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Haftungsvermeidung in der Unternehmenskrise: Praxiswissen und Taktik für Geschäftsführer und Vorstände
Haftungsvermeidung in der Unternehmenskrise: Praxiswissen und Taktik für Geschäftsführer und Vorstände
Haftungsvermeidung in der Unternehmenskrise: Praxiswissen und Taktik für Geschäftsführer und Vorstände
eBook392 Seiten3 Stunden

Haftungsvermeidung in der Unternehmenskrise: Praxiswissen und Taktik für Geschäftsführer und Vorstände

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Über dieses E-Book

Dieses Buch richtet sich speziell an Geschäftsführer und Vorstände von Unternehmen, die sich in einer Krise befinden und von Insolvenz bedroht sind. Die Lektüre setzt keine juristischen Kenntnisse voraus. Die besonderen Pflichten und Haftungsrisiken für Manager werden verständlich und praxisnah erläutert. Dazu werden viele systematische Zusammenhänge beleuchtet. Nicht-Juristen lernen die wichtigsten Haftungsfallen kennen und erhalten zahlreiche Tipps zu ihrer Vermeidung.

Das Buch dient auch der Vorbereitung und Begleitung einer Beratung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Krisenberater, und zwar sowohl in der eigentlichen Krise als auch in einem späteren Haftpflichtprozess.


SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum16. Juli 2021
ISBN9783658341800
Haftungsvermeidung in der Unternehmenskrise: Praxiswissen und Taktik für Geschäftsführer und Vorstände

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    Buchvorschau

    Haftungsvermeidung in der Unternehmenskrise - Christoph Poertzgen

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021

    C. PoertzgenHaftungsvermeidung in der Unternehmenskrisehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-34180-0_1

    1. Das Ziel dieses Buchs – und eine Warnung

    Christoph Poertzgen¹  

    (1)

    Köln, Deutschland

    Christoph Poertzgen

    Email: christoph.poertzgen@cms-hs.com

    1.1 Was dieses Buch will – und was es nicht kann

    In diesem Buch geht es um das richtige Verhalten von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern in der Unternehmenskrise – sowie um die Konsequenzen, die etwaige Pflichtverletzungen haben können. Diese Materie wird in den folgenden Kapiteln dargestellt, ohne dass juristische Kenntnisse beim Leser vorausgesetzt werden. Neben der Erläuterung der Rechtslage werden praktische Hinweise für den (Unternehmens-) Alltag gegeben.

    Geprägt ist das Thema durch den Umstand, dass sich die Leitung eines Unternehmens in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker „verrechtlicht" hat.¹ Mit dem Eintritt in eine Krise verstärkt sich dieser Effekt noch einmal deutlich. Das lässt nicht nur den (Krisen-) Alltag von Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern zu einer besonderen Herausforderung werden.² Vor allem geht die Tätigkeit als Manager mit erheblichen, persönlichen Risiken für die Betroffenen einher. Diese Entwicklung kann man kritisieren, sie ist aber als Realität hinzunehmen – solange der Gesetzgeber das Gesellschaft- und Insolvenzrecht nicht grundlegend überarbeitet.

    Auch wenn es in den folgenden Kapiteln um rechtliche Fragen geht, ist das vorliegende Werk kein juristisches Buch im üblichen Sinn. Vielmehr sollen die wichtigsten Eckpunkte und Zusammenhänge aus der „Helikopter-Perspektive" möglichst einfach und verständlich behandelt werden.³

    Der folgende Text ist deshalb nicht als erschöpfende Abhandlung zu verstehen. Weder kann noch soll jede – für Juristen interessante – Verästelung des Themas ausgeleuchtet werden. Stattdessen geht es um die Problematik im Großen und Ganzen sowie einige ausgewählte, zusätzliche Punkte. Wer als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied (nachfolgend abgekürzt als „Vorstand") jedenfalls die aus dem Wasser herausragende Spitze des Eisbergs erkennt und von den mit der Krise verbundenen zivil- und strafrechtlichen Risiken schon einmal gehört hat, kann Gefahren und juristische Untiefen weiträumig umschiffen.

    Für diverse Probleme, die den folgenden Kapiteln angesprochen werden, kann das Buch keine allgemeingültige Lösung anbieten. Das ist unvermeidbar: denn meistens gibt es für die in der Praxis auftretenden Fragen gar nicht „die eine" Antwort. Vielmehr muss die im Einzelfall richtige Herangehensweise aus dem individuellen Sachverhalt heraus entwickelt werden. Die folgende Darstellung will nur abstrakt-generelle Fragen beschreiben, die in einer Krise typischerweise auftreten. Es können auch nicht alle denkbaren Haftungsfallen für Manager behandelt werden, sondern nur solche, die gerade und spezifisch mit der Unternehmenskrise zu tun haben.

    Eine Anleitung zum Selbermachen ist dieses Buch ausdrücklich nicht. Vielmehr soll die folgende Darstellung lediglich eine im Einzelfall notwendige Beratung durch einen qualifizierten Berufsträger anregen, anleiten und unterstützen. Vor dem Versuch, die juristischen Fallstricke einer Krise mit einem do it yourself – Ansatz zu bewältigen, können Geschäftsführer und Vorstände ohne einschlägige Kenntnisse bzw. Erfahrungen nur nachdrücklich gewarnt werden.

    Der dringende Rat zur Inanspruchnahme fachlicher Hilfe scheint nur vordergründig eine (wenig subtile) Werbung für die Beraterbranche zu sein. Vielmehr dient die Mandatierung eines Fachberaters den ureigenen Interessen des betroffenen Managers. Schließlich geht es in zivilrechtlicher Hinsicht schnell um erhebliche, oft existenzbedrohende Schadensersatzbeträge, die im Fall der Fälle aus dem Privatvermögen des Betroffenen geleistet werden müssten. Darüber hinaus kann ein Fehlverhalten – und zwar ohne, dass die landläufige „böse Absicht" vorliegen muss, – auch strafrechtliche Konsequenzen haben und damit erhebliche Geldstrafen, wenn nicht sogar Gefahren für die persönliche Freiheit nach sich ziehen.

    Für den ein oder anderen Betroffenen mag ein (legitimer) Grund für den Anruf beim Anwalt oder Steuerberater auch in dem (berechtigten) Kalkül liegen, dass die Inanspruchnahme qualifizierter Beratung in aller Regel das individuelle Verschulden des einzelnen Geschäftsführer bzw. Vorstands entfallen lässt und damit haftungsausschließend wirkt (Abschn. 9.​8 und 11.​13).

    Paragrafen werden im folgenden Text grundsätzlich nur sparsam zitiert.⁴ Auch Fundstellen zu Gerichtsentscheidungen findet man nur in Ausnahmefällen ebenso wie Zitate aus der juristischen Literatur. Fußnoten enthält das Buch dennoch, um Verweise innerhalb der Kapitel herzustellen oder ergänzende Aspekte anzusprechen.

    Aus Gründen besserer Lesbarkeit wird anstelle der weiblichen und männlichen Form („Leser bzw. Leserin") immer nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind immer alle Leser (m/w/d) gemeint. Entsprechendes gilt für die Begriffe Geschäftsführer, Vorstand, Manager, Organvertreter, Berater, Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Gläubiger etc. Sofern in diesem Buch der Begriff des Geschäftsführers verwendet wird, sind damit – wenn es nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet ist – nicht nur die Organvertreter einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) gemeint, sondern die nach außen handelnden Manager sämtlicher Unternehmensformen (Abschn. 2.​1).

    Schließlich erhebt der Text zum Zweck eines erleichterten Zugangs zum Thema nicht den Anspruch, stets den juristisch korrekten (Fach-) Begriff zu verwenden. So werden zum Beispiel die Bezeichnungen „Unternehmen und „Gesellschaft mit identischem Inhalt benutzt, auch wenn im Rechtssinn das Unternehmen einerseits und die Gesellschaft als Unternehmensträger andererseits zu unterscheiden sind.

    1.2 An wen richtet sich das Buch?

    Das Buch richtet sich an Führungskräfte von Unternehmen, und zwar solche, die im Fall einer Krise ihres Unternehmens die nachfolgend zu behandelnden Handlungs- und Unterlassungspflichten zu befolgen haben (Kap. 2). Das Gesetz kennt den Begriff des „Managers" nicht. Mit dieser Bezeichnung können höchst unterschiedliche Leitungsebenen zwischen einem Gruppen- oder Abteilungsleiter bis hin zur CEO-Ebene gemeint sein. Nicht alle diese Manager sind Adressaten der hier behandelten Krisenpflichten. Im rechtlichen Sinn treffen die Krisenpflichten nur die Mitglieder der obersten Leistungsebene des Unternehmens, also die geschäftsführenden Organvertreter der Gesellschaft, die als Rechtsträger des krisengefährdeten Unternehmens fungiert.

    Konkret gemeint sind also die im Handelsregister eingetragenen, zur Geschäftsführung des Unternehmens berufenen Organvertreter wie etwa der oder die Geschäftsführer einer GmbH bzw. GmbH & Co. KG und die Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, Genossenschaften oder eingetragenen Vereinen.

    Daneben können aber auch faktische Organvertreter sowie Mitglieder von Aufsichtsträten und Vertreter ausländischer Rechtsträger Adressaten der relevanten Pflichten werden. Hierauf wird noch zurückzukommen sein (Abschn. 2.​2 und 2.​3 sowie 9.​4) ebenso wie auf die grundsätzliche Frage, warum keineswegs alle, sondern nur bestimmte Unternehmenslenker Pflicht- und Haftungsadressaten sind (Abschn. 3.​1).

    1.3 Wenn die Zeit besonders knapp ist

    Auch wenn sich das vorliegende Buch als praxisnaher Ratgeber auf die wesentlichen Punkte für den Krisenalltag beschränken will, soll doch an verschiedenen Stellen nicht auf die Erörterung zusätzlicher Aspekte verzichtet werden. Dann und wann werden also mehr Gesichtspunkte beleuchtet, als es für ein unverzichtbares Grundverständnis nötig wäre.

    Der rote Faden des Buchs – das „A und O der Haftungsvermeidung" – soll aber auch ohne die ergänzenden Punkte ohne weiteres erkennbar bleiben. Deshalb unterscheidet das Layout des Textes zwischen den unverzichtbaren harten Fakten

    und – optisch abgesetzt – ergänzenden Hinweisen und Hintergrundinformationen.

    1.4 Rechtliche Auswirkungen der Corona-Pandemie

    Die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Abmilderung der juristischen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ab März 2020 betreffen gerade auch das Pflichtenspektrum von Geschäftsführern und Vorständen in der Unternehmenskrise.

    Die entsprechenden, Corona-bedingten Änderungen im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht werden zusammenfassend in Kap. 20 dargestellt. Wichtig ist, dass die „Corona-Vorschriften" nach heutigem Kenntnisstand nur vorübergehend wirksam sein sollen, auch wenn der Gesetzgeber die Geltung der Sonderregelungen seit März 2020 bereits mehrfach verlängert hat (Abschn. 20.​1).

    Nach Überwindung der Pandemie soll früher oder später wieder die in Kap. 1 bis 19 behandelte, „normale" Rechtslage gelten. Deshalb sollte sich der Leser nach dem vorliegenden Kapitel zunächst mit Kap. 20 befassen. Denn die darin erläuterten Sonderregeln gehen während ihrer Geltungsdauer insbesondere der Antragspflicht (Kap. 9) und dem Zahlungsverbot (Kap. 11) vor.

    1.5 Haftungsausschluss („disclaimer")

    Dieses Buch ist mit großer Sorgfalt und dem Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit verfasst worden. Dennoch sind Unrichtigkeiten, Unklarheiten, Irrtümer oder Fehler unvermeidbar, sie gehen ausschließlich zulasten des Autors. Dessen Haftung für den Inhalt des Buchs, die praktische Umsetzung von Ratschlägen oder eine fehlerhafte Rechtsanwendung ist jedoch umfassend ausgeschlossen, ebenso wie jegliche Haftung des Verlages.

    1.6 Das Wichtigste in Kürze

    Geschäftsführer und Vorstände haben in einer Unternehmenskrise besondere Pflichten.

    Bei Verletzung dieser Krisenpflichten sind die Betroffenen erheblichen persönlichen Haftungsrisiken ausgesetzt.

    Die Kapitel dieses Buches sollen eine Übersicht über Pflichten und Haftungsrisiken in der Krise geben. Die Lektüre setzt keine juristischen Kenntnisse voraus.

    Das Buch soll eine fachlich qualifizierte Beratung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Berater vorbereiten bzw. begleiten, kann diese aber keinesfalls ersetzen.

    Fußnoten

    1

    Stichworte hierzu sind: Compliance, business judgment rule, aufsichtsrechtliche Anforderungen, Datenschutz etc.

    2

    Besonders stressbelastet ist regelmäßig die Phase nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit (Kap. 7) und/oder Überschuldung (Kap. 8); mit dieser Phase verknüpft das Gesetz besonders strikte Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten sowie Haftungsrisiken (Kap. 9 sowie 11 und 15). Mit der Stellung eines Insolvenzantrages (Kap. 10) tritt dagegen in aller Regel wieder eine juristische „Entschleunigung" ein, da nun ein vorläufiger Insolvenzverwalter für das Unternehmen verantwortlich ist (Abschn. 13.​2). Das gilt entsprechend für ein Restrukturierungsvorhaben nach der seit Anfang 2021 geltenden Rechtslage (Kap. 14).

    3

    Erfahrungsgemäß fühlt sich die Mehrheit von Unternehmensvertretern entgegen allen Forderungen nach einem Mentalitätswandel („Krise als Chance begreifen" etc.) nach wie vor durch eine Hemmschwelle gehindert, an Informationsveranstaltungen oder Seminaren zu Krisenpflichten teilzunehmen. Dazu hört man von potentiellen Teilnehmern hinter vorgehaltener Hand immer wieder Aussagen wie „Ich würde gern teilnehmen, möchte dort lieber nicht gesehen werden" bzw. „Was werden unsere Geschäftspartner denken, wenn ich da hingehe?" usw.

    4

    Eine Ausnahme gilt für die zahlreichen neu eingefügten Vorschriften des seit Anfang 2021 geltenden Restrukturierungsrechts (Kap. 14). Der jeweils aktuelle Wortlaut sämtlicher in diesem Buch genannten Vorschriften kann im Internet nachgelesen werden kann, etwa auf den Seiten www.​dejure.​org oder www.​gesetze-im-internet.​de.

    5

    Das Unternehmen ist die Sachgesamtheit aller Vermögenswerten, die zusammen eine wirtschaftliche und organisatorische Einheit bilden. Der Unternehmensträger ist demgegenüber die rechtliche Hülle des Unternehmens in Form einer GmbH, einer GmbH & Co. KG, einer Aktiengesellschaft oder einer anderen (in- oder ausländischen) Rechtsform.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021

    C. PoertzgenHaftungsvermeidung in der Unternehmenskrisehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-34180-0_2

    2. Adressatenkreis: nicht nur der CFO

    Christoph Poertzgen¹  

    (1)

    Köln, Deutschland

    Christoph Poertzgen

    Email: christoph.poertzgen@cms-hs.com

    2.1 Mehrköpfige Geschäftsführungsgremien

    Hat ein Unternehmen mehrere Geschäftsführer oder Vorstände – der Oberbegriff lautet hier Organvertreter, – so steht nicht nur der nach Satzung oder Geschäftsordnung für Finanzen zuständige Organvertreter in der Pflicht, wenn es um die Beachtung und Erfüllung der Krisenpflichten geht. Vielmehr sind sämtliche im Handelsregister (oder Vereins- bzw. Genossenschaftsregister) eingetragen Mitglieder des obersten Leitungsgremiums juristisch verantwortlich.¹

    Diese Verantwortlichkeit sämtlicher Organvertreter bedeutet, dass im Fall einer Pflichtverletzung auch alle Geschäftsführer oder Vorstände haftbar werden können. Dieser Grundsatz der Gesamtverantwortung gilt selbst dann, wenn die eigentliche Pflichtverletzung nicht durch sämtliche Organvertreter gemeinsam, sondern nur einen oder mehrere Amtsinhaber begangen worden ist.

    Für die von einem Organvertreter begangene Pflichtverletzung haften regelmäßig alle Geschäftsführer bzw. Vorstände als Gesamtschuldner. Das bedeutet, dass ein Gläubiger – also in der Regel der durch die Pflichtverletzung Geschädigte – im Außenverhältnis jeden Geschäftsführer bzw. jedes Vorstandsmitglied auf Ersatz des gesamten Schadens in Anspruch nehmen kann. Erst in einem zweiten Schritt kann dann der tatsächlich in Anspruch genommene Organvertreter von seinen Mitgeschäftsführern bzw. Vorstandskollegen anteilig Regress für die im Außenverhältnis geleistete Zahlung nehmen (Innenausgleich bzw. Innenregress).²

    Allein auf diesen Innenregress zwischen den Gesamtschuldnern, also die Verteilung der wirtschaftlichen Belastung, kann sich eine unternehmensinterne Ressortverteilung auswirken. Dagegen ist im Außenverhältnis jeder Organvertreter, also auch der für Finanzangelegenheiten ansonsten nicht zuständige technische Geschäftsführer, für den Ersatz des gesamten Schadens verantwortlich. Wird der ressortfremde Manager – womöglich, weil er über das größte Privatvermögen verfügt, – vom Insolvenzverwalter erfolgreich in Anspruch genommen, so trägt er das Risiko, anschließend seine Mitgeschäftsführer erfolgreich in Regress zu nehmen.

    Die Möglichkeit eines solchen Innenregresses sollte immer so früh wie möglich bedacht und vorbereitet werden (Abschn. 13.​5).³

    Um die interne Haftungsverteilung vorteilhaft für sich zu beeinflussen – also um im Idealfall überhaupt nicht zu haften, – muss der nach der Ressortverteilung nicht zuständige Organvertreter unbedingt seine Überwachungspflicht in Bezug auf den intern tatsächlich zuständigen Geschäftsführer wahrnehmen. Der technische Geschäftsführer muss sich also davon überzeugen, dass der Finanzgeschäftsführer seinen Pflichten in Bezug auf die Krise des Unternehmens ordnungsgemäß nachkommt. Soweit erforderlich muss ein Geschäftsführer bzw. Vorstand seine Kollegen zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten in der Unternehmenskrise also aktiv anhalten.

    Praktisch wird bei einem intern nicht zuständigen Organvertreter die eigentliche Krisenpflicht also durch eine Pflicht zur Überwachung der Mitgeschäftsführer ersetzt. Eine Verletzung der Überwachungspflicht hat im Ergebnis dieselben Konsequenzen wie eine Verletzung der Krisenpflicht. Damit kann also der technische Geschäftsführer bei mangelhafter Überwachung für eine Pflichtverletzung des Finanzgeschäftsführers einstehen müssen.

    Eine unternehmensinterne Ressortaufteilung muss – um wirksam zu sein – hohen Anforderungen genügen. Fehlt es hieran, so trifft den ressortfremden Geschäftsführer nicht nur die Pflicht zur Überwachung seiner Mitgeschäftsführer, sondern er ist unmittelbar für die Erfüllung der Krisenpflichten nach außen verantwortlich. Die Frage, ob ein Manager zur eigentlichen Pflichterfüllung oder nur zur Überwachung seiner Mitgeschäftsführer verpflichtet ist, hat damit Auswirkungen auf den Verschuldensvorwurf und damit letztlich auf die interne Verteilung der Haftung.

    Nach der Rechtsprechung liegt eine wirksame Ressortverteilung nur dann vor, wenn eine „klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben" vorliegt, die von sämtlichen Organvertretern getragen wird.⁴ Im Übrigen muss sichergestellt sein, dass Geschäftsführungsaufgaben durch fachlich und persönlich geeignete Amtsinhaber wahrgenommen werden. Schließlich muss unabhängig von einer Ressortverteilung die Zuständigkeit des Gesamtgremiums für nicht delegierbaren Aufgaben sichergestellt sein. Eine Ressortverteilung muss zwar nicht unbedingt schriftlich festgehalten sein. Für den Fall der Fälle bzw. zu Beweiszwecken ist eine schriftliche Dokumentation der Geschäftsverteilung jedoch in jedem Fall anzuraten.

    Kann der nach der Ressortverteilung nicht zuständige Organvertreter trotz ordnungsgemäßer Wahrnehmung seiner Überwachungspflicht nicht erreichen, dass seine Mitgeschäftsführer die Krisenpflichten beachten und befolgen, bleibt ihm letzten Endes nur die Niederlegung seines Amtes, um die Entstehung einer persönlichen Haftung zu vermeiden.

    2.2 Haftung faktischer (Geschäftsführungs-) Organe

    Neben den im Register eingetragenen Geschäftsführern und Vorständen haften auch faktische (Geschäftsführungs-) Organe für die Erfüllung der Krisenpflichten. Faktische Geschäftsführer oder Vorstände sind zwar nicht offiziell als Organe der Gesellschaft bestellt – weil es ihnen eben an der förmlichen Voraussetzung einer Eintragung im Handels- bzw. Genossenschaftsregister fehlt.

    Sie sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie – entweder neben oder anstelle der im Register eingetragenen Unternehmensvertreter – gegenüber Dritten als bzw. wie solche auftreten.⁶ Dass sie als Konsequenz eines solchen Verhaltens „als Geschäftsführer" auch wie eingetragene Organvertreter Pflichten zu erfüllen haben und bei deren Verletzung persönlich haften, ist folgerichtig und grundsätzlich anerkannt.⁷

    2.3 Überwachungspflichten eines Aufsichtsrats oder Beirats

    Anders als die zur Geschäftsführung berufenen Organvertreter, die das Gesetz an verschiedenen Stelle auch als Geschäftsleiter bezeichnet,⁸ sind die Mitglieder eines Überwachungsorgans (Aufsichtsrat oder Beirat) grundsätzlich keine Adressaten von Krisenpflichten. Jedoch trifft insbesondere die Mitglieder eines Aufsichtsrats eine Überwachungspflicht in Bezug auf Geschäftsführung bzw. Vorstand (Abschn. 2.1). Damit können die Mitglieder des Aufsichtsrats also doch persönlich haftbar werden, wenn sie die zur Geschäftsführung bestellten Organvertreter nicht zur Pflichterfüllung anhalten.⁹

    Damit die Mitglieder eines Überwachungsorgans (Aufsichtsrat oder Beirat) ihrer Überwachungspflicht nachkommen können, müssen sie die für eine ordnungsgemäße Überwachung erforderlichen Informationen und Unterlagen aktiv von den Geschäftsleitern einfordern. Davon unabhängig sind die Geschäftsführer oder Vorstände aber auch verpflichtet, den Mitgliedern eines Aufsichtsrates oder Beirates über alle relevanten Punkte, insbesondere eine Krise des Unternehmens, Bericht zu erstatten.¹⁰

    Im Hinblick auf die Überwachungspflicht besteht grundsätzlich kein Unterschied zwischen den Mitgliedern eines obligatorischen (zwingenden) oder eines fakultativen (nicht zwingenden) Aufsichtsrats.¹¹ Im Einzelfall kann es hier jedoch graduelle Unterschiede in Bezug auf den Umfang einer Haftung geben, wenn eine Verletzung der Überwachungspflicht vorliegt (Abschn. 11.​14).

    Keine Regel ohne Ausnahme: unter bestimmten Voraussetzungen können auch Mitglieder des Aufsichtsrats selbst direkte Adressaten einer Krisenpflicht sein. So müssen sich die Aufsichtsratsmitglieder selbst um die Erfüllung der Insolvenzantragspflicht (Kap. 9) kümmern, wenn eine Aktiengesellschaft oder Genossenschaft führungslos ist. Für eine GmbH oder GmbH & Co. KG gilt das jedoch nicht (Abschn. 2.4).

    Unter dem Begriff der Führungslosigkeit versteht das Gesetz diverse Konstellationen, in denen gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft fehlen oder praktisch nicht greifbar sind (Abschn. 9.​4).

    Hat die Gesellschaft einen Beirat, können dessen Mitglieder ebenfalls bei Verletzung einer Überwachungspflicht haftbar werden. Im Fall des Beirats ergibt sich die Überwachungspflicht jedoch – anders als beim Aufsichtsrat – nicht schon aus dem Gesetz. Vielmehr kommt es darauf ab, ob sich eine Überwachungspflicht im Einzelfall aus der Satzung oder Beiratsordnung ableiten lässt.

    2.4 Weitere Ausnahme: Insolvenzantragspflicht der GmbH-Gesellschafter

    Im Fall der GmbH sowie GmbH & Co. KG kann eine bestimmte Krisenpflicht sogar ausdrücklich die Gesellschafter, also die Inhaber des Unternehmens, treffen.

    Ist eine GmbH führungslos (Abschn. 2.3), so obliegt die Insolvenzantragspflicht (Kap. 9) den Gesellschaftern der GmbH, und zwar unabhängig davon, ob die GmbH über einen Aufsichtsrat verfügt. Ist also eine GmbH oder GmbH & Co. KG führungslos, stehen deren Gesellschafter selbst in der Pflicht – und also nicht wie bei der führungslosen Aktiengesellschaft oder Genossenschaft die Mitglieder des Aufsichtsrates (Abschn. 9.​4).

    2.5 Das Wichtigste in Kürze

    Hat ein Unternehmen mehrere Geschäftsführer bzw. Vorstände, so treffen die spezifischen Pflichten und Haftungsrisiken in der Krise nicht nur den intern für Finanzen zuständigen Amtsinhaber, sondern alle Organvertreter.

    Die Mitglieder eines mehrköpfigen Leitungsgremiums haften als Gesamtschuldner.

    Im Fall einer qualifizierten internen Ressortverteilung kann sich die Verantwortung der nicht für Finanzen zuständigen Organvertreter auf die Überwachung der Mitgeschäftsführer bzw. -vorstände beschränken.

    Mitglieder eines Aufsichtsrats oder Beirats können persönlich haftbar werden, wenn sie ihre Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung bzw. des Vorstands verletzen.

    Fußnoten

    1

    Zum Adressatenkreis bereits Abschn. 1.​2; zur besonderen Verantwortlichkeit geschäftsführender Organvertreter von Auslandsgesellschaften Abschn. 9.​14 und 11.​17.

    2

    Die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners im Außenverhältnis und der Innenregress können zeitlich zusammenfallen.

    3

    Siehe auch Abschn. 18.​4 zu einer Berücksichtigung des Regresses im Rahmen einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung sowie Abschn. 19.​2 zur Vermeidung eines Beratungskonfliktes im Zusammenhang mit dem Innenregress.

    4

    Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 06.11.2018 – II ZR 11/17.

    5

    Allerdings kann die Amtsniederlegung in bestimmten Konstellationen – etwa wenn sie zur Unzeit erfolgt – wieder mit neuen Haftungsrisiken verbunden sein (Abschn. 9.​5).

    6

    Im angelsächsischen Sprachraum wird treffend von einem shadow director gesprochen, also einem Manager, der aus dem Schatten heraus tätig wird, statt sich in dem – der Transparenz dienenden – Handelsregister eintragen zu lassen.

    7

    In strafrechtlicher Hinsicht kann eine Verantwortlichkeit faktischer Organe wegen des verfassungsrechtlich verankerten Analogieverbots (Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes) problematisch sein. Aber auch insoweit drohen faktischen Organen erhebliche Risiken.

    8

    Etwa in § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG, dazu ausführlich Kap. 14), wo als Geschäftsleiter die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (dazu Abschn. 3.​1 und dort Fußnote 1) definiert sind. Der Begriff des Geschäftsleiters wird auch in § 15b Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) verwendet, zu dieser Haftung ausführlich Kap. 11.

    9

    Die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats ergibt sich aus gesetzlicher Anordnung, insbesondere aus § 117 des Aktiengesetzes (AktG); im äußersten Fall kann die Wahrnehmung der Überwachungspflicht dazu führen, dass ein Geschäftsführer oder Vorstand, der seine Pflichten nicht wahrnimmt, abberufen werden muss (Abschn. 9.​11).

    10

    Die Pflicht zur Berichterstattung an bzw. zur Einbindung von Überwachungsorgane(n) hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) ausdrücklich formuliert (Abschn. 4.​4).

    11

    Von einem fakultativen Aufsichtsrat spricht man immer dann, wenn dieser nicht aufgrund der Gesellschaftsform (vor allem AG und KGaA) oder sonstiger gesetzlicher Anordnung (DrittelBeteiligungsG) vorgeschrieben ist, sondern freiwillig eingerichtet wird, etwa bei einer GmbH auf der Grundlage von § 52 des GmbH-Gesetzes (GmbHG).

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021

    C. PoertzgenHaftungsvermeidung in der Unternehmenskrisehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-34180-0_3

    3. Haftung trotz Haftungsbeschränkung?

    Christoph Poertzgen¹  

    (1)

    Köln, Deutschland

    Christoph Poertzgen

    Email: christoph.poertzgen@cms-hs.com

    3.1 Organhaftung trotz begrenzter Haftung

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