Marketing und Sales Automation: Grundlagen – Umsetzung – Anwendungen
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Über dieses E-Book
Der Inhalt
- Digitalisierung von Marketing und Vertrieb
- Status Quo und Entwicklung von Marketing und Sales Automation
- Automation als Wachstumstreiber
- Entwicklung von Buyer Personas
- Datenschutz und rechtskonforme Marketing Automation
- Roadmap zum Einsatz von Automationslösungen
- Evaluation von Automation Tools
- Lead Management Automation
- Evaluierung der Touchpoint-Performance entlang der Customer Journey
- Funnel Performance Management
- Account-based Marketing
- Künstliche Intelligenz in Marketing und Vertrieb
Mit Beitragen von Gerrit Ahlers, A.T. Kearney Manfred Aull, Aull Sales Success Jan Beco, BeConsulting Marc Bernrath, Wendero GmbH Prof. Dr. Nikolas Beutin, PwC Deutschland Prof. Dr. Simone Braun, Hochschule Offenburg Philipp Baron von der Brügen, leadtributor GmbH Prof. Dr. Claudia Bünte, SRH Berlin University of Applied Sciences und Kaiserscholle GmbH Dr. habil. Roland Burkholz, chain relations GmbH Thomas Foell, Kommunikationsagentur wob AG Thomas Geiger, Market Data Analyst in einem internationalen Technologiekonzern Melanie Gipp, Adobe Deutschland Fabienne Halb, leitet das globale Customer Relationship Management in einem internationalen Technologiekonzern Dr. Martin Handschuh, eco2nomy GmbH Dr. Klaus Heinzelbecker, Instituts für Sales und Marketing Automation Torsten Herrmann, chain relations GmbH Sabine Heukrodt-Bauer, Kanzlei RESMEDIA in Mainz und Berlin Ulrich Hoffmann, ByteConsult Alexander Körner, b.relevant - Agile Digital Marketing Agency GmbH Dennis Krieger, SNP Schneider-Neureither & Partner SE Vivien Kupplmayr, Cisco Systems Philipp Moder, Phocus Direct Communication GmbH Steffen Oder, A.T. Kearney Martin Philipp, SC-Networks GmbH Andrew Sanderson, Ansaco Norbert Schuster, Strategieberater bei strike2 Dr. Uwe Seebacher, Executive Advisor Thorsten Sydow, SALT Solutions GmbH Tobias Voigt, markenmut AG Roger Voland, t-systems Tony Vormelcher, ByteConsult Alexander Woelke, Cloudbridge Consulting
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Buchvorschau
Marketing und Sales Automation - Uwe Hannig
Teil IDigitale Transformation in Marketing und Vertrieb
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021
U. Hannig (Hrsg.)Marketing und Sales Automationhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-21688-7_1
1. Automation von Marketing und Vertrieb
Uwe Hannig¹
(1)
Institut für Sales und Marketing Automation (IFSMA), Ludwigshafen, Deutschland
Uwe Hannig
Email: hannig@ifsma.de
1.1 Von der Automatisierung zur Automation
1.2 Stand der digitalen Transformation in Deutschland
1.3 Anforderungen an die Vertriebsmitarbeiter
Literatur
Zusammenfassung
Die Automation repetitiver Aufgaben in Marketing und Vertrieb steigert die Prozesseffizienz und die Effektivität von Entscheidungen. Trotz dieser Vorteile ging es mit der Digitalisierung in Marketing und Vertrieb im deutschsprachigen Raum bisher aber nur langsam voran, wie Studien des Instituts für Sales und Marketing Automation belegen, auf die im Beitrag eingegangen wird. Doch durch Corona haben sich zunächst die Vertriebsprozesse in der mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft und in der Folge auch die Einstellung gegenüber der Automation von Marketing- und Vertriebsprozessen deutlich verändert. Die Pandemie ist somit ein Katalysator für die digitale Transformation in Sales und Marketing.
Prof. Dr. Uwe Hannig
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Figa_HTML.jpgist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Sales und Marketing Automation (IFSMA) in Ludwigshafen. Der Professor für Information and Performance Management verfügt über langjährige Erfahrungen in Marketing und Vertrieb in Theorie und Praxis. Mehr Informationen zum Autor finden Sie im Autorenverzeichnis.
Das Institut für Marketing und Sales Automation hat sich zum Ziel gesetzt, den Weg für Sales und Marketing Automation in Deutschland zu ebnen. Es beobachtet den deutschen Markt, fördert den Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer auf Fachveranstaltungen und kümmert sich um die Ausbildung der dringend benötigten Spezialisten. Gemeinsamer Fokus der Aktivitäten des Instituts ist es, Effizienz und Effektivität in Marketing und Vertrieb mithilfe wissenschaftlicher und praxisrelevanter Methoden, Instrumente und Systeme zu verbessern.
Kontakt: hannig@ifsma.de
1.1 Von der Automatisierung zur Automation
Im Gegensatz zu den angloamerikanischen Ländern beschäftigte man sich in der DACH-Region in der Vergangenheit nur zaghaft mit der Marketing und Sales Automation. Die Geschäfte liefen hervorragend und der Vertrieb feierte einen Erfolg nach dem anderen. Somit bestand wenig Notwendigkeit und insbesondere in mittelständischen B2B-Unternehmen auch keine Neigung am Status quo etwas zu ändern.
Der durch Corona bedingte Shutdown veränderte das Wirtschaftsleben aber gerade im Mittelstand schlagartig. So waren Kundenbesuche auf einmal nicht mehr möglich und verloren dadurch ihre Bedeutung für die Gewinnung von Aufträgen. Die Kommunikation mit den Nachfragern und insbesondere die Bewerbung des eigenen Angebots finden seitdem fast nur noch online statt. Und zur Überraschung vor allem der Vertriebsmitarbeiter funktioniert das Verkaufen auf Distanz unter Einsatz neuer Technologien und erleichtert ihnen sogar noch das Leben, z. B. durch das Vermeiden von stundenlangen Autofahrten zu den Kunden.
Auch nach der Bewältigung der Pandemie werden aufgrund der positiven Erfahrungen weder Kunden noch Lieferanten zu den Geschäftsgepflogenheiten vor Corona zurückkehren. Der gesamte Vertriebsprozess von der Kontaktgewinnung bis zur Kundenbetreuung wird automatisiert, wo immer das möglich ist. Der persönliche Kontakt vor Ort wird dauerhaft auch im B2B-Bereich an Bedeutung verlieren. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Digital Natives ohnehin ungern verhandeln. Dafür nutzen sie lieber Plattformen; gleichgültig, ob es um den Kauf eines Autos oder den Verkauf ihres alten Smartphones geht.
Automation ist ganz allgemein der durch Automatisierung erreichte Zustand, in welchem immer wieder anfallende Tätigkeiten vom Menschen auf Maschinen bzw. IT-Systeme übertragen wurden. Vor diesem Hintergrund definiert das Institut für Sales und Marketing Automation (IFSMA) (Hannig 2016, S. 27):
Definition Marketing Automation
Marketing Automation ist die IT-gestützte Durchführung wiederkehrender Marketingaufgaben mit dem Ziel, die Effizienz von Marketingprozessen und die Effektivität von Marketingentscheidungen zu steigern.
Für den Vertriebsbereich erfolgt die Begriffsbestimmung durch IFSMA analog:
Definition Sales Automation
Sales Automation ist die IT-gestützte Durchführung wiederkehrender Vertriebsaufgaben mit dem Ziel, die Effizienz von Vertriebsprozessen und die Effektivität von Vertriebsentscheidungen zu steigern.
Ziel der Automation ist somit nicht nur die Verbesserung der Input/Output-Relation, sondern auch die Steigerung der Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen. Automation ist immer dann sinnvoll, wenn repetitive Aufgaben von einer Maschine kostengünstiger ausgeführt und den zuvor mit deren Durchführung betrauten Mitarbeitern Zeit für stärker wertschöpfende Aktivitäten verschafft.
Bei der Suche nach zu automatisierenden Prozessen muss man das gesamte Unternehmen im Blick behalten. Auch ein Prozess, der nur einmal im Jahr in einem Tochterunternehmen angestoßen oder in einer Niederlassung benötigt wird, bietet sich durchaus für eine Automation an, wenn er weltweit an Hunderten von Einsatzorten benutzt wird.
Das Einigen auf ein gemeinsames Begriffsverständnis ist eine Grundvoraussetzung für den Durchbruch einer Innovation am Markt. Das gilt auch für die Marketing Automation. Die zweite ist, dass eine ausreichende Markttransparenz gegeben ist, damit die Nachfrager ihre Beschaffungsentscheidungen mit der notwendigen Sicherheit treffen können.
1.2 Stand der digitalen Transformation in Deutschland
Das Angebot an Technologien, Tools und Applikationen für Marketing und Vertrieb, die unter den Begriffen MarTech bzw. SalesTech zusammengefasst werden, explodiert geradezu. Die Zahl der IT-Lösungen für das Marketing ist von rund 150 im Jahr 2011 auf 7040 im Jahr 2019 gestiegen (chiefmartech.com). Nicht viel anders sieht es bei den Lösungen für den Vertrieb aus. In nur 12 Monaten hat sich die Zahl der Angebote von 830 auf 950 erhöht (Kouchkovsky 2019). Die SalesTech Landschaft wird in Abb. 1.1 dargestellt.
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
SalesTech Landscape. (Quelle: Kouchkovsky 2019)
Angesichts des riesigen Angebots verwundert es nicht, dass bei den beiden vom Institut für Sales und Marketing Automation (IFSMA) 2019 durchgeführten Studien festgestellt wurde, dass es erhebliche Defizite gibt. In der bisher größten herstellerunabhängigen Studie zur Marketing Automation in Europa (Hannig et al. 2019), an der sich überwiegend Marketingmitarbeiter aus über 700 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) beteiligten, zeigten sich gerade einmal rund 3 Prozent der Unternehmen davon überzeugt, über alle IT-Systeme zu verfügen, die sie für das Marketing benötigen. In fast 60 Prozent der deutschen Unternehmen geht man hingegen davon aus, dass es große Lücken im eigenen MarTech-Portfolio gibt. Weitere Ergebnisse dieser Studie finden sich im Beitrag „Marketing Automation in DACH" in diesem Buch.
Doch auch im Vertrieb gibt es in deutschen Unternehmen noch viel zu tun. IFSMA hat gemeinsam mit Aull Sales Success und mit Unterstützung des Bundesverbands der Vertriebsmanager (BdVM) im Rahmen der Studie „Vertrieb im digitalen Zeitalter" (Hannig et al. 2019) die Problematik untersucht. An der Online-Befragung nahmen vorwiegend Vertriebsmitarbeiter aus insgesamt 525 deutschen Unternehmen teil. In rund 60 Prozent von ihnen sind weniger als 20 Personen im Vertrieb beschäftigt. In einem Fünftel finden sich mehr als 100 Vertriebsmitarbeiter. Die nachfolgend vorgestellten Ergebnisse stammen aus dieser Studie und stellen die Sicht des Vertriebs auf die Digitalisierung dar.
Trotz des etwas geringeren Angebots fühlt sich weniger als ein Fünftel der Unternehmen gut aufgestellt. Rund 44 Prozent erkennen diesbezüglich noch Nachholbedarf (s. Abb. 1.2). 37,5 Prozent sind gar davon überzeugt, dass es in ihrem Unternehmen große Lücken im IT-Portfolio gibt und man in dieser Hinsicht schlecht aufgestellt ist. Eine Sales Cloud, d. h. eine Plattform für den digitalen Vertrieb, könnte dieses Problem lösen.
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
Vorhandensein aller für den Vertrieb notwendigen IT-Systeme. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 19)
Voraussetzung für das konzertierte Angehen der digitalen Transformation ist auch im Vertrieb die Existenz einer Digitalisierungsstrategie. Über diese verfügt heute aber noch nicht einmal die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen. Etwas mehr als ein Drittel plant die Einführung zumindest. Somit sind die meisten Unternehmen auf die kurzfristige Umstellung ihrer Prozesse aufgrund der Corona-Pandemie schlecht vorbereitet gewesen und mussten Ad-hoc-Lösungen finden bzw. Tools ohne Einordnung in ein Gesamtkonzept beschaffen.
Am besten waren noch die Unternehmen aus den Bereichen Dienstleistung und Handel aufgestellt. Hier verfügt schon mehr als die Hälfte der Antwortunternehmen über eine Digitalisierungsstrategie. Bei den Unternehmen aus dem Bereich Industrie und verarbeitendes Gewerbe sind dies nur rund 30 Prozent.
Aus der Marketingautomationsstudie ist bekannt, dass sich bereits über die Hälfte der Unternehmen im Marketing an einer Digitalisierungsstrategie orientiert und der Anteil der Unternehmen ohne Digitalisierungsstrategie gegenüber dem Vertrieb früher auf einen niedrigeren Wert sinken wird. Die strategische Bedeutung der Digitalisierung wird für das Marketing offensichtlich stärker eingeschätzt als im Vertrieb. Das dürfte sich nun geändert haben.
Die Bereitschaft, sich mit der Digitalisierungsthematik zielgerichtet auseinander zu setzen, bedingt weiterhin das Vorhandensein einer hierzu ausreichend qualifizierten Belegschaft. Doch rund 44 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte ihrer Mitarbeiter erhebliche Wissensdefizite im Bereich der Digitalisierung aufweisen (s. Abb. 1.3).
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig3_HTML.pngAbb. 1.3
Anteil der Mitarbeiter mit erheblichen Wissensdefiziten im Bereich der Digitalisierung. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 18)
Das Ergebnis deckt sich mit jenem aus der Parallelstudie. Hier lag der entsprechende Wert bei 41 Prozent. Die geringe Differenz dürfte auf den höheren Anteil an großen Unternehmen zurückzuführen sein, die im Durchschnitt über besser ausgebildete bzw. geschulte Mitarbeiter verfügen. Denn bei der Auswertung nach Unternehmensgröße zeigt sich, dass gerade bei den Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern nur in rund 30 Prozent der Fälle ein Digitalisierungsdefizit bei über 50 Prozent der Vertriebsmitarbeiter konstatiert wurde. Bei den größeren Unternehmen liegt der entsprechende Anteil bei rund 50 Prozent. Am höchsten ist er mit rund 60 Prozent in der Industrie.
Vergleicht man die Antworten der Geschäftsführer mit den Antworten der Vertriebsmitarbeiter, zeigt sich ein interessantes Bild: 40 Prozent der Geschäftsführer sehen bei weniger als 25 Prozent der Mitarbeiter im Vertrieb ein Digitalisierungsdefizit. Bei den Vertriebsmitarbeitern liegt dieser Anteil nur bei 20 Prozent und ist damit nur halb so hoch. Die Geschäftsleitung sieht die Ergebnisse der eigenen Personalpolitik und Mitarbeiterentwicklung offensichtlich positiver, als es der Realität entspricht.
Ein weiterer Indikator für den Stand der Digitalisierung ist die Entwicklung des Online-Vertriebs. In rund zwei Fünftel der teilnehmenden Unternehmen hat man sich aktuell noch nicht für diesen B2B-Vertriebskanal entschieden (s. Abb. 1.4). Dieser Wert liegt um rund 10 Prozent über jenem aus der Marketingautomationsstudie. Ursache hierfür dürfte sein, dass die größeren Unternehmen eher in innovative Technologien investieren. Bis 2020 wird sich das Bild jedoch stark verändern. Der Anteil der B2B-Unternehmen ohne Online-Vertrieb wird auf ca. 20 Prozent zurückgehen. Rund jedes fünfte Unternehmen will in 2 Jahren bereits über 50 Prozent seiner B2B-Umsätze online erzielen.
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig4_HTML.pngAbb. 1.4
Erwartete Entwicklung des Online-Umsatzes im B2B-Bereich bis 2022. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 18)
Kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern verfolgen dabei ehrgeizigere Ziele als größerer Unternehmen. In aufgerundet 30 Prozent der Fälle wird für das Jahr 2020 ein B2B-Umsatz von über 50 Prozent angestrebt, während der vergleichbare Wert bei großen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern nur bei 12 Prozent liegt.
Rund 40 Prozent der Unternehmen aus Dienstleistung und Handel wollen ihren Online-Anteil bis 2022 auf über 25 Prozent steigern. Bei den Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe sind dies nur etwas über 20 Prozent.
Im B2C-Geschäft spielt der Online-Vertrieb heute noch eine geringere Rolle bei den teilnehmenden Unternehmen als bei den Geschäftskunden. Doch auch hier beabsichtigen rund 19 Prozent der Unternehmen, in drei Jahren bereits über 50 Prozent ihrer Umsätze online erzielen und damit den aktuellen Anteil fast zu verdoppeln.
Hinsichtlich der digitalen Transformation gibt es im Vertrieb noch viel zu tun. Nicht zuletzt muss die entsprechende IT-Infrastruktur geschaffen werden. Diesbezüglich ist heute aber weniger als ein Fünftel der Unternehmen gut aufgestellt. Rund 44 Prozent erkennen hier noch Nachholbedarf. 37,5 Prozent sind gar davon überzeugt, dass es in ihrem Unternehmen große Lücken im IT-Portfolio gibt und man in dieser Hinsicht schlecht aufgestellt ist. Eine Sales Cloud, d. h. eine Plattform für den digitalen Vertrieb, könnte dieses Problem lösen.
Stetig voran geht es in Deutschland auf jeden Fall beim Einsatz von Customer Relationship Management (CRM)-Systemen. Heute verfügen schon fast vier von fünf Unternehmen aus Deutschland über ein CRM-System, weitere 12,9 Prozent folgen in den nächsten 24 Monaten (s. Abb. 1.5). Der Anteil der CRM-Verweigerer lag in der untersuchten Gesamtheit bei rund 10 Prozent. In der Parallelstudie mit den im Durchschnitt größeren Unternehmen waren es nur noch 5 Prozent.
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig5_HTML.pngAbb. 1.5
Einsatz von CRM-Systemen. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 20)
Mit rund 70 Prozent setzen die Dienstleistungs- und Handelsunternehmen bereits heute in der Mehrzahl ein CRM-System ein. Von den Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe ist erst die Hälfte so weit. Allerdings wollen dies rund 20 Prozent von ihnen in den nächsten ein bzw. zwei Jahren nachholen.
Interessant ist auch, dass rund 12 Prozent der Unternehmen ihr CRM-System in den nächsten 24 Monaten austauschen wollen. Darin kommt zum Ausdruck, dass CRM-Systeme der neuesten Generation ein wesentlich breiteres Spektrum von Anwendungen abdecken und damit eine deutlich bessere Unterstützung des Vertriebs bieten. Von der Ablösung betroffen dürfte ein wesentlicher Teil der selbst entwickelten CRM-Lösungen sein.
Angesichts dieser Planungen kann man davon ausgehen, dass die Nachfrage nach CRM-Systemen steigen wird. Rund 85 Prozent der Vertriebler nutzen das vorhandene CRM-System regelmäßig.
Allerdings ist das Vertrauen in die im CRM gespeicherten Daten aktuell nicht sehr groß. Denn in mehr als einem Drittel der Unternehmen geht man davon, dass mehr als jeder fünfte Kundendatensatz fehlerhaft ist (s. Abb. 1.6).
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig6_HTML.pngAbb. 1.6
Anteil der fehlerhaften Datensätze im CRM-System. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 21)
Bei der Beurteilung der Qualität der Datensätze im CRM-System zeigen sich deutliche Unterschiede. Während in Dienstleistung und Handel bei rund 40 der Unternehmen weniger als 10 Prozent der Datensätze als fehlerhaft angesehen werden, ist dies aus Sicht von nur rund 30 Prozent der Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe gegeben.
Die Geschäftsführer beurteilen die Datenqualität optimistischer als Vertriebsmitarbeiter, die von der Problematik in der täglichen Arbeit betroffen sind. 54 Prozent schätzen den Anteil fehlerhafter Daten bei unter 10 Prozent ein. Bei den Vertriebsmitarbeitern liegt dieser Wert doppelt so hoch.
Damit hat der Vertrieb jedoch deutlich mehr Vertrauen in „sein CRM-System als die Marketers. In der Parallelstudie vermutet man in der gesamten DACH-Region, dass in keinem einzigen Unternehmen über 90 Prozent der Datensätze fehlerfrei sind. Im Vertrieb, der in der Regel das CRM-System pflegt, haben rund 40 Prozent diese Hoffnung. Die mangelnde Validität der Daten in ihren CRM-Systemen ist den Unternehmen durchaus bewusst. Die Bedeutung der Datenqualität für das Kundendaten-Management wird deshalb in über 80 Prozent der Unternehmen als „sehr hoch
oder „hoch" eingestuft.
Was die Zufriedenheit mit dem vorhandenen CRM-System anbelangt, gibt es eine relativ große Anzahl kritischer Stimmen. Bei den Dienstleistern und Händlern ist der Anteil der Zufriedenen mit rund 50 Prozent höher als bei den Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe.
Die Tatsache, dass heute immer noch häufig in Marketing und Vertrieb mit Daten aus unterschiedlichen Datenbanken gearbeitet wird und man als Folge den Aussagen der jeweils anderen Abteilung wenig Vertrauen schenkt, belastet die Beziehung zwischen Marketing und Vertrieb. In rund zwei Fünftel der Unternehmen wird das Verhältnis zwischen Marketing und Vertrieb deshalb als verbesserungswürdig angesehen.
Auch hier zeichnet der Vergleich der Geschäftsführer mit den Vertriebsmitarbeitern ein unterschiedliches Bild. 80 Prozent der Geschäftsführer sind mit der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb sehr zufrieden oder zufrieden. Bei den Vertriebsmitarbeitern sind es aber nur rund 55 Prozent.
1.3 Anforderungen an die Vertriebsmitarbeiter
Erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter sind ein wertvolles Gut. Zu ihrer Auswahl und zielgerichteten Förderung ist es notwendig zu wissen, welche Kompetenzen sie in Zukunft haben müssen, um bei den Kunden im digitalen Zeitalter erfolgreich zu sein. Üblicherweise unterscheidet man zwischen den drei Vertriebskompetenzbereichen:
Kontaktkompetenz (Contact Excellence),
Verkaufsprozesskompetenz (Sales Journey Excellence) und
Verkaufsabschlusskompetenz (Closing Excellence).
Verkaufs- und Kontakterfolg fangen beim Vertriebsverantwortlichen selbst an. Bei seinem Selbst- und Produktvertrauen sowie seiner Haltung, dem Kunden zur bestmöglichen Lösung zu verhelfen. Grundlage erfolgreichen Vertriebs ist das Vertrauensverhältnis zum Zielkunden, das durch positive eigene Einstellung und resultierende positive Körpersprache und aktives Zuhören gefördert wird.
In der Kommunikation mit dem (Ziel-)Kunden ist eine besonders wichtige Fähigkeit, die eigenen Produkt- und Lösungsmerkmale in nachvollziehbarer Weise mit den Kundennutzen zu verbinden und in überzeugende Referenzgeschichten einzubauen. Da nicht jede Kontaktanbahnung gelingt, ist es ebenfalls wichtig, eine Ablehnung als etwas zu begreifen, das näher an die Person heranführt, von der man einen Auftrag erhalten möchte.
Die Nutzung der digitalen Möglichkeiten wird für den Vertrieb immer wichtiger. Das Internet im Allgemeinen und die sozialen Medien im Besonderen bieten einen hervorragenden Informationspool für die Recherche zu Zielpersonen, z. B. durch die Analyse von XING- und LinkedIn-Profilen. Auch die Fähigkeit, Personenkontakte, Geschäftsmöglichkeiten und damit verknüpfte Aufgaben effektiv mit einem plattformübergreifenden CRM-System zu managen ist ein wichtiger Vertriebsskill.
Grundvoraussetzung, um im Kundenkontakt zu punkten, ist nach Meinung von über 70 Prozent aller Antwortpersonen, dass der Vertriebler Vertrauen in das eigene Angebot hat (s. Abb. 1.7). Entsprechend kann er auf authentische Art und Weise überzeugen. Direkt darauf folgt die Fähigkeit, dass der Vertriebsmitarbeiter echtes Interesse an den Problemen der Kunden zeigt und mit den richtigen Fragen belegt, dass er sich in ihre Situation versetzen kann. Geschäftsführer messen diesen beiden Kriterien noch höhere Bedeutung zu als die Vertriebsmitarbeiter.
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig7_HTML.pngAbb. 1.7
Bedeutung einzelner Fähigkeiten im Bereich Contact Excellence. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 11)
Mit einigem Abstand werden von der Mehrzahl der Teilnehmer an der Studie das Streben nach der bestmöglichen Lösung für den Kunden, die Förderung einer Vertrauensbasis durch eine positive Einstellung und Verlässlichkeit sowie das Zeigen der Wertschätzung für die Meinung des Gesprächspartners genannt. Der Einsatz digitaler Kontaktwerkzeuge und sozialer Medien wird zwar von über 90 Prozent der Antwortenden als nicht unwichtig angesehen, aber gerade einmal in 18 Prozent der Unternehmen als besonders wichtig eingeschätzt. Somit gibt es im Augenblick nur wenig Anreize für Vertriebsmitarbeiter, sich in diesem, für die digitale Transformation des Vertriebs wichtigen Kompetenzbereich zu verbessern. Kein Wunder also, wenn es mit der Digitalisierung im Vertrieb in Deutschland bisher nur langsam vorangeht.
Die professionelle Diagnose von Kundenanforderungen und zwingenden Kaufmotiven ermöglicht dem Vertriebsmitarbeiter die Fokussierung auf jene Geschäftsmöglichkeiten mit den besten Erfolgsaussichten. Gute Vertriebsmitarbeiter stellen bei der Bedarfsklärung und Lösungssuche die richtigen Fragen. Die Identifikation von relevanten Entscheidungskriterien, Meilensteinen der Entscheidung und Rollen der an der Kaufentscheidung beim Kunden beteiligten Personen – allen voran die Top-Entscheider – ist erfolgskritisch. Die Fähigkeit, Verkaufsgespräche mit nützlichen Fragen zu strukturieren und zu führen, ist entsprechend wichtig. Die mittels der umfassenden Diagnose gewonnenen Erkenntnisse gilt es, als Basis für echte Mehrwert-Lösungen zu nutzen. Die Königsdisziplin besteht dann darin, den eigenen geschäftlichen Mehrwert von den entscheidungsmächtigen Personen als Grund für die erwünschte Partnerschaft rückbestätigt zu bekommen.
Am wichtigsten zur zielgerichteten Steuerung des Verkaufsprozesses wird von den Auskunftspersonen die Fähigkeit, aktiv, mit Absicherung des Verständnisses Zuzuhören eingeschätzt (s. Abb. 1.8). Ebenfalls mehrheitlich (von Vertriebsmitarbeitern sogar zu rund 65 Prozent) als erfolgskritisch angesehen werden die Identifikation von Entscheidungsträgern sowie -kriterien. Diesbezüglich können IT-Systeme den Vertrieb unterstützen. Nur rund 30 Prozent legen dagegen großen Wert auf den CRM-Einsatz beim Kontakt-, Aktivitäten- und Opportunity-Management.
../images/426146_2_De_1_Chapter/426146_2_De_1_Fig8_HTML.pngAbb. 1.8
Bedeutung einzelner Fähigkeiten im Bereich Sales Journey Excellence. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 12)
Dienstleistungs- und Handelsunternehmen stufen Kontakt-, Aktivitäten- und Opportunity-Management mit CRM deutlich häufiger als sehr wichtig ein als Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe.
Die verkaufspsychologischen Mechanismen Konsistenz der Kundenhandlung, Vertrautheit, Verknappung sowie Geben und Nehmen spielen bei Geschäftsabschlüssen eine wichtige Rolle. Denn Geschäft wird in vielen Fällen noch zwischen Menschen gemacht. So gilt es beispielsweise, daran zu arbeiten, Situationen zu generieren, in denen das konsistente Verhalten des Zielkunden die eigene Beauftragung ist.
Eine weitere relevante Kompetenz besteht darin, Angebote so zu präsentieren, dass die Übereinstimmung mit den Anforderungen und der einzigartige geschäftliche Mehrwert deutlich erkennbar werden. Dieser Mehrwert sollte möglichst passgenau auf die geschäftlichen Bedarfe, messbar und – z. B. durch Referenzerfolge – nachweisbar sein. Idealerweise wird er persönlich und zur richtigen Zeit im Kaufzyklus bzw. Entscheidungsprozess positioniert.
Gerade in der Abschluss-Phase ist es wichtig, Bedenken zu identifizieren und anzusprechen, um so die Möglichkeit zu haben, diese geschickt – beispielsweise mit (Rechen-)Beispielen und Vergleichen – auszuräumen. Dabei fördern die Vermeidung von Alternativen vor der Entscheidung eine konsistente Kommunikation entlang der „Ja-Straße" und aktives Schweigen die Kaufentscheidung. Konsequente Vertriebsarbeit unter Einsatz der beschriebenen Kompetenzen ermöglicht nicht nur die Fokussierung auf die erfolgversprechenden Geschäftsmöglichkeiten, sondern auch Gewinnprognosen und einen belastbaren Geschäftsforecast.
Beim dritten Kompetenzbereich gibt es zwei Fähigkeiten eines Vertriebsmitarbeiters, die von der Mehrheit der Befragten als besonders wichtig eingestuft werden. Am wichtigsten ist den Unternehmen offensichtlich, dass der Vertriebsspezialist Bedenken erkennen, ansprechen und ausräumen kann (s. Abb. 1.9). Danach folgt das richtige Timing der Angebotserstellung und Nachverfolgung. Dieser Aspekt spielt für die Vertriebsmitarbeiter eine größere Rolle als für die antwortenden Geschäftsführer. Und auch den Kriterien „Emotional intelligentes Verhandeln und „Mehrwertorientiertes Angebot
messen Vertriebsmitarbeiter eine höhere Bedeutung zu als die Geschäftsführer.
Abb. 1.9
Bedeutung einzelner Fähigkeiten im Bereich Closing Excellence. (Quelle: Hannig et al. 2019, S. 13)
Aufschlussreich ist, dass nur rund ein Viertel der Antwortenden die Fähigkeit, Geschäftsabschlüsse belastbar vorherzusehen, als sehr wichtig beurteilt. Offensichtlich spielt die Bewertung der Sales Pipeline durch den Vertrieb nur eine untergeordnete Rolle bei der Ressourcenplanung. Vor diesem Hintergrund sollte in Zukunft in Predictive Analytics-Lösungen investiert werden.
Fast 80 Prozent der Unternehmen aus Dienstleistung und Handel stufen die Verkaufspsychologie als sehr wichtig oder wichtig ein und messen dieser damit eine höhere Bedeutung zu, als dies die Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe mit rund 60 Prozent tun. Für dieses Ergebnis könnte der höhere B2C-Anteil bei den Handels- und Dienstleistungsunternehmen verantwortlich sein.
Mit der aktuellen Qualität der Kontaktkompetenz ist man in den Antwortunternehmen noch am zufriedensten. In zwei Drittel der Unternehmen wird sie mindestens mit „gut" bewertet. Gerade einmal in jedem 25sten Unternehmen erkennt man deutlichen Verbesserungsbedarf.
Insbesondere Dienstleistungs- und Handelsunternehmen schätzen mit fast 70 Prozent ihre Contact Excellence als sehr gut oder gut ein. Bei den Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe liegt dieser Wert nur bei rund 50 Prozent.
Die Sales Journey Excellence wird in 57 Prozent der Unternehmen als „gut" eingestuft. Eher unzufrieden mit dem diesbezüglichen Status quo sind rund 7 Prozent der Antwortgebenden.
Ihre Sales Journey Excellence beurteilen über 60 Prozent der Unternehmen aus Dienstleistung und Handel mit sehr gut oder gut. Bei den Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe liegt der entsprechende Wert bei rund 45 Prozent.
Die schlechtesten Werte erhält die Abschlusskompetenz. Nur in etwas mehr als der Hälfte der Unternehmen erhält diese eine mindestens gute Bewertung. In etwa jedem achten Unternehmen sind diesbezüglich Maßnahmen zur Verbesserung notwendig.
Ihre Closing Excellence Unternehmen bewerten die Unternehmen aus Industrie und verarbeitendem Gewerbe als unterdurchschnittlich. Am besten schneiden insgesamt die Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern ab. Sie bewerten ihre Kompetenzen in den Kompetenzbereichen Contact und Closing Excellence häufiger mit sehr gut als die größeren Unternehmen.
Ein recht positives Bild ergibt sich bei der Kompetenzeinschätzung durch die Geschäftsführer. Diese schätzen alle drei Kompetenzfelder in hohem Maße mit sehr gut und gut ein. Bei der Contact Excellence liegen die Vergleichswerte zu den Vertriebsmitarbeitern bei rund 80 gegenüber rund 60 Prozent, bei der Sales Journey Excellence bei 67 versus 53 Prozent und bei der Closing Excellence bei 63 gegenüber 54 Prozent. Man kann sich dabei allerdings nicht des Eindrucks erwehren, dass die Geschäftsführer ihre eigenen Kompetenzen beurteilt haben.
Als Fazit muss festgehalten werden, dass in fast der Hälfte der Unternehmen der aktuelle Stand der Ausprägung der Vertriebskompetenzen deutliche Verbesserungspotenziale aufweist. Auffällig ist insbesondere, dass in nur wenigen Unternehmen die Fähigkeit, IT-Systeme für die Vertriebstätigkeit einzusetzen als wichtig erachtet wurde. Das dürfte sich nach Ausbruch der Corona-Pandemie drastisch geändert haben.
Literatur
Chiefmartec.com. 2019. Marketing Technology Landscape. https://chiefmartec.com/2019/04/marketing-technology-landscape-supergraphic-2019/
Hannig, U. 2016. Mehr als geistige Grundhaltung. acquisa 11–12 (2016): 26–27.
Hannig, U., K. Heinzelbecker, und M. Aull. 2019. Vertrieb im digitalen Zeitalter. White Paper, Institut für Sales und Marketing Automation, Ludwigshafen.
Hannig, U., K. Heinzelbecker, und T. Foell. 2019. Digital Safety First – Marketing Automation in DACH. White Paper, Institut für Sales und Marketing Automation, Ludwigshafen.
Kouchkovsky, N. D. 2019. The 2019 SalesTech Landscape – What’s Hot and What’s Not Today, 30 Mai 2019. https://www.saleshacker.com/salestech-landscape-2019/
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021
U. Hannig (Hrsg.)Marketing und Sales Automationhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-21688-7_2
2. Verzahnung von Marketing und Sales Automation
Manfred Aull¹
(1)
Manfred Aull Sales Success, Köln, Deutschland
Manfred Aull
Email: manfred@aulls2.de
2.1 Die Digitalisierung verändert das Beschaffungsverhalten nachhaltig
2.2 Die Chance Marketing Automation
2.3 Einstieg in die Sales Automation in B2B-Vertrieben
Literatur
Zusammenfassung
Mit Marketing Automation (MA) können Unternehmen dem durch anonyme und umfassende Recherche weit vor einer Kaufentscheidung geprägten Interessentenverhalten Rechnung tragen. Die gegenseitige Wertschätzung der Disziplinen Vertrieb und Marketing und deren effektive Verzahnung führt zur optimalen Ausnutzung der durch Marketing Automation quantitativ und qualitativ deutlich verbesserten Leads. In Verbindung mit den Mechanismen der Sales Automation wird der Weg zu Vertriebserfolg und profitablem Wachstum für das Unternehmen effektiv beschritten.
Manfred Aull
../images/426146_2_De_2_Chapter/426146_2_De_2_Figa_HTML.jpgist Diplom-Physiker (TU München), Executive MBA (Duke University) und Systemischer Organisationsberater (Prof. Dr. Fritz B. Simon). Er ist Inhaber des Instituts Aull Sales Success, das sich seit mehr als zehn Jahren auf Vertriebskonzepte und Vertriebstrainings im B2B-Umfeld fokussiert. Mehr Informationen zum Autor finden Sie im Autorenverzeichnis.Kontakt: manfred@aulls2.de
2.1 Die Digitalisierung verändert das Beschaffungsverhalten nachhaltig
Wir erleben täglich, wie die Digitalisierung unser Leben beeinflusst. Mehr Aufgaben lassen sich schneller und mit weniger Aufwand erledigen. Das gilt auch in besonderem Maße für Beschaffungsvorgänge. Wer heute einen Drucker benötigt, gibt z. B. den Begriff „Farb-Laser" in eine Internet-Suchmaschine ein, checkt die Funktionalitäten, setzt eine Preisrange, sieht sich die Kundenbewertungen für die mittlerweile herausgefilterten zwei bis drei Favoriten an und schließt den Kauf möglicherweise direkt online ab, ohne den persönlichen Kontakt zu einem Verkaufsberater gesucht zu haben.
Der überwiegende Anteil zukünftiger Privat-, aber auch Geschäftskunden nutzt die Möglichkeiten des Internets zur Informationsbeschaffung in der Frühphase der Entstehung eines Bedarfs, um innerhalb von Sekunden eine erste Idee, einen ersten Ansatz für seine Anforderung zu erhalten. Durch das Internet mit seinen leistungsfähigen Suchmaschinen und Datenbasen ist der grundsätzliche Zugang zu Informationen so leicht wie nie. Das Institut für Demoskopie Allensbach schreibt in einer aktuellen Studie, dass über 90 % der Kaufentscheidungen vom Internet beeinflusst sind (Köcher und Bruttel 2011). Das hier beschriebene Verhalten hat somit nachhaltig Eingang in unsere Beschaffungsroutinen gefunden.
Der Zeitraum, in dem sich Interessenten anonym im Internet Informationen beschaffen, lässt sich hervorragend nutzen, um ihr Suchverhalten zu verstehen und aufbauend darauf situativ adäquate Informationshappen in einer verdaulichen Form zu liefern. Damit etabliert sich ein Anbieter schon lange im Vorfeld einer Kontaktaufnahme als kompetenter und aktiver aber gleichzeitig unaufdringlicher Lösungspartner. Dabei ergeben sich wertvolle Anhaltspunkte für die kaufkritischen Entscheidungsparameter, die Form der gewünschten bzw. vom Interessenten noch benötigten Informationen sowie das von diesem erreichte Stadium im Kaufzyklus. Sukzessive entsteht im Verlauf der Interaktionen automatisch ein Profil des Interessenten auf der Basis von vorgefertigten Unterlagen und Abfragen. Dadurch wird der persönliche Kontakt der Mitarbeiter des Vertriebs bestmöglich vorbereitet. Die optimale Begleitung und Bindung des Interessenten im gerade beschriebenen Zeitraum ist ein wesentliches Ziel der Marketing Automation (MA), die für diese „Kundenreise" die Wegpunkte, wie in Abb. 2.1 exemplarisch dargestellt, markiert.
../images/426146_2_De_2_Chapter/426146_2_De_2_Fig1_HTML.pngAbb. 2.1
Die Customer Journey. (Quelle: SC-Networks 2016)
2.2 Die Chance Marketing Automation
Aufgrund der weiter zunehmenden Relevanz des zuvor beschriebenen Kundenverhaltens vor einem ersten Kontakt mit potenziellen Anbietern sollten sich Unternehmen mit Marketing Automation und vor allem den sich bietenden Möglichkeiten der frühen Interessentenbindung und bedarfsgerechten Begleitung beschäftigen.
Das Institut für Sales und Marketing Automation definiert den Begriff „Marketing Automation" wie folgt:
„Unter Marketing Automation versteht man die IT-gestützte Durchführung wiederkehrender Marketingaufgaben mit dem Ziel, die Effizienz von Marketingprozessen und die Effektivität von Marketingentscheidungen zu steigern." (Hannig 2016)
Ganz konkret unterstützt Marketing Automation das Schaffen von Aufmerksamkeit, das bedarfsgerechte Informieren und Binden der Zielkunden schon in den sehr frühen Informationsphasen im Kaufzyklus. Der Interessent kann mit attraktiven Botschaften und Leistungsversprechen konfrontiert werden, nachdem der Anbieter bei Suchprozessen des Bedarfsträgers sichtbar geworden ist.
Laut einer unveröffentlichten Studie des Lehrstuhls für Marketing der Universität Erlangen-Nürnberg handelt Marketing Automation von der Automatisierung von Prozessen im dezentralen Marketing. Beispiele hierfür können automatisierte Durchführungen von personenbezogenen One-to-One-Kampagnen oder interessenbezogene werbliche Inhalte sein. Marketing Automation pflegt mit Mailings, Bannerschaltungen, der Generierung von Landingpages, E-Mails etc. die integrierte Kommunikation über unterschiedliche Kanäle hinweg (Walla 2016).
Ein Kunde, der die Lösung einer Anforderung in Angriff nimmt, trägt seine erste vage Lösungsidee in eine Internet-Suchmaschine ein. Er stöbert die erste, manchmal die zweite und nur in ganz seltenen Fällen mehr als die dritte Ergebnisseite durch. Interessant klingende Angebote werden von ihm angeklickt. Wenn er sich dort wiederfindet und zu seiner Lösung passende Ansätze anschaulich beschrieben sind, dann wird seine Bereitschaft geweckt, sich in einem ersten Kontaktschritt weitere nützliche Informationen, wie beispielsweise ein White Paper, zusenden zu lassen und dabei erste Daten von sich, mindestens seine E-Mail-Adresse, preiszugeben. Und wenn sich das als hilfreich erweist, dann wird sein Interesse geweckt, sich auf die Customer Journey mit weiterem hilfreichen Content, wie z. B. E-Books oder Videos, zu begeben und zur Verfeinerung seiner Profilinformationen beizutragen. Auf dieser Journey will er bedarfsgerecht die für ihn gerade passenden Informationen abrufen können und seine individuelle Situation durch ein angepasstes Angebot gewürdigt wissen. Hat er genug Vertrauen zu seinem Lösungspartner gefasst, erteilt er schließlich seinen Auftrag.
In diesen einfach nachvollziehbaren persönlichen Wünschen stecken die wesentlichen Anforderungen für gute Marketing Automation und die sich ggf. anschließende persönliche vertriebliche Betreuung:
Timing der Informationen ist durch den Kunden wählbar;
Art der Informationen und des Kontakts sind durch den Kunden steuerbar;
Sicherheit der vom Kunden überlassenen Daten ist gewährleistet;
individuelle vertriebliche Betreuung ist zum richtigen Zeitpunkt zu starten;
der Kunde wird mit auf ihn ausgerichteten Argumenten überzeugt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Relevanz dieser Anforderungen stark variiert und von der Branche sowie der Komplexität des Verkaufsfalls abhängt. Prinzipiell ist ein Mix dieser Anforderungen in jedem B2B-Geschäft vorhanden. Gleichzeitig wird schon durch diese Überlegungen ersichtlich, dass gute Marketing Automation durchaus anspruchsvoll und aufwendig ist. Die neuen Möglichkeiten, den Kunden schon in einer Frühphase zu binden, bekommt man nicht ohne Aufwand. Bedarfsgerechte Inhalte müssen erstellt und ein System der Informationsverteilung aufgrund unterschiedlicher Trigger-Situationen etabliert werden.
In der frühen Interessentenbindung und individualisierten Begleitung liegt die große Chance der Weiterentwicklung der Marktbearbeitung von Unternehmen. Konkret geht es um die automatisierte Unterstützung des informationssuchenden Bedarfsträgers und dessen aktive vertriebliche Betreuung. Dazu ist ein gutes Verständnis des veränderten Kundenverhaltens notwendig und die Offenheit, neue Möglichkeiten, die die Digitalisierung auch in Vertrieb und Marketing bietet, zu betrachten und angepasst auf die spezifische Situation des Unternehmens um zu setzen.
Schließlich kommen viele Geschäfte nicht zustande, weil der Zielkunde zwar grundsätzlich vom Anbieter weiß und sich evtl. schon Informationen geholt hat, er aber nicht „abgeholt", also einer vertrieblichen Bearbeitung zugeführt, und nicht professionell bis zum Abschluss betreut wird. Dazu ist eine viel stärkere Integration der klassischen Funktionen Marketing und Vertrieb im Unternehmen notwendig. Die grundsätzlichen Schwerpunkte der Funktionen bleiben bestehen, aber an den Schnittstellen gilt es, dem veränderten Informations- und Beschaffungsverhalten Rechnung zu tragen. Genau dazu leistet Marketing Automation substanzielle Beiträge.
Das gemeinsame Verständnis und die gegenseitige Wertschätzung der klassischen Funktionen Vertrieb und Marketing in diesem Sinne sind wesentliche Erfolgsfaktoren für die Einführung von Marketing Automation. Es ist eben nicht so, dass der gesamte Verkaufsprozess durch das Marketing automatisiert wird. Der persönliche Vertrieb spielt in vielen – vor allem komplexeren – Fällen die entscheidende Rolle bei der Generierung von profitablem Umsatz. Mit diesem Verständnis der Disziplinen kann Marketing Automation zu einem Geschäftsturbo werden. Der gegenseitige Respekt für die Leistung der jeweils anderen Funktionen im Unternehmen ist für die gewinnbringende Einführung von Marketing Automation besonders wichtig. Die Verantwortung der Geschäftsleitung ist es in diesem Zusammenhang, die Funktionen Vertrieb und Marketing wertzuschätzen und beispielsweise mit den folgenden Botschaften ins Boot zu holen.
Botschaft für das Marketing:
„Marketing kann mit Marketing Automation einen besseren Beitrag für die Positionierung unseres Unternehmens leisten, vor allem auch bei Neukunden, die uns heute noch nicht bekannt sind und die sich bisher noch nicht persönlich als Interessenten geoutet haben. Das gelingt insbesondere durch die Versorgung dieser Interessenten mit bedarfsgerechten Informationen zum richtigen Zeitpunkt. Gleichzeitig können dabei wertvolle, vom Bedarfsträger autorisierte Profilinformationen, inklusive Status im Kaufprozess, gesammelt werden. Im Ergebnis kann damit der Akquisitionsprozess erheblich besser unterstützt werden."
Botschaft für den Vertrieb:
„Es geht darum, dass unsere Firma die sich entwickelnden Veränderungen bei der Informationsbeschaffung von Zielkunden nutzt und sich bestmöglich darauf einstellt, um uns frühzeitig bei diesen zu positionieren und quantitativ sowie qualitativ bessere Leads zu generieren. Der Vertrieb bleibt weiterhin die entscheidende Instanz für das persönliche Vertrauensverhältnis und die Geschäftsgenerierung."
2.3 Einstieg in die Sales Automation in B2B-Vertrieben
In der B2B-Praxis erlebt man häufig, dass der Vertrieb als verlängerte Werkbank irgendwie das verkaufen soll, was entwickelt und produziert wird. Ein gutes Produkt wird sich schon verkaufen. Systematische Steuerung des Vertriebs oder gar Verzahnung mit dem Marketing werden oft stiefmütterlich behandelt, weil es dafür vermeintlich keine guten Vorgehensweisen und Techniken gibt.
Der Kunde wünscht sich in erster Linie die Erfüllung seiner Anforderungen durch einen leistungsfähigen und vertrauenswürdigen Lieferanten, auf den er sich auch bei Schwierigkeiten verlassen kann. Dieses Vertrauen kann vor allem bei komplexen Anforderungen nicht vollständig durch einen automatisierten Prozess geschaffen werden, auch wenn dieser durch Marketing Automation personalisiert ist.
In einer Bedarfssituation will der Zielkunde persönlich betreut und auf diese Weise zu guten Entscheidungen geführt werden. Er freut sich über jemanden, der sich um diesen individuellen Bedarf und seine Hintergründe kümmert, überzeugende Lösungen vorschlägt und Sicherheit vermittelt.
Ein fataler Fehler wäre es also zu glauben, dass der Vertrieb durch Marketing Automation abgeschafft werden könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Nach wie vor bedarf es in vielen Verkaufsfällen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses und der Kompetenz des Vertriebsverantwortlichen. Je komplexer die Beziehungen sind, umso früher und intensiver sollte die individuelle vertriebliche Betreuung eingeschaltet werden. Automatisierung kann das nicht leisten. Aber durch Automatisierung kann der Bedarfsträger in der „anonymen Phase des Kaufzyklus weit besser „versorgt
werden, als das ohne diese der Fall ist. Der Vertriebsmitarbeiter kann dadurch effektiver arbeiten, da er deutlich qualifiziertere Kontakte – ergänzend zu seinen sonstigen Möglichkeiten zur Identifikation von Geschäftsmöglichkeiten aus seinem persönlichen Entscheidernetzwerk, Messekontakten oder als Resultat sonstiger Marktaktivitäten –