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Bettgeschichten und andere
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eBook115 Seiten1 Stunde

Bettgeschichten und andere

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Über dieses E-Book

Der Mensch verbringt viel Zeit im Bett, schlafend, lesend, ruhend. In Monika Helfers Bettgeschichten geht es um mehr und anderes als um ein bloßes Zimmermöbel. In den neuen Erzählungen der Vorarlberger Schriftstellerin ist bestrickend eingekapselt, was den zweiten Blick auf den Alltag lohnt. Dahinter stecken, wie immer, andere Geschichten, die zeigen, was Menschen erleben und überleben können. Das ungeübte Auge sieht im Alltag: Monotonie, Wach- und Bettzeiten, das Immergleiche des Tages. Monika Helfer lässt uns genauer hinsehen.
SpracheDeutsch
Herausgeberbahoe books
Erscheinungsdatum16. Mai 2022
ISBN9783903290891
Bettgeschichten und andere
Autor

Monika Helfer

geboren 1947 in Au im Bregenzerwald, lebt als Schriftstellerin in Hohenems, Vorarlberg. Sie hat Romane, Erzählungen und Kinderbücher veröffentlicht.

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    Buchvorschau

    Bettgeschichten und andere - Monika Helfer

    Kitti

    Die Geschichte spielt in einer Kleinstadt, umgeben von Wiesen und Feldern, auf denen Blumen wachsen, die Kinder im Naturkundeunterricht zu bestimmen lernen. Da sind die rote Kuckucksnelke, die Schwertlilie, der Hahnenfuß …

    Sie war eine Frau von dreißig Jahren, normalerweise sehr gepflegt, gut frisiert, fein angezogen, nur gute Stoffe. An diesem Tag aber, einem verregneten Montag, hatte sie das Schicksal hart getroffen. Sie kämmte sich nicht, sie wusch sich nicht, zog sich den erstbesten Pullover an, eine alte Jeans, Turnschuhe. Sie hatte ihre beiden Mädchen vom Spielen weggeholt. Die Kleine nahm sie auf den Arm, die Große zog sie hinter sich her.

    «Wohin gehen wir, Mama?», fragten die Mädchen. «Wir sind gar nicht richtig angezogen, ich habe noch die Patschen an, warum rennst du so, Mama?»

    Sie setzte die Kinder ins Auto auf die Rückbank, sie ermahnte sie, ruhig zu sein, sie müsse noch einmal zurück ins Haus. Hatte sie den Herd abgedreht, die Haustür verschlossen, die Tasche vergessen …

    «Mama, wohin fahren wir?», fragten die Mädchen wieder und zogen ihre Mutter an den Haaren.

    Sie bremste abrupt, drehte sich zu den Mädchen um und schrie sie an, was sie nicht gewohnt waren, die schreiende Mama war ihnen fremd.

    «So, und jetzt ist Ruhe, sonst passiert etwas!»

    Die Mädchen erschraken, die Mutter fuhr viel zu schnell, eine Hand auf dem Lenkrad, in der anderen hielt sie den Zettel mit der Adresse. Sie hätte die Adresse zur Wegbeschreibung ins Navi eingeben und sich an die Angaben halten können. Sie zitterte.

    Einmal kehrte sie mitten auf der Straße um, weil sie die falsche Ausfahrt genommen hatte. Endlich stand sie vor dem Haus. Sie schwitzte vor Aufregung, schärfte den Mädchen ein, ruhig zu sein, gleich käme sie wieder zurück, dann würden sie in die Bäckerei fahren. Sie verriegelte das Auto. Die Kinder waren sprachlos.

    Sie stand auf dem fremden Fußabstreifer, warf ihre Haare herum, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie klingelte.

    Eine Frau in mittleren Jahren, sportlich, schmales Gesicht, schmale Hüften, barfuß, öffnete. Sie rieb sich die nassen Hände an ihrem Shirt ab, gab der Fremden aber nicht die Hand.

    «Ja, bitte?»

    «Sie sind Frau Hoffmann?», fragte die Frau. «Entschuldigen Sie, ich habe meine Mädchen im Auto, nur ganz kurz muss ich Sie sprechen, mein Leben fällt auseinander.»

    «Was heißt das? Worum handelt es sich?» Frau Hoffmann hatte immer noch die Türschnalle in der Hand. Sie ließ die Fremde nicht eintreten.

    «Haben Sie eine Tochter, die Kitti heißt?»

    «Ja, was ist mit ihr?»

    «Ihre Tochter», sagte die Frau, «hat ein Verhältnis mit meinem Mann. Wir haben zwei kleine Mädchen. Ich will das nicht.»

    Immer noch standen die Frauen im Eingang. Aus der Küche roch es nach Gebratenem.

    «Ist Ihre Tochter da?», fragte die Frau. «Entschuldigen Sie, ich bin Hannah.»

    Nachnamen hat sie wohl keinen, dachte Frau Hoffmann und sagte: «Kitti schläft, und außerdem, alles, was mit Kitti zu tun hat, geht mich nichts mehr an. Wir reden nicht mehr miteinander, zu viel ist geschehen. Um Kitti kümmert sich ausschließlich ihr Vater. Ich werde meinem Mann von Ihrem Besuch erzählen. Kommen Sie am Abend wieder, dann erreichen Sie ihn. Die Mädchen in Ihrem Auto lassen Sie lieber daheim. Das Gespräch könnte länger dauern.»

    Frau Hoffmann drehte sich um: «Moment», sagte sie – sie lief in ein Zimmer und brachte zwei Tafeln Schokolade – «für Ihre Mädchen.»

    Frau Hoffmann rief ihren Mann in seiner Firma an, teilte ihm mit, was geschehen war. Ihr Mann überlegte, ob er sich vor seiner Verantwortung drücken könnte, begann einen Satz, da fuhr ihm seine Frau dazwischen: «Denk dir keine Ausrede aus! Diesmal nicht!»

    Am Abend zu Hause: Herr Hoffmann schwitzte, trank, ohne zu schlucken, ein Glas Wasser, aß eine Schüssel Salat, zog, ohne sich vorher zu waschen, ein frisches Hemd an und wartete. Seine Frau war in der Küche. Auch sie wartete. Auf die Frau, die Hannah hieß, und deren Mann mit Kitti ein Verhältnis hatte.

    Hannah sagte am Abend zu ihrem Mann, sie müsse kurz weg, zu einer kranken Freundin, er solle auf die Mädchen aufpassen. Er wollte etwas einwenden, sie fuhr ihm dazwischen.

    «Du!»

    Der Mann, Benito, war Besitzer eines Fitnessstudios, er sah über alle Maßen gut aus, muskulös. Er war charmant, hatte etwas Vornehmes von seiner Mutter geerbt und dachte sein Leben lang, so wie ich bin, wird man mir alles verzeihen. Kitti war in sein Studio gekommen, um zu trainieren. Sie sah noch aus wie ein Kind. Sofort war sie ihm erlegen.

    «Du solltest joggen», sagte er zu ihr. «Kraftübung brauchst du keine.» Er duzte sie, dachte, sie sei noch nicht erwachsen, schade.

    «Ich bin achtzehn», log sie, und als er sie fragte, ob sie noch zur Schule gehe, sagte sie: «Ich bin fertig mit der Schule und suche einen Job.»

    Ob sie Lust hätte, bei ihm eine Lehre zu machen? Mädchen für alles?

    «Fitnessbetreuerin?», fragte Kitti. «Was brauche ich für Voraussetzungen.»

    «Du hast alles, was du brauchst. Was du nicht weißt, lernst du von mir. Ich heiße Benito. Sollen wir einen Vertrag machen?»

    «Wäre gut», sagte Kitti. «Und Arbeitskleidung?»

    «Bekommst du von mir. Kannst nächste Woche anfangen.»

    Von diesem Tag an ging sie nicht mehr in die Schule, beendete nicht ihr letztes Jahr. Ließ einfach alles liegen. Und dann kam Corona, keiner merkte, was los war.

    Kitti lag im Bett, die Augen verweint. Im Zimmer war Unordnung, kein Fleck auf dem Boden, wo nicht Dinge verstreut waren, Slips, Chips, zerknülltes Papier, Lippenstifthüllen, Kulis, gebrauchte Tampons.

    Ihre Mutter, Frau Hoffmann, hatte seit zwei Jahren wiederholt gemahnt, sie müsse aufräumen oder ausziehen, so gehe das nicht weiter. Sie stand am Herd und wurde hoffnungslos vor Zorn, weil sie wusste, Kitti hörte nicht mehr auf sie. Auf ihren Vater manchmal, wenn sie etwas brauchte, sie wusste, von ihm bekommt sie alles, sie war und ist noch immer sein Augapfel. Das Wort «folgsam» war einmal gewesen. Frau Hoffmann schaltete die Herdplatte aus und klopfte an Kittis Zimmer. Sie war das liebste Kind gewesen. Das Zimmer war abgeschlossen. Sie trommelte an die Tür, bis ihr die Knöchel wehtaten.

    Kitti rührte sich nicht. Sie saß aufrecht im Bett und sagte vor sich hin: Ich mach nicht auf, ich mach nicht auf.

    Längst hatte die Mutter es aufgegeben, Kitti für die Schule zu wecken. Hörte sie dann Kitti die Treppen heruntertappen, leise wie die gefleckte Katze, geschminkt wie für einen Auftritt, falsche Wimpern, gepudertes Gesicht, wartete die Mutter, bis die Tür ins Schloss fiel. Sie schaute aus dem Badezimmerfenster und sah Kitti auf ihren hohen Schuhen stöckeln. In Kittis Zimmer riss sie die Balkontür auf, warf das Bettzeug über das Geländer. In einen leeren Müllsack steckte sie alles, was auf dem Boden herumlag. Verkrustete Pizza samt dem Teller, den sie eigentlich liebte, alles aus den Augen. Aus dem Sinn ging das nicht. Sie fluchte vor sich hin. Wie verrückt drückte sie auf den Desinfektionsspray und sprühte so lange, bis die Flasche leer war. Sie fand Kittis Handy, ihr Heiligtum, und warf es in hohem Bogen in die Wiese. Sie wusste, das würde ihr weh tun. Sie schrieb einen Zettel, darauf mit großen Buchstaben: «Hilfe, Ungeziefer», warf ihn auf das Leintuch mit den Blutflecken und knallte die Tür zu.

    Frau Hoffmann sah an diesem Montag auf die Küchenuhr und dachte, in vier Stunden wird mein Mann da sein, dann wird diese Hannah auftauchen. Sie hörte nicht, wie Kitti später das Haus verließ, so sehr war sie in Rage. Dabei hatte sie ihrem Mann versprochen, aufzupassen, dass Kitti nicht wegläuft. Schließlich war sie bei dem Gespräch, das im Wohnzimmer stattfinden würde, die Angeklagte.

    Frau Hoffmann putzte die Pfanne, und mittendrin hielt sie inne, rannte aus dem Haus, suchte Kittis Handy im

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