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Emotionale Kompetenz im Lehrberuf: Grundwissen, Anleitungen & Übungsmaterialien – ein Lehrbuch für Studium und Unterrichtspraxis
Emotionale Kompetenz im Lehrberuf: Grundwissen, Anleitungen & Übungsmaterialien – ein Lehrbuch für Studium und Unterrichtspraxis
Emotionale Kompetenz im Lehrberuf: Grundwissen, Anleitungen & Übungsmaterialien – ein Lehrbuch für Studium und Unterrichtspraxis
eBook676 Seiten6 Stunden

Emotionale Kompetenz im Lehrberuf: Grundwissen, Anleitungen & Übungsmaterialien – ein Lehrbuch für Studium und Unterrichtspraxis

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Über dieses E-Book

Eine hohe emotionale Kompetenz ist für den Lehrberuf von enormer Wichtigkeit. Lehrkräfte, die ihre Emotionen gut kennen und regulieren und damit emotional flexibel reagieren können, schaffen nachweislich ein besseres Klassenklima, können mit schwierigen Situationen besser umgehen und sind psychisch und körperlich gesünder und widerstandsfähiger. ​Dieses Buch hilft Lehrerinnen und Lehrern, sich ihrer Emotionen bewusst(er) zu werden und eine hohe emotionale Kompetenz zu entwickeln. Dazu vermittelt es auf anschauliche Weise fundiertes Wissen darüber, was Emotionen sind, wie sie uns beeinflussen und auf welcher Grundlage sie entstehen. Weiterhin liefert das Buch praktische Anleitungen und Materialien für Übungen, Reflexionen, Diskussionsrunden und Rollenspiele, sowohl zum Selbststudium als auch für den Einsatz in der Ausbildung und Fortbildung von Lehrkräften und Trainings.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum7. Aug. 2020
ISBN9783658269845
Emotionale Kompetenz im Lehrberuf: Grundwissen, Anleitungen & Übungsmaterialien – ein Lehrbuch für Studium und Unterrichtspraxis

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    Buchvorschau

    Emotionale Kompetenz im Lehrberuf - Christof Kuhbandner

    Christof Kuhbandner und Iris Schelhorn

    Emotionale Kompetenz im Lehrberuf

    Grundwissen, Anleitungen & Übungsmaterialien – ein Lehrbuch für Studium und Unterrichtspraxis

    1. Aufl. 2020

    ../images/476839_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Christof Kuhbandner

    Institut für Psychologie, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland

    Iris Schelhorn

    Institut für Psychologie, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland

    ISBN 978-3-658-26983-8e-ISBN 978-3-658-26984-5

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-26984-5

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten.

    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Planung/Lektorat: Lisa Bender

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Vorwort

    Die Psychologie als Wissenschaft versucht zu verstehen, warum Menschen in bestimmten Situationen ein bestimmtes Erleben und Verhalten an den Tag legen. Im Laufe der Forschung wurde eine kaum zu überblickende Fülle an inneren Mechanismen entdeckt, welche Einfluss auf unser Erleben und Verhalten nehmen. Dieses umfangreiche Wissen möchten wir in diesem Buch mit dem Ziel aufbereiten, dass man es durchdringen und nutzen kann, um zu einer emotional kompetenten Persönlichkeit zu werden. Das Buch zeichnet sich dabei durch vier Besonderheiten aus.

    Die erste Besonderheit betrifft die Art der Wissensvermittlung. Es gibt inzwischen hunderte von Lehrbüchern, in denen auf tausenden von Seiten versucht wird, das im Laufe der psychologischen Forschung erzeugte „Wissen zu vermitteln. Allerdings sind viele dieser Bücher so geschrieben, als seien die dargestellten Theorien und die zugehörigen Autoren das Entscheidende, das es zu „wissen gilt – anstatt Theorien so zu vermitteln, dass man sie wirklich benutzen kann, um sich selbst und andere besser zu verstehen. Weiterhin werden oft nur zahlreiche Theorien aneinandergereiht, die jeweils nur einen kleinen Ausschnitt der psychologischen Wirklichkeit isoliert herausgreifen – ohne diese zu einem sinnvollen Netzwerk zu verweben, welches es erlaubt, den Menschen in seiner Komplexität wirklich zu verstehen. Schließlich werden die einzelnen Theorien oft in einer „Fachsprache" vermittelt, die sich nicht sofort erschließt, obwohl die Kernaussagen fast aller psychologischen Theorien von jedem Laien auch ohne die Kenntnis spezieller Fachbegriffe nachvollziehbar wären. Daher wird in diesem Buch ein anderer Weg der Wissensvermittlung beschritten: Ausgehend von konkreten realen und alltäglichen Phänomenen werden wir weitgehend ohne Fachjargon in Alltagssprache das, was in unserer psychischen Innenwelt abläuft, erkunden und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, immer wieder gepaart mit der Einladung, sich selbst im Lichte des jeweils vermittelten Wissens zu betrachten.

    Die zweite Besonderheit des Buches ist das Verständnis von emotionaler Kompetenz. Es gibt zahlreiche Ansätze dazu, was einen kompetenten Umgang mit Emotionen ausmacht. Allerdings wird der Fokus oft ausschließlich auf den Bereich der Emotionen gelegt, ohne auf weitere psychische Mechanismen einzugehen, welche unseren Emotionen zugrunde liegen. Aber schon allein die Tatsache, dass unsere emotionalen Reaktionen in vielen Situationen unsere Bedürfnisse und Ziele widerspiegeln, macht klar, wie wichtig es ist, bei der Entwicklung einer wirklichen emotionalen Kompetenz einen erweiterten Blickwinkel auf verschiedenste psychische Prozesse zu haben. Eine hohe emotionale Kompetenz zeichnet sich demnach nicht nur durch Wissen über das emotionale Geschehen und die Fähigkeit zur Regulation von momentan erlebten Emotionen aus. Vielmehr gilt es, als gesamte Person auf allen Ebenen der Psyche Gewohnheiten und Muster zu entwickeln, welche für das emotionale Wohlbefinden förderlich sind. Dementsprechend wird in diesem Buch ein Abriss der kompletten menschlichen Psyche vermittelt – angefangen von der Wahrnehmung der Welt über die uns steuernden Bedürfnisse und Ziele bis hin zu unserem Selbst.

    Als dritte Besonderheit werden im zweiten Teil des Buches zahlreiche Übungen und Materialien vorgestellt, mittels derer man das eigene emotionale Geschehen beobachten, darüber reflektieren und es regulieren kann. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts der Universität Regensburg zur Qualitätsoffensive Lehrerbildung („KOLEG – Kooperative Lehrerbildung Gestalten") wurde von uns von 2015 bis 2018 ein auf den Lehrberuf abgestimmtes Training emotionaler Kompetenzen entwickelt, in dem über emotionale Erfahrungen in erzieherischen Kontexten reflektiert und individuelle Entwicklungsziele herausgearbeitet werden. Für dieses Training wurden zahlreiche Übungen und Materialien konzipiert, die in diesem Buch in Form eines reichhaltigen Werkzeugkastens verfügbar gemacht werden.

    Wie im letzten Absatz angeklungen, ist die vierte Besonderheit des Buches die Einbettung in den Kontext des Lehrberufs. Hierzu ist uns insbesondere die Aussage einer Studentin in Erinnerung geblieben, die nach der Teilnahme an einem Training Emotionaler Kompetenzen meinte: „Das war mir gar nicht klar, dass man Schule und Lehren unter diesem doch sehr anderen Blickwinkel betrachten kann. "Sie hatte auf den Punkt gebracht, was wir gerne mit diesem Buch erreichen möchten: Wir würden gerne eine andere Perspektive schaffen, unter der Schule, Lehren und Lernen auch gesehen werden können. Nach unseren Erfahrungen stehen bei Lehrkräften in erster Linie Themen wie die Optimierung der Wissensvermittlung, die Aneignung von Fachwissen oder eine effektive Klassenführung im Vordergrund. Die Lehrkräfte selbst als Personen mit ihren eigenen Zielen, Werten und Emotionen sind dagegen sehr selten Thema. Das ist eigentlich erstaunlich, denn im Berufsalltag einer Lehrkraft spielt sicherlich die Wissensvermittlung eine wichtige Rolle, allerdings mindestens ebenso relevant ist die Ausgestaltung von Beziehungen zu Schülern, anderen Lehrkräften, Eltern und Schulleitung. Und gerade der Lehrberuf kann als emotional herausfordernder im Vergleich mit vielen anderen Berufen eingestuft werden. Wir hoffen dementsprechend, dass wir mit diesem Buch beginnen, diese Lücke zu schließen.

    Eine abschließende Bemerkung zur Terminologie: Es gibt verschiedene Wege, das Problem unangemessener geschlechtsspezifischer Begrifflichkeiten zu lösen. Wir haben uns in diesem Buch dafür entschieden, sofern die Geschlechtszugehörigkeit keine spezielle Rolle spielt, Begriffe wie „Schüler oder „Kollege grundsätzlich geschlechtsneutral zu verwenden. Es sind in solchen Fällen also immer beide Geschlechter – also beispielsweise Schüler und Schülerinnen oder Kolleginnen und Kollegen – gemeint.

    Danksagungen

    Unser Dank gilt an erster Stelle unserer Graphikzeichnerin Barbara Alsu (► https://​www.​deviantart.​com/​misssasori/​about). Ohne ihren Einsatz, ihre Kreativität, ihre Eigenständigkeit und ihre künstlerische Geschicklichkeit beim Zeichnen wäre dieses Buch nicht zu dem geworden, was es jetzt ist. Wir sind überzeugt davon, dass wir uns sehr glücklich schätzen können, dass sie uns dabei unterstützt hat, Komplexes zu veranschaulichen, Inhalte kreativ und mutig auszugestalten und Figuren zum Leben erweckt hat.

    Wir möchten an dieser Stelle auch unseren Dank aussprechen gegenüber Roland Mayrhofer und Nina Wildfeuer, die beide durch ihre Klugheit, Initiative, Genauigkeit und Schnelligkeit beim Korrekturlesen die Zahl unserer Schreib-, Logik- und Denkfehler deutlich verringert haben. Wir danken ihnen insbesondere für Zuverlässigkeit, für vereinfachende, strukturierende und inhaltliche Hinweise, für elegante Formulierungen und jede Menge Anregungen.

    Danken möchten wir weiterhin Markus Forster für stetige kollegiale Unterstützung bei der Durchführung der Trainings und für diverse Anregungen in Bezug auf die Übungen. Ein großer Dank geht auch an die (ehemaligen) Leiterinnen des Seminars „Deeskalationsstrategien", Monika Schanderl und Nicola Stahl, die Ideengeber für einige Inhalte der Rollenspiele waren.

    Selbstverständlich auch bedanken möchten wir uns bei allen Mitgliedern unseres Lehrstuhls, Kolleg∗Innen, die man sich hilfsbereiter, ausgleichender und unterhaltsamer kaum wünschen kann. Ein großer Dank deshalb an Markus Forster, Julia Haager, Fabian Hutmacher, Ferdinand Kosak, Lisa Kugler, Roland Mayrhofer, Regina Reichardt, Marlis Reindl, Elizabeth Rosas-Corona und Monika Schanderl, sowohl für inhaltliche als auch für emotionale Unterstützung.

    Hervorheben möchten wir außerdem noch die stetig währende Unterstützung, Unermüdlichkeit, Cleverness und das Durchhaltevermögen von Angelika Ecker, die sowohl an der Konzeption und Durchführung der Rollenspiele maßgeblich beteiligt war, als auch durch Literaturrecherchen und durch das wiederholte Bereitstellen von Lösungen für Probleme statistischer, programmatorischer und mathematischer Art entscheidend in der Anfangsphase der Bucherstellung und der Auswertungsphase der Trainingsdaten zum Fortkommen beigetragen hat.

    Für die Unterstützung unserer Forschung zur Entwicklung eines Trainings Emotionaler Kompetenzen für angehende Lehrkräfte durch Sachbeihilfen und Personalmittel danken wir dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Zu guter Letzt bedanken möchten wir uns bei den Kolleginnen Lisa Bender, Joachim Coch und Sonja Trautwein vom Springer-Verlag, die uns immer hilfsbereit und motivierend zur Seite standen, auch bei wiederholtem Nachfragen. Besten Dank für die tatkräftige Unterstützung!

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einführung 1

    1.​1 Emotionale Kompetenz:​ Was ist das eigentlich?​ 6

    1.​2 Der Weg zur Kompetenz – eine Grundeinstellung​ 9

    Literatur 11

    I Grundlagen

    2 Wie wir die Welt wahrnehmen 15

    2.​1 Die drei Formen der innerlichen Repräsentation der Umwelt 16

    2.​2 Aufmerksamkeit:​ Die Filterung unserer Wahrnehmungen 23

    Literatur 26

    3 Die drei psychischen Kräfte in uns 29

    Literatur 32

    4 Das Bedürfnissystem 33

    4.​1 Die bedürfnisbezogen​en Soll-Werte 35

    4.​2 Die Bedürfnislandkar​te 37

    4.​3 Das optimale Bedürfnissystem 39

    4.​4 Bedürfnisbezogen​e Kompetenzen 40

    Literatur 43

    5 Das Emotionale System 45

    5.​1 Was sind eigentlich Emotionen?​ 48

    5.​2 Die verschiedenen Arten von Emotionen 55

    5.​2.​1 Grundgefühl 56

    5.​2.​2 Basisemotionen 59

    5.​2.​3 Bewertungsemotio​nen 62

    5.​2.​4 Selbstwert-Emotionen 68

    5.​2.​5 Die Grundthemen unserer Emotionen – ein Überblick 69

    5.​2.​6 Emotionen im Kontext Schule 69

    5.​3 Wie werden Emotionen ausgelöst?​ – Die emotionale Landkarte 71

    5.​4 Wirkungen von Emotionen 78

    5.​4.​1 Gefühlsebene 78

    5.​4.​2 Kognitive Ebene 80

    5.​4.​3 Motivationale Ebene 94

    5.​4.​4 Physiologische Ebene 98

    5.​4.​5 Expressive Ebene 100

    5.​4.​6 Wirkungen von Lehreremotionen 102

    Literatur 103

    6 Das Rationale System 109

    6.​1 Wissen über die Welt – die begriffliche Landkarte 111

    6.​1.​1 Die Unschärfe der begrifflichen Landkarte 112

    6.​1.​2 Die Zuverlässigkeit der begrifflichen Landkarte 116

    6.​1.​3 Die momentane Begrenztheit der begrifflichen Landkarte 118

    6.​1.​4 Die Bewertung der begrifflich abgebildeten Welt 125

    6.​2 Wissen über uns selbst – das Selbstkonzept 128

    6.​2.​1 Die Struktur des Selbstkonzepts 129

    6.​2.​2 Der Inhalt des Selbstkonzepts 133

    6.​2.​3 Die Bewertung des Selbstkonzepts – Selbstwert 151

    6.​2.​4 Selbstkonzept und Persönlichkeitsw​achstum 163

    Literatur 185

    7 Emotionale Kompetenz:​ Was ist das eigentlich?​ – Revisited 191

    8 Die Regulation von Emotionen 195

    8.​1 Die Fähigkeit der Emotionsregulati​on im gegenwärtigen Moment 196

    8.​1.​1 Situationsselekt​ion 200

    8.​1.​2 Situationsveränd​erung 203

    8.​1.​3 Aufmerksamkeitsl​enkung 204

    8.​1.​4 Situationsumdeut​ung 207

    8.​1.​5 Einflussnahme auf Emotionskomponen​ten 229

    8.​1.​6 Emotionen im gegenwärtigen Moment aushalten 235

    8.​2 Langfristige Emotionsregulati​on 236

    8.​2.​1 Die Veränderung emotionaler Reaktionsgewohnh​eiten 237

    8.​2.​2 Die Akzeptanz emotionaler Reaktionsgewohnh​eiten 243

    Literatur 246

    II Methoden

    9 Wahrnehmung – Werkzeuge 253

    9.​1 Wahrnehmungsgewo​hnheiten 254

    9.​1.​1 Im Alltag 254

    9.​1.​2 Klassenbeobachtu​ng 255

    9.​2 Wahrnehmung lenken 256

    9.​2.​1 Achtsamkeitsklas​siker 256

    9.​2.​2 Die Beschreib-Übung 258

    9.​2.​3 Metta-Meditation 259

    9.​3 Arbeitsblätter 261

    Literatur 261

    10 Bedürfnisse – Werkzeuge 263

    10.​1 Bedürfnisse reflektieren 264

    10.​1.​1 Grundbedürfnisse​ aller Art 264

    10.​1.​2 Bedürfnisse im zwischenmenschli​chen Kontext 266

    10.​2 Umgang mit Bedürfnissen 268

    10.​2.​1 Bedürfniskuchen 268

    10.​2.​2 Kleine Schule der Bedürfniskommuni​kation 269

    10.​3 Arbeitsblätter 270

    Literatur 270

    11 Emotionen – Werkzeuge 271

    11.​1 Eigene Emotionen wahrnehmen 272

    11.​1.​1 Emotionspantomim​e 272

    11.​1.​2 Genau geschaut – Lehreremotionen 273

    11.​1.​3 Emotionsrad 273

    11.​1.​4 Komponentenübung​ 274

    11.​1.​5 Die Welt meiner Emotionen 275

    11.​1.​6 Zu dritt 276

    11.​2 Wahrnehmung von Emotionen bei anderen 277

    11.​2.​1 Gedankenlesen 277

    11.​2.​2 Der Werdegang eines Sehers 278

    11.​2.​3 Seherische Fähigkeiten 278

    11.​2.​4 Probier’s mal digital! – Cognitive Bias Modification 279

    11.​2.​5 Kleine Schule der Empathie 280

    11.​3 Emotionsauslöser​ 281

    11.​3.​1 Emotionale Alarmdatenbank 281

    11.​3.​2 Auslöser im Klassenzimmer 282

    11.​3.​3 Mythenquiz 283

    11.​3.​4 Quellen der Freude im Unterricht 283

    11.​4 Arbeitsblätter 284

    Literatur 284

    12 Verstand – Werkzeuge 287

    12.​1 Wissen über die Welt 288

    12.​1.​1 Denkgewohnheiten​ 288

    12.​1.​2 Wissen über Emotionen 290

    12.​2 Wissen über uns selbst – Selbstkonzept 291

    12.​2.​1 Selbstkonzept 291

    12.​2.​2 Selbstkonzept und Persönlichkeitsw​achstum 295

    12.​3 Arbeitsblätter 297

    Literatur 297

    13 Emotionen regulieren - Werkzeuge 299

    13.​1 Emotionsregulati​on 300

    13.​1.​1 Eigene Regulationsstrat​egien beobachten 300

    13.​1.​2 Situationsselekt​ion und Situationsveränd​erung 302

    13.​1.​3 Aufmerksamkeitsl​enkung 304

    13.​1.​4 Situationsumdeut​ung 305

    13.​1.​5 Einflussnahme auf Emotionskomponen​ten 309

    13.​2 Emotionsakzeptan​z 315

    13.​2.​1 Wir brauchen Dich! 315

    13.​2.​2 Der Geschafft-Koffer 315

    13.​2.​3 Dennoch:​ Wer kann, der schafft auch das! 316

    13.​3 Arbeitsblätter 317

    Literatur 317

    Über die Autoren

    Christof Kuhbandner

    ist Leiter des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg. Er forschte und lehrte in den Bereichen der Allgemeinen Psychologie, der Entwicklungspsychologie, der Persönlichkeitspsychologie und der Pädagogischen Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der International University Bremen und der Universität Regensburg. Seine Forschungsgebiete sind die Themen Emotionen, Lernen und Wissenserwerb, Motivation, Kreativität sowie Humor. In der Lehre ist er sowohl für die Studienfächer Bachelor und Master Psychologie als auch für die erziehungswissenschaftliche Ausbildung im Lehramtsstudium und die Ausbildung von Beratungslehrkräften zuständig.

    Iris Schelhorn

    ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg und psychologische Psychotherapeutin (Kognitive Verhaltenstherapie). Ihr Forschungsgebiet ist emotionale Kompetenz im Lehrberuf. Sie forschte auch im Bereich Angststörungen in der klinischen Psychologie. Sie leitet Trainings emotionaler Kompetenzen für angehende Lehrkräfte und Seminare zum Thema Emotionale Kompetenz für den Bachelor Psychologie und lehrt im Bereich der klinischen Psychologie in Einführungsveranstaltungen und Seminaren zur Entstehung und Behandlung psychischer Auffälligkeiten.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    C. Kuhbandner, I. SchelhornEmotionale Kompetenz im Lehrberufhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-26984-5_1

    1. Einführung

    Christof Kuhbandner¹   und Iris Schelhorn¹  

    (1)

    Institut für Psychologie, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland

    Christof Kuhbandner (Korrespondenzautor)

    Email: christof.kuhbandner@ur.de

    Iris Schelhorn

    Email: iris.schelhorn@ur.de

    Worum es in diesem Kapitel geht

    Das Einführungskapitel enthält Informationen zum Aufbau des Buches sowie eine erste Annäherung daran, was in diesem Buch unter „Emotionaler Kompetenz" verstanden wird. Weiterhin werden zwei Charaktere vorgestellt, die den Leser durch das gesamte Buch begleiten und den Text mit interessanten Informationen, Beispielen und zum Nachdenken anregenden Ideen anreichern werden. Schließlich wird eine hilfreiche Grundeinstellung vermittelt, wenn man sich auf den Weg machen möchte, an der eigenen emotionalen Kompetenz zu arbeiten.

    Ein ganz normaler Donnerstag – Aufzeichnung einer Lehrerin

    (Grundschule in Bayern – 3. Klasse – 23 Schüler und Schülerinnen)

    Diese Aufzeichnungen aus dem Berufsleben einer Lehrerin zeigen sehr eindrücklich, dass das Leben einer Lehrkraft durchwirkt ist von Emotionen. Manchmal bereichern Sie unser Leben, manchmal sind sie ein unangenehmes Anhängsel, und manchmal wird man schier hinweggerissen von ihrer Kraft. Dieses Praxisbuch soll eine Orientierungshilfe bieten im Wirrwarr unserer Emotionen, verbunden mit dem Ziel, als Person emotional kompetent zu werden.

    Aufbau des Buches

    Das Buch besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil wird es um die Vermittlung von Wissen zu Emotionen und emotionaler Kompetenz gehen: Was sind Emotionen eigentlich? Wie und warum entstehen sie? Welche Wirkungen können sie entfalten? Was ist emotionale Kompetenz? Und wie können wir sie in unserem Alltag umsetzen? Ein reichhaltiges Wissen zu besitzen ist deshalb so wichtig, weil wir damit auf unser Leben schauen und besser verstehen und reflektieren können: Woher kommen eigentlich meine Emotionen? In welchen Situationen entstehen meine Emotionen typischerweise? Welche Wirkungen entfalten sie in meinem Leben? Handelt es sich bei den bei mir auftretenden verschiedenen Emotionen jeweils um hilfreiche oder hinderliche Emotionen? Und welchen Emotionen will ich in meinem Leben mehr oder weniger Raum geben? Fragen, deren Beantwortung einiges an Reflexion und Selbsterfahrung benötigen wird – was wiederum möglicherweise noch viel fundamentalere Fragen aufwerfen wird, wie zum Beispiel: Wer bin ich eigentlich, was ist mir wichtig und wie möchte ich sein?

    Im zweiten Teil des Buches wird es dann um Methoden der emotionalen Kompetenz gehen. Darin werden zahlreiche Übungen und Materialien vorgestellt, mittels derer man das eigene emotionale Geschehen beobachten, darüber reflektieren und regulieren kann: Wie kann man lernen, sich und andere gut wahrzunehmen und Emotionen genau zu identifizieren? Wie kann man sich angewöhnen, die Ausgangssituation und die möglichen Wirkungen von Emotionen genauer zu betrachten, ohne durch diese verblendet zu werden? Welche Methoden gibt es, um über das eigene emotionale Geschehen und sich selbst zu reflektieren? Und mit welchen Techniken kann man erwünschte Emotionen heraufregulieren bzw. unerwünschte Emotionen herabregulieren?

    Bei der Beantwortung dieser Fragen werden uns durch das Buch dabei zwei Figuren begleiten, die zum einen wissenschaftliche Hintergründe vertiefen und zum anderen Praxisbezüge und Verknüpfungen zum „echten Leben" herstellen werden. Wir wollen die beiden Figuren an dieser Stelle kennenlernen:

    Marta, Wissenschaftlerin

    ../images/476839_1_De_1_Chapter/476839_1_De_1_Figa_HTML.png

    „Nun, ich denke, ich kann von mir behaupten, über Lehrkräfte habe ich sehr viel gelesen. Zahllose Bücher habe ich gewälzt, Zeitschrift um Zeitschrift durchgeblättert, das Internet ausgiebig durchforstet.

    Danach setzte ich mir zum Ziel, mir ein breites Wissen über Emotionen anzueignen – und, ich muss sagen, zunächst war meine Freude groß. Ich entdeckte einen schier unendlichen Reichtum an Theorien, Modellen, Meinungen. Ich warf mich mitten hinein und jubelte ob des Gefühls, dies alles aufsaugen zu dürfen, ob des Gefühls, ein riesiger Staubsauger zu sein. Ich nahm alles mit. Die größte und die kleinste Theorie, Tabellen über Tabellen mit Zahlen über Zahlen, komplex verschachtelte Sätze. Ich gebe zu, ich war ein Vielfraß gewesen.

    Aber eines Tages wachte ich dann auf und war schlichtweg überwältigt. Ich hatte Kopfschmerzen und ein endloses Völlegefühl. Die Zahlen drehten sich wild in meinem Kopf, bis mir ganz schwindlig wurde. Begriffe verschmolzen zu mir unbekannten Neologismen und eine Wolke aus Theorien vernebelte mir die Sicht. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Ich hatte das Gefühl, trotz meines umfassenden theoretischen „Wissens" eigentlich in Wirklichkeit gar nichts zu wissen. Tagelang wurde dieses Gefühl zu meinem stetigen Begleiter. Es zog sich über mir zusammen gleich einem Gewitter und ließ meine Gedanken Karussell fahren.

    Aber dieses Gefühl veranlasste mich dazu, mir Zeit dafür zu nehmen und die Dinge noch einmal ganz neu zu betrachten: Wie wäre es, wenn man wirkliches Licht ins Dunkel des theoretischen Wirrwarrs brächte? Wenn man Wichtiges von Unwichtigem trennt? Angenommen, man könnte das alles ordnen, verkürzen, verdeutlichen, auf den Punkt bringen… Lücken aufdecken oder schließen… zähe Theorie veranschaulichen… Zugänglichkeit schaffen… Theorie in Praxis verwandeln oder beides miteinander verbinden… ein wirklich ehrgeiziges Vorhaben.

    Mein Fazit? Nun, ich denke, ich kann stolz von mir behaupten, mir ist es gelungen, zumindest für mich Licht ins Dunkel zu bringen. Doch an dieser Stelle ist die Frage nach dem Fazit, glaube ich, nicht unbedingt die richtige. Eine richtigere Frage wäre eher: An welcher Stelle sollte ein interessierter Leser beginnen? Ich empfehle, bei der simpel anmutenden Einsicht, dass Emotionen überall dort sind, wo auch Menschen sind. In jedem dunklen Winkel, in jedem offenen Haus, in jedem Büro und – selbstverständlich auch in jedem Klassenzimmer. Ja, ich denke, dies ist ein würdiger Gedanke für einen Anfang: Emotionen sind überall."

    Robert, Lehrkraft

    ../images/476839_1_De_1_Chapter/476839_1_De_1_Figb_HTML.png

    „Erst einmal freue ich mich sehr, dass Sie dieses Buch lesen. Denn für mich selbst war es sehr spannend, meinen Berufsalltag – ja ich möchte fast sagen mein Leben generell – aus einem für mich neuen Blickwinkel zu betrachten. In diesem Buch geht es nicht um Didaktik, nicht um Fachwissen in bestimmten Schulfächern, nicht darum, wie man Schüler motiviert, fördert, verbessert. Was natürlich nicht heißt – dies nur am Rande –, dass die Anwendung des Wissens in diesem Buch nicht auch das Verhalten Ihrer Schüler positiv beeinflussen kann. In diesem Buch – das habe ich im Verlauf immer mehr bemerkt – geht es in erster Linie um die Person, die es liest: Die Lehrkraft, den Trainer, den Fortbildungsleiter, den Studierenden, den neugierigen Leser. Um deren Persönlichkeit, deren Erleben, deren Verhalten, deren Ideale, zusammengefasst unter dem Begriff der emotionalen Kompetenz. Ein Thema, das im Kontext Schule bisher kaum auftaucht.

    Dieses Buch ist ein Versuch, das viele Wissen, das Wissenschaftler*Innen im Laufe der Zeit in zahllosen Studien über die Funktionsweise der menschlichen Psyche zusammengetragen haben, für den Anwender wirklich greifbar zu machen. Und da habe ich mir gedacht: An dieser Stelle kann ich hilfreich einspringen. Zuallererst werde ich meine Erfahrungen als Lehrer, als Pädagoge und Didaktiker nutzen, um manche Inhalte anschaulicher darzustellen und Beispiele aus dem Schulkontext einzuflechten. Im Laufe meiner Zeit als Lehrer habe ich auch eine gute Intuition dafür erworben, wann Inhalte drohen zu kompliziert zu werden. So werde ich an komplexen Textstellen einschreiten, um Wichtiges hervorzuheben. Und manchmal zu versuchen, komplizierte Dinge noch einmal einfacher oder anhand von Beispielen und eigenen Erfahrungen auf den Punkt zu bringen. Außerdem ist mir noch etwas aufgefallen: In diesem Buch wird zwar psychologisches Wissen vermittelt, aber immer wieder entdecke ich Verbindungen zu anderen Bereichen, zur Pädagogik zum Beispiel. Auch auf solche Schnittstellen werde ich hinweisen. Zum Schluss bleibt noch ein persönlicher Wunsch von mir: Ich wünsche mir, dass dieses Buch für Sie inspirierend und aufschlussreich sein wird."

    Wichtig

    Auch ich möchte mich kurz vorstellen: Ich bin ein sogenannter „Wichtig-Absatz". Mich wird man an verschiedenen Stellen im ersten Teil des Buches finden. Mein Ziel ist, jeweils die Relevanz der vorgestellten psychischen Mechanismen für die emotionale Kompetenz prägnant zusammenzufassen und auf die dazu passenden Werkzeuge im zweiten Teil ab ► Kap. 9 dieses Buches zu verweisen.

    1.1 Emotionale Kompetenz: Was ist das eigentlich?

    Zu Beginn eines Buches zur „Emotionalen Kompetenz stellt man sich sicherlich die Frage, was denn „Emotionale Kompetenz eigentlich ist. Allerdings stößt man hier als Autor auf ein Problem: Eine wirkliche Antwort kann man an dieser Stelle des Buches nicht geben. Denn dazu müsste man erst erklären, was Emotionen sind, wie und warum sie entstehen, und wovon es abhängt, ob eine Emotion für das eigene Fortkommen hilfreich ist oder nicht. Man kann diese Frage also eigentlich erst zufriedenstellend beantworten, nachdem ein tieferes Verständnis von Emotionen vermittelt wurde. Würde man diese Frage an dieser Stelle des Buches beantworten, dann würde man so tun, als wäre eine Antwort einfach – was der Vielschichtigkeit der emotionalen Kompetenz nicht gerecht würde. Deswegen werden wir diese Frage später noch einmal aufgreifen, nachdem wir beleuchtet haben, was Emotionen sind und wie sie uns im Zusammenspiel mit anderen psychischen Kräften beeinflussen (► Kap. 7).

    Wir möchten aber zu Beginn eine Intuition dazu vermitteln, was in diesem Buch mit emotionaler Kompetenz gemeint ist und auf welche Weise diese hilfreich sein kann. Wir wollen dies am Beispiel einer Lehrkraft verdeutlichen. In ◘ Abb. 1.1 ist auf der linken Seite eine Schulklasse und auf der rechten Seite das emotionale Erleben der zugehörigen Lehrkraft dargestellt.

    ../images/476839_1_De_1_Chapter/476839_1_De_1_Fig1_HTML.jpg

    Abb. 1.1

    Emotionale Kompetenz. Klassenzimmer: © cookart/► stock.​adobe.​com

    Wenn wir das Geschehen in ◘ Abb. 1.1 betrachten, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, wie die Lehrkraft das eigene emotionale Geschehen positiv beeinflussen kann: Sie kann einerseits auf Seiten der Schüler Maßnahmen ergreifen, mit dem Ziel, Problemverhalten zu reduzieren und erwünschtes Verhalten zu fördern. Die dafür nötigen Kompetenzen werden als pädagogische Kompetenzen bezeichnet. Sich hier eine hohe „äußere Stärke" anzueignen, ist ein wichtiges Ziel. Da es aber hierfür schon zahlreiche Bücher gibt, werden wir dieses Thema in diesem Buch nur ab und zu streifen.

    Andererseits kann die Lehrkraft ihr eigenes emotionales Geschehen aber auch dadurch positiv beeinflussen, dass sie versucht, ihre eigenen emotionalen Reaktionsgewohnheiten auf Ereignisse in der Klasse zu verändern. Das Ziel ist hier sozusagen, eine hohe „innere Stärke" zu erreichen. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass man dazu fähig ist, mit Gelassenheit zu reagieren, wenn Schüler trotz äußerer Maßnahmen ein schwieriges Verhalten an den Tag legen oder beim Lernen keine Fortschritte zeigen. Es kann bedeuten, den Mut zu besitzen, sich emotional zu öffnen – oder genau das Gegenteil, die Kraft zu besitzen, Emotionen hintanzustellen. Oder es kann auch bedeuten, Glück und Freude bei sich und anderen verstärken zu können, zum Beispiel, wenn Erfolge erzielt wurden. Eine solche innere Stärke zu besitzen – genau das ist in diesem Buch mit emotionaler Kompetenz gemeint.

    Eine hohe innere Stärke kann auch präventive Wirkungen entfalten, sodass eine Regulation über äußere Maßnahmen weniger nötig wird. Ein Beispiel ist das Störungsverhalten von Schülern. Manchmal verfolgen Schüler mit einem solchen Verhalten das Ziel, beim Lehrer Emotionen auszulösen, weil sie sich dadurch als „stark" erleben und Anerkennung von anderen bekommen wollen. Lässt sich eine Lehrkraft in einem solchen Fall nicht aus der Ruhe bringen, wird dieser Weg des Anerkennungsgewinns vom Schüler als wenig effektiv erlebt, damit also nicht verstärkt, und in der Konsequenz seltener beschritten. Weiterhin eröffnet eine hohe innere Stärke auch pädagogische Möglichkeiten, die weit über die restriktiven Effekte einer Regulation über äußere Maßnahmen hinausgehen. Wir wollen das anhand einer Geschichte veranschaulichen, die Terry Dobson, der einer der ersten Amerikaner war, der nach Japan reiste, um die Kampfkunst Aikido zu lernen, seinem Freund Daniel Goleman erzählte (nach Goleman 1995, S. 124–126):

    Eines Nachmittags fuhr ich in einem Vorortzug von Tokio nach Hause, als ein massiger, kampfeslüsterner und stark betrunkener Arbeiter einstieg. Der Mann begann, die Fahrgäste einzuschüchtern. Schimpfend und fluchend schlug er nach einer Frau, sodass sie auf dem Schoß eines älteren Ehepaares landete, das daraufhin aufsprang und mit den übrigen Fahrgästen ans Ende des Wagens flüchtete. Als der Betrunkene nach einigen weiteren Fahrgästen schlug, die er in seiner Wut verfehlte, packte er unter wüstem Gebrüll die Metallstange in der Mitte des Wagens und versuchte, sie aus der Verankerung zu reißen. An diesem Punkt glaubte ich, der ich durch tägliche achtstündige Aikido-Übungen in bester körperlicher Verfassung war, eingreifen zu müssen. Ich stand langsam und bedächtig auf, während die übrigen Fahrgäste wie erstarrt auf ihren Sitzen saßen. Als der Betrunkene mich erblickte, brüllte er: „Oh, ein Ausländer! Dir werde ich japanische Manieren beibringen!", und schickte sich an, es mit mir aufzunehmen.

    Doch in diesem Moment stieß jemand einen ohrenbetäubenden, merkwürdig fröhlichen Schrei aus: „Hey! Der Schrei klang so vergnügt, als habe jemand plötzlich einen lieben Freund entdeckt. Erstaunt drehte der Betrunkene sich um, und erblickte ein kleines japanisches Männlein, das in den Siebzigern sein mochte und in einem Kimono dasaß. Der alte Mann strahlte den Betrunkenen erfreut an und winkte ihn mit einer leichten Handbewegung und einem flotten „Komm her zu sich. Der Betrunkene setzte sich mit staksigen Schritten in Bewegung, wobei er wütend knurrte: „Wieso soll ich mit Dir reden, verdammt noch mal? „Was hast Du getrunken?, fragte der alte Mann und strahlte den betrunkenen Arbeiter an. „Ich habe Sake getrunken, und das geht Dich einen Dreck an, brüllte der Betrunkene. „Oh, das ist wunderbar, absolut wunderbar, erwiderte der alte Mann mit freundlicher Stimme. „Weißt Du, ich liebe auch Sake. Meine Frau und ich – sie ist 76, musst Du wissen – wärmen uns jeden Abend ein Fläschchen Sake und nehmen es mit in den Garten, und wir setzen uns auf eine alte Holzbank … Und er erzählte weiter von dem Dattelpflaumenbaum in seinem Hof und den Schätzen seines Gartens. Das Gesicht des Betrunkenen wurde allmählich sanfter, während er dem alten Mann lauschte, seine Fäuste öffneten sich. „Tja … ich liebe auch Dattelpflaumen, sagte er und seine Stimme verlor sich. „Ja, sagte der alte Mann munter, „und Du hast sicher eine wunderbare Frau. „Nein, sagte der Arbeiter, „meine Frau ist gestorben. Und begann schluchzend die traurige Geschichte zu erzählen, wie er seine Frau, sein Haus und seine Arbeit verloren hatte, und dass er sich schäme. In diesem Augenblick fuhr der Zug in den Bahnhof ein, wo Terry aussteigen musste, und während er zur Tür ging, hörte er noch, wie der alte Mann den Betrunkenen einlud, mit ihm zu kommen und ihm alles zu erzählen, und als er sich umdrehte, sah er noch, wie der Betrunkene sich auf dem Sitz ausstreckte, den Kopf auf dem Schoß des alten Mannes.

    Diese eindrucksvolle Geschichte beschreibt etwas, das von Daniel Goleman als „emotionales Judo" bezeichnet wird und als hohe Kunst der pädagogischen Begleitung angesehen werden kann: In Situationen, in denen jemand emotional überreagiert, selbst weder mit Angst zu reagieren noch sich emotional anstecken zu lassen, dadurch offen zu werden, um überhaupt erkennen zu können, was diese Person in Wirklichkeit antreibt, und um dann darauf aufbauend die emotionalen Energien der Person in eine sinnvolle Richtung zu lenken – übertragen auf den Schulkontext womöglich eine pädagogische Fähigkeit von unschätzbarem Wert.

    Professionelle Kompetenzen von Lehrkräften

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    „Man kann die emotionale Kompetenz auch in existierende umfassendere Modelle zu professionellen Kompetenzen von Lehrkräften einordnen. Solche Modelle haben zum Ziel, Kompetenzen zu identifizieren, die Lehrkräfte für die erfolgreiche Bewältigung ihrer Aufgaben benötigen. Typischerweise werden in solchen Modellen zum einen Kompetenzen im Bereich des Professionswissens postuliert, wobei meist zwischen Fachwissen, fachdidaktischem Wissen, psychologisch-pädagogischem Wissen und Schulorganisationswissen unterschieden wird. Zum anderen werden personale Kompetenzen postuliert, welche die Persönlichkeit der Lehrkraft betreffen (z. B. Baumert und Kunter 2011). In Anlehnung an klassische Theorien zur Persönlichkeit kann man hier zwischen kognitiven (z. B. Werthaltungen und Einstellungen), motivationalen (z. B. motivationale Orientierungen und Selbstregulation) und emotionalen Kompetenzen unterscheiden. Wie wir allerdings im Verlauf des Buches sehen werden, gibt es Überschneidungsbereiche zwischen den kognitiven, motivationalen und emotionalen Kompetenzen, sodass diese sich zum Teil überlappen und damit gegenseitig beeinflussen. In der folgenden Abbildung findet sich eine entsprechende Illustration."

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    1.2 Der Weg zur Kompetenz – eine Grundeinstellung

    Wenn man an seiner emotionalen Kompetenz arbeiten möchte, ist es hilfreich, zu Beginn noch eine Frage zu stellen: Gibt es vielleicht eine bestimmte Grundeinstellung, mit der man sich auf den Weg machen sollte? An emotionalen Kompetenzen zu arbeiten ist keine leichte Aufgabe: Denn es kann bedeuten, gewohnte Erlebens- und Verhaltensweisen nicht nur besser erkennen und verstehen zu lernen, sondern diese auch wirklich im Alltag und Trubel des echten Lebens zu verändern. Wie wir noch genauer sehen werden, sind unsere Gewohnheiten oft tief in uns verankert und werden schnell und automatisch in Situationen ausgelöst, ohne dass wir das notwendigerweise bewusst mitbekommen. Dementsprechend ist es wichtig, sich von Anfang an klar zu machen: Wenn man an sich arbeiten möchte, dann reicht es nicht aus, das entsprechende Wissen und die entsprechenden Methoden zu erwerben. Vielmehr kann es bedeuten, dass man einigen Dingen in seinem Leben Raum geben muss, die vielleicht bisher dort nicht wirklich Platz hatten. Es kann bedeuten, offen zu sein und bereit für Veränderung. Wir möchten die in unseren Augen nötigen Schritte beim Arbeiten an den eigenen emotionalen Kompetenzen in Form eines Kreislaufs darstellen – wir wollen diesen den „Kompetenzkreislauf" nennen (◘ Abb. 1.2).

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    Abb. 1.2

    Der Kompetenzkreislauf

    Dieser Kreislauf impliziert, dass wir zur Veränderung unserer Erlebens- und Verhaltensgewohnheiten drei Dingen in unserem Alltag mehr Raum geben: Beim ersten Punkt im Kompetenzkreislauf – Wahrnehmen – geht es darum, die aktuelle Situation genauer wahrzunehmen als bisher. Typischerweise sind wir so von unseren Sehgewohnheiten geprägt, dass wir manche Dinge gar nicht mehr richtig wahrnehmen oder gar komplett blind für manche Dinge sind. Hier geht es darum, sich eine zweite Sehgewohnheit zuzulegen: Die Gewohnheit, genauer hinzublicken als bisher.

    Für den zweiten und dritten Punkt im Kompetenzkreislauf (Reflektieren und Planen) ist eine weitere neue Gewohnheit erforderlich: Sich nach der eigentlichen Situation die Zeit zu nehmen, über das Geschehen und die eigenen Erlebens- und Verhaltensreaktionen noch einmal genauer nachzudenken. Emotionsrelevante Situationen sind oft dadurch gekennzeichnet, dass dringliches Handeln gefordert ist, sodass wenig Zeit zum Nachdenken bleibt. Weiterhin ist es ein Charakteristikum vieler Emotionen, dass sie unser Denken in eine bestimmte Richtung verzerren, weshalb ein klares und umfassendes Nachdenken im Moment des Erlebens einer Emotion gar nicht möglich ist. Beim Reflektieren geht es darum, nach einer Situation darüber nachzudenken, was genau geschehen ist und was man sich eigentlich gewünscht hätte. Das anschließende Planen beinhaltet, basierend auf dem Ergebnis der Reflexion, einen Plan zu machen: Mit welcher neuen Strategie will ich das nächste Mal in die entsprechende Situation gehen? Welche Werkzeuge

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