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Entdecke das Riechen wieder: Warum es sich lohnt, die Welt mit der Nase wahrzunehmen
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eBook322 Seiten3 Stunden

Entdecke das Riechen wieder: Warum es sich lohnt, die Welt mit der Nase wahrzunehmen

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Über dieses E-Book

Warum es sich lohnt, die Welt mit der Nase wahrzunehmen Entdecke das Riechen wieder riecht wie alle anderen Bücher, aber nachdem Sie es gelesen haben, werden Bücher und vieles andere für Sie nicht mehr so riechen wie zuvor. Ob es bei Menschen Pheromone gibt, warum es so schwierig ist, über Gerüche zu reden, welches Tier den besten Riecher hat und warum manche Menschen den Geruch von Spargel-Urin nicht riechen können - das sind nur einige der Fragen, die der Geruchsforscher Andreas Keller in diesem Buch beantwortet. Menschen besitzen eine gute Nase, haben aber im Laufe der Evolution mehr und mehr verlernt, sie zu benutzen. Dieses Buch wird Sie überzeugen, dass Riechen nicht so mysteriös ist, wie oft angenommen, und dass es sich lohnt, die Welt wieder (auch) mit der Nase wahrzunehmen. In einem Zeitalter, das von digitalisierten Erfahrungen geprägt ist, die beliebig kopiert und für die Ewigkeit gespeichert werden können, bedeutet die flüchtige Realität eines Geruches mehr als je zuvor.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum30. Nov. 2018
ISBN9783662572610
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    Buchvorschau

    Entdecke das Riechen wieder - Andreas Keller

    Andreas Keller

    Entdecke das Riechen wiederWarum es sich lohnt, die Welt mit der Nase wahrzunehmen

    ../images/454213_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Andreas Keller

    New York, USA

    ISBN 978-3-662-57260-3e-ISBN 978-3-662-57261-0

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-57261-0

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019

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    Einbandabbildung: © Makuba/stock.adobe.com

    Verantwortlich im Verlag: Frank Wigger

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Danksagung

    Viele Menschen haben mich beim Schreiben dieses Buches unterstützt. Viele Duftexperten haben sich die Zeit genommen, mit mir zu reden und mir dabei zu helfen, ihr Fachgebiet besser zu verstehen. Matthias Laska und Asifa Majid haben darüber hinaus einzelne Kapitel kritisch gelesen. Frank Wigger und Stefanie Adam haben das Projekt für Springer Nature betreut und dieses Buch möglich gemacht. Mein ganz spezieller Dank gilt meiner Frau Dara Mao.

    Inhaltsverzeichnis

    Teil I Die Welt durch die Nase wahrnehmen

    1 Was ist Riechen?​ 3

    Unsere fünf(?​) Sinne 5

    Geschmack 7

    Der Drillingsnerv 9

    Das Jacobson’sche Organ 11

    2 Duftmoleküle 15

    Moleküle 16

    Moleküle, die einen Geruch haben 21

    Molekülstruktur und Geruch 24

    Molekülgemische 32

    3 Duftrezeptoren 41

    Duftrezeptor-Gene und Duftrezeptor-Proteine 42

    Kombinatorischer​ Code 45

    Geruchssinneszel​len 53

    Farbwahrnehmung 55

    4 Chemische Ökologie 59

    Duftnavigation in Brieftauben 62

    Blüten lügen durch Duftmoleküle 66

    Duftkommunikatio​n im Ameisenstaat 70

    Teil II Die Mysterien des Riechens

    5 Pheromone 79

    Was sind Pheromone?​ 80

    Zitzenpheromone 82

    Synchronisation des Menstruationszyk​lus 86

    Sexualpheromone 88

    6 Düfte als Emotionen 95

    Gerüche ähneln Emotionen 96

    Was passiert im Gehirn?​ 101

    Funktion von Gerüchen und Emotionen 105

    7 Über Gerüche reden 109

    Duftvokabulare 111

    Düfte benennen 114

    Warum fällt es so schwer?​ 117

    8 Keine Nase ist wie die andere 121

    Die Entdeckung der Farbfehlsichtigk​eit 122

    Warum Rot und Grün für manche gleich aussehen 126

    Variation in Sachen Geruch 129

    Teilweise Duftblindheit 131

    Unterschiedliche​ Nasen, unterschiedliche​ Gerüche 136

    9 Wer hat den besten Riecher?​ 143

    Wer hat die meisten Duftrezeptor-Gene?​ 145

    Unterschiede im Riechapparat 153

    Vergleichende Verhaltensexperi​mente 160

    Teil III Wie wir vergessen haben zu riechen

    10 Die Evolutionsgeschi​chte unserer Nase 167

    Sehen am Tag, Riechen nachts 168

    Zu hochnäsig zum Riechen 174

    11 Gestank von Krankheit und Armut 179

    Gestank, der krank macht 180

    Der Geruch des Proletariates 187

    Das Deodorisieren der Welt 189

    12 Stallgeruch 193

    Körpergeruch 194

    Der Geruch des Fremden 204

    Erlernte Duftvorlieben 206

    Teil IV Warum wir Riechen wiederentdecken sollten

    13 Riechen als aktive Wahrnehmung 217

    Riechen ist ein Nahsinn 218

    Düfte sind unberechenbar 221

    14 Wir riechen im Hier und Jetzt 229

    Düfte archivieren 231

    Düfte digitalisieren 233

    Düfte kopieren 239

    15 Gerüche authentisieren Erlebnisse 247

    Duft als genius loci 250

    Authentisieren mit Düften 254

    Düfte manipulieren 259

    Gerüche lassen sich nicht simulieren 262

    Literatur265

    Teil IDie Welt durch die Nase wahrnehmen

    Ein wenig schwer und muffig vielleicht – aber sonst denken wir meist nichts weiter: Wenn wir im Fahrstuhl neben jemandem stehen, der ein nach Moschus und Leder riechendes Parfüm trägt, machen wir uns normalerweise keine Gedanken darüber, woher dieser Geruch kommt. Würden wir unsere Wahrnehmung hinterfragen, würden wir herausfinden, dass das Parfüm wahrscheinlich auf Zibet basiert. Zibet ist ein Sekret aus der Analdrüse einer Zibetkatze. Die Tiere, die ein bisschen aussehen wie eine Mischung aus Hauskatze und Waschbär, markieren mit Zibet ihr Territorium. In Äthiopien werden domestizierte Zibetkatzen in Farmen gehalten. Ihr Analsekret wird regelmäßig „gemolken" und dann nach Frankreich exportiert, wo es in kleinen Mengen Parfüms beigemischt wird, um diesen eine animalische Schwere zu geben.

    Trägt jemand das Parfüm, werden die Moleküle aus der Zibetkatzen-Analdrüse in die umgebende Luft freigegeben. Wenn wir einatmen, gelangen die Moleküle in unsere Nase, wo sie an Duftrezeptoren binden. Diese Rezeptoren sitzen auf Nervenzellen, die durch kleine Löcher in unserem Schädel aus dem Gehirn in die Nasenhöhle ragen. Wenn genug Moleküle an die Duftrezeptoren binden, riechen wir die Zibetkatze. Auf diese Art und Weise nehmen wir unsere Welt durch die Nase wahr.

    Duftreize sind also Moleküle und Riechen ist ein chemischer Sinn. Es ist allerdings nicht der einzige chemische Sinn. Zucker und die Moleküle, die beim Zwiebelschneiden freigesetzt werden, werden durch chemische Sinne wahrgenommen, aber nicht gerochen. Die Fähigkeit, Moleküle wahrzunehmen ist weitverbreitet im Tierreich und es gibt sehr große Unterschiede darin, wie verschiedene Tiere ihren Geruchssinn zur Erkundung ihrer Umwelt einsetzen.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019

    Andreas KellerEntdecke das Riechen wiederhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57261-0_1

    1. Was ist Riechen?

    Andreas Keller¹  

    (1)

    New York, USA

    Andreas Keller

    Email: andreasbkeller@gmail.com

    Das Verb „riechen hat zwei Bedeutungen: „einen Geruch verbreiten und „einen Geruch wahrnehmen. Die erste Bedeutung ist die ältere, „riechen lässt sich von einem Wort mit der Bedeutung „rauchen" ableiten. Um die zweite Bedeutung, einen Geruch wahrnehmen, dreht sich dieses Buch.

    Ich verstehe unter „Riechen" die Wahrnehmung von Molekülen, die in unserer Nasenhöhle an die Duftrezeptoren auf den Geruchssinneszellen binden (Abb. 1.1). Sind es genug Moleküle, wird die Zelle aktiviert und sendet ein Signal ans Gehirn. Dort enden die Geruchssinneszellen im Riechkolben, wo sie das Signal an sogenannte Mitralzellen weiterleiten. Diese pyramidenförmigen Nervenzellen bilden den olfaktorischen Trakt, durch den die Information über die Duftmoleküle mit anderen Gehirnregionen geteilt wird (Abb. 1.1).

    ../images/454213_1_De_1_Chapter/454213_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Der Riechapparat. a Ein Querschnitt durch eine Nasenhöhle. Duftmoleküle gelangen durch Schnuppern in die Nasenhöhle. Über der Nasenhöhle befinden sich der Riechkolben, der Teil des Gehirns, in dem Information über Gerüche verarbeitet werden. b Ein Querschnitt durch die Riechschleimhaut und den Riechkolben. Duftmoleküle in der Nasenhöhle binden an Geruchssinneszellen in der Riechschleimhaut. Die Axone, die Fortsätze der Geruchssinneszellen, ziehen sich durch die Siebplatte ins Gehirn bis zu den Glomeruli des Riechkolbens. Diese kugeligen Strukturen bilden quasi die Eintrittsstelle in den Riechkolben. ( a modifiziert unter Benutzung von TE-Nose diagram von TheEmirr [CC BY 3.0 (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​3.​0)], via Wikimedia Commons b modifizier unter Benutzung von „the sensory system: smell with its receptors and the olfactory bulb" von ellepigrafica/Shutterstock.​com)

    Diese Definition von Riechen grenzt diesen Sinn von anderen Sinnen ab. Die Sinne voneinander abzugrenzen ist hilfreich, wenn man ein Buch über einen der fünf Sinne schreibt und entscheiden muss, was in dem Buch stehen soll. Ich bin mir aber dessen bewusst, dass es verschiedene Methoden gibt, die Grenzen zwischen den einzelnen Sinnen zu ziehen. So führen diese verschiedenen Wege oft zu unterschiedlichen Ergebnissen – besonders, wenn es darum geht, Riechen von anderen chemischen Sinnen abzugrenzen, etwa dem Schmecken oder der Wahrnehmung durch den Drillingsnerv oder das Jacobson’sche Organ.

    Unsere fünf(?) Sinne

    Der Geruchssinn ist einer unserer fünf Sinne. Schmecken, Tasten, Hören und Sehen sind die anderen vier. Unsere Wahrnehmung in fünf Sinne aufzuteilen, schlug schon der griechische Naturforscher und Gelehrte Aristoteles vor. Allerdings lässt sich durchaus streiten, ob dies die beste Aufteilung ist oder ob nicht zum Beispiel auch der Temperatur- und der Gleichgewichtssinn es verdienen, ebenfalls mitgezählt zu werden.

    Wie viele Sinne man zählt, hängt davon ab, nach welchen Kriterien diese voneinander abgegrenzt werden. In manchen Fällen ist es trivial, Sinne voneinander abzugrenzen. Niemand etwa wird es verwechseln, einen Hund zu sehen oder diesen zu riechen. Manchmal aber ist es nicht so einfach, die Sinne voneinander zu unterscheiden und welchem Sinn eine bestimmte Wahrnehmung zugeordnet wird, hängt von der verwendeten Methode ab (Stokes et al. 2015; Keller 2016). Etwas Heißes wie Glühwein fühlt sich auf der Zunge zum Beispiel sehr ähnlich an wie etwas Scharfes, Chilisauce zum Beispiel. So steht im Englischen das Wort „hot sogar für beide Empfindungen. Sowohl Glühwein als auch Chilisauce können „too hot sein. Die Ähnlichkeit der Empfindungen ist einfach zu erklären. Eine erhöhte Temperatur aktiviert den gleichen Rezeptor (TRPV1) den auch Capsaicin aktiviert, das Scharfmacher-Molekül der Chilisauce (Caterina et al. 1997). Es stellt sich also die Frage, ob die beiden Empfindungen dem gleichen Sinn zuzuordnen sind – vielleicht dem Schmerzsinn –, weil sie vom gleichen Rezeptor vermittelt werden und sich sehr ähnlich anfühlen. Oder sind die beiden Empfindungen doch eher zwei verschiedenen Sinnen zuzuordnen, etwa Temperatur- und Geschmackssinn, weil sie von physikalisch unterschiedlichen Reizen ausgelöst werden, nämlich Hitze und Capsaicin-Molekülen?

    Ich habe mich für dieses Buch dafür entschieden, die Sinne nach der Anatomie der Sinnesapparate zu ordnen. Wir riechen mit den Geruchssinneszellen im Riechepithelium, schmecken mit den Geschmacksknospen im Mund, hören mit den Haarzellen im Corti-Organ und sehen mit den Fotorezeptoren in der Netzhaut. Alle anderen Wahrnehmungen werden oft als verschiedene Varianten des Tastsinns abgetan. Nutzt man die Anatomie der Sinnesorgane zur Abgrenzung, findet man jedoch dass zum Beispiel der Temperatur- und der Gleichgewichtssinn nur wenig gemeinsam haben. Man kommt also zu dem Schluss, dass der Mensch mehr als fünf Sinne hat. Für dieses Buch ist es indes nicht wichtig, wie viele Sinne Menschen haben. Wichtig ist, dass nach der hier verwendeten Definition des Riechens nicht jede Wahrnehmung von Molekülen in der Luft automatisch dem Geruchssinn zuzuordnen ist. Um Riechen handelt es sich nur, wenn die Geruchssinneszellen im Riechepithelium diese Moleküle wahrnehmen.

    Geschmack

    Man hört oft, dass „Schmecken zum größten Teil Riechen ist (Shepherd 2011). Soll das heißen, dass einer unserer Sinne zum größten Teil ein anderer Sinn ist? Wie so oft liegt die Erklärung in der Ungenauigkeit der Sprache. In „Schmecken ist zum größten Teil Riechen, bedeutet Schmecken so viel wie Wahrnehmung der Qualitäten von Nahrung im Mund – und die besteht tatsächlich vorwiegend aus Riechen.

    Riechen, wenn es zum Geschmack von Nahrung beiträgt, unterscheidet sich von Riechen in anderen Situationen. Wenn man zum Beispiel an einem Glas Kakao riecht, steigen angenehm schokoladene Duftmoleküle durch die Nasenhöhle bis zu den Geruchssinneszellen hoch. Wenn man den Kakao dann trinkt, gelangen die Duftmoleküle in den Mund. Nun sind Mund- und Nasenhöhle verbunden, und wenn wir mit geschlossenem Mund kauen oder schlucken, wird die Luft aus der Mundhöhle durch die Nase nach außen gedrückt. Auf diesem Weg passiert die Luft aus dem Mund auch die Riechsinneszellen, die dann die Geruchswahrnehmung der Nahrung vermitteln.

    Das erklärt auch, warum wir mit Schnupfen weniger vom Essen wahrnehmen. Ist die Nase verstopft, kann die Luft aus der Mundhöhle nicht an der Riechschleimhaut vorbei in die Nasenhöhle gelangen. Bei Schnupfen kauen wir also mit offenem Mund, damit die Luft nach außen kommt – und riechen gleichzeitig weniger bis nichts.

    Dass Riechen viel zum Geschmack beiträgt, weiß jeder, der einmal mit verstopfter Nase ein Glas Wein getrunken hat. Wein schmeckt unter solchen Umstünden nur noch sauer oder süß. All die Nuancen des Weinaromas, die der Geruchssinn vermittelt, werden nicht mehr wahrgenommen.

    Ein kleiner Selbsttest gefällig? Dann probieren Sie den Beitrag von Riechen zum Geschmack einmal aus: Besorgen Sie zum Beispiel Gummibärchen oder sonstige Süßigkeiten, die in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich sind. Halten Sie sich die Nase zu und kosten Sie … Ein Gummibärchen schmeckt süß – es besteht ungefähr zur Hälfte aus Zucker – und sauer von der Zitronensäure. Mit zugehaltener Nase schmecken grüne, rote und gelbe Gummibärchen jedoch alle gleich. Dann nehmen Sie mal, während Sie noch kauen, die Finger von der Nase. Was passiert? Plötzlich erleben Sie den ganzen Geschmack, denn der Luftstrom fließt wieder an der Riechschleimhaut vorbei: Orangene Gummibärchen schmecken wieder nach Apfelsinen, gelbe nach Limone und so weiter.

    Für den Geruchsanteil des Geschmacks von Gummibärchen sind die Duftmoleküle verantwortlich, die auf der Packung normalerweise als „Aromastoffe" bezeichnet werden. Der Geruch der verschiedenen Aromastoffe hat einen wichtigen Einfluss darauf, wie Gummibärchen schmecken. Das ist allerdings nur so, wenn man wie gesagt mit Geschmack die Wahrnehmung der Qualitäten von Nahrung im Mund meint. Zu diesem Geschmack tragen sowohl die Wahrnehmung von Geschmacksstoffen auf der Zunge als auch der Geruch und das Berührungs-, Temperatur- und Schmerzempfinden bei.

    Eine andere Bedeutung des Wortes Geschmack ist die Wahrnehmung, die durch Geschmacksrezeptoren im Mund vermittelt wird. Die wichtigsten fünf Geschmacksqualitäten die Geschmacksrezeptoren vermitteln, sind süß, sauer, salzig, bitter und umami, der deftige Geschmack von Würzigem beziehungsweise fleischigem Protein. So eng definiert, ist Geschmack ein eigenständiger Sinn, der Geschmacksstoffe durch Geschmacksknospen im Mund wahrnimmt. Er besteht zu hundert Prozent aus Schmecken und hat mit Riechen nichts zu tun.

    Der Drillingsnerv

    Man schmeckt – im engeren Sinn – mit dem Mund und riecht mit der Nase. Aber nicht alle Wahrnehmung von Molekülen mit der Nase ist auch Riechen. Wenn man an einer Flasche hochprozentigem Essig riecht, spürt man ein Stechen in der Nase. Dieses Stechen rufen die Essigsäuremoleküle hervor („Hineingeschnuppe​rt:​ Essigsäure", S. 194). Es wird jedoch nicht durch die Geruchssinneszellen vermittelt, sondern durch den Drillingsnerv (Frasnelli und Manescu 2017). Besagter Nervus trigeminus ist der fünfte Hirnnerv. Seinen Namen verdankt er der Gabelung in drei Äste, die zu Augen, Oberkiefer und Unterkiefer führen. Der Nerv dient sowohl der Wahrnehmung als auch der Kontrolle der Muskel beim Kauen und Beißen. Die Wahrnehmung durch den Drillingsnerv dient dazu, Nase, Mund und Augen zu schützen. Deswegen reagiert der Nerv auf Reize, die Schaden anrichten könnten – wie Berührungen, Hitze, Kälte oder eben auch stark konzentrierte Säuren. Die Endungen des Drillingsnervs im Inneren der Nasenhöhlen reagieren auf die Essigsäure, was dazu führt, dass wir reflexartig ausatmen, damit keine säurehaltige Luft in unsere empfindlichen Lungen kommt. Dem Drillingsnerv ist es also zu verdanken, dass wir husten oder niesen, wenn etwas Kaltes, Heißes, Scharfes oder Saures versucht, durch Mund oder Nase in unseren Körper zu gelangen. Ist der Essig ausreichend verdünnt, können wir ihn tatsächlich auch mit den Geruchssinneszellen riechen. Bleibt der Drillingsnerv inaktiv, riecht Essig nicht stechend, sondern frisch sauer und oft noch ein bisschen nach dem Ausgangsmaterial wie Äpfeln, Trauben oder Reis.

    Der Drillingsnerv ist allerdings nicht auf Essig spezialisiert und auch nicht auf die Nasenhöhlen beschränkt. Er ist zum Beispiel auch für die Wahrnehmung der Schärfe von Chilisauce, Senf und Meerrettich auf der Zunge verantwortlich. Er sorgt dafür, dass unsere Augen anfangen zu tränen, wenn wir Zwiebeln schneiden oder zu nahe an einem rauchenden Grill stehen. Sprudelwasser und Champagner verdanken ihren frischen Geschmack der Drillingsnerv-Wahrnehmung von Kohlensäure. Und wenn man bei Erkältungssymptomen mentholhaltige Salben verwendet, nimmt man kühle Luft in der Nase wahr und es entsteht dadurch das Gefühl einer erleichterten Atmung. Allerdings handelt es sich dabei schlicht um eine Illusion. Die eingeatmete Luft hat dieselbe Temperatur wie zuvor. Mentholmoleküle und kalte Luft aktivieren lediglich denselben Rezeptor: Ähnlich wie der TRPV1-Rezeptor sowohl von Wärme als auch von Capsaicin-Molekülen aktiviert wird, springt der TRPM8-Rezeptor auf dem Drillingsnerv auf Kälte und Mentholmoleküle an (Dhaka et al. 2006). Wenn wir sagen, dass etwas „kühl oder „stechend riecht, arbeiten also nicht die Geruchssinneszellen, sondern der Drillingsnerv. Laut der Definition von Geruch für dieses Buch ist diese Wahrnehmung also kein Riechen.

    Das Jacobson’sche Organ

    In der Nase vieler Wirbeltiere findet sich noch ein weiteres Organ, mit dem Moleküle wahrgenommen werden, das Jacobson’sche Organ, auch Vomeronasales Organ genannt. Es besteht aus tiefen Einbuchtungen hinter kleinen Öffnungen auf beiden Seiten der Nasenscheidewand. Die Sinneszellen im Jacobson’schen Organ verwenden andere Rezeptormoleküle als die Sinneszellen in der Riechschleimhaut. Darüber hinaus senden die Sinneszellen aus dem Jacobson’schen Organ ihre Signale an den Nebenriechkolben, während die Zellen aus der Riechschleimhaut ihre Signale an den Riechkolben schicken.

    Die Einbuchtungen des Jacobson’schen Organs sind im Normalfall für Atemluft nur schwer zu erreichen. Tiere mit einem Jacobson’schen Organ haben deswegen oft spezielle Verhalten entwickelt, durch die sie Luft in das Organ drücken. Säugetieren mit Jacobson’schem Organ flehmen zum Beispiel: Sie öffnen ihr Maul weit und strecken die Zunge leicht aus. Das kennt man so von Katzen, Hunden und Pferden, die überraschend einem intensiven Geruch begegnen. Aber auch Schlangen und Eidechsen strecken ihre zwiespältige Zunge in die Luft, um Moleküle, die an der Zunge haften bleiben, zu ihrem Jacobson’schen Organ zu transportieren.

    Auch bei Menschen fängt das Jacobson’sche Organ im Embryo an, sich zu entwickeln, es bildet sich aber meist schon vor der Geburt zurück. Bei manchen Erwachsenen findet man noch Überreste in der Nase. Das hat lange zu Spekulationen geführt, manche Menschen könnten ein funktionelles Jacobson’sches Organ haben. Die Sequenzierung des menschlichen Genoms hat dann jedoch gezeigt, dass die Gene, die für die Funktion des Jacobson’schen Organs notwendig sind, beim Menschen mutiert und nicht mehr funktionell

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