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Management-Intelligenz: Warum Spezialisten scheitern und wie Generalisten wirken
Management-Intelligenz: Warum Spezialisten scheitern und wie Generalisten wirken
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eBook312 Seiten4 Stunden

Management-Intelligenz: Warum Spezialisten scheitern und wie Generalisten wirken

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Über dieses E-Book

Was zeichnet Manager heute und in der Zukunft aus? Welche Tools sollte ein Manager wählen, um erfolgreich zu wirken? Fest steht eines: Für die Muße der Spezialisten bleibt kein Raum. Erfolgreiche Manager sind Generalisten mit einer breiten Prägung aus Wirtschaft, Technik, Jura, Psychologie und Kommunikation. Sie wissen: Schnittstellen werden zu Nahtstellen. Mit dem Panoramablick erfassen sie den Wandel der Zeit und rüsten Unternehmen für den globalen Verdrängungswettbewerb.

Management-Intelligenz ist erfrischend anders, rüttelt auf und regt an zum Umdenken. Der Autor konstatiert: Auf Spezialisten zu verzichten, das kann sich kein Unternehmen erlauben – aber die Perspektive muss sich wandeln. Er fordert eine Bildungspolitik, die starre Pläne ad acta legt und Karrieren fördert, statt hemmt. Die Zeit ist zu kostbar, um in einseitige Kompetenz, um in spitze Programme und falsche Ausrichtung zu investieren.

Generalisten auf dem Weg zum Top-Manager erhalten in diesem Werk Rückenwind und einen Feinschliff ihrer Fähigkeiten. Zukünftige Manager erfahren, wie sie ihre Karriere vorantreiben. Spezialisten mit Managementverantwortung erkennen, wie sie ihren Schwierigkeiten im Arbeitsalltag begegnen.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum25. Juli 2014
ISBN9783658051549
Management-Intelligenz: Warum Spezialisten scheitern und wie Generalisten wirken

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    Buchvorschau

    Management-Intelligenz - Julius Seebach

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

    Julius SeebachManagement-Intelligenz10.1007/978-3-658-05154-9_1

    1. Generell besser oder: Warum Spezialisierung in eine Sackgasse führt

    Julius Seebach¹  

    (1)

    Saarbrücken, Deutschland

    Julius Seebach

    Email: info@juliusseebach.com

    1.1 Vom Tempo der Zeit: gestern, heute und morgen

    1.2 Die Suche nach Problemen: Der lange Weg vom Spezialisten zum Topmanager

    1.3 Abkürzung statt Zeitverlust: Der schnelle Weg zum Topmanager

    Literatur

    Mit der NSA-Spähaffäre bricht das Vertrauen in das digitale Zeitalter zusammen. Die Privatheit zerbröselt vor unseren Augen zu Staub. Seit Wikileaks und Whistleblower uns Geschichten erzählen, die von bösen Absichten hinter dem Lächeln der Politiker handeln, ist der Glaube an Freiheit in den Grundfesten erschüttert. Seither mutet das Versprechen auf Persönlichkeitsrechte wie eine nicht zu erfüllende Prophezeiung an. Nichts ist mehr sicher, alles scheint transparent.

    Absichten, Gefühle, Gedanken werden mit hoher Strahlendosis durchleuchtet wie bei Röntgenaufnahmen. Die Industrie-, Gesellschafts- und Politikspionage weiß, wie wir ticken, denken, uns bewegen und kaufen. Sie ahnen, wer fremdgehen, betrügen, verletzen, terrorisieren wird. An unseren Profilen zeigen viele ein Interesse, von Markenunternehmen bis zu Banken, bis zu den Sozialsystemen, bis hin zur höchsten Ebene der Politik. Mit dem Wissen um zukünftige Leitzinsentwicklungen ließen sich Millionen an der Börse verdienen, mit dem Wissen um geheime Verhandlungsstrategien ganze Nationen vorführen. Um unsere Zukunft zu erfassen, um unser Denkmuster zu filetieren, dafür sammeln sie, was das kostbarste Gut der Märkte darstellt: Daten. Die großen Späher klauen sie aus Google, Microsoft, Facebook und Co. und würde die gesamte Dimension dieses leisen Dramas offenbart, es würde uns das blanke Entsetzen in die Glieder treiben.

    Niemand bleibt verschont, jede Spur wird entdeckt. Es gibt kein Versteck mehr, keine Insel der Gemütlichkeit, keine Steueroase, kein Plagiat bei Doktorarbeiten. Würden Sie heute entscheiden, ab sofort auf der Schreibmaschine zu tippen und nur noch Zeitung im Papierformat zu lesen, Sie würden dennoch Fährten hinterlassen. Sie würden entlarvt in Ihrem Denken und Handeln: durch Sensoren in Flughäfen, durch Paybackpunkte an der Supermarktkasse, durch Bildgebungsverfahren in der Medizin, durch Kreditkarten, durch die digitale Biometrik auf Ausweisen, durch Mobilgeräte. Selbst in der Wüste Afrikas auf dem Rücken eines Kamels, nur mit Wasserflasche und Leinenumhang ausgestattet, würden Sie geortet durch Google Earth oder Drohnen, auch wenn ein Sandsturm die Spuren verwischt.

    Information regiert die Welt

    Profile von Menschen und Unternehmen entstehen überall. Dieser Wahrheit müssen wir uns spätestens seit der Redseligkeit Edward Snowdens stellen: „Spionage ist nicht immer schlecht. Das größte Problem liegt in der neuen Technik der Massenüberwachung, bei der sich Regierungen milliardenfach der Kommunikation Unschuldiger bemächtigen." Keine einzige Information ist sicher auf keinem einzigen Glasfasermillimeter. Das verunsichert die Menschen bis ins Mark. Kommen Medienmeldungen hinzu, dass unlängst 18 Mio. E-Mail-Konten geknackt wurden in deutschen Landen, dann wackelt die Freiheit des Einzelnen auf seine individuellen Lebensentwürfe, auf seine ureigene Idee von Zukunft.

    Daten liefern Informationen und Informationen sind Macht. Diese Tatsache gilt besonders für intransparente Märkte wie die der Versicherungsbranche. Sie kämpft mit allen Mitteln gegen diese neue Transparenz an. Denn ihre bunten Storys in Verkaufsgesprächen lassen nicht länger den Kiefer des Kunden vor Erstaunen herunterklappen. Jede Behauptung wird überprüfbar und kann die Glaubwürdigkeit schmelzen lassen wie Schnee in der Sonne. Wissen ist kein Heiligtum mehr, selbst in der Domäne der Medizin – Google ist mittlerweile der erste Ansprechpartner für die Diagnose von Krankheiten. Doch was geschieht in einer Gesellschaft, wenn Zeugenschutzprogramme oder das Ärzte- und Rechtsanwaltsgeheimnis nicht mehr wirken oder Fakten bei Journalisten nicht mehr sicher sind? Wohin steuert die Entwicklung, wenn der Mensch mit seiner gesamten Persönlichkeit transparent erscheint?

    Daten geben Einblicke in das Gehirn der Menschen. Von diesem komplexen Organ aus startet jede Emotion und jede Aktion. Mit einem Erfassen der Gedankenwelt kann es gelingen, selbst die letzten Windungen der Persönlichkeit bloßzulegen. Neurowissenschaftler lassen sich heute von Unternehmen hoch bezahlen, um die Berechenbarkeit der Kunden zu sezieren. Das mag ein lohnendes Geschäftsgebaren sein, aber ich finde, diese Spezialisten missachten zuweilen die Frage: Wo endet die Lust auf Statistik und wo beginnt die Verpflichtung, das Recht auf Privatheit zu bewahren? Der Umgang mit Daten bedarf für mich ein hohes ethisches Bewusstsein. Wer Wissen für Kommerz missbraucht, wer das Machtkalkül über die Freiheit des Einzelnen stellt, der handelt nicht in einem ethischen Sinne. Bedenken wir: Totalitäre Regime missbrauchen das Informationsmonopol als Fundament ihrer Macht. Ein Manager muss den Fluch und den Segen des Technologiefortschrittes erkennen. Er muss sich stets fragen, ob er im Umgang mit Daten im Sinne der „Good Governance" handelt.

    Keine Strategie, kein Security-Mechanismus kann die Menschen schützen vor einem Datenmissbrauch. Einzig die Moral, die einhergeht mit einem hohen Grad an Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft, einzig das Bedenken von Konsequenzen verhindern die schädliche Wirkung. Dass mit dem neuen Zugang zu Informationen Plagiatsräuber Modemarken kopieren und ebenso mit gefälschten Pharmaprodukten die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzen, dürfen wir nicht ignorieren. Dass Spekulanten sich verführen lassen, Informationen zu früh und zum Schaden von Unternehmen zu missbrauchen, kann Kooperationen schlichtweg zur Gefahrenzone erklären.

    Für mich sind Wirtschaftskriege das Menetekel der Zukunft. Wir können es nur wegwischen, indem wir eine Antwort finden auf die Fragen: Wie kann es gelingen, die entscheidungsrelevanten Informationen legal herauszufiltern? Wie kann es gelingen, die Privatsphäre von Menschen, die Geheimnisse von Unternehmen zu schützen in dieser transparenten Welt? Jeder Winkel ist entdeckt. Jeder Meter ist vermessen. Mit Hilfe von Satellitensystemen wissen Industriestaaten, wo in den Entwicklungsländern Bodenschätze vorkommen, wo Pflanzen wachsen im Amazonasgebiet, deren Existenz für die Einwohner Reichtum bedeuten könnten, würden sie über das Wissen um die Aufbereitung verfügen. Der Umgang mit globalen Daten ist prickelnd für Forscher, aber bei einem kurzsichtigen und verantwortungslosen Umgang kann er verheerende Szenarien zeichnen. Dann werden die nächsten Generationen, die Kinder unserer Kinder, nur noch geplünderte Ressourcen vorfinden. Vielleicht hatte Albert Einstein genau an diese Ignoranz einzelner Spezialisten gedacht, als er mit seinem losen Mundwerk polterte: „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null. Und das nennen sie ihren Standpunkt."

    Gedankenspiele einmal anders

    Wie wäre es, wenn Gehirn- und Verhaltensforscher nicht mehr die Kundenprofile für Marketingabteilungen in Konzernen vorhersehen, sondern die Synapsen der Spione erkennen, um dem Spähsinn zuvorzukommen? Es bleibt eine Aufgabe der Politik, die Bürger zu schützen, einen Freiraum für Wirtschaft und Handel zu garantieren. Aber die verharrt auf ihrem Standpunkt …

    Lese ich die jährlichen Berichte der Ältestenräte, einer Gruppe hochspezialisierter Männer in Deutschland, die Faktisches und Fiktives beleuchten sollen, die kluge Sätze vor laufenden Kameras von sich geben, dann frage ich mich: Nehmen diese Räte unseren Zeitgeist überhaupt wahr? Erkennen diese Ältesten Chancen wie die einer sicheren europäischen Cloud? Oder versenken sie sich weiterhin in Problemdenken? Ein Frankfurter Banker sagte einen klugen Satz: „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit." Das könnte der Leitsatz sein für die verantwortlichen Konstrukteure im Haus Europas.

    Wenn ich bedenke, welchen Schatz diese Länder an Kultur und Wissen vereinen, dann wundere ich mich über das Jammern und Abgrenzen. Europa, mit seinen Ländern der Literaten, Musiker, Denker und Forscher, der Wissenschaftler in den Bereichen Medizin und Physik und Mathematik, der Historiker und Philosophen lässt seine Möglichkeiten, in der globalen Welt zu wirken, weit hinter sich. Gemeinsam könnten sie eine enorme Wirtschaftsmacht entwickeln und Daten nutzen, um Unternehmenswerte zu steigern, um Prozesse zu optimieren. Europa kann einen Machtausgleich im internationalen Wettbewerb bieten. Das aber bedeutet, auf der breiten Grundlage aller Erfahrungen zu handeln – entgegen falscher Melancholie einzelner Souveräne – bis hinein in die Unternehmen.

    Nicht an Symptomen doktern

    Der digitale Gedanke ist bekanntlich nicht neu. Das Gesicht des IT-Erfolgs Bill Gates zielte früh auf „information at your fingertips". Er kann als einer der Wegbereiter für die heutige Situation angesehen werden. Die Welt entwickelt sich zunehmend verschmolzen und rasanter. Genau hier liegt die Zukunft der Wirtschaft, wenn Unternehmen nicht nur über die Symptome klagen, sondern die Breite aller Möglichkeiten erfassen. Für das Management bedeutet das konkret: Frühstücksdirektoren haben keinen Platz mehr in der ersten Reihe. Führen heißt heute zu einem großen Teil vernetzt zu lenken in einer komplexen Welt. Breite fachliche Kenntnisse und vor allem ein übergreifendes Denken sind nötig. Bedenken wir: Heute stehen Schwellenländer in den Startlöchern, um morgen als Leistungsträger zu brillieren.

    Manger stehen unter einem hohen Druck, denn sie allein sind verantwortlich für Entscheidungen, für den nachhaltigen Erfolg – oder für ein Scheitern. Darauf sind sie zu reduzieren und entsprechend zu bewerten. Ein Blick auf die Versäumnisse vor und während der Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt im negativen Sinne, wie Führungskräfte unser aller Leben mitbestimmen, wie weit ihr Handeln in den Alltag eines jeden Bürgers hineinreicht. Für Croissant und Cappuccino in gepflegter Runde bleibt keine Zeit, denn die komplexen Reaktionen am Markt erfolgen heute in Echtzeit und sind nicht mit Pausen und Plaudern durchwebt. Und für die Spezialisierung, für das Betrachten von Informationen unter dem Mikroskop bleibt keine Zeit.

    Schallgrenze durchbrochen

    Es bleibt ein Faktum: Daten und damit Wissen, die uns Wettbewerbsvorteile in vergangenen Tagen sicherten, überfluten diese Welt. Bereits vor drei Jahren wurde die Zettabyte-Schallgrenze durchbrochen. Kennen Sie diese Größe? Es ist eine Zahl mit 25 Nullen hinter der 1. Und um Ihre Vorstellungskraft noch ein wenig zu kitzeln: Nach einer Studie von IBM erhöht sich die Datenflut um 2,5 Trillionen Byte – täglich. Nie zuvor änderte sich der Rhythmus der Daten rasanter. Nie zuvor lagen Gegenwart und Zukunft enger zusammen. Nie zuvor eröffnete die Verschmelzung der globalen Wirtschaftswelt größere Chancen, im Wettbewerb nachhaltig zu bestehen, wenn Wissen und Information sorgfältig zusammengefasst werden. Das ist eine Aufgabe des Managers. Ein Technical-Research-Manager von Gartner fand eine passende Metapher für diese Herausforderung: „Die Information ist das Öl des 21. Jahrhunderts und die ‚Analytics‘ der Verbrennungsmotor, der damit läuft." Und wie zur Bewahrheitung seiner Worte belegen im Februar 2014 erstmals zwei IT-Konzerne die beiden vordersten Plätze in der Liste der wertvollsten Unternehmen, gemessen am Börsenwert. Google ist mit 394 Mrd. € teurer als der Ölkonzern Exxon Mobil mit 388 Mrd. €. Apple steht mit 472 Mrd. € auf Platz 1 und überholte Exxon bereits zwei Jahre zuvor. [1]

    Im Sinne der „Big Data" geht es letztendlich für Unternehmen um zwei Aspekte: Sicherheitssysteme zu installieren und die Qualität der Daten zu erkennen, zu bewerten und zu sichern. Diese Management-Aufgaben halte ich für die vordringlichsten, um interne Transparenz und Erfolg zu wahren.

    Unter der Überschrift „Big Data richtig nutzen", veröffentlichte die Computerwoche [2] unlängst Auszüge einer beeindruckenden Studie: „Wer mit Big Data richtig umgeht, kann davon profizieren, wollen die Experten von McKinsey herausgefunden haben: „Handelsunternehmen wären in der Lage, ihre operative Marge um bis zu 60 % zu verbessern. Europäische Behörden könnten durch effizientere Prozesse jährlich bis zu 250 Mrd. € einsparen. Mit Hilfe von Lokalisierungsdaten ließen sich weltweit jährlich rund 100 Mrd. $ mehr Umsatz erzielen (…)."

    Wenn Manager nicht von Macht getrieben werden, sondern einzig den Wert des Unternehmens im Fokus haben, wenn sie in der Datenflut die Balance aus Ethik und Gewinnstreben halten, dann ist die Digitalität mehr Segen als Fluch. Um diesen Anspruch zu erkennen, möchte ich mich einmal umdrehen und in die Vergangenheit blicken. Es war nicht alles gut, vieles war schlecht und heute ist manches besser als damals. Mit dem Wissen um diese Entwicklung werden wir sagen können: Schnittstellen werden zu Nahtstellen und geheime Missionen zu Lehrstücken.

    1.1 Vom Tempo der Zeit: gestern, heute und morgen

    „Lerne was, dann bist du was – am besten wirst du Ingenieur", das sagten im vergangenen Jahrhundert unsere Großeltern zu ihren Kindern und wenn diese den Rat beherzigten, fanden sie einen Arbeitsplatz in einem Familienunternehmen, in den Dynastien der Wirtschaft. Welch ein Glück! Wer einmal das Diplom in der Hand hielt und den Fuß über die Schwelle setzte, der blieb. Für immer. Der diente sich hoch, durchlief die Abteilungen und färbte seine Gedanken mit den Visionen des Gründers. Seine Stelle hielt so lange wie seine Ehe. Wenn die Gesundheit es versprach, stand gar eine Doppelhochzeit in Gold mit Frau und Firma an. Mit den Jahren wurde der Ingenieur zum Unternehmens-Spezialist, und zwar konkurrenzlos.

    Es herrschte Fachkräftemangel in diesen Jahren ab 1950. Trotzdem kam zwangsläufig der Tag, an dem die Gründerfamilie mit feierlicher Miene ihren Spezialisten in die Chefetage bat. Mit stolzer Brust also trat der ein, residierte fortan in einem Büro, ausgestattet mit genageltem Ledersofa, Eichentisch und Wandvertäfelung. Endlich war er auf dem Zenit, ganz oben in der Hierarchie aller Abteilungen. Die Schufterei hatte sich gelohnt. Nun durfte er sich bis zur Rente zurücklehnen im Sessel mit Schaukeleffekt.

    Sie meinen, ich übertreibe? Mag sein. Jedoch: Viele dieser langgedienten Unternehmenssoldaten gaben ihrem Wirken als Frühstücksdirektoren eine Autorität. Eine Ruhe in Ehren steht uns gut, dachten sie. Dies war kein Problem, denn Wirtschaft war einfach und leicht überschaubar. Solche Karrieren aber sind Geschichte. Brötchenkrümel neben dem Weltgeschehen via Notebook, Tablet und Smartphone passen nicht mehr ins Selbstverständnis moderner Manager. Heute erklimmt die Erfolgsleiter nur der, der mit breitem Wissen und Know-how punktet, der konsequent sich die Zukunft auf dem Bildschirm kreiert, der die Kennzahlen im Unternehmen als Frühstückslektüre liest.

    Spätestens seit David Hasselhoff 1989 im blinkenden Lederoutfit mit „Looking for Freedom uns verkaufte, dass er die Berliner Mauer zu Fall brachte, den eisernen Vorhang öffnete und das sozialistische Böse zu Grunde sang, erleben wir eine Beschleunigung. Sie stellt sogar die Industrialisierung in den Schatten. Alles scheint möglich. Potenziert durch die parallele digitale Revolution können wir die Wertschöpfung anteilig und weltweit verteilen und dabei im Sinne der „Cross-Border-Value-Creation die jeweiligen Standortvorteile nutzen, und zwar vom spezifischen Know-how über gesetzliche Bedingungen bis zu Arbeitskosten. Wir sehen uns konfrontiert mit einem interdisziplinären Geflecht von Abhängigkeiten, mit rasanter globaler Verschmelzung sowie zunehmend mit gesättigten Märkten. Vermehrte Freihandelszonen und der Abbau von protektionistischen Subventionen tun ihr Übriges. Die Folge ist klar: Bei eingeschränktem Wirtschaftswachstum eskaliert der Kampf um Marktanteile in einem globalem Hyper-Verdrängungswettbewerb. Die Rahmenbedingungen und Segmente sind inflationäre und nichts mehr ist so beständig wie der beschleunigte Wandel.

    Als Fazit stelle ich fest: Es bleibt kein Raum mehr für Unternehmen, die ihren Mythos pflegen, die das Banner der Tradition wehen lassen. Charles Darwin ist bekannt für seine Aussage: „survival of the fittest". Er hat Recht! Unternehmen müssen heute anpassungsfähiger denn je sein, um zu überleben. Wenn Innovation fehlt, dann findet ein solcher Sirenengesang kein Echo mehr. Für Unternehmen und Länder gilt es, sich neu zu positionieren und jede Entscheidung wie einen Schachzug zu vollziehen. Für einen Manager muss heute schon morgen sein.

    Visionen von Gestern

    Betrachte ich die jährliche Landkreisstudie von Focus Money [3], so fällt auf, dass die Wirtschaft im Südwesten Deutschlands prosperiert und ihre Blüten bis hinein in die aufstrebenden BRIC-Staaten treiben können. Es sei denn Regierungen verhindern dieses Wachsen, so wie unlängst in Niedersachsen geschehen. Da scheiterte der Porsche-Chef Wendelin Wiedeking mit seinem Versuch, VW zu übernehmen an politischen Seilschaften zwischen Niedersachsen und Berlin und einer staatlichen Hürde: Um den genialen Coup verwirklichen zu können, hätte das VW-Gesetz im Sinne des Europarechts fallen müssen, das dem Land Niedersachen eine Sperrminorität bei 20 % der Anteile zusichert. Doch mit einer gehörigen Portion politischem Willen wurde dieses europäische Recht weit gedehnt wie Kaugummi und entgegen marktwirtschaftlicher Standards die Landes-Rolle mit seinem 20-Prozent-Anteil gesichert. Das Ende kennen wir und können daraus nur die Lehre ziehen, dass die unternehmerische Komplexität wächst und von einzelnen Spezialisten nicht durchdrungen werden kann.

    Einen weiten Fokus der Funktionäre hätte ich mir auch für meine Heimatregion Pirmasens gewünscht. Dort aber scheint die Stadt seit der Wende in einen Dornröschenschlaf gefallen zu sein, der seit nunmehr 20 Jahren anhält. Schlafen aber ist der sichere Unternehmenstod. Wachsein, Vorausdenken, Zukunft entwerfen, das sind die Trichter für Erfolg.

    Als einstige deutsche Schuhhochburg mit einer Vollbeschäftigung in Fabriken der Hersteller und der umliegenden Zulieferer war die Region selbstbewusst und wohlhabend. Es lebte sich sehr gut in Pirmasens. Das galt nicht nur für die selbsterkorenen Schuhbarone. Die Kinder wuchsen in Wohlstand auf. Zukunft umwehte ihre Ohren und selbst ohne Ausbildung verdienten sie als Erwachsene hervorragend in den Fabriken. Aber: „Unsere größte Gefahr ist nicht die Konkurrenz, sondern dass der Erfolg uns träge macht", bemerkt der Ex-Chef der Lufthansa Jürgen Weber. In Pirmasens hat sich dieser Satz als Wahrheit erwiesen. Heute schmückt sich die Region mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten im Land.

    Im Städte-Vergleich von Focus Money besticht die Stadt, umringt von wirtschaftlich starken Regionen, mit einer Flop-Platzierung, wie man sie sonst nur im Osten der Republik vorfindet. Das Leben dümpelt auf einem Hartz-4-Standard, weil die Verantwortlichen keine Strategien, keine Entscheidungen, keine Visionen hatten, als die Mauer fiel, als der Kalte Krieg kein Krieg mehr war, als die Grenzen sich öffneten für neue Produktions- und Absatzmärkte. Die Funktionäre sonnten sich in einem Glanz, der mit den Jahren stumpf wurde, stellten keine Weichen, um von neuen Möglichkeiten zu antizipieren. Mir fällt hierzu das Zitat des amerikanischen Leadership-Experten Warren Bennis ein: „Selbst erfolgreiche Unternehmen können sich in Zukunft zugrunde ruinieren, wenn sie weiterhin so vorgehen wie in der Vergangenheit." Das gilt ebenso für Städte, für Landkreise, für Nationen.

    Es war die Arroganz des Erfolgreichen, der nicht merkte, wie ihn die Globalisierung auf der Überholspur rechts liegen ließ. Selbst bis heute fehlt ihnen der Elan umzudenken. Stattdessen werben die Stadtverwalter noch immer in Monotonie mit dem Prädikat der Schuhstadt, anstatt die Schuhe zu Grabe zu tragen. Erinnerung kann zu Erfahrung werden. Aber ein Schwelgen in der Vergangenheit bedeutet Stillstand und der raubt jeglichem Neubeginn den Nährboden. Ich halte solch eine Verklärung vergangener Tage nicht nur für falsche Melancholie, sondern auch für gefährlich. Sie raubt den Kindern, der nächsten Generation die Lust auf Leistung. Armut macht dumpf. Denn ihre Vorbilder, die Eltern, verharren als Sozialhilfeempfänger und geben täglich ein Trauerspiel. Es gibt keine Ziele, keine Wünsche, keine Talente, nur Hoffnungslosigkeit. Diese Kinder werden früh lernen, einen Antrag für das Jobcenter auszufüllen. Denn Arbeitsverträge werden ihnen nicht geboten. Es sei denn, es gelingt ihnen, die Familie zu verlassen, der Region den Rücken zu kehren. Und damit beginnt das Altern in Pirmasens, das Sterben der übriggebliebenen Kleinunternehmen. „Die Vorstellung vom dauerhaft erfolgreichen Unternehmen ist ein romantischer Traum", warnte Tom Peters. Manchmal kann ein Aufwachen unsanft sein.

    Outsourcen und Image schärfen

    Hingegen sprinteten Adidas und Nike mit ihren vorausschauenden Strategieprogrammen davon. Sie lagerten ihre Produktion komplett aus und konzentrierten sich auf das Entwickeln und Vermarkten ihrer Schuhe, auf das Image und Design. Sie taten gut daran, zu einem Netzwerkspieler auf dem internationalen Markt zu werden und die Wertschöpfungskette im besten Sinne der Globalisierung zu knüpfen. Die von Professor Arnold Weissman gegründete Beratung für Familienunternehmen rät: „Strategisch empfehlenswert ist die Auslagerung von Wertschöpfungsaktivitäten, deren relative Kompetenz und strategische Bedeutung niedrig sind. Die Vorteile eines erfolgreichen Outsourcing liegen auf der Hand: Sie können sich auf Ihre Kernkompetenzen konzentrieren und vergeuden keine Energie mehr mit Leistungen, die nicht wertschöpfend wirken." Nun mögen die Menschenrechtsaktivisten aufschreien und schlechte Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern anmahnen. Dann antworte ich: Unternehmen können sich heute keine Fehler mehr leisten. Wer von Ausbeutung der Arbeitskraft in Entwicklungsländern spricht, der vergisst die größte Angst eines Unternehmens: den Imageschaden. Das Internet macht die Welt transparent. Unternehmen werben mit der Unterschrift unter dem Kodex und betonen, dass Entwicklungsarbeit nicht durch das Oktroyieren von Regierungen und NGOs entsteht, sondern durch das Grundrecht der Menschen auf Arbeit.

    Indien konnte nur zu einem Schwellenland aufsteigen, weil Arbeit und Bildung die Koordinaten boten, weil Freihandel, Digitalisierung und eine integrative Wirtschaftspolitik und letztendlich das Vertrauen in die Fähigkeit der Menschen vor Ort gegeben waren. Und ich bewundere die Hartnäckigkeit dieser Männer und Frauen, um am Fortschritt zu partizipieren. Sie denken positiv, nach vorne gerichtet, sie sind bereit zu lernen und zu lehren und hinderliche Reglementierungen abzuschaffen. Heute lassen etablierte Buchverlage ihre Seiten in Indien drucken, entstehen Feinkostketten mit indischen Waren. Ich frage mich, wie lange auf einem iPhone noch „Designed by Apple in California" steht.

    Um das Überleben und die maximalen Unternehmensergebnisse sicherzustellen, ist es für Manager nahezu eine Pflicht, die Ausrichtung stetig zu prüfen und anzupassen. So wandert die Textilindustrie seit einiger Zeit wieder verstärkt in die Türkei, weil die Wege im Vergleich zu Asien kürzer sind. Diese Entwicklung wird den straffen Produktlebenszyklen nach Quartalen gerecht und hilft, die steigenden Ölpreise bzw. Transportkosten gegenüber dem komparativen Vorteil chinesischer Niedriglöhne auszugleichen. „Die Paradoxie des Erfolgs ist, dass das, was dich zum Erfolg gebracht hat, dich nicht erfolgreich bleiben lassen wird." Stimmt, lieber Charles Handy, Erfolg ist keine verlässliche Größe.

    Die Lüge vom Fachkräftemangel

    Laut McKinsey verfügt Indien über 14 Mio. junger Universitätsabsolventen aller Fachrichtungen. Sie weisen sich mit einer siebenjährigen Berufserfahrung aus. Damit sind sie über die Lande hinaus begehrt. Und spinnen wir diesen roten Faden weiter durch die Wirtschaft, dann folgen jährlich weitere 500.000 Informatiker, Techniker und Ingenieure. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es jährlich 40.000 dieser Spezialisten. Und was folgern wir daraus? Bestens ausgebildete Inder werden zukünftig mit ihrem Know-how unseren Erfolg vorantreiben. Schon heute geben sie amerikanischen Schülern in deren Muttersprache virtuellen Nachhilfeunterricht. Sie füllen die Steuererklärung für deren Eltern aus. Das einfallslos diskutierte Thema rund um den Fachkräftemangel wird angesichts 80 Mio. Deutscher eher obsolet als gedacht: Wenn sich nur ein Prozent von mehr als zwei Milliarden Indern und Chinesen für ihr Spezialgebiet entscheiden, gibt

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