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Experience Design im Tourismus – eine Branche im Wandel: Gestaltung von Gäste-Erlebnissen, Erlebnismarketing und Erlebnisvertrieb
Experience Design im Tourismus – eine Branche im Wandel: Gestaltung von Gäste-Erlebnissen, Erlebnismarketing und Erlebnisvertrieb
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eBook476 Seiten3 Stunden

Experience Design im Tourismus – eine Branche im Wandel: Gestaltung von Gäste-Erlebnissen, Erlebnismarketing und Erlebnisvertrieb

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Über dieses E-Book

Die Gestaltung von Erlebnissen ist seit Jahren eines der zentralen Themen im Tourismus. Die intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Konzepten der Erlebnisinszenierung, deren Anwendung in touristischen Bereichen oder der Einsatz von Erlebnismarketing und -vertrieb wirft dabei viele Fragen auf. Kann ein Erlebnis überhaupt inszeniert werden? Wie ist es um die Authentizität bestellt? Rechtfertigt der Aufwand den Nutzen? Handelt es sich dabei um eine langfristige Entwicklung oder nur um einen kurzfristigen Hype?
Das Fachbuch geht Fragen wie diesen nach. Experten aus unterschiedlichsten Disziplinen der Tourismusforschung vermitteln mit ihren Beiträgen die theoretischen Grundlagen der Erlebnisinszenierung. Projektsteckbriefe und Best-Practice-Beispiele geben einen Einblick in die Arbeit verschiedener Erlebnisplaner und Designexperten. Außerdem bietet das Buch eine ausführliche Methodenbeschreibung inklusive Toolbox zur Gestaltung von Erlebnissen. 
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum10. Mai 2019
ISBN9783658245139
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    Buchvorschau

    Experience Design im Tourismus – eine Branche im Wandel - Daniela Wagner

    Teil IKonzeptionelle Grundlagen

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Daniela Wagner, Martin Schobert und Georg Christian Steckenbauer (Hrsg.)Experience Design im Tourismus – eine Branche im WandelForschung und Praxis an der FHWien der WKWhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-24513-9_1

    1. Erlebnisgenese: Bedeutung und Nutzen?

    Daniela Wagner¹  , Martin Schobert²   und Georg Christian Steckenbauer³  

    (1)

    FHWien der WKW, Wien, Österreich

    (2)

    St. Elmos Travel, Team Tourismusdesign, Tulln, Österreich

    (3)

    Technische Hochschule Deggendorf European Campus Rottal-Inn, Pfarrkirchen, Deutschland

    Daniela Wagner (Korrespondenzautor)

    Email: daniela.wagner@fh-wien.ac.at

    Martin Schobert

    Email: schobert@tourismusdesign.com

    Georg Christian Steckenbauer

    Email: georg.steckenbauer@th-deg.de

    1.1 Erlebnisgenese

    Seit den 1950er-Jahren haben Veränderungen im Arbeits- und Freizeitverhalten sowie wachsende Einkommen dazu geführt, dass die Reiseintensität massiv zugenommen hat. Seit den 1980er-Jahren stagniert sie, wenngleich auf sehr hohem Niveau. Mit der Zunahme der Reiseintensität einher ging auch ein Wertewandel von der Arbeits- zur Freizeitgesellschaft (Freyer 2010, S. 24 ff.). „Freizeit und Urlaub werden als Gegenwelt zum Alltag gesehen und „Erlebnisse, Anerkennung und Sinnfindung vermehrt über den Freizeitbereich gesucht (Freyer 2010, S. 25).

    In den 1990er-Jahren führte dies zu einer zunehmenden Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Erlebnis. Schulze (2005) prägte mit seinem Konzept der Erlebnisgesellschaft 1992 den Trend zur Freizeit- und Erlebnisgesellschaft. Eine Gesellschaft, die eine hedonistische Grundhaltung und Ich-Bezogenheit kennzeichnet. Auch Pine und Gilmore (2011) tragen dieser Entwicklung 1999 mit ihrer Theorie der „Experience Economy" (dt. Erlebniswirtschaft) Rechnung. Sie fordern den Übergang von einer güter- und serviceorientieren hin zu einer erlebnisorientierten Wirtschaft, wo Kunden für die Konsumation von Erlebnissen bezahlen. Dies vor allem auch deshalb, weil das Konsumverhalten anspruchsvoller geworden ist.

    Auch die Tourismusindustrie, an sich eine Brache, die sich im Grunde schon lange mit touristischer Inszenierung beschäftigt (MacCanell 1973; Sternberg 1997), sieht sich nunmehr mit einem veränderten touristischen Konsumverhalten konfrontiert. Gekennzeichnet durch höhere Ansprüche an das Angebot, den Wunsch nach Zusatznutzen zum herkömmlichen Angebot, flexibleres und kurzfristigeres Handeln sowie Individualität und Unabhängigkeit. Dies hat im Tourismus zu einer zunehmenden Produktion und Vermarktung von Erlebnissen anstelle von oder gemeinsam mit traditionellen touristischen Dienstleistungen geführt. (Weiermair und Brunner-Sperdin 2013, S. 386)

    Das gezielte Gestalten von Erlebnissen (engl. Experience Design) bedingt allerdings ein tieferes Verständnis des Konstrukts Erlebnis (engl. Experience):

    Im Marketing umfasst Erlebnis die individuellen Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Beobachtungen bei der Konsumation von Produkten, Dienstleistungen und Aktivitäten sowie die Erinnerungen an diese Erlebnisse. (Schmitt 2010, S. 60) In der Psychologie sind Erlebnisse „miteinander verknüpfte subjektive Prozesse […] von Körper und Bewusstsein. […] Oft, aber nicht notwendig, […] mit Komponenten der Situation verknüpft. […] subjektbestimmt (d. h. abhängig von der […] Struktur des Erlebenden) und unwillkürlich […]. Schulze (2005, S. 559) und Hassenzahl et al. (2009, S. 234) beschreiben Erleben – abgeleitet von McCarthys und Wrights Modell aus dem Jahr 2004 – als „[…] eine Art innerer Kommentar […] ein kontinuierlicher Strom aus Denken, Handeln, Fühlen und Bewerten. Wird dieses Erleben zu einer in sich geschlossenen, bedeutungsvollen Episode zusammengefasst, entsteht ein Erlebnis. Während verschiedene Autoren den Zusammenhang von sinnlicher und/oder rationaler Wahrnehmung herausstreichen (Schmitt 1999; Haeckel et al. 2003; Berry et al. 2006), betonen andere den Wissensaspekt und sehen Erlebnisse als gespeichertes Wissen (Bergmann 1999) oder als auf Lernprozesse beruhende Erfahrungen eines Individuums (McKnight und Sechrest 2003). Pine II und Gilmore (1998) differenzieren Erlebnis in vier Dimensionen – und zwar in Form des sogenannten 4E-Modells:

    Entertainment (Unterhaltung)

    Education (Bildung)

    Escapism (Flucht aus dem Alltag)

    Esthetics (Ästhetik)

    Innerhalb dieser Dimensionen wird zudem zwischen dem Grad der Interaktion des Gastes (aktive/passive Beteiligung) und der Erlebnisintensität (aufnehmen/eintauchen) unterschieden. Bei der Entertainment-Dimension (passiv/aufnehmen) nimmt der Gast lediglich passiv Eindrücke innerhalb einer bestimmten Umgebung auf, dazu zählen alle Angebote der Freizeitindustrie (wie beispielsweise Theater oder Kino). Bei der Education-Dimension (aktiv/aufnehmen) hingegen ist der Gast aktiv beteiligt und sammelt neue Eindrücke. Ein Beispiel dafür wären Museen, wo der Gast die Möglichkeit hat, sich über ein Thema zu informieren und dieses zu erleben. Bei der Escapism-Dimension (aktiv/eintauchen) taucht der Gast vollständig in das Erlebnis ein, macht aktiv mit und entzieht sich dadurch vorübergehend dem alltäglichen Trott. Ein Beispiel dafür wären Festivals oder Themenparks. Bei der vierten Dimension (Esthetics – passiv/eintauchen) wird dem Gast auch ein umfassendes emotionales Erlebnis geboten. Allerdings im Gegensatz zur dritten Dimension nur in einer passiven, beobachtenden Rolle. Als Beispiel kann hier eine Aufführung des Cirque du Soleil genannt werden. (Güzel 2014, S. 521; Gruner et al. 2014, S. 13 f.)

    1.2 Nutzen für die Tourismusindustrie

    „Angekündigte Revolutionen finden nicht statt, meinte ein etablierter und erfahrener Landestourismusdirektor, als er bei einem Treffen honoriger Tourismusexperten den Titel der Tourismusstrategie 2020 von Kopenhagen Tourismus „The End of Tourism as we know it (Wonderful Copenhagen 2016a) zeigte. Der Begriff „Revolution" mag in diesem Zusammenhang übertrieben sein, dennoch ist der Mut zur Ehrlichkeit der Kollegen aus Kopenhagen mehr als bemerkenswert. Deren neue DMO-Tourismusstrategie ist ein Vorzeigebeispiel für zukunftsorientiertes Handeln einer Destinationsmanagement-Organisation. Warum, ist schnell erklärt: DMOs haben heute neue Aufgaben, neue Instrumente und neue Ziele zu erreichen, um deren Auftrag – touristische Wertschöpfung zu initiieren – gerecht zu werden.

    Im Zeitalter des permanenten digitalen Wandels, der Influencer-Inflation, der Austauschbarkeit und steigenden Belanglosigkeit traditioneller Entertainment-Einrichtungen und des Mitbewerbs der Touristiker um Aufmerksamkeit mit neuen Konkurrenten wie Billigfluglinien, Spielkonsolen, attraktiven Pop-up-Stores und Food-Trucks, Couchsurfing und Co müssen Tourismusorganisationen schlichtweg mehr bieten als launige Werbetexte und hübsche Bilder. Emotion rückt in den Mittelpunkt der Betrachtung erfolgreicher Markenführung im Tourismus. Im Tourismusmarketing wird es immer aufwändiger und komplexer, potenziellen Gästen zu gefallen, geschweige denn eine Interaktion oder sogar eine Reisebuchung auszulösen. Jahrzehntelang war Tourismusmarketing geprägt von wenig alleinstellendem Themenmanagement, mehr oder weniger kreativen Werbekampagnen, Titelseiten mit identischen Kernaussagen und hübschen Bildern und „Komm’ und Kauf"-Botschaften. Doch nun werden diese Instrumente immerzu wirkungsloser. Somit war schon in den letzten Jahren eine neue Entwicklung in der Vermarktung touristischer Dienstleistungen zu beobachten: Ausgehend von Freizeitanbietern und Bergbahnen entwickeln sich auch das Destinationsmanagement und Tourismusorganisationen weiter zu Gestaltern der touristischen Erlebnisse und beschäftigen sich verstärkt mit der Inszenierung der Markenpositionierung der gesamten touristischen Destinationseinheit. Immer mehr Destinationsmanagement-Organisationen verstehen sich heute schon als Servicegeber für Gäste und Gastgeber, beauftragen Szenografen, Dramaturgen, Künstler, Erlebnisgestalter, Architekten oder Landschaftsplaner und verzichten zunehmend darauf, Broschüren zu verteilen, Tourismusinformationen in Gemeindestuben zu betreiben oder als Standmieter auf Messeständen aufzutreten.

    Romeiß-Stracke (2006, S. 35) schreibt zur Notwendigkeit von Inszenierung:

    Dass die Dichotomie von echt und künstlich gerade im Tourismus eher Polemik denn Realität ist, sollte eigentlich jedem klar sein, der die Geschichte des modernen Tourismus in Europa kennt. Schon die Heimatverschönerungsvereine Anfang des 20. Jahrhunderts „inszenierten in gewisser Weise, wenn sie Blumenkübel und Bänke für die Fremden aufstellten, die zur Sommerfrische kamen. Und jedes weitere Hotel, jeder Kurpark, jeder Heimatabend veränderte die „Realität der Destination in Richtung „Hyperrealität[…] Das anzuerkennen heißt, den Gegensatz „künstlich und „echt" endgültig zu begraben und zu fordern, dass das ungeplant entstandene ästhetische Chaos durch Inszenierung geglättet wird.

    Im aktuellen Tourismusmarketing ist diese Forderung präsenter denn je – im Zeitalter der permanenten Veränderung und Weiterentwicklung durch den technologischen Wandel sind Orientierung, Verlässlichkeit, Wiederholbarkeit und ein planvolles „In-Szene-Setzen" der Freizeiterlebnisse als bleibende Erfahrungen für Touristen und Einwohner auch im Tourismusmarketing bedeutender denn je zuvor. Touristische Marken differenzieren, polarisieren und geben genau jene Orientierung, die nötig ist, um neue Funktionen im Destinationsmanagement zu erfüllen. Im Zeitalter der Demokratisierung des Webs und der vermeintlichen Bedeutung von Influencern ist heute bedeutender als je zuvor: Erlebnisgestaltung ist das neue Tourismusmarketing. Drei Fachmeinungen von Tourismusexperten skizzieren, warum Erlebnisgestaltung heute schon zu einer der neuen Kernaufgaben einer DMO geworden ist:

    1.

    „Die Herausforderungen bis 2030 erzwingen ein komplettes Neuverständnis für das Wesen der DMO. Hauptaufgabe der RTO (Anm.: regionale Tourismusorganisation) als DMO ist es, der Destination Richtung zu geben, sie zu entwickeln und zu vermarkten. […] 2030 reichen bisherige Service- und Dienstleistungen nicht mehr. Der Gast sucht tiefgreifende Unterstützung (deep support), denn er ist 2030 übertechnologisiert und will persönliche Betreuung. Die DMO nimmt dem Gast alles ab, was purer Alltag ist, um seine Zeit frei zu machen für intensive Erlebnisse. Als Freizeit-Hub ist die DMO Drehscheibe für alle Outdoor-/Kultur-/Kulinarik-Aktivitäten im Erlebnisraum." (Kohl und Partner 2016, S. 1 ff.)

    2.

    „The branding of experience is one of the most powerful contributions that tourism and leisure research has made to the marketing field. […] What is truly important is their (Anm.: consumers) overall satisfaction with the product use experience. […] From a tourism perspective, we similarly must recognize that the overall travel experience consists of a chain of transactions and behaviors that together define the travel experience." (Ritchie und Crouch 2003, S. 20 f.)

    3.

    Die Destinationsmanagement-Organisation von Kopenhagen definiert einen neuen Leitbegriff im Tourismusmanagement: Localhood. Das authentische Erfahren der lokalen Besonderheiten und echten Eigenheiten einer Destination, das Erfahren der Lebenskultur der Einwohner einer Destination und die Begegnung mit Menschen vor Ort (Einheimische und Besucher) sind einige der großen Sehnsüchte reisender Menschen. The experience of temporary localhood wird somit zu einem der wichtigsten Motive des Reisens von heute: „Today, fewer and fewer want to be identified as tourists. Instead, new generations of travellers seek out experiences that not only provide a photo opportunity, but also get their hands ‚dirty‘ and immerse them in the destination. The travellers seek out a sense of localhood, looking to experience the true and authentic destination – that which makes a destination unique. With the increasing number of providers and businesses that tap into the sharing and collaborative business potential, travellers gain increasing access to the local travel experience." (Wonderful Copenhagen 2016b, S. 5)

    1.3 Einsatzbereiche in der Tourismusindustrie

    Was ist daher für Tourismus- und Destinationsmanagement-Organisationen zu tun? Wie machen Touristiker sich fit für die Gäste der 20er-Jahre dieses Jahrtausends? Wie lassen sich touristische Marken denn überhaupt im nächsten Jahrzehnt, in einer Ära der Digitalisierung, der Individualisierung, der Globalisierung und der Erlebnisökonomie gestalten und führen?

    Die Antwort: Erlebnis ist das neue Marketing. Der Dramaturg Christian Mikunda hat „Sieben Hochgefühle" identifiziert, die Menschen zum Kaufen veranlassen. Auch im Tourismus haben die sieben Hochgefühle das Potenzial, das bisherige Themenmarketing und klassisches Themensetting abzulösen. Nach Mikunda (2012) sind

    Glory – die Erhabenheit,

    Joy – die Freude,

    Power – die Kraft,

    Bravour – die Raffinesse,

    Desire – das Bereichernde,

    Intensity – die Verzückung und

    Chill – die Entspannung

    jene sieben Hochgefühle, die auch im Tourismus eine emotionale Sehnsucht auslösen, eine Reise an den Ort dieses Gefühls zu tun. Sie symbolisieren das, was Kunden erleben wollen: „Kultur auf höchstem Niveau, Naturerfahrungen, die unser Leben verändern, Lifestyle-Inszenierungen, die ... (Anm.: touristische Dienstleistungen) ... mit echten, tiefen Erlebnissen verbinden." (Mikunda 2012)

    Diese Hochgefühle gilt es aus Sicht der Tourismusexperten im Sinne eines Konsumerlebnisses zu wecken.

    Fragen

    Warum fasziniert uns ein Schaufenster in Dubai, in dem eine Überfülle von 30, 40 goldenen Ketten angeboten wird?

    Warum freuen wir uns, wenn wir im Hotelzimmer entdecken, dass sich das überraschend große Bad hinter einer Schranktüre verbirgt?

    Können wir widerstehen, wenn wir inmitten eines Shopping-Centers auf einer überdimensionalen Landkarte unsere Heimat entdecken?

    Welcher Spieltrieb wird in uns ausgelöst, wenn unter der Glastreppe im Shop Sportschuhe vorbeizuschweben scheinen? Warum werden wir besonders aufmerksam auf „Pop-up-Stores", die nur wenige Tage an einem bestimmten Ort geöffnet sind? (Mikunda 2012)

    1.3.1 Markenführung mit strategischer Erlebnisplanung

    Marke ist mehr als ein Logo, launige PR-Texte und hübsche Postkartenmotive auf Broschüren. Marke ist, was Gäste spüren und fühlen. Vor vielen Jahren hat Franz Hirschmugl im Zuge eines Workshops sein Verständnis von Markenerlebnis mit folgendem Satz beschrieben: „Marke ist die verlässliche Wiederholung eines Versprechens oder Verhaltens von Produkten oder Dienstleistungen aus Sicht der Gäste." (Institut für Markenentwicklung 2003, o. S.)

    Franz Hirschmugl, Markenentwickler und Gründer des Instituts für Markenentwicklung Graz. (Institut für Markenentwicklung 2016a) Zu seinen Kunden zählen unter anderem die Österreich Werbung (Pinguine Joe & Sally), BILLA (BILLA Hausverstand) und die Therme Burgenland (Umbenennung in St. Martins Therme und Lodge). (Institut für Markenentwicklung 2016b)

    Genau diese verlässliche Wiederholung und der Wandel vom traditionellen Vermarkten von Angebotsbestandteilen hin zum emotionalen Gestalten von Gefühlen wurden in den Freizeit- und Erlebnisparks schon Jahre früher durch den Begriff Imagineering geprägt. Walt Disney hatte 1952 das Wort Imagineering als Verbindung der beiden Begriffe „Imagination und „Engineering geschaffen und ein Tochterunternehmen mit dem Namen Walt Disney Imagineering gegründet. Dessen Aufgabe war es, interdisziplinäre Experten vom Storyteller über Landschaftsplaner, vom Bühnenbildner bis zum technischen Ingenieur, vom Lichtdesigner über den Drehbuchautor bis hin zum Architekten in diesem Unternehmen zusammen an seiner Vision neuer Vergnügungsparks und magischer Storyboards arbeiten zu lassen, um neue Attraktionen und Erlebnisse zu erfinden. (Sklar 2010, S. 10 f.)

    Viele Jahre war dieser Ansatz der strategischen Erlebnisplanung mit Experience-Design-Methoden und Imagineering als Disneysierung im Tourismus verpönt. Zu Unrecht, wie sich nun herausstellt. Vielmehr hat Markenführung im Tourismus sich spätestens seit 1999 stark geändert und sich inzwischen als Erlebnisplanung entlang der Markenpositionierung touristischer Destinationen etabliert. Damals hatten Pine II und Gilmore (1998) den Begriff Erlebnisgesellschaft erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Abschn. 1.1) und einen fundamentalen Wandel propagiert. Kurz darauf verfassten sie nach einer Reise durch Europa, die sie aufgrund der lebendig erfahrbaren Geschichte dieses Kontinents dazu animierte, eine weitere Publikation und forderten darin Unternehmen auf, einen Chief Experience Officer einzurichten, um erfolgreiche Markenführung sicherzustellen:

    To ensure your success, do something those companies (Anm d. Autors.: Disney und Time Warner) have yet to do: name a Chief Experience Officer. To eliminate any potential confusion, shorten it to CXO, for Chief Xperience Officer. The XCO should be responsible and accountable for developing, launching and managing the rich portfolio of placemaking experiences you create in order to generate new sources of both revenue and profits in a world where authenticity is becoming the new consumer sensibility. The CXO should have primary responsibility for ensuring that what customers experience in these places matches what you are as a company, so they perceive your offerings and your company as authentic […]. (Pine II und Gilmore 2007, S. 175)

    Genau darum geht es auch heute mehr denn je beim Versuch, touristische Markenführung effizient umzusetzen: Place-Making mit authentischen, ehrlichen Bühnen-Utensilien wie Attraktionen, Museen, Innenstädten, Stadt-, Fluss-, See-, Berg- und Naturlandschaften ist das Gebot der Stunde. Place-Branding (Place Brand Observer 2018, o. S.) folgt als logische Konsequenz daraus und nutzt zeitgemäße Kommunikationskanäle von Youtube bis zu Snapchat, von Twitter bis zu Google Earth, um die authentischen Bühnenbilder der attraktivsten Reiseziele der Welt als snackable Content um die Welt zu tragen. Lokal, mobil und sozial verteilt von den wichtigsten Multiplikatoren für Tourismusdestinationen – von Menschen mit Hochgefühlen.

    Ist es nicht an der Zeit zu verlernen, was wir in den letzten 20 Jahren zu Destinationsmanagement und Tourismusmarketing gelernt und entwickelt haben? Was wäre, wenn wir die Absicht, touristische Werbeagentur zu spielen, im modernen Tourismusmarketing einfach sein ließen? Wie fühlte es sich an, wenn wir unsere Touristeninformationen auf die Straße oder dorthin verlegten, wo unsere Gäste sind? Wie wäre es, mit einem Neustart touristischer Markenführung – mit Erlebnissen und Emotionen?

    Gestalten und verstärken wir als touristische Organisation doch die Erlebnisse, Eindrücke, Erfahrungen und magischen Momente, die Gäste von und in unserer Reiseregion erfahren sollen. Beschäftigen wir uns doch mit Emotionen, Bedürfniserfüllung, Service Design und den Hochgefühlen, die das Reisen in den Menschen auslöst. Nennen wir das doch Placebranding mit Hochgefühlen.

    Anholt (2007, S. 1) führt dazu aus:

    Today, the world is one market. The rapid advance of globalization means that every country, every city and every region must compete with every other for its share of the world’s consumers, tourists, investors, students, entrepreneurs, international sporting and cultural events, and for the attention and respect of the international media, of other governments, and the people of other countries. […] We all navigate through the complexity of the modern world armed with a few simple clichés, and they form the background of our opinions, even if we aren’t fully aware of this and don’t always admit it to ourselves: Paris is about style, Japan about technology, Switzerland about wealth and precision, Rio de Janeiro about carnival and football, Tuscany about the good life, and most African nations about poverty, corruption, war, famine and disease.

    In diesem Sinne gilt es für touristische Destinationen, künftig existierende Klischees mithilfe von Erlebnisgestaltung entlang der Markenpositionierung zu verstärken oder mithilfe von Experience Design neue Produkterlebnisse entlang der Markenpositionierung aufzubauen, die geeignet sind, neue Stereotype zur Destination zu entwickeln und in der öffentlichen Wahrnehmung sichtbar zu machen.

    1.3.2 Produkterlebnisgestaltung und Imagineering

    Produktentwicklung im Tourismus ist stark mit dem Schaffen unvergesslicher Erfahrungen verbunden. Das Reisen als soziales und psychologisches Phänomen zu verstehen (Sehnsucht nach Erholung, Entspannung, Abenteuer, einer Gegenwelt zum Alltag, bereichernden Erfahrungen, wertvollen Begegnungen und Erinnerungen, ...), ist die Grundlage, um touristische Produkterlebnisse an den Reisemotiven der Gäste auszurichten. Die strategische Erlebnisplanung der Touristiker trifft dabei auf die Kundenerwartungen der Gäste. Konkreter formuliert: Emotionale Produktentwicklung ist das neue Marketing.

    Stickdorn und Schneider (2010, S. 46) beschreiben den heute stattfindenden Wandel im Marketing mit „Connecting with people, creating value" und visualisieren diese Entwicklung der Produktpolitik weg von taxativ aufzählbaren Produkteigenschaften wie beispielsweise Pistenkilometer oder Anzahl an Aufstiegshilfen hin zur Orientierung an den Bedürfnissen der Gäste und der Integration von Emotion und Gefühlen in das touristische Produkterlebnis.

    Der Einsatz von Methoden des Experience Designs, Service Design Thinking, des Imagineerings, des Storytellings, der Besucherlenkung und anderer interdisziplinärer Techniken hilft uns, die Erlebnisgestaltung unserer Produkte und Dienstleistungen emotional an den Bedürfnissen, Zielen und Wünschen der (potenziellen) Gäste auszurichten. Die neuen Aufgabenfelder im Tourismusmanagement, Dramaturgie, Erlebnisplanung, Imagineering, Attraktionsmanagement, Inszenierung, betreffen alle Ebenen der touristischen Dienstleistungskette – Verkehrsträger, Erlebnis- und Freizeitanbieter, Bergbahnen und Themenwelten, Museen und Ausstellungsstätten, Kulturinstitutionen, Hotels, Gastronomie, Handwerk, Handel, Landwirtschaft und natürlich auch Tourismusverbände, Regional-und-Destinationsmanagement-Organisationen. Und es betrifft in gleicher Weise Kommunen und die Einwohner der Tourismusregionen. Unter den Stichworten „Lebensraummanagement, „innerregionale/innerstädtische Ausflugsziele für Einwohner, „Attraktivität der Region für Arbeits- und Fachkräfte" ist die Erlebnisgestaltung der Region und der Freizeitaktivitäten für Bewohner und Arbeitnehmer heute höchst entscheidend, um als attraktiver Arbeits- und Lebensmittelpunkt für Menschen Bedeutung zu haben.

    1.3.3 Marketing mit Erlebnissen

    Pressereisen stellten seit jeher das Erleben der Destination in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch die moderne und derzeit gehypte Variante der Multiplikatoren des Reisens – genannt Blogger, Instagramer oder Influencer – reist im realen und digitalen Leben den Erlebnissen der Region und nicht den Hotels, Arrangements oder der Anzahl der Pistenkilometer hinterher. Die Österreich Werbung veranstaltet nun zweijährig für 400 bis 600 internationale Multiplikatoren im Bereich der Verkaufsförderung und Medienarbeit die Studienreise „atb experience statt der traditionellen Tourismusfachmessen, die jahrzehntelang durchaus erfolgreich in den größten Messehallen Wiens und den Bundesländern Österreichs stattfanden. Bergbahnen versuchen ein Alleinstellungsmerkmal mit „Gaudipisten (Dachstein West 2018, o. S.), Skicross-Slopes, Themenwegen, Aussichtsplattformen, Hängebrücken und neuerdings auch alpinen Eislauf-und-Nordic-Skating-Wegen auf „Augenhöhe mit den Berggipfeln" (Alpine Ice 2018, o. S.) zu erlangen.

    Doch Erlebnis und Inszenierung müssen nicht immer laut und garniert mit Action sein – ganz im Gegenteil. Schweiz Tourismus setzt als Grundlage für Marketing-Storys seit Jahren mit dem Projekt „Enjoy Switzerland" gezielt auf Erlebnisinszenierung (Schweiz Tourismus 2018a): „Differenzierende Erlebnisse rücken den Preis in den Hintergrund. Schweiz Tourismus (ST) richtet sich deshalb konsequent auf das Erlebnismarketing aus. Dies wird zum Beispiel beim Erlebnis „Spuren hinterlassen auf der Grand Tour deutlich (Schweiz Tourismus 2018b):

    Der Mensch hat in den Ferien das Bedürfnis, etwas mitzunehmen und etwas zu hinterlassen. Das zeigt sich bei vielen, z. T. zufällig gewachsenen Orten wie z. B. eine Dollar-Note in der Bar an die Wand pinnen, seine Initialen in der Öpfelchammer (Anmerkung der Autoren: „Äpfelkammer") in einen Balken schnitzen, seine Unterschrift in einem Gipfelbuch verewigen, eine Pflanze pflanzen, eine Münze in einen Brunnen werfen und vieles mehr. Diese Idee hat das Projekt Spuren hinterlassen aufgenommen. Es möchte dem Gast die Gelegenheit geben, seine ganz persönlich Spur zu hinterlassen und gleichzeitig etwas Ortstypisches zu erfahren. Ein weiterer Bestandteil des Tourismusmarketings von Schweiz Tourismus ist My Swiss Experience. Dank dieser Erlebnis-Datenbank erhalten nationale und internationale Gästen einfach Zugang zu einzigartigen und unvergesslichen Erlebnissen.

    Mit einer Erlebnisdatenbank bietet Schweiz Tourismus 700 geführte Touren an und vermarktet diese über deren internationale Kommunikationskanäle (Schweiz Tourismus 2018c).

    Auch das Marketing der Österreich Werbung kommuniziert in Kampagnen als zentrale Markenbotschaft ein Gefühl und keine Aktivitäten: „Ankommen und Aufleben". Als Grundlage dazu setzt sie seit Jahren nicht mehr auf Themenmarketing, sondern stellt Markenwerte wie Achtsamkeit, Kreativität, Lebensfreude und Verbundenheit in den Mittelpunkt der Kampagnen bzw. hat inspirierende Entfaltung als Markenkern der Marke Urlaub in Österreich identifiziert (Österreich Werbung 2018a, o. S.): „„Marke erlebbar machen – Um eine Marke zum Leben zu erwecken und dauerhaft in den Köpfen und Herzen der Zielgruppe zu verankern, bedarf es zahlreicher Aktivitäten, der richtigen Bilder und Worte. Und noch mehr: Moderne Marken lassen sich mit allen Sinnen erfahren. Die Österreich Werbung macht die Marke „Urlaub in Österreich erlebbar, sie kommuniziert mit der Zielgruppe an den Markenkontaktpunkten über verschiedenste Tools." Dazu zählt die Österreich Werbung beispielsweise die Bildsprache Spüren statt nur sehen: Die Magie der Bilder, eine eigene Klangmarke für Urlaub in Österreich und sogar das Geruchserlebnis eines Österreich-Urlaubs in Form eines speziellen

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