacht werden können. Weil alle Praxispartner das Thema Nachhaltigkeit als Business Case ansehen, sind einige in diesem Projekt neu entwickelte Kennzahlen mittlerweile Gegenstand von Erhebungen in den Unternehmen geworden und werden zukünftig kommuniziert werden.

    Die Praxis wird zeigen, ob die Einbeziehung von konkreten Nachhaltigkeitskennzahlen in die Handlungsfelder des Facility Managers und insbesondere in Ausschreibungsprozessen dazu führt, dass aus einem Preiswettbewerb ein Qualitätswettbewerb im Sinne der Nachhaltigkeit werden wird. Wir verstehen die in diesem Buch vorgestellten Erkenntnisse als Beitrag zu diesem Ziel.

    Kai Kummert, Michael May und Andrea Pelzeter (Hrsg.)VDI-BuchNachhaltiges Facility Management201310.1007/978-3-642-24891-7_2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

    2. Konzepte für eine Nachhaltige Entwicklung

    Mascha Reineck¹  , Andrea Pelzeter¹   und Ingo Techmeier¹  

    (1)

    Mitglied des Ross-Forscherteams, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin, Deutschland

    Mascha Reineck (Korrespondenzautor)

    Email: Mascha.reineck@gmx.de

    Andrea Pelzeter

    Email: Andrea.Pelzeter@hwr-berlin.de

    Ingo Techmeier

    Email: techmeier@gmx.de

    Zusammenfassung

    Die Idee eines „pfleglichen" Umgangs mit den natürlichen Ressourcen hat seinen Ursprung im frühen 18. Jahrhundert. Die Entwicklung dieser frühen Orientierung auf eine ökologische Nachhaltigkeit hin zu einem modernen Nachhaltigkeitsbegriff, der auch soziale und ökonomische Aspekte beinhaltet, wird nachfolgend dargelegt. Es werden verschiedene Konzepte und Strategien vorgestellt, wie ein notwendigerweise abstrakter Nachhaltigkeitsbegriff konkret umsetzbar und operationalisierbar ausgestaltet werden kann.

    Die Idee eines „pfleglichen" Umgangs mit den natürlichen Ressourcen hat seinen Ursprung im frühen 18. Jahrhundert. Die Entwicklung dieser frühen Orientierung auf eine ökologische Nachhaltigkeit hin zu einem modernen Nachhaltigkeitsbegriff, der auch soziale und ökonomische Aspekte beinhaltet, wird nachfolgend dargelegt. Es werden verschiedene Konzepte und Strategien vorgestellt, wie ein notwendigerweise abstrakter Nachhaltigkeitsbegriff konkret umsetzbar und operationalisierbar ausgestaltet werden kann.

    2.1 Entstehungsgeschichte

    Das Prinzip der Nachhaltigkeit geht auf den sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz zurück. In seinem Werk „Sylvicultura Oeconomica schlägt er vor, mit „dem Holz pfleglich umzugehen und zwar so, dass eine Gleichheit zwischen An- und Zuwachs und dem Antrieb des Holtzes erfolget¹, wobei „pfleglich" als unmittelbarer Vorläufer von Nachhaltigkeit gilt. Der Leitgedanke ist, in einem bestimmten Zeitraum nur so viele Bäume abzuholzen, wie durch Neupflanzung nachwachsen können.

    Zwei Jahrhunderte später taucht der Begriff „sustainable" im Bericht des Club of Rome auf.² Der Report fasst zusammen, dass die natürlichen Ressourcen auf der Erde endlich sind und die Menschheit mit dem Idealbild des stetigen Wirtschaftswachstums an die Grenzen des Ökosystems stoßen wird. „Limits to growth beinhaltet die Forderung nach einer globalen Lösung, die nachhaltig ist. Das vorherrschende industrielle Modell der stetigen Gewinnmaximierung sollte angepasst und stattdessen ein Übergang zum Kreislaufprinzip vollzogen werden.³ Im Abfallmanagement ist dieser Gedanke unter dem Konzept Cradle to Cradle ® bekannt, welches bedeutet, dass ein Produkt stets in den Kreislauf der Wiederverwendung eintritt und so von der „Wiege bis zur Wiege recycelt wird, ohne Abfall abzuwerfen.⁴

    Der Brundtland-Report – nach der gleichnamigen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland – der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development – WCED) aus dem Jahre 1987 bietet erstmals eine greifbare Definition, die bis heute gilt und eine breite politische Diskussion einleitete.⁵ Nachhaltigkeit oder sustainable development beschreibt demnach einen Prozess, bei dem die heute lebende Generation die natürlichen Ressourcen so einsetzt, dass die Lebensqualität der künftigen Generationen nicht gefährdet ist. Die Bedürfnisbefriedigung aller heute und zukünftig lebenden Menschen muss gewährleistet sein, sonst kommt es zwangsläufig zu gesellschaftlichen Konflikten.⁶

    Der bis dato ökologisch behaftete Begriff der Nachhaltigkeit wird folglich auf die soziale Ebene ausgedehnt. Nicht nur die intergenerative Gerechtigkeit wird angestrebt, sondern auch das Ziel einer gerechten Verteilung der Ressourcen und Güter zwischen den heute lebenden Menschen angestrebt (intragenerativ). Im Ergebnis forderte die durch die Vereinten Nationen formierte WCED im Brundtland-Report eine „Zukunft mit größerer wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit für alle" um die dauerhafte Bedürfnisbefriedigung zu verwirklichen.⁷ Wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte müssten gleichermaßen berücksichtigt werden, damit eine ganzheitliche Bedürfnisbefriedigung möglich ist.

    In Deutschland ist diese Idee durch das Drei-Säulen-Modell, auch Nachhaltigkeitsdreieck oder Triple-Bottom-Line-Prinzip , das die Enquete-Kommission 1998 im Rahmen ihres Abschlussberichts „Schutz des Menschen und der Umwelt" entwarf, populär geworden.

    Neben der konzeptionellen Diskussion einer Nachhaltigen Entwicklung blieb die konkrete Gestaltung direkter Umsetzungsmöglichkeiten lange Zeit vage. Zumindest politische Zielvorgaben wurden auf der „Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung von Vertretern aus 178 Staaten in Rio de Janeiro im Jahr 1992 festgehalten. Die Deklaration enthält 27 Grundsätze, die sich wie ein „Grundgesetz der Umwelt und Entwicklungspolitik⁸ lesen.

    Um der Umsetzung dieser Leitlinien auf nationaler Ebene nachzukommen, entstand zusätzlich das Abschlussdokument Agenda 21; ein Aktionsprogramm, das unter dem Leitgedanken „global denken – lokal handeln" entwickelt wurde. Dabei wird die Handlungspflicht bei den jeweiligen Regierungen, internationalen Organisationen und letztendlich auch Kommunen gesehen, mit Hilfe von eigenen Strategien und Umweltplänen eine Nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Im Grundsatz 40 der Agenda 21 werden die Staaten dazu aufgerufen, harmonische und vergleichbare Indikatoren zu entwickeln. Diese können als Entscheidungsgrundlage für weiteres Handeln gelten und dienen vorrangig dazu, Nachhaltige Entwicklung zu messen.⁹ Die spätere Darstellung der Entstehung dieser Indikatorensets auf internationaler, nationaler und kommunaler Ebene bietet eine Grundlage für die Entwicklung geeigneter Kennzahlen auf Unternehmensebene.

    Es wurde stets bemängelt, dass in Rio de Janeiro nur die Probleme aufgezeigt wurden, ohne daraus konkrete Handlungsempfehlungen auf Unternehmensebene abzuleiten.¹⁰ Grundsätzlich besteht die Schwierigkeit darin, Leitlinien und Strategien so zu formulieren, dass aus ihnen unmittelbare Vorschläge für die Umsetzung auf operativer Ebene entwickelt werden können. Diese Konkretisierung ist jedoch notwendig, um zu verhindern, dass der Begriff Nachhaltigkeit inflationär verwendet wird und inhaltsleer an Bedeutung verliert. Um sich dieser Problematik zu widmen, werden im Folgenden die wichtigsten Theorien und Methoden der Operationalisierung von Nachhaltigkeit auf volkswirtschaftlicher Ebene und auf betrieblicher Ebene vorgestellt.

    In Hinblick auf das Ziel der Entwicklung eines Kennzahlensystems konzentriert sich dieses Buch auf die Darstellung bestehender Instrumente, die der Quantifizierung von nachhaltiger Entwicklung dienen. So bestätigt auch Pearce, Pionier in der Umweltökonomie und in der Bewertung des ökologischen Kapitals, dass das Forschungsinteresse in der Analyse der Messinstrumente und nicht in der Ergründung heterogener Definitionen besteht.¹¹

    2.2 Operationalisierung des Nachhaltigkeitsbegriffs

    Es besteht Konsens darüber, dass zukünftiger Wohlstand und Chancengleichheit nur durch ein nachhaltiges Handeln erreicht werden kann. Aber so vielfältig die Aspekte der Nachhaltigkeit sich darstellen, so unterschiedliche Strategien zur Umsetzung des Konzepts bestehen bzw. werden entwickelt. Ein Großteil der Modelle bezieht sich auf die dreidimensionale Wertschöpfung bzw. Werterhaltung, welche im Folgenden näher erläutert wird.

    2.2.1 Das Drei-Dimensionen-Modell

    Innerhalb gesellschaftlicher Diskurse, in den Medien, in der Politik und auch in den Leitbildern der Unternehmen, wird der Begriff Nachhaltigkeit in unterschiedlichsten Zusammenhängen eingesetzt. Häufig wird er auf die ökologische Zielsetzung reduziert: den Schutz der Umwelt durch die Schonung der (endlichen) Ressourcen.¹² Dies entspricht auch der politischen Diskussion bis zu den 1980er Jahren, in der die ökozentrierte Forschung einen Schwerpunkt bildete.¹³ Diese Fokussierung des Nachhaltigkeitskonzepts auf die eine Säule der Ökologie wurde zunächst von renommierten Institutionen wie dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) – er wurde im Jahr 1971 von der Bundesregierung eingerichtet – und dem Umweltbundesamt (UBA) bekräftigt. Argumentiert wurde, dass der Sicherung unseres Lebensraumes Priorität eingeräumt werden muss, da die Menschheit abhängig vom Ökosystem der Erde ist.¹⁴ Der Bericht der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestags zum „Schutz des Menschen und der Umwelt sprach sich jedoch für eine Gleichgewichtung der drei Aspekte Wirtschaft, Umwelt und Soziales aus und sorgte dafür, dass „sich die Vorstellung einer im Prinzip gleichrangigen Bedeutung der Dimensionen weitgehend durchsetzte¹⁵ Dieses Drei-Säulen-Modell wird nachfolgend erläutert, baut doch auch der überwiegende Teil der makroökonomischen und unternehmensspezifischen Nachhaltigkeitsindikatoren-Systeme darauf auf.

    Ökonomische Nachhaltigkeit Ökonomische Nachhaltigkeit

    Das Ziel besteht in der Erhaltung und dem Ausbau ökonomischen Kapitals in Form von Finanz-, Sach- und Wissenskapital. Darunter sind produzierte Güter, Infrastruktur, Anlagekapital und nicht personengebundene Wissensbestände wie Organisationsstrukturen oder Unternehmenskultur zu fassen.¹⁶

    Ökologische Nachhaltigkeit

    Vor dem Hintergrund der intergenerativen Gerechtigkeit der Bedürfnisbefriedigung ist die Erhaltung des Ökosystems als anthropogene Lebensgrundlage oberstes Ziel dieser Dimension. Natürliche Ressourcen dienen in Form von Rohstoffen als Produktionsgrundlage der Volkswirtschaften und bilden darüber hinaus Senken, d. h. Aufnahmemedien, die mehr Treibhausgase aufnehmen können, als sie abgeben wie z. B. in Wäldern, Ozeanen und Seen.¹⁷

    Soziale Nachhaltigkeit

    Das Human- und Gesellschaftskapital wird zu dem stets vernachlässigten sozialen Kapital zusammengefasst.¹⁸ Im volkswirtschaftlichen Sinn werden als Sozialkapital beispielsweise die sozialen Sicherungssysteme, die Rechtsstaatsprinzipien und das Handeln der Institutionen, die in unserer Gesellschaft für den sozialen Ausgleich sorgen, bezeichnet.¹⁹ Darüber hinaus beinhaltet es auch Elemente wie Chancengleichheit und Bildungsmöglichkeit, die aufgrund der Immaterialität schwer zu greifen sind und einer subjektiven Bewertung unterliegen.

    Da sich die Dimensionen gegenseitig beeinflussen, überschneiden und tangieren, wurde in Abb. 2.1 ²⁰ ein Modell mit Kreisflächen anstatt der Säulendarstellung gewählt. Eine scharfe Abgrenzung der drei nebeneinander bestehenden Bereiche wurde so vermieden. Deutlich wird, dass Wechselbeziehungen zwischen zwei oder sogar allen drei Teilen bestehen können, wodurch Mehrfachzuordnungen zu den Dimensionen entstehen.²¹ Eine stabile Wirtschaft ist eben auch von einer produktiven Bevölkerung abhängig, welche von bestehenden Gesundheits- und Bildungssystemen profitiert. Somit stellen die aktuelle Diskussion zum Nachwuchskräftemangel sowie die Forderung nach einer neuen Einwanderungspolitik auch Aspekte der Nachhaltigkeit dar.

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    Abb. 2.1

    Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

    Es existiert eine Vielzahl an Schaubildern und Symbolen, die sich an diesem Drei-Säulen-Modell orientiert, wobei die Grundidee gilt: Jede Dimension enthält oberste Schutzziele , die es langfristig umzusetzen gilt. Unabhängig von der Art der grafischen Umsetzung sollen die Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Soziales als gleichrangige Dimensionen erkennbar sein. Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung besteht in der integrativen Umsetzung der drei Dimensionen als ein Ganzes. Eine Konzentration auf einen Bereich führt langfristig zu einer einseitigen Entwicklung.²² Praktisch wirkte diese Erkenntnis der Mehrdimensionalität z. B. auch auf die Problematik aussagekräftiger Indikatoren für die Wohlfahrtsmessung ein: 2009 veröffentlichte eine von Nikolas Sarkozy ins Leben gerufene Kommission (Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress) unter der Federführung des Nobelpreisträgers Joseph E. Stiglitz alternative Indikatoren zur Bestimmung des Wohlstands neben dem des Bruttoinlandsprodukts (BIP).²³ Die Bestimmung weiterer Größen neben diesem klassischen Messinstrument ist notwendig, da eine Fokussierung auf die Steigerung des BIP nicht per se eine Steigerung der Lebensqualität bedeutet. Sie trägt im Gegenteil auch zum Auftreten sozialer und ökologischer Schäden bei.²⁴

    Abschließend ist festzuhalten: Von einer Nachhaltigen Entwicklung kann dann gesprochen werden, wenn in der Gegenwart so gewirtschaftet wird, dass kommende Generationen von wirtschaftlichen Kapitalbeständen sowie Naturkapital und Sozialkapital in mindestens ähnlicher Quantität und Qualität profitieren können.²⁵

    2.2.2 Der Kapitalerhalt in der Nachhaltigkeitsdiskussion

    Die intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit als zentrales Ziel einer Nachhaltigen Entwicklung fordert demnach den Substanzerhalt des Kapitals aller drei Dimensionen. Zwei Positionen formieren sich aus diesem Ziel heraus, die jeweils die Frage, ob jeder Kapitalstock für sich betrachtet erhalten werden muss, oder ob letztendlich nur der Gesamtbetrag relevant ist, anders

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