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Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching
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eBook1.743 Seiten17 Stunden

Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching

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Über dieses E-Book

Dieses Handbuch widmet sich den wissenschaftlichen Grundlagen des Coachings und zeigt deren Anwendungsmöglichkeiten anhand praktischer Beispiele auf. Damit liefert es insbesondere Coaches und Coachingausbildungen fundiertes Fachwissen als Fundament für ihre Profession. Wissenschaftler/innen finden einen aktuellen Überblick über den Stand der Forschung. Mit 70 Beiträgen ausgewiesener Fachexperten/innen verschiedener Länder und Disziplinen zu grundlegenden Schlüsselkonzepten im Coaching ist dieses Handbuch ein einzigartiges Referenzwerk. Die Beiträge beschreiben die praktische Anwendung des Wissens und beginnen dazu in der Regel mit einem Fallbeispiel aus dem Coaching.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum22. Mai 2018
ISBN9783662494837
Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching

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    Buchvorschau

    Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching - Siegfried Greif

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Siegfried Greif, Heidi Möller und Wolfgang Scholl (Hrsg.)Handbuch Schlüsselkonzepte im CoachingSpringer Reference Psychologie https://doi.org/10.1007/978-3-662-49483-7_7

    Coachingdefinitionen und -konzepte

    Siegfried Greif¹  , Heidi Möller²   und Wolfgang Scholl³  

    (1)

    Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Osnabrück, Osnabrück, Deutschland

    (2)

    Institut für Psychologie, Universität Kassel, Kassel, Deutschland

    (3)

    Institut für Psychologie, Humboldt-Universität zu Berlin & artop GmbH, Berlin, Deutschland

    Siegfried Greif (Korrespondenzautor)

    Email: sgreif@uos.de

    Heidi Möller

    Email: heidi.moeller@uni-kassel.de

    Wolfgang Scholl

    Email: schollwo@hu-berlin.de

    1 Einfluss durch Coachingdefinitionen und -konzepte

    2 Coachingdefinitionen und ihre Bezüge zu Coachingkonzepten

    3 Coachingkonzepte

    4 Unterschiede und Gemeinsamkeiten klären und diskutieren

    Literatur

    Zusammenfassung

    Es ist kontrovers, ob Coaching als Beratung einzuordnen ist. Der Beitrag behandelt verschiedene Definitionen von Beratung und Coaching und Merkmale, durch die sich Coaching von anderen personenzentrierten Interventionen abgrenzen lässt. Nach einem kurzen Abriss der vielfältigen theoretischen Wurzeln von Coaching werden heutige Coachingkonzepte kurz beschrieben, wie psychodynamische Konzepte, das GROW-Modell und zielorientiertes Coaching, systemische Coachingkonzepte, Neurolinguistisches Programmieren (NLP), kognitiv-behaviorale Coachingkonzepte, Lösungsorientierte Beratung, Positiv-psychologisches, Ergebnisorientiertes und Narratives Coaching. Die Autoren plädieren dafür, Coaching als übergreifende Profession zu konstituieren, dazu allerdings Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie das übergreifende Selbstverständnis der Profession zu klären.

    Schlüsselwörter

    CoachingdefinitionCoachingkonzepteBeratungsbegriffPsychodynamische KonzepteGROW-ModellZielorientiertes CoachingSystemische CoachingkonzepteNeurolinguistisches ProgrammierenKognitiv-behaviorale CoachingKonzepteLösungsorientierte BeratungPositiv-psychologisches CoachingErgebnisorientiertes CoachingNarratives Coaching

    1 Einfluss durch Coachingdefinitionen und -konzepte

    Was ist Coaching? Diese Frage kennen alle Coaches aus ihrer Praxis. Für eine Antwort brauchen sie eine schlüssige Beschreibung von Coaching und worin es sich von anderen Interventionen unterscheidet, möglichst eine nachvollziehbare Definition. Coaching zu definieren und seine besonderen Merkmale zu beschreiben gehört deshalb zu den elementaren professionellen Anforderungen an Coaches. Mit der Definition konstruieren sie die praktischen Zuständigkeitsansprüche ihrer Profession, wie Fietze (2015) professionssoziologisch einordnet.

    Manche sehen Coaching als eine Form der personenorientierten Beratung, andere gerade nicht als Beratung, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe. Raddatz (2006) sieht Coaching gänzlich als Beratung ohne Ratschlag mit der Begründung, dass Ratschläge grundsätzlich nicht funktionieren würden. Meinungsverschiedenheiten bei Definitionen sind nicht bloßer Streit um Worte, sondern verweisen auch auf unterschiedliche Coachingkonzepte, ja sogar einen Richtungsstreit über Wissenschaftsauffassungen und daraus abgeleiteten Coachingrichtungen (siehe Kap. „(Wie) Können Coaching-Praktiker*innen von Wissenschaft lernen?​" in diesem Handbuch). Durch Definitionen werden Reviere als Einflussbereiche abgesteckt. Wer sich innerhalb einer Profession mit seinem Konzept durchsetzt, schafft sich eine privilegierte Ausgangsposition bei potenziellen Kunden und beim Nachwuchs in der Ausbildung (Beck et al. 1980).

    Für Auftraggeber, Coachees und nicht zuletzt Coaches ist es von grundlegender Bedeutung, sich mit unterschiedlichen Coachingdefinitionen und -konzepten auseinanderzusetzen. Auf wenigen Seiten kann allerdings keine vollständige Darstellung geliefert werden, sondern nur eine Einführung mit Verweisen auf weiterführende Literatur.

    2 Coachingdefinitionen und ihre Bezüge zu Coachingkonzepten

    Definitionen sind aus heutiger wissenschaftstheoretischer Sicht (Gabriel 2004) nicht richtig oder falsch. Nach der klassischen Definitionslehre soll eine Coachingdefinition die zentralen Merkmale benennen, die vorliegen müssen, damit eine Interaktion als Coaching bezeichnet werden kann und gleichzeitig Merkmale angeben, wodurch sich Coaching von anderen Interaktionen unterscheidet. Wahren definiert Coaching als „individuelle Beratung von einzelnen Personen oder Gruppen in auf die Arbeitswelt bezogenen, fachlich-sachlichen und/oder psychologisch-soziodynamischen Fragen bzw. Problemen durch den Coach" (1997, S. 9). Wie in dieser Definition wurde (Business-)Coaching anfänglich oft nur auf die Arbeitswelt bezogen. Schon bald wurde jedoch der Gegenstandsbereich auf private Inhalte erweitert (Schmidt-Lellek und Buer 2011). Nach Rauen ist Coaching ein „personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess, der berufliche und private Inhalte umfassen kann und zeitlich begrenzt ist" (2001, S. 64; Hervorhebungen im Original). Anstelle der relativ unspezifischen individuellen Beratung bei Wahren wird hier als Kernmerkmal ein personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess als Charakteristikum des Coachings hervorgehoben.

    2.1 Schwierige Abgrenzung

    Die in beiden Definitionen aufgeführten Kernmerkmale sind nicht sehr genau spezifiziert. Es bleibt offen, welche Interaktionen als individuelle oder personenzentrierte Beratung bezeichnet werden können. Bedeutet dies, dass in der Beratung die Wünsche und Ziele der Person thematisiert werden oder dass sie Grundlage der Beratung sein müssen, damit die Interaktion als personenzentriert gelten kann? Wie sieht es dann mit den Interessen der Unternehmen aus, die die Coachingsprozesse ja oft zahlen? Selbst wenn dieses Merkmal eng gefasst wird, bleibt zu fragen, ob es zur Abgrenzung von anderen Beratungsformen ausreicht, etwa der Interaktionen in einer Berufsberatung oder in einem Fördergesprächs, das die Wünsche und Ziele der beratenen Person in den Mittelpunkt stellt.

    Sind genaue Beschreibungen der Merkmale von Coaching und Abgrenzungen zu anderen Interventionen wichtig oder nur für wissenschaftliche Definitionen erforderlich? Coaches und Verbände achten nicht auf Gütekriterien für Definitionen, sondern verwenden gern Formulierungen, die auf wichtige Merkmale hinweisen, dabei aber für Interessenten sehr prägnant formuliert sind. Ein Beispiel ist die Definition des weltgrößten internationalen Coachingverbands der International Coach Federation (ICF): „Coaching is partnering with clients in a thought-provoking and creative process that inspires them to maximize their personal and professional potential" (ICF 2015). Diese schöne Formulierung ist vermutlich sehr werbewirksam und kann daher als interessenbezogene, persuasive Definition (Gabriel 2004) angesehen werden. Sie taugt allerdings kaum zur Abgrenzung von Coaching, denn heutige Lernkonzepte (siehe Kap. „Lernen als Grundlage von Coaching" in diesem Handbuch) werden ebenfalls partnerschaftlich durchgeführt und fördern Nachdenken und Problemlösefähigkeiten sowie die persönlichen und beruflichen Potenziale.

    2.2 Coaching und Beratung

    Um das Besondere von Coaching herauszuarbeiten, werden in manchen Definitionen Erläuterungen ergänzt. In diesen Erläuterungen lassen sich mitunter Bezüge zu den zugrundliegenden Coachingkonzepten erkennen. So erläutert Rauen (2001, S. 63 f.), dass „Coaching keine ‚Ratschläge‘ [umfasst], sondern individuelle Prozessberatung im Sinne einer ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ und zur Selbstverantwortung [ist]". Ausgenommen wird ferner ausdrücklich die Behandlung psychischer Störungen.

    Die Formel Hilfe zur Selbsthilfe wird von vielen Coaches verwendet und drückt aus, dass Coaching darauf abzielt, die vorhandenen Potenziale oder Ressourcen ihrer Coachees zu aktivieren (siehe den Beitrag Kap. „Erfolgsfaktoren im Coachingprozess" in diesem Handbuch). Manche Coaches sehen darin eine wichtige Unterscheidung zur Beratung. Nun gibt es allerdings Beratungsdefinitionen, die Beratung als eine Hilfe zur Selbsthilfe verstehen. So ist nach Häcker und Stapf Beratung ein „vom Berater nach methodischen Gesichtspunkten gestalteter Problemlöseprozess, durch den die Eigenbemühungen des Ratsuchenden unterstützt/optimiert bzw. seine Kompetenzen zur Bewältigung der anstehenden Aufgabe/des verbessert werden." (Häcker und Stapf 2009, S. 122) Auch neuere konstruktivistische Beratungskonzepte, wie das systemische Konzept der integrierten Beratung von Handler (2007) grenzen diese ausdrücklich von der traditionellen Fachberatung ab. Ob Coaching als Beratung angesehen werden kann, hängt demnach davon ab, was unter Beratung verstanden wird. Deplazes et al. zeigen durch Mikroprozessanalysen von Expertenvideos, dass einschlägige Autoren in ihrer Coachingpraxis entgegen ihren konzeptionellen Lehrbuchüberlegungen u. a. durchaus geschlossene Fragen stellen und instruktive Elemente mit der Prozessberatung kombinieren.

    2.3 Coaching als Förderung ergebnisorientierter Selbstreflexionen

    Im durch Vertraulichkeit geschützten Rahmen des Coachings können die Coachees ihre Wünsche, persönlichen Motive und Ziele, aber auch ihre Ängste, Schwierigkeiten und Konflikte mit anderen Personen sowie ihre individuelle Situation und ihre Möglichkeiten ähnlich wie in der Psychotherapie sehr offen reflektieren (siehe Kap. „Selbstreflexion im Coaching" in diesem Handbuch). Die zunehmende Komplexität und Ungewissheiten der post-traditionellen Gesellschaft erfordern nach den Analysen des Soziologen Giddens (1991) diese individuelle Reflexivität des Selbst. Stelter sieht vor diesem Hintergrund die Funktion von Coaching darin, dass sie einen reflexiven Raum mit Zeit zur Selbstreflexion öffnet, um neue Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten (2013, S. 412, freie Übersetzungen). In Abgrenzung zu anderen Interaktions- oder Beratungsmethoden kann deshalb als wichtiges Merkmal von Coaching eine „systematische und intensive Förderung ergebnisorientierter Problem- und Selbstreflexionen" angesehen werden (Greif 2008, S. 59). Dies hat Coaching allerdings mit der Psychotherapie gemeinsam. Im Unterschied zur Psychotherapie steht bei den Reflexionen im Coaching der soziale und organisationale Kontext durch Problemreflexionen stärker im Vordergrund, (vgl. Kap. „Psychische Störungen im Coaching" in diesem Handbuch).

    Problem- und Selbstreflexionen können in kreisendes Grübeln ohne Ende abgleiten. Zu den besonderen methodischen Kompetenzen von Coaches gehört es, ergebnisorientierte Reflexionen zu fördern. Damit ist nicht gemeint, dass sie zu vorher festlegbaren Zielen führen müssen, sondern zu Ergebnissen (z. B. Aha-Erlebnissen oder auch Entscheidungen), die von den Coachees bewusst wahrgenommen und beschrieben werden können.

    Die komplette Definition von Greif umfasst weitere Merkmale:

    „Coaching ist eine intensive und systematische Förderung ergebnisorientierter Problem- und Selbstreflexionen sowie Beratung von Personen oder Gruppen zur Verbesserung der Erreichung selbstkongruenter Ziele oder zur bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung. Ausgenommen ist die Beratung und Psychotherapie psychischer Störungen." (Greif 2008, S. 59, Hervorhebungen wie im Original)

    Zu den einzelnen in der Definition verwendeten Begriffen und ihren theoretischen Grundlagen wird auf Greif (2008) verwiesen. So werden Ziele als selbstkongruent angesehen, wenn sie mit den Vorstellungen der Coachees über ihr ideales Selbstkonzept übereinstimmen.

    3 Coachingkonzepte

    In ihrem Buch über die Geschichte des Coachings, beschreibt Wildflower (2013) die vielfältigen gesellschaftlichen und konzeptuellen Einflüsse auf die Entwicklung von Coaching seit den Anfängen in den 1960er- und 1970er-Jahren. Zu den gesellschaftlichen Hintergründen zählt sie die Civil-Rights- und Selbsthilfe-Bewegung in den USA, sowie die Human Potential Bewegung und vor allem die Humanistische Psychologie. Als damaliges innovatives Zentrum für intellektuelle und spirituelle Diskussionen und kreative Ideenentwicklungen sieht sie das 1962 in Big Sur, Kalifornien (USA) gegründete Esalen Institut. Die Namen der Vordenker, die damals in Esalen eingeladen waren und Workshops oder Trainings durchgeführt haben, lesen sich wie ein kompletter Who-is-Who dieser Zeit. Viele ihrer Ideen sind bis heute Grundlagen der Coachingkonzepte. Um nur einige zu nennen: Abraham Maslow mit seiner humanistische Motivationstheorie und Utopie der Selbstverwirklichung in der Gesellschaft, Will Schutz und gruppendynamische Selbsterfahrungsgruppen, Carl Rogers mit seiner Begründung der humanistischen Psychologie und klientenzentrierten Therapie und Beratung, Fritz Perls mit seinen ersten Vorstellungen zur Gestalttherapie, die Familienpsychotherapeutin Virginia Satir, Timothy Leary mit seinem Plädoyer für freien Zugang zu psychodelischen Drogen, der Anthropologe Gregory Bateson mit seiner Kommunikationstheorie, der Physiker Fritjov Capra mit einem ganzheitlich-systemischen Ansatz und Brückenschlag zum Taoismus und zur östlichen Mystik, Alexander Lowen mit seiner Bioenergetik, der Wiener Neurologe und Psychiater Viktor Frankl und die existenzialistisch orientierten Psychotherapie als Suche nach dem Sinn des Lebens, Albert Ellis mit einer kognitive Wende der Verhaltenstherapie und Analyse irrationaler Überzeugungen, der Psychiater Eric Berne und seine Transaktionsanalyse (TA), der Informatiker und Psychologe Richard Bandler und der Linguist John Grinder, welche beide, wiederum beeinflusst von Workshops in Esalen und durch Therapeut/innen wie Satir, zusammen das Konzept des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) entwickelt haben oder der Rennfahrer Sir John Whitmore, der in seiner zweiten Karriere und seinem Studium humanistischer Psychologen wie Maslow und Rogers sein GROW-Konzept als Prozessmodell des Coachings entwickelt hat. Neben Wissenschaftlern waren in Esalen spirituelle Lehrer wie Alan Watts (Zen Buddhismus als neue Form der Psychotherapie) oder Schriftsteller mit ihren gesellschaftlichen Utopien vertreten wie Aldous Huxley (Schöne neue Welt) oder Ken Kesey (Einer flog über das Kuckucksnest).

    Die Vielfalt der Richtungen und Konzepte, für die Esalen als Diskussionsforum, Reflexions- und Experimentierort offen war, ist außergewöhnlich. Wissenschaftler/innen mit traditioneller empirischer Wissenschaftsauffassung waren genauso vertreten wie psychoanalytisch, kognitiv-behavioral oder konstruktivistisch ausgerichtete Therapeut/innen sowie auch spirituelle Lehrer verschiedener östlicher Lebensweisheiten. In Deutschland gab und gibt es kein vergleichbares Austauschforum. Wie die historische Aufarbeitung von Wildflower (2013) zeigt, lassen sich aus allen aufgeführten Konzepten bis heute erkennbare Folgerungen für Coaching ableiten, selbst wenn sie anscheinend in jüngeren Coachgenerationen in Vergessenheit geraten sind. Im Folgenden werden verschiedene Coachingkonzepte aus dieser Zeit und jüngere Konzepte kurz beschrieben. Für ausführliche Einführungen und weitere Konzepte verweisen wir auf Stober und Grant (2006); Palmer und Whybrow (2007) und Passmore et al. (2013) und zu verschiedenen Wissenschaftsrichtungen und evidenzbasierten Konzepten siehe Kap. „(Wie) Können Coaching-Praktiker*innen von Wissenschaft lernen?​" (in diesem Handbuch).

    3.1 Psychoanalytische oder psychodynamische Konzepte

    Nach Wildflower (2013) haben viele der heutigen Coachingkonzepte ihre Wurzeln in psychoanalytischen Therapierichtungen, die in neueren übergreifenden Ansätzen oft als psychodynamisch bezeichnet werden. Psychodynamisches Coaching wendet ein Verständnis von Organisationen und Führung sowie Methoden aus der psychoanalytischen Therapie auf den Coachingprozess an (vgl. Giernalczyk und Lohmer 2012). Neben den sichtbaren und erlebbaren Coachingfragestellungen werden auch individuelle und organisationale unbewusste Prozesse wie Abwehrmechanismen (siehe Kap. „Individuelle und kollektive Abwehrmechanisme​n im Coaching" in diesem Handbuch), Ängste und Widerstände analysiert, die das Verhalten des Coachees oder der gesamten Organisation prägen und einer realitätsbezogenen Erledigung von Aufgaben entgegenstehen (vgl. Haubl 2008; West-Leuer und Sies 2003). Neben der Fokussierung funktionaler Strukturen wie Aufgaben, Zuständigkeiten und Rollen sowie Persönlichkeits- und Führungsstil werden unbewusste Konfliktmuster und dominante Charakterausprägungen des Coachees mit einbezogen. Der psychodynamische Ansatz sieht den Coachee demnach in einem Kraftfeld, das von seiner Persönlichkeit einerseits und der Team- und Organisationsdynamik seiner Organisation andererseits bestimmt wird – vermittelnde Instanz ist dabei das Konzept der Rollen, die er einnimmt. Der psychodynamische Ansatz geht davon aus, dass im Rahmen eines Coachingprozesses die Entwicklungsorientierung von Menschen unterstützt wird. Durch eine zunehmende Bewusstwerdung persönlicher und organisationaler Muster und eigener Entwicklungswünsche werden Wachstum, Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit, aber auch die Möglichkeiten eines Positive Leadership gefördert.

    3.2 Das GROW-Modell und zielorientiertes Coaching

    Sir John Whitmore propagiert ein Coaching for Performance (Whitmore 1992). Das GROW-Modell bildet die Grundlage und steht als Akronym für die Anfangsbuchstaben der Wörter Goal setting (kurz- und langfristige Ziele), Realisierbarkeit prüfen (Umsetzbarkeit in der aktuellen Situation), Optionen (Wahlmöglichkeiten und alternative Strategien) und Was muss getan werden, wann, durch wen und mit dem Willen es zu tun. Damit Ziele von den Coachees motivierend definiert werden, empfiehlt Whitmore die bekannten SMART-Kriterien zu verwenden. SMART steht als Akronym für Spezifisch, Messbar, Akzeptiert, Realistisch und Terminiert (mit Zeitangaben versehen). Whitmore formuliert sein Modell sehr eingängig und verweist auf psychologische Theorien (Maslows Motivationstheorie, Zielsetzungstheorien und Emotionale Intelligenz) und praktische Erfahrungen.

    Tony Grant hat ein zielorientiertes Coaching entwickelt, das auf kognitionspsychologischen Theorien und Forschungen zur Selbstregulation basiert (siehe Kap. „Ziele im Coaching" in diesem Handbuch). Es kann als Prototyp eines wissenschaftlich fundierten bzw. evidenzbasierten Konzepts gelten, denn die theoretischen Grundlagenmodelle und die Wirksamkeit des Coachings wurden mit Untersuchungen überprüft, in denen die Ergebnisse mit Kontrollgruppen und zufällig ausgewählten Personen verglichen wurden.

    3.3 Verschiedene systemische Coachingkonzepte

    Viele Coachingausbildungen in Deutschland bezeichnen ihre Konzepte ausdrücklich als systemisch. Nach eine Analyse der Internetdarstellungen auf den ersten 50 Rangplätzen nach der sogenannten Linkpopularität sind es 55 % (Greif 2014). Es ist bemerkenswert, dass diese Einordnung in einer gleichartigen Stichprobe in den USA in keiner Ausbildungsbeschreibung gefunden wurden und in Großbritannien nur in 2 %.

    Was unter systemisch verstanden wird, ist sehr unterschiedlich (siehe Kap. „Systemtheorien als Grundlage im Coaching" in diesem Handbuch). Viele geben keine weiteren Erläuterungen. Manche verweisen auf die operativ-konstruktivistische Theorie sozialer Systeme von Luhmann (1984); König und Volmer (2002) orientieren sich in ihrem richtungsübergreifenden, gemäßigt konstruktivistischen systemischen Coaching an Weiterentwicklungen der personalen Systemtheorie von Bateson. Danach resultiert das Verhalten sozialer Systeme aus dem Zusammenwirken der handelnden Personen mit ihren subjektiven Deutungen, sozialen Regeln, wiederkehrenden Verhaltensmustern, der Systemumwelt sowie der bisherigen Entwicklung (zu verschiedenen konstruktivistischen Wissenschaftsrichtungen siehe den Beitrag Kap. „(Wie) Können Coaching-Praktiker*innen von Wissenschaft lernen?​" in diesem Handbuch). Weiterhin gibt es Coachingkonzepte, in denen z. B. orientiert an Satir oder anderen familientherapeutischen Konzepten (siehe Kap. „Systemtheorien als Grundlage im Coaching" in diesem Handbuch) die Berücksichtigung von Interaktionen in der Familie oder Gruppen als systemisch angesehen werden.

    3.4 Neurolinguistisches Programmieren (NLP)

    Richard Bandler und John Grinder haben in den 1970er-Jahren die sprachlichen Interventionen von erfolgreicher Psychotherapien der Familientherapeutin Virginia Satir, des Gestalttherapeuten Fritz Perls und des Hypnotherapeuten Milton Erickson analysiert und versucht, diese und andere bewährte therapeutische Methoden auf Grundlage eines konstruktivistischen Kommunikationsmodells zusammenzuführen (Bandler und Grinder 1975). Beispiele ihrer Grundannahmen sind, dass sich Menschen nach ihren bevorzugten Sinneskanälen als unterschiedliche Lerntypen einteilen lassen und dass bestimmte nonverbale Reaktionen der Coachees Aufschlüsse über innere Prozesse geben (z. B. Blick nach links oben bedeutet, dass sich die Person an etwas visuell erinnert). Die überwiegende Zahl der vorliegenden Untersuchungen zu den Annahmen und Wirkungen von NLP liefern jedoch keine Bestätigung (Sharpley 1987; Witkowski 2010). Da die Annahmen trotzdem beibehalten werden, gilt NLP als Bespiel für eine pseudowissenschaftliche Theorie. Die Verwendung suggestiver hypnotherapeutischer Interventionen kann zudem als manipulativ eingeordnet werden, wenn sie anders als bei Erickson (2000) ohne vorherige Aufklärung der Coachees eingesetzt werden. Ungeachtet dieser seit langem bekannten Einwände erreichen NLP-Konzepte in Coachingausbildungen nach der Studie von Greif (2014) in Deutschland eine hohe Internetpopularität von 36 % (in den USA dagegen nur 13 %).

    3.5 Kognitiv-behaviorale Coachingkonzepte

    Im Unterschied zur klassischen Verhaltenstherapie liegt der Fokus kognitiv-behavioraler Konzepte und Methoden der Psychotherapie auf einer Analyse und Veränderung des Verhaltens sowie der beteiligten Kognitionen und Emotionen. Nach dem im Coaching oft verwendeten ABC-Modell von Ellis (1993) werden zu Ereignissen, die als aktivierend oder widrig erlebt werden (A) die subjektiven und möglicherweise irrationalen Überzeugungen (Beliefs) (B) analysiert sowie die emotionalen Konsequenzen (C). Nach einer Disputation und Veränderung der irrationalen Überzeugungen (D) kann man im Coaching nach Ellis eine Veränderung der emotionalen Folgen und Effekte (E) erwarten.

    Kognitiv-behaviorale Coachingkonzepte stützen sich meist nicht nur auf ein einzelnes Modell, sondern integrieren weitere therapeutische Theorien und Methoden. Sie profitieren dabei von aktuellen Weiterentwicklungen und Erkenntnissen der umfangreichen weltweiten Anwendung und Forschung. Ein Beispiel ist der integrative Ansatz von Palmer et al. (2008) im Coaching. Neben einer Weiterentwicklung des Modells von Ellis stützen sie sich auf Problemlösekonzepte, imaginative Methoden und vielfältige Stress- und Selbstmanagement-Methoden.

    3.6 Lösungsorientierte Beratung

    Wer sich als Coach strikt am Konzept der lösungsfokussierten Beratung nach de Shazer ausrichtet (De Shazer und Dolan 2008), meidet Problemanalysen, weil sie zu einer vergangenheitsbezogenen Problemfixierung führen können. Stattdessen versucht man die Coachees auf Lösungen zu fokussieren, die auf ihren Erfahrungen beruhen. Dazu verwendet de Shazer die bekannte Wunderfrage:

    „Stellen Sie sich vor, heute Nacht geschieht ein Wunder, und das Problem, über das wir gerade sprechen, ist gelöst. – Worin könnte, wenn Sie dann morgen früh aufwachen, die kleine Veränderung bestehen, sodass Sie sagen werden »Toll, es muss etwas passiert sein – das Problem ist weg!«" (vereinfacht nach De Shazer und Dolan 2008, S. 78).

    Wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Wirksamkeit der Methode als psychotherapeutische Kurztherapie (De Shazer und Dolan 2008). Sie lässt sich unverändert ins Coaching übertragen. Allerdings zeigen Erfahrungen, dass sie nicht von allen Coachees angenommen wird und dass es Reaktanz erzeugt, wenn man sie bei einer Person mehrfach hintereinander verwendet.

    3.7 Positiv-psychologisches Coaching

    Die Positive Psychologie geht ähnlich wie die lösungsfokussierte Beratung davon aus, dass Interventionen positiver wirken, wenn sie lösungs- oder stärkenorientiert direkt auf positive Folgen ausgerichtet sind. Sie versteht sich als ein übergreifendes Forschungsprogramm für alle Grundlagen- und Anwendungsgebiete der Psychologie. Alle Erkenntnisse sollen zusammengetragen und durch Forschungen erweitert werden. Das Programm ist theoretisch und methodisch wesentlich offener als die lösungsorientierte Beratung. Ein Zentrum für Positiv-psychologisches Coaching (Kauffman et al. 2010) ist das Harvard Institute of Coaching (Cambridge, USA).

    3.8 Ergebnisorientiertes Coaching

    Das ergebnisorientierte Coaching (Greif 2008) integriert empirisch abgesicherte Erkenntnisse der anwendungsorientierten Grundlagenforschung, z. B. zur Selbstkonzepttheorie als Grundlage der ergebnisorientierten Selbstreflexion (siehe Kap. „Selbstreflexion im Coaching" in diesem Handbuch) und verschiedener Anwendungsdisziplinen. Berücksichtigt werden nicht nur Zielklärungen nach den SMART-Kriterien, sondern auch Reflexionen mit Coachees über ungenaue Ziele oder Identitäts- und Sinnklärungen. Anders als beim positiv-psychologischen Coaching wird den Coachees Raum gegeben, negative Erlebnisse und Probleme zu reflektieren, allerdings immer verbunden mit positiven Ressourcenaktivierungen.

    Das ergebnisorientierte Coaching wurde bewusst nicht als abgeschlossene Theorie ausformuliert, sondern als ein für Veränderungen und Erweiterungen offenes Theoriengerüst. Die integrierten Konstrukte und Annahmen werden dabei nicht einfach eklektisch nebeneinandergestellt, sondern mit zusammenpassenden Definitionen und Annahmen redefiniert.

    3.9 Narratives Coaching

    Grundannahme der Narrativen Therapie von White und Epston (1990) ist, dass sich die individuelle Identität durch die Geschichten formt, die das Individuum über sich und seinen Lebenslauf erzählt. Wichtig sind dabei besonders Geschichten und Misserfolgserlebnisse, die mit starker emotionaler Beteiligung immer wieder erzählt werden. Drake und Stelter (2014) konzipieren Narratives Coaching als sehr freies, gewissermaßen philosophischen Gespräch. Die reflexiven Gespräche sollen helfen, (1) sich der eigenen Geschichten bewusst zu werden, (2) zu erkennen, dass sie persönlich und sozial konstruiert sind, (3) zu verstehen, wie sie die Identität und Verhalten bewusst und unbewusst beeinflussen und (4) bewusst zum Autor der eigenen Geschichten zu werden und sie authentisch mit der eigenen Identität in Einklang zu bringen.

    4 Unterschiede und Gemeinsamkeiten klären und diskutieren

    Die wiedergegebenen Coachingdefinitionen und -konzepte unterscheiden sich in den herausgestellten Merkmalen und Interventionsansatzpunkten. Anscheinend gibt es keinen Konsens zwischen Coaches über Coachingkonzepte und darüber, was sie unter Coaching verstehen. Unterschiede und Streitfragen werden allerdings nach unseren Beobachtungen noch nicht einmal auf Fachtagungen offen diskutiert, sondern informell innerhalb von Gruppen mit ähnlicher Ausrichtung. Um potenziellen Kunden an das eigene, bessere Konzept zu binden, werden sie ebenfalls informell als Vorbehalte gegenüber anderen Konzepten kommuniziert. Coaching kann sich jedoch als übergreifende Profession, die für unterschiedliche Richtungen, Konzepte und Methoden offen ist, nur konstituieren, wenn Unterschiede und Gemeinsamkeiten, sowie das übergreifende Selbstverständnis der Profession gemeinsam diskutiert und geklärt werden.

    Unterschiede und Konflikte innerhalb der Profession können Coaching bereichern und im Wettbewerb der Konzepte interessante Erweiterungen anregen. Voraussetzung ist, dass sie inhaltlich informiert und kooperativ ausgetragen werden. Coaching fehlt dafür heute jedoch ein engagiertes Austausch- und Diskussionsforum wie es Esalen in den 1960er- und 70er-Jahren war. Möglich wäre, solchen Disputen und Klärungsversuchen mehr Raum auf Tagungen, in Fachzeitschriften oder in richtungsübergreifenden Buchpublikationen zu geben, so wie exemplarisch im vorliegenden Handbuch.

    Literatur

    Bandler, R., & Grinder, J. (1975). Metasprache und Psychotherapie (3 Bde). Paderborn: Junfermann.

    Beck, U., Brater, M., & Daheim, H. (1980). Soziologie der Arbeit und der Berufe. Reinbeck: Rowohlt.

    De Shazer, S., & Dolan, Y. (2008). Mehr als ein Wunder. Lösungsfokussierte Kurztherapie heute. Heidelberg: Carl-Auer.

    Drake, D. B., & Stelter, R. (2014). Narrative coaching. In J. Passmore (Hrsg.), Mastery in coaching. A complete psychological toolkit for advanced coaching (S. 65–96). London: Kegan Page.

    Ellis, A. (1993). Grundlagen der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie. München: Pfeiffer.

    Erickson, M. H. (2000). Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson. Salzhausen: iskopress.

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    Giddens, A. (1991). Modernity and self-identity: Self and society in the late modern age. Cambridge: Blackwell (Kindle Edition 2013).

    Giernalczyk, T., & Lohmer, M. (Hrsg.). (2012). Das Unbewusste im Unternehmen. Psychodynamik von Führung, Beratung und Change Management. Stuttgart: Schäffer & Poeschel.

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    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Siegfried Greif, Heidi Möller und Wolfgang Scholl (Hrsg.)Handbuch Schlüsselkonzepte im CoachingSpringer Reference Psychologie https://doi.org/10.1007/978-3-662-49483-7_9

    (Wie) Können Coaching-Praktiker*innen von Wissenschaft lernen?

    Wolfgang Scholl¹  , Siegfried Greif²   und Heidi Möller³  

    (1)

    Institut für Psychologie, Humboldt-Universität zu Berlin & artop GmbH, 10099 Berlin, Deutschland

    (2)

    Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität Osnabrück, Osnabrück, Deutschland

    (3)

    Institut für Psychologie, Universität Kassel, Kassel, Deutschland

    Wolfgang Scholl (Korrespondenzautor)

    Email: schollwo@hu-berlin.de

    Siegfried Greif

    Email: sgreif@uos.de

    Heidi Möller

    Email: heidi.moeller@uni-kassel.de

    1 Einleitung

    2 Wissenschaftsauffassungen und Coaching-Richtungen

    3 Wie können wissenschaftliche Ergebnisse für die Praxis genutzt werden?

    4 Fazit

    Literatur

    Zusammenfassung

    Das vorliegende „Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching" vermittelt wissenschaftliche Theorien, Konzepte und Anwendungsbeispiele, die für Coaches in Ausbildung und Praxis nützlich sein können. Es gibt jedoch ganz verschiedene Auffassungen, ob und ggf. wie Praktiker*innen von Wissenschaft lernen können. Empirisch-analytische und konstruktivistische Auffassungen werden dazu diskutiert und zu klären versucht. Darauf aufbauend wird die Chance wechselseitiger Ergänzung von praktischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Coaching-Praxis herausgearbeitet. Das vorliegende Kapitel liefert damit eine einleitende Begründung für die Idee dieses Handbuchs.

    Schlüsselwörter

    BeobachtungBestätigungEmpirisch-analytische WissenschaftKonstruktivismusRealitätViabilitätWahrheitWissenschaftsauffassungenWissenschaftstheorieWissenschaft und Praxis

    1 Einleitung

    Das vorliegende „Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching vermittelt wissenschaftliche Theorien und Konzepte, die für Coaches in Ausbildungen und in Praxis nützlich sein können. Zu allen Schlüsselkonzepten werden Anwendungsbeispiele und Anwendungshinweise beschrieben, um dem weit verbreiteten Wunsch vieler Praktiker∗innen nachzukommen, relevante wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Arbeit gut aufbereitet zu erhalten. Verbreitet ist jedoch bei vielen Praktiker*innen auch eine erhebliche Skepsis gegenüber dem Nutzen wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Praxis. Genauer betrachtet lassen sich nach unseren Beobachtungen folgende ganz unterschiedliche Einstellungen gegenüber wissenschaftlichen Ergebnissen finden: (1) Enthusiastische Aufnahme wissenschaftlicher Erkenntnisse (aktuell z. B. aus der Hirnforschung), sogar dann, wenn unklar bleibt, inwieweit diese Erkenntnisse das praktische Handeln verändern. (2) Große allgemeine Skepsis gegenüber der Geltung bestimmter wissenschaftlicher Erkenntnisse; Wissenschaftler*innen kritisieren ja selbst viele Untersuchungsergebnisse und betrachten sie nach neuen Ergebnissen schnell als „überholt. Da ist die Frage naheliegend, welche Erkenntnisse denn wohl Bestand haben? (3) Grundsätzliche Ablehnung der Wissenschaft, weil sie einen uneinlösbaren Wahrheitsanspruch habe. Manche Praktiker*innen sagen dementsprechend, dass es sie nicht interessiert, ob ihr Wissen „wahr oder „falsch ist, sondern nur pragmatisch, „ob es funktioniert". (4) Heraushalten aus dem schwierigen Streit innerhalb der Wissenschaft über verschiedene Auffassungen von Wissenschaft und zum Verhältnis zwischen Praxis und Wissenschaft; man hält sich besser heraus, weil sonst alles zusätzlich verkompliziert wird. (5) Resignation gegenüber der unübersehbaren Fülle von Erkenntnissen. Selbst Vollzeit-Wissenschaftler*innen überblicken ja oft nur ihr eigenes kleines Forschungsgebiet; von Praktiker*innen kann man nicht erwarten, dass sie ihre kostbare Weiterbildungszeit auch noch für die uferlose Suche nach anwendbarem wissenschaftlichem Wissen opfern.

    In der folgenden Darstellung werden diese verschiedenen Positionen genauer analysiert und mit der Zielsetzung aufgearbeitet, mehr Klarheit zu schaffen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Brücken zwischen Wissenschaft und Praxis geschlagen werden können. Da allgemeine Skepsis gegenüber Wissenschaft (Position 2) und der Streit innerhalb der Wissenschaft (Position 3) den anderen Positionen vorgelagert sind, beginnt die Darstellung zunächst mit einer Beschreibung der dazu vorfindbaren relevanten Wissenschaftsauffassungen mit Bezügen zur Anwendung im Coaching. Anschließend wird zur Klärung der 1. und 4. Problemposition das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis im Hinblick auf die jeweiligen Möglichkeiten systematisch dargelegt.

    Zur 5. Problemstellung, der unübersehbaren Fülle und Aktualität des wissenschaftlichen Wissens, ist es erforderlich, das aktuelle wissenschaftliche Wissen für das Anwendungsfeld Coaching übersichtlich zusammenzustellen. Genau diese Zielsetzung verfolgt unser Handbuch. Zahlreiche Fachwissenschaftler*innen und Praktiker*innen präsentieren Coaching-relevante Erkenntnisse aus ihren Arbeitsgebieten kompakt und verständlich und geben jeweils exemplarische Anwendungsbeispiele. Fachvertreter mit unterschiedlichen Wissenschaftsauffassungen aus vielen Ländern konnten als Autor*innen gewonnen werden. Das Handbuch liefert damit ein Modell, wie Brücken zwischen Wissenschaft und Praxis geschlagen werden können. Die jeweiligen Autor*innen würden sich über kritische Kommentare und Ergänzungen aus Wissenschaft und Praxis freuen, um ggf. die einzelnen Online-Kapitel dieses Handbuches sukzessive verbessern zu können.

    2 Wissenschaftsauffassungen und Coaching-Richtungen

    Wissenschaftstheorie ist in der Philosophie ein riesengroßes Gebiet, im Grunde viel zu groß für einen kurzen Handbuchartikel. Im Folgenden werden daher nur die Wissenschaftsauffassungen behandelt, die im Coaching-Feld häufig vertreten sind, nämlich (1) die empirisch-analytischen und (2) die systemisch-konstruktivistischen. Erstere sind vor allem in Psychologie und anderen Sozialwissenschaften anzutreffen, letztere vor allem in den Sozialwissenschaften und in der Pädagogik und beide auch unter Coaching-Praktiker*innen.

    2.1 Empirisch-analytische Wissenschaftsauffassungen

    Wissenschaftler haben mit wissbegierigen Kindern gemeinsam, dass sie Warum-Fragen stellen, um die Ursachen dafür zu ergründen, was um sie herum geschieht. Neuere analytisch ausgerichtete Wissenschaftsauffassungen analysieren, wie solche Warum-Fragen durch wissenschaftliche Erklärungen beantwortet werden können (vgl. Schwemmer 2005). Erklärungsversuche können durch unerwartete Ereignisse, explorative Studien, kritische Betrachtung existierender Erklärungen oder neue Ableitungen aus bewährten Theorien motiviert sein. Mit zunehmendem wissenschaftlichem Fortschritt werden aus einzelnen Erklärungen umfassende allgemeinere Theorien formuliert, aus denen sich weitere Erklärungen als Hypothesen ableiten und überprüfen lassen. Diese Erklärungen können als Annahmen bzw. Hypothesen in Form sprachlicher Aussagen formuliert sein oder als mathematische Modelle und Computersimulationen. Die Hypothesen oder Modelle können durch verschiedenste Untersuchungsformen geprüft werden, angefangen mit gut angelegte Fallstudien oder Dokumentenanalysen bis hin zu Labor- oder Feldexperimenten sowie großzahligen Feldbefragungen oder Sekundäranalysen vorhandener Daten.

    Es wäre eine naive Wissenschaftsauffassung, wenn man sich erhofft, durch viele Untersuchungen herausfinden zu können, was eindeutig „wahr oder „falsch ist oder die „Wahrheit" zu ergründen. Seit Poppers Kritik am Positivismus der Wiener Schule (1934/2005) wird von den meisten Wissenschaftstheoretikern anerkannt, dass man durch empirische Untersuchungen niemals beweisen kann, dass eine Theorie oder Annahme „wahr oder „richtig ist. Wahrheit ist kein mögliches Forschungsergebnis, sondern eine regulative Leitidee im Sinne eines allgemeinen Strebens nach Wahrheit und Ablehnens von Unwahrheit, von „Fake-Wissen und Betrug. Wissenschaftler*innen sind dieser Leitidee verpflichtet, auch wenn sie nicht erkennen können, wie weit sie mit einer besseren Erklärung oder Forschungsstudie der „Wahrheit nähergekommen sind. Das „näherkommen gilt nur im Vergleich mit weniger guten Erklärungen, die das, was beobachtet wird, z. B. unterschiedlich hohe Zielerreichungsgrade mit verschiedenen Coachingmethoden, nicht so genau erklären. Nach dieser Wissenschaftsauffassung muss man sich grundsätzlich immer kritischen empirischen Prüfungen stellen, ob sich die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen (oder Modelle) in einer Studie vorläufig bewährt haben, am besten im Vergleich zu alternativen Hypothesen. Gelingt es auch bei wiederholten kritischen Prüfungen, die Ergebnisse von Untersuchungen vorherzusagen und dabei einen möglichst hohen Prozentsatz der gefundenen Varianz zu erklären? Wenn die Prüfung positiv ausfällt, dann hat sich die Theorie „vorläufig bewährt und kann Ausgangspunkt für Untersuchungen in anderen Kontexten sowie für tiefergehende oder umfassendere Erklärungen werden. Wissenschaftlicher Fortschritt besteht darin, dass Annahmen nach empirischer Prüfung durch veränderte oder neue Annahmen ersetzt werden können, die genauer sind und/oder mehr Aspekte erklären. Die Genauigkeit der Vorhersage ist ein erstes Vergleichskriterium, ein zweites ist der Erklärungsgehalt, das ist die Menge und Reichweite der kontextbezogenen Hypothesen bzw. der intendierten Anwendungen, die aus einer Theorie abgeleitet werden können.

    Wissenschaftliche Erklärungen für konkrete Ereignisse bzw. Untersuchungshypothesen sollen deduktiv logisch aus Theorien abgeleitet sein. Ein Beispiel ist die allgemeine Zielsetzungstheorie (Locke und Latham 1990), nach der Ziele zu umso besseren Ergebnissen führen, je höher und spezifischer die Ziele sind. Daraus folgt, dass umfassendere und allgemeinere Ziele in überschaubare Teilziele bis hin zu konkreten Umsetzungsabsichten heruntergebrochen werden sollten, was sich in der Forschung bei unterschiedlichen Zielen in zahlreichen Untersuchungen bestätigt hat (Gollwitzer und Sheeran 2006). Wie weiterführende Untersuchungen belegen, ist die Zielklärung, wie im Coaching auch üblich, nur ein Ausgangspunkt (s. Kap. „Motivation, Wille und Umsetzung im Coaching"). Bei der Entwicklung der Zielsetzungstheorie wurde zunächst die Bedingung hinzugenommen, wonach die Ziele innerlich akzeptiert werden müssen (Ziel-Commitment), und weiter, dass ein Feedback über Schritte zur Zielerreichung als moderierende Bedingung die Wirksamkeit fördert. Die Reichweite der Theorie hat sich dadurch erhöht, denn sie hat sich in extern gesetzten, in partizipativ ausgehandelten und in selbst gesetzten Zielsetzungen bewährt.

    Formulierte Theorien und abgeleitete Hypothesen intendieren eine generelle Geltung (immer und überall) und eine kausale Erklärung (wenn – dann). Nur bei genereller Geltung macht es Sinn, sie in den verschiedensten Situationen kritisch zu prüfen und entsprechend den Prüfergebnissen gezielt zu verbessern. Wenn man ohne diesen Anspruch lediglich beschreibt, was so in der Wissenschaft vor sich geht, wäre das nur eine Art Geschichtsschreibung. Meist gehen Wissenschaftler und Praktiker ganz selbstverständlich von einer generellen Geltung ihrer Annahmen aus, wenn sie auf praktische Erfahrungen verweisen oder zurückliegende Untersuchungen oder solche aus anderen Ländern zitieren. Ähnliches gilt übrigens schon für alltägliche Argumentationen, in denen die generellen Annahmen oft nicht explizit erwähnt werden, sondern vom Zuhörer erschlossen oder implizit als selbstverständlich akzeptiert werden: „Junge, zieh’ Dir ‛was an, draußen ist es eiskalt impliziert, dass ungenügender Kälteschutz Erkältungen verursacht, eine gängige Hypothese, die schon im Wort „Erkältung steckt, die nach Wikipedia aber wohl falsch ist. Wie in jedem Gespräch werden auch in Coachings viele solcher generellen Annahmen implizit verwendet. Ihre Explizierung macht sie der Reflexion und kritischen Überprüfung zugänglich. Dabei ist die Suche nach kausalen Erklärungen besonders wichtig für die praktische Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, weil damit die gezielte Suche nach Eingriffsmöglichkeiten („wenn …) für erwünschte Ergebnisse („dann …) erleichtert wird.

    Wenn Prüfungen nicht zur Bestätigung führen, muss das nicht an der Theorie liegen, sondern kann eventuell auch auf Fehler in der Beobachtung, Messung oder auf sonstige Untersuchungsbedingungen zurückgeführt werden (Gawronski 2000); auch sie bedürfen daher immer neuer kritischer Überprüfungen und Verbesserungen. Eine empirische Nicht-Bestätigung kann des Weiteren auch daran liegen, dass überlagernde und gegenläufige Einflüsse weder durch Randomisierung beim Experiment noch durch eine große Stichprobe neutralisiert werden konnten. So fällt es Rauchern meist sehr schwer, das Rauchen aufzugeben, obwohl sie lange gesund bleiben wollen und als Ziel sich das fest vornehmen. Oft wird die Zielerreichung durch entgegenstehende Gewohnheiten, Konformität im Freundeskreis oder die Stärke anderer unmittelbarer Bedürfnisse verhindert. In den allermeisten Fällen ist es notwendig, für bestimmte Anwendungsfelder mehrere relevante Hypothesen zu komplexeren Modellen zu verknüpfen und dabei mögliche Interaktions- bzw. Bedingungseffekte einzubauen. (Ein Beispiel für einen komplexeren Ansatz findet sich im Kap. „Motivation, Wille und Umsetzung im Coaching".)

    Da sich menschliches Verhalten in einem komplexen Wirkungsgefüge abspielt, sind Überprüfungen der Theorien und ihrer Untersuchungsbedingungen noch viel schwieriger als in den Naturwissenschaften. Zunächst müssen theoretische Konzepte bzw. Konstrukte mit präzisen empirischen Beschreibungen der in Frage stehenden Sachverhalte verbunden werden. Hier spielt die Entwicklung von Messkonzepten eine zentrale Rolle, ggf. unter Zuhilfenahme technischer Instrumente. Dabei ist zu beachten, dass Definitionen und deren Operationalisierung in zweierlei Weise theorieabhängig sind, was am Beispiel der Emotionsforschung erläutert werden soll (vgl. Otto et al. 2000): Erstens müssen die Konstrukte zur jeweiligen Theorie passen. So ringen z. B. in der Emotionsforschung zwei Ansätze miteinander: Gibt es eine kleine Anzahl von 5–7 Basisemotionen, die in der Mimik durch biologisch vorgegebene Muskelkontraktionen zu unterscheiden sind? Oder gibt es ein breites Spektrum von Emotionsqualitäten, die auf 3 Dimensionen per Selbst- und Fremdeinschätzung eingeordnet werden können? Die Messung der Muskelströme (Elektromyografie) ist zuverlässiger, reicht aber für die zweite Konzeption nicht aus. Zweitens basiert der Messvorgang selbst auf theoretischen Annahmen, z. B. auf der Verbindung von Muskelkontraktionen im Gesicht mit erlebten Gefühlen, die selbst empirisch geprüft werden müssen. Schließlich ist die ganze Untersuchungsanordnung so zu gestalten, dass verzerrende Einflüsse jedweder Art zu vermeiden oder für die Ergebnisinterpretation eindeutig zu identifizieren sind. Was aber verzerrende Einflüsse sein könnten, ist wieder abhängig vom Stand des theoretischen Wissens (vgl. das Raucherbeispiel oben). Die Entwicklung und Verfeinerung des Methodeninventars der Wissenschaften ist daher von zentraler Bedeutung.

    Ein letzter Punkt: Da Menschen vielen Einflüssen gleichzeitig ausgesetzt sind und diese nach unterschiedlichen Mustern verarbeiten, können Theorien menschlichen Verhaltens immer nur Teile der Varianz erklären. Umso wichtiger ist es, sich auf die Schlüsselkonzepte zu konzentrieren, die jeweils die stärksten Effekte haben.

    2.2 Konstruktivistische Kritik am empirisch-analytischen Paradigma

    Es gibt verschiedene Spielarten von Konstruktivismus, von denen einige das empirisch-analytische Paradigma kritisieren. Die wichtigsten werden zuerst vorgestellt, dann folgt eine Version des Konstruktivismus, die mit dem empirisch-analytischen Paradigma vereinbar ist.

    Radikaler Konstruktivismus

    Ernst von Glasersfeld gilt als einer der Hauptvertreter des radikalen Konstruktivismus und hat sich speziell mit der empirisch-analytischen Wissenschaftsauffassung beschäftigt. Er attackiert sie als am Wahrheitskriterium orientierte empiristische Wissenschaft und propagiert einen „radikalen Umbau der Begriffe des Wissen, der Wahrheit, der Kommunikation und des Verstehens, der so grundlegend sei, dass „er mit keiner traditionellen Erkenntnistheorie versöhnt werden kann (Glasersfeld 1998, S. 50). Theorien und Annahmen basieren danach immer auf individuellen subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen des menschlichen Gehirns. Er stützt sich dabei auf die genetische Wissens- und Erkenntnistheorie des Biologen und Entwicklungspsychologen Jean Piaget (1973). Als radikaler Konstruktivist bestreitet er die Möglichkeit, herauszufinden was „wahr ist oder die „Realität richtig oder besser abbildet. Nach seiner Überzeugung lässt sich „Wahrheit grundsätzlich nicht überprüfen (Glasersfeld 1998, S. 327). Dementsprechend folgert eine Praktikerin: „Nichts ist wirklich wirklich, aber jeder tut so, als gäbe es die Wirklichkeit (Raddatz 2006, S. 32). Es gibt vermutlich etliche Coaches, die diese Aussage als zutreffend ansehen.

    Von Glasersfeld schießt dabei allerdings über das Ziel hinaus. Wie oben beschrieben, behaupten weder Popper noch andere Vertreter der empirisch-analytischen Wissenschaftsauffassung, dass die Wissenschaft feststellt, was „wahr" ist, sondern sehen selbst gut bestätigte Theorien nur als vorläufige Erkenntnisse an (s.o.). Die Wissenschaftspraxis entspricht dem weitgehend durch ständige Infragestellung, Prüfung, Erweiterung und Verbesserung der jeweiligen Erkenntnisse. Möglich ist das deshalb, weil Wissenschaftler mit- und gegeneinander diskutieren und durch präzise Darlegung ihres Vorgehens Verständigung und Überprüfung erleichtern. Von Glasersfeld (2003) bezweifelt die Möglichkeit ausreichenden Verstehens, aber man muss nicht die letzte aktivierte Assoziation eines anderen bei sich neuronal exakt nachbilden, um die jeweiligen Aussagen und Probleme ausreichend zu verstehen; das gilt schon für praktische Probleme und erst recht für wissenschaftlich normierte. Gespräche, die zu wechselseitigem Verstehen und Verständigung führen, sind ein Kernelement von Coaching (s. Kap. „Verstehen und Verständigung und ihre Bedeutung im Coaching"). Da ist es verwunderlich, wenn Coaches und Berater/innen sich auf den radikalen Konstruktivismus berufen, denn auch ihre Erfahrung besagt: Coaching hilft, wenn gezielt Verstehensmethoden angewendet werden, und das rechtfertigt ihre professionelle Existenz.

    Darüber hinaus verwendet von Glasersfeld für seine Argumentation selbst wissenschaftliche Erkenntnisse zum Aufbau des Gehirns oder greift auf die Theorie von Piaget zurück, was jedoch zu einem weiteren Selbstwiderspruch führt, weil solche Erkenntnisse ja seiner Meinung nach keine Gültigkeit über den jeweiligen Autor hinaus haben. Wissenschaftliche Fortschritte werden von ihm anerkannt, aber nicht als Erkenntnisfortschritte interpretiert, sondern rein instrumentell in dem Sinn, dass etwas funktioniert. Dafür verwendet er den Begriff der Viabilität, etwas ist „gangbar oder „nicht gangbar. Eine genauere Bewertung erscheint nicht möglich, während es in wissenschaftlichen Diskussionen gerade darauf ankommt, schrittweise zu „besseren Erklärungen zu kommen. Immerhin könnten Coaches danach pragmatisch schlussfolgern, dass sie von gut geprüften empirisch-analytischen Theorien und Ergebnissen lernen können, egal, ob man sie empirisch-analytisch „vorläufig bewährt oder radikal-konstruktivistisch „viabel" nennt.

    Sozialer Konstruktivismus

    Im sozialen Konstruktivismus (Gergen 1994) und z. T. im symbolischen Interaktionismus (Blumer 1973) wird die Möglichkeit generell gültiger wissenschaftlicher Aussagen zum menschlichen Verhalten bestritten. Das Hauptargument besteht darin, dass empirische Ergebnisse sich oft nicht als universal gültig erwiesen haben, sondern als kulturabhängig, und dass selbst wichtige theoretische Konzepte je nach sozialem Standpunkt unterschiedlich verstanden werden. Verstehensmöglichkeiten werden jedoch nicht grundsätzlich bestritten und empirische Untersuchungen, die ja bei Interviews und Befragungen Verstehen voraussetzen, werden für sinnvoll gehalten. Empirische Forschung bekommt nach Gergen eine andere Aufgabe: Sie soll das kritische Nachdenken in der jeweiligen Gesellschaft fördern, in der die Erhebung stattfand, also die gesellschaftliche Diskussion und Reflexion vertiefen.

    Diese Auffassung übersieht, dass es längst wegen solcher kulturabhängiger Befunde mehr und mehr kulturvergleichende Forschung gibt, mit der festgestellt wird, ob bestimmte Messkonzepte invariant sind und das Gleiche auch in anderen Kulturen messen oder ob sie angepasst werden müssen (Chen 2008; Vandenberg und Lance 2000) und ob es kulturinvariante Befunde gibt oder ob Variablen, mit denen sich Kulturunterschiede beschreiben lassen, als zusätzliche Bedingung in die Erklärung für unterschiedliche Ergebnisse aufgenommen werden müssen. Ein gutes Beispiel für die Erforschung und Einbeziehung solcher Kulturunterschiede ist die intensive Forschung zu individuellem und gruppenbezogenem Selbstkonzept (independent and interdependent self, vgl. Markus und Kitayama 1991; Singelis 1994), auf dessen Kulturabhängigkeit Gergen u. a. seine Argumentation gestützt hatte. Noch bedeutsamer für Coaching in Wissenschaft und Praxis ist jedoch der Nachweis kulturinvarianter Forschungsergebnisse im Bereich der menschlichen Kommunikation. So gibt es zwar viele sehr unterschiedliche Sprachen, Dialekte und Wortverwendungen, aber der emotionale Gehalt der Worte, d. h. ihre eigentliche Bedeutung, lässt sich in allen bisher untersuchten Sprachen auf den gleichen drei Dimensionen von „Evaluation, „Potency und „Activity abbilden (Osgood et al. 1975). Dasselbe gilt für viele Aspekte der nonverbalen Kommunikation und für die Gefühle, die über diese beiden Kommunikationsarten ausgedrückt werden können (s. Kap. „Kommunikation als Methode und als Thema im Coaching). Es gibt offensichtlich eine universelle biologisch-physiologische Basis der menschlichen Kommunikation und der interkulturellen Verständigung (Scholl 2013), auf der die Forschung zu kulturellen Unterschieden aufbauen kann.

    Systemischer Konstruktivismus

    In Deutschland bezeichnen Coaching-Ausbildungen und Coaches ihr Konzept oft ausdrücklich als „systemisch" (Greif 2014, S. 17 f.). Was darunter verstanden wird, ist jedoch sehr verschieden und oft nur ein Schlagwort. Manche Vertreter greifen dabei auf den radikalen Konstruktivismus zurück und stützen sich dann zusätzlich auf Maturana und Varela (1987) sowie Luhmann (2006), die sich selbst nicht als radikale Konstruktivisten sehen. Beide beanspruchen zumindest implizit Allgemeingültigkeit für ihre Kernaussagen. Inwieweit ihre Konzepte sich in der wissenschaftlichen Kritik bewährt haben und nützlich für die Gestaltung eines Coaching-Konzepts sind, sind dann andere Fragen, die hier nicht zur Debatte stehen (s. jedoch Kap. „Systemtheorien als Grundlage im Coaching"; s. a. Kriz 2016).

    Systemtheorien sind Metatheorien, die gewisse allgemeine Eigenschaften postulieren, wie z. B. dass lebende Systeme grundsätzlich offene Systeme sind. Das gilt auch dann, wenn manche Prozessaspekte operativ geschlossen sind wie z. B. die Entladungsmuster im Gehirn; die Evolution hat dafür bestimmte Sinnesorgane geschaffen, die die Überbrückung von außen nach innen übernehmen und deren Interpretation nicht völlig beliebig ist. Um die Systemtheorie in einem bestimmten Kontext anzuwenden, benötigt man zusätzlich objektspezifische Kenntnisse und Theorien und die sehen z. B. beim Weltmodell des Klub of Rome (Randers 2012) ganz anders aus als für das Mobilitätsverhalten in einem Ballungsgebiet (Vester 1983) oder für das Verhalten in und von Organisationen (Gharajedaghi 2011). Da Praktiker mit Erfahrung und Intuition auch solche Schlüsselvariablen und Zusammenhänge erahnen und ihr Handeln danach ausrichten, können Wissenschaftler und Praktiker erheblich voneinander lernen. Festzuhalten bleibt, dass Systemtheorien keine Wissenschaftstheorien sind, sondern Metatheorien über die Beschaffenheit der Realität und dass sie objektspezifisch ausgestaltet werden müssen, um fruchtbar für Wissenschaft und Praxis zu sein.

    Konstruktivismus in Wissenschaftstheorie und Praxis

    In der Diskussion über den Konstruktivismus ist Folgendes auseinanderzuhalten: Auf der Objektebene ist zunächst völlig klar, dass nicht nur die von Menschen gemachten Gegenstände, Regeln und Institutionen soziale Konstruktionen sind, sondern auch die Begriffe und Annahmen, mit denen diese Vorgänge und Produkte beschrieben, geplant und erklärt werden. Das dürfte unstrittig sein, weil selbst ein oberflächlicher Blick auf verschiedene Kulturen, geschichtliche Erzeugnisse und innergesellschaftliche Debatten das bestätigt (gut ausgearbeitet schon bei Berger und Luckmann 1969).

    Auf der Metaebene ist jede relevante Wissenschaft(stheorie) in dem Sinne konstruktivistisch, dass auch Wissenschaftler*innen aus kulturellen oder wissenschaftlichen Annahmen oder sonstigen subjektiven Ideen ihre Hypothesen und Theorien aufbauen. Der Wissensfortschritt entsteht aber nicht primär aus individuellen Einsichten, sondern aus sozialer Kommunikation und Kritik und dem damit verbundenen sozialen Lernen. Das gilt schon für das Lernen unter Praktikern, z. B. in Berufsverbänden, besonders aber für den wissenschaftlichen Austausch und entsprechende Untersuchungen, weil bzw. insofern in der Wissenschaft alle Argumente, Methoden und Ergebnisse auf lückenlose Überprüfbarkeit ausgerichtet werden. Damit lösen sich Argumente, Hypothesen und Theorien von den individuellen Urhebern und gewinnen eigenständigen Charakter, weil alle mit dem benötigten Grundwissen Zugang dazu haben und sie ähnlich wie materielle Objekte weiter prüfen, bearbeiten und verändern können (Popper 1984). Das übersieht von Glasersfeld, weil er zu sehr auf individuelle Konstruktionen fixiert ist und an ausreichender Verständigung zweifelt. Die Allgemeine Relativitätstheorie ist zwar von Einstein entworfen worden, aber nun Allgemeingut der Physik und vielfach geprüft und bisher bestätigt worden, weit über den Tod von Einstein hinaus. Auch die Zieltheorie von Locke und Latham (s. o.) oder die Theorie sozialer Vergleichsprozesse von Festinger (1954) wurden vielfach geprüft und weitgehend bestätigt und können als Beispiele für allgemeines wissenschaftliches Wissen der Psychologie gesehen werden. Andere Theorien wie z. B. der Behaviorismus Skinners sind dagegen längst als unzureichend kritisiert und methodisch und inhaltlich um kognitive und emotionale Komponenten ergänzt worden. Das hat sich dementsprechend auch in Therapie- und Coachingansätzen niedergeschlagen bis hin zur Anerkennung von Übertragung und Gegenübertragung, die zunächst in der Psychoanalyse entdeckt, weiterentwickelt und fruchtbar für die Praxis gemacht wurden (s. a. Kap. „Übertragung und Gegenübertragung​ in ihrer Bedeutung fürs Coaching").

    Das Besondere vieler gut bestätigter Theorien besteht darin, dass sie zusammen mit den dafür entwickelten Methoden in Erkenntnisbereiche kommen, die der menschlichen Sinneswahrnehmung aus unterschiedlichen Gründen nicht zugänglich sind. Das gilt in der Physik z. B. für das Einstein‘sche Raum-Zeit-Kontinuum, das über das menschliche Vorstellungsvermögen hinausgeht, das an unsere Welt bzw. ökologische Nische evolutionär angepasst ist, oder den Ultraschall, den wir nicht hören, mit dem aber z. B. Babys im Mutterleib untersucht werden, in den wir mit unseren Augen nicht schauen können. In wieder anderer Weise erbringt die Erforschung von Führungsstilen wie z. B. Consideration and Initiating Structure mit mehr als 150 Stichproben und mehr als 20.000 Teilnehmern einen Überblick (Judge et al. 2004), der weit über die eigenen Erfahrungsmöglichkeiten hinausgeht. Schließlich liefert die Erforschung unbewusster Prozesse nicht wahrnehmbare Ergebnisse, wie z. B. beim Priming (Schröder und Thagard 2013), womit Verhalten durch scheinbar irrelevante Worte und deren unbewusste Verarbeitung verändert wird (was verdeutlicht, wie sorgsam Coaches ihre Worte wählen sollten).

    Diese Betrachtungen legen Folgendes nahe: (1) Wissenschaftliche Erkenntnisse sind möglich, die über die subjektive Erfahrbarkeit hinausgehen und sich trotzdem bestätigen und verbessern lassen. (2) Wissenschaftliche Erkenntnisse bleiben nicht subjektive Konstruktionen, auch wenn sie mal so entstanden sind, sondern möglichst streng geprüfte, generelle Gültigkeit anstrebende soziale Konstruktionen, die sich z. B. in unserem Bild vom Weltall oder in Nanomaterialien niederschlagen ebenso wie in erfolgreichen Therapien und hoffentlich auch erfolgreichen Coachings. (3) Die Frage, ob es eine Wirklichkeit außerhalb unserer subjektiven und der sozial objektivierten wissenschaftlichen Konstruktionen gibt, ist weder logisch noch empirisch entscheidbar, aber jede gut bestätigte natur- und humanwissenschaftliche Theorie ist ein weiteres Argument für die Annahme einer externen Wirklichkeit ebenso wie der auf vielerlei Art messbare relative Erfolg von Coachings (s. Kap. „Erfolgsfaktoren im Coachingprozess). (4) Die Entwicklung von Theorien, die mehr Details erklären und eine größere Reichweite haben, spricht dafür, dass es einen graduell abstufbaren wissenschaftlichen „Fortschritt gibt und nicht nur die schwarz-weiß-Bewertung nach von Glasersfeld „funktioniert/funktioniert nicht bzw. „viabel/nicht viabel. Man kann wissenschaftlichen Fortschritt metaphorisch als Annäherung an die Wahrheit im Sinne einer regulativen Leitidee betrachten, so lange klar bleibt, dass es sich um einen Vergleich zwischen besser und weniger gut bestätigten Aussagen handelt und nicht um einen Vergleich mit der nicht direkt zugänglichen „Realität".

    3 Wie können wissenschaftliche Ergebnisse für die Praxis genutzt werden?

    Wie können die Humanwissenschaften mit ihren Erkenntnissen der (Coaching)Praxis helfen? Diese Frage wird oft gar nicht gestellt, sondern es wird teilweise unterstellt, dass Wissenschaft die Praxis direkt anleiten und verbessern kann, indem sie gut geprüftes Wissen zur Verfügung stellt. Dabei wird aber der prinzipielle Unterschied zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und praktischer Erfahrung ignoriert. Während Wissenschaft nach speziellen Erkenntnissen durch gesetzesartige Theorien und Hypothesen sucht, die immer und überall gelten, lernen Praktiker*innen hier und jetzt ganzheitlich aus eigenen und fremden Erfahrungen und können so ihre Annahmen und Vorgehensweisen einem Plausibilitätscheck unterwerfen und Anregungen für die Verbesserung ihrer Praxis gewinnen.

    Natürlich ist dieser Unterschied keine strikte Grenze, sondern die Annahmen von Praktikern sind z. T. von wissenschaftlichen Konzepten und Annahmen durchzogen. Das Gleiche gilt umgekehrt in der Wissenschaft, die Annahmen und Konzepte der Praxis entnimmt und zu präzisieren und zu prüfen versucht, denn menschliche Verhaltensweisen sind immer schon durch kulturelle, soziale und individuelle Praxis geformt. Beide Seiten beziehen sich dabei auf mehrere, irgendwie durch Kategorisierung vergleichbar gemachte Ereignisse, die beobachtet und beschrieben werden; das ist der erste Bereich, in dem Austausch und Lernen voneinander möglich sind (s. Abb. 1, Mitte). Dabei können Wissenschaftler*innen, befreit vom unmittelbaren Handlungsdruck, die Beschreibungen methodisch verbessern und damit ihre Annahmen in Hypothesen und Theorien präzisieren, wiederholt empirisch testen und sukzessive verbessern (s. die Wechselwirkung von Theorie und Beobachtung in Abb. 1). Der Erkenntnisgewinn kann sich in verbesserten Beschreibungsmethoden niederschlagen (s. die linke Hälfte von Abb. 1), von denen auch Praktiker*innen profitieren können, weil sie die Beachtung auf wichtige Aspekte lenken und die Beobachtungsgabe schärfen. Umgekehrt können sie auf besonders relevante Punkte hinweisen und auch neue Interventionsmethoden wie z. B. Coachingtools entwickeln und damit ihre Praxis verbessern. Wissenschaftler/innen können dann versuchen, diese Interventionsmethoden zu evaluieren, die jeweiligen Phänomene mit genaueren Beschreibungsmethoden erfassen und ihren Erfolg abschätzen (rechte Seite von Abb. 1). Praktiker und Wissenschaftler können sich natürlich auch einfach von den Theorien und Annahmen der jeweils anderen Seite anregen lassen, auch das führt zu Erkenntnis- und Erfahrungsgewinnen. Im vorliegenden Handbuch sind sowohl generelle Theorien als auch spezifische Vorgehensweisen für das Coaching mit Schlüsselworten vertreten.

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    Abb. 1

    Beziehung zwischen wissenschaftlicher Theorieentwicklung und praktischer Verbesserung (nach Scholl 2014, S. 155)

    Die Anwendung von Wissenschaft in der Praxis ist jedoch komplizierter, als es auf diesen ersten Blick erscheint: Die zentralen und zum Teil unüberbrückbaren Unterschiede zwischen Wissenschaft und Praxis liegen in den Rand- bzw. Kontextbedingungen. In der Wissenschaft können immer nur wenige wichtige Kontextbedingungen bei der zentralen Fragestellung einer Studie explizit mituntersucht werden, während die meisten als Randbedingungen neutralisiert werden müssen, um die zentralen Hypothesen eindeutiger zu testen; dies geschieht entweder experimentell durch Konstanthalten der Randbedingungen oder in der Feldforschung durch große Stichproben, mit denen die Besonderheiten unterschiedlicher Randbedingungen herausgemittelt werden. In jede Theorieprüfung gehen aber bestimmte Randbedingungen ein, ohne selbst geprüft zu werden (Gawronski 2000; in Abb. 1 ist dies durch eine gekrümmte Linie mit einem Fragezeichen abgebildet); deswegen benötigt man möglichst verschiedene Untersuchungen zur gleichen Hypothese.

    In der Praxis sind es nun gerade die Rand- bzw. Kontextbedingungen, die bei jeder Handlung und so auch bei jedem Coaching zu beachten sind. Zu dem aktuellen Mix der jeweiligen Kontextbedingungen gibt es keine Theorie bzw. keine integrierte Zusammenstellung von Theorien, die eine Ableitung konkreter Maßnahmen mit einer präzisen Vorhersage ihrer Konsequenzen erlauben würde. Dies ist keine Besonderheit der Wissenschaften vom menschlichen Handeln, das gilt genauso im Verhältnis von Naturwissenschaften und Technik; aus naturwissenschaftlichen Theorien lässt sich nicht ableiten, wie man für ein technisches Problem die verschiedensten Randbedingungen optimieren könnte. Coaches müssen sich also hier auf ihre Erfahrung und Intuition verlassen. Beachten muss man die theoretischen Effekte natürlich trotzdem, wie in der Technik, denn sie geben die zentralen Ursachen der Wirksamkeit an.

    Wichtig ist für das Coaching ein weiterer Aspekt: Der Anteil der erklärten Varianz sowie die Replizierbarkeit der Befunde sind in den Humanwissenschaften meist deutlich geringer als in den Naturwissenschaften. Zur größeren Komplexität trägt besonders bei, dass Menschen und soziale Systeme sich nicht wie materielle Objekte verhalten, sondern sich selber Gedanken über die Situation machen und selber Theorien und Erklärungsmuster im Kopf und in der gemeinsamen Diskussion haben (s. z. B. Kap. „Implizite Führungstheorien​ und ihre Bedeutung im Coaching, Kap. „Metaphern der Organisation und ihre Bedeutung im Coaching). Die Abkehr von Behaviorismus und die Hinwendung zu Kognitions- und Emotionstheorien trägt dieser Einsicht Rechnung. Zum gegenwärtigen Stand der Forschung ist es jedoch unmöglich, die relevanten Verarbeitungsprozesse verschiedener Menschen und sozialer Systeme in ein umfassendes Theoriegebäude zu integrieren, falls man präzise Vorhersagen über die Konsequenzen einzelner Handlungen ableiten wollte; da bleiben nur vertiefende Gespräche mit bestmöglicher Exploration des vorhandenen Wissens zwischen Praktikern und Wissenschaftlern oder eben zwischen Coachee und Coach.

    Zusätzlich ist es vorteilhaft, wenn neben generellen Theorien auch einzelne Interventions- und Gestaltungsmethoden wie zum Beispiel aktives Zuhören, zirkuläre Fragen, Reframing, Rollenspiele, Entspannungsübungen etc. sowie ihre Einbettung in unterschiedliche Coachingansätze wissenschaftlich untersucht und evaluiert werden. Solche Evaluationen prüfen meistens Maßnahmenkombinationen, die in verschiedenen Varianten vorkommen und in verschiedenen Kontexten mit unterschiedlichem Verständnis angewendet werden. Erforscht werden dann nicht die Einzelteile, sondern die Kombinationen, sodass Aussagen über ihre Bewährung nicht vergleichbar sind mit einer Prüfung gesetzesartiger, immer und überall Geltung beanspruchender Hypothesen. Sowohl von den allgemeinen Theorien als auch von den spezifischen Evaluationen können und sollten die Praktiker/innen lernen und dies in ihre Überlegungen und Intuitionen einbeziehen. Praktiker/innen ohne die Kenntnis guter Grundlagen- und Anwendungsforschung haben dagegen z. T. das Problem, dass Spuren überholter oder vereinfachter wissenschaftlicher Annahmen in ihr Denken und Handeln eingegangen sind als sogenannte soziale Repräsentationen (Flick 1995), ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Zum Beispiel sind Vorstellungen von Führung sehr stark mit „Vorgesetzter verbunden, dazu „männlich und „direktiv, und wenn Vorgesetzte etwas tun, besteht die automatische Erwartung, dass das besser ist als dasselbe Tun von Mitarbeiter/innen (Kap. „Implizite Führungstheorien​ und ihre Bedeutung im Coaching).

    4 Fazit

    Coaches können aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zwar nicht direkt ableiten, wie sie am besten vorgehen sollten, aber sie können wichtige Hinweise zur schärferen Beobachtung und zur Reflexion ihrer Praxis bekommen. Umgekehrt können Wissenschaftler/innen aus den Erfahrungen von Coaches Hinweise bekommen, worauf sie genauer schauen sollten und welche scheinbar bestätigten Erkenntnisse vielleicht nur partiell gültig oder sogar falsch sein könnten. Daraus folgt, dass das gesammelte Erfahrungswissen für die Praxis notwendig ist und nicht geringer geschätzt werden sollte als die wissenschaftlichen Erkenntnisse – und dasselbe gilt umgekehrt. Bei einem intensiven Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis werden sowohl theoretische Fortschritte als auch praktische Verbesserungen möglich (s. Abb. 1).

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    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

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    Achtsamkeit und Coaching

    Christine Bosch¹   und Alexandra Michel²  

    (1)

    Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland

    (2)

    Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland

    Christine Bosch (Korrespondenzautor)

    Email: christine.bosch@uni-mannheim.de

    Alexandra Michel (Korrespondenzautor)

    Email: Alexandra.Michel@psychologie.uni-heidelberg.de

    1 Einleitung

    2 Bedeutung und Anwendung von Achtsamkeit

    3 Achtsamkeit und Coaching

    4 Themenspezifische Anwendungsfelder von Achtsamkeit im Coaching

    5 Fazit und Ausblick

    Literatur

    Zusammenfassung

    Achtsamkeit ermöglicht es Personen die Gegenwart in offener, nicht wertender Weise bewusst zu erleben (Bishop et al. 2004; Brown und Ryan 2003). Sie befähigt dadurch zum selbstregulierten Umgang mit Gedanken und Gefühlen. In diesem Kapitel wird das Konzept der Achtsamkeit vorgestellt und aufgezeigt, wie Achtsamkeitstechniken im Coaching eingesetzt werden können. Der Einsatz von Achtsamkeitsstrategien fördert nicht nur die Fokussierung auf den Coachingprozess, sondern kann auch zur Bearbeitung bestimmter Fragestellungen des Klienten, wie zum Beispiel Stressreduktion oder Förderung von Work-Life-Balance, beitragen.

    Schlüsselwörter

    AchtsamkeitCoachingCoachCoacheeKlientMindfulness

    1 Einleitung

    Fallbeispiel: Sarah B. ist Mutter zweier kleiner Kinder. Sie und ihr Mann arbeiten Vollzeit und die Kinder werden nach dem Kindergarten tagsüber von einer Tagesmutter betreut. Frau B. ist es wichtig, eine gute Mutter, eine liebevolle Partnerin und gleichzeitig erfolgreich in ihrem Beruf als Anwältin zu sein. Obwohl sie die Betreuung ihrer Kinder sehr gut organisiert hat, hat sie das Gefühl, nie den Anforderungen der Rollen als Mutter, Partnerin und Anwältin gleichermaßen gerecht zu werden. Wenn Sie bei der Arbeit ist, denkt sie an ihre Kinder und ihre Aufgaben zuhause, wenn sie gemeinsam mit ihrer Familie Zeit verbringt, denkt sie an Akten und Termine. Sie fühlt sich gestresst, innerlich zerrissen und hat oft Schuldgefühle. Deshalb sucht sie einen Coach auf, um Lösungen zu finden, wie sie ihre Work-Life-Balance verbessern kann. Gemeinsam erarbeiten sie Achtsamkeitstechniken, die ihr helfen sollen, Arbeit- und Privatleben besser zu trennen und sich auf ihre jeweilige Rolle bewusst einzulassen.

    Achtsam zu sein bedeutet, in einer offenen, nicht wertenden Weise bewusst zu erleben, was im Moment ist (Bishop et al. 2004; Brown und Ryan 2003). Damit befähigt Achtsamkeit, seine Aufmerksamkeit auf das, was aktuell passiert auszurichten und selbstbestimmt mit den eigenen Gedanken und Gefühlen umzugehen. Eine solche Selbststeuerung ist sowohl für den Coach, als auch den Klienten, das heißt den Coachee, und deren Zusammenarbeit zentral.

    2 Bedeutung und Anwendung von Achtsamkeit

    Die Idee der Achtsamkeit geht zurück auf fernöstliche Meditationstraditionen und beschreibt eine bestimmte Form, den gegenwärtigen Moment zu erleben (Baer 2003). In der westlichen Kultur verbreitet sich Achtsamkeit seit Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, insbesondere durch den Einsatz im therapeutischen Kontext (Glomb et al. 2011; Kabat-Zinn 2013). Heute existieren zahlreiche Konzeptualisierungen mit leicht unterschiedlichen Schwerpunkten (z. B. Brown et al. 2007; Shapiro et al. 2006). Das Zwei-Komponenten-Modell von Bishop und Kollegen (2004) bietet eine konsensorientierte Definition, die im Folgenden zugrunde gelegt wird. Achtsamkeit besteht erstens darin, dass man seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Art und Weise reguliert (Selbstregulation der Aufmerksamkeit) und dabei zweitens dem, was man erlebt, auf eine bestimmte Art und Weise begegnet (innere Haltung). Die erste Komponente, die Selbstregulation der Aufmerksamkeit, beinhaltet, die Aufmerksamkeit auf das zu richten, was man aktuell erlebt. Das können sowohl innere Prozesse sein (z. B. Gedanken, Gefühle), als auch äußere Wahrnehmungen (z. B. Geräusche). Diese Empfindungen werden als solche zur Kenntnis genommen. Dabei ist es ganz natürlich, dass die Aufmerksamkeit irgendwann unbeabsichtigt abschweift. Etwa weil man anfängt, sich mit einem Gedanken, Gefühl oder einer Wahrnehmung näher zu beschäftigen. Achtsam zu sein heißt, dieses Abschweifen zu registrieren und die Aufmerksamkeit wieder zurückzuführen zu dem, was man gerade unmittelbar erlebt. Die zweite Komponente, die innere

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