Ikonen des Bösen: Verbrecher als Medienstars
Von Svenja Müller
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Über dieses E-Book
Die Kriminellen, ihre Lebensumstände und ihre Motive üben seit je- her eine große Anziehungskraft auf uns aus.
Durch eine immense mediale Aufmerksamkeit werden aus ihnen Personen der Öffentlichkeit, die nicht selten aus eigenem Antrieb zu Berühmtheiten aufstiegen.
Das Buch hinterfragt diese ‚Ikonen‘ und geht den Mythen nach – wie konnte das ‚Star-Image‘ dieser Straftäter entstehen und wer profitiert eigentlich mehr: Medien oder Verbrecher?
Svenja Müller
Svenja Müller wurde 1991 im saarländischen Neunkirchen geboren. Die studierte Medien- und Kulturwissenschaft- lerin schrieb in ihrer Bachelorarbeit über das Leben des französischen Star-Verbrechers und Frauenhelds Jacques Mesrine. Damit war ihre Neugier entfacht: Wie kann ein Bankräuber und Mörder Journalisten so sehr in seinen Bann ziehen, dass diese sogar seine Flucht aus dem Ge- fängnis verheimlichen? Daher widmete sie sich in ihrem Masterstudium der Medienwissenschaft der Frage, wie sich Medien und Kriminalität gegenseitig beeinflussen. Wenn sie sich nicht gerade mit Schwerverbrechern befasst, hat die inzwischen in Düsseldorf lebende Autorin eher un- gefährliche Hobbies: reisen, lesen und fotografieren.
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Ikonen des Bösen - Svenja Müller
Svenja Müller
Ikonen des Bösen
Verbrecher als Medienstars
Logo_hansanord_pos_120über die Autorin
Autorinnenfoto Svenja Müller 350Svenja Müller wurde 1991 im saarländischen Neunkirchen geboren. Die studierte Medien- und Kulturwissenschaftlerin schrieb in ihrer Bachelorarbeit über das Leben des französischen Star-Verbrechers und Frauenhelds Jacques Mesrine.
Damit war ihre Neugier entfacht: Wie kann ein Bankräuber und Mörder Journalisten so sehr in seinen Bann ziehen, dass diese sogar seine Flucht aus dem Gefängnis verheimlichen? Daher widmete sie sich in ihrem Masterstudium der Medienwissenschaft der Frage, wie sich Medien und Kriminalität gegenseitig beeinflussen.
Wenn sie sich nicht gerade mit Schwerverbrechern befasst, hat die inzwischen in Düsseldorf lebende Autorin eher ungefährliche Hobbies: reisen, lesen und fotografieren.
IMPRESSUM
1. Auflage 2022
© 2022 by hansanord Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages nicht zulässig und strafbar. Das gilt vor allem für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikrofilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN Print 978-3-947145-62-1
ISBN E-Book 978-3-947145-63-8
Cover | Umschlag: Tobias Prießner
Autorenfoto: Sabine Maisenhälder, LICHTSCHACHT – Studio für Fotografie
Satz: Christiane Schuster | www.kapazunder.de
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FAX +49 (0) 8157 9266 282
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www.hansanord-verlag.de
Logo_hansanord_pos_120Inhalt
El Chapo und das Seidenhemd. Ein Vorwort
Verbrechen lohnt sich. Über Medien, Kriminalität und uns
Täter vs. Opfer
Medien ohne Moral
Stars, Helden und Mythen
Auf der guten Seite
Antisoziale Charmeure
Ein hohes Vermarktungspotential
Wer inszeniert hier wen?
Medienrealität vs. Realität
Wir brauchen Horror
Die Killer-Groupies
Mein Freund, der Serienmörder
Ikonen des Bösen
Die Gesetzlosen: Banditen und Gangster
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Held der Südstaaten. Jesse James
Aufgewachsen im Bürgerkrieg
Public Relations im Wilden Westen
Ein Mann des Volkes
Fakt und Fiktion
Die Legende lebt weiter
Über den Tod hinaus. Bonnie und Clyde
Kein Weg zurück
Rebellen oder Kriminelle?
Gangsterbraut par excellence
Im Kugelhagel
Die Legende beginnt
Familiensache
Live fast, die young
In der Hall of Fame
Der Gentleman-Gangster. Al Capone
Der Reiz des Verbotenen
Ein Konzern aus Angst
Auf Capones Gehaltsliste
Marketing at its best
Die Zentrale der Macht
Al Capone, der Wohltäter
Von Wertanlagen gestürzt
Eine kulturelle Erfindung
Ein letzter Gruß
Bestien in Menschengestalt: Serienmörder und Kannibalen
Die Medien und der Mord
Der Mörder als popkulturelles Phänomen
Das kann kein Mensch sein
Liebe und Krieg. Charles Manson
Die Manson-Family
Die Beatles, die Beach Boys und die Bibel
Helter Skelter is coming down fast
Die Bekenntnisse der Susan Atkins
Charles Manson Superstar
Die Dämonisierung beginnt
America’s Favorite Psychopath
Die Marke Manson
Es war einmal in Hollywood
Freigeschrieben. Jack Unterweger
Im Fegefeuer geläutert
Liebling der Wiener Schickeria
Die Story muss stimmen
Eine Mordserie in Österreich
Auf Recherchereise
Aus »Jack the Writer« wird »Jack the Strangler«
Liveschalte auf der Flucht
Schuldig oder unschuldig?
Ein Mörder namens Jack
The Cannibal Superstar. Issei Sagawa
»Ich bin kein Mensch mehr«
Verliebt in Grace Kelly
Ein freier Mann
Der rote Teufel
Überlebensgroß
Die Sagawa-Show
Too Much Blood
Der Traum vom großen Geld: Räuber und Erpresser
Mann der 1.000 Gesichter. Jacques Mesrine
Getrieben in die Kriminalität?
Der Todestrieb
Mesrine und die Medien
Der beliebteste Mann Frankreichs
Der beste Hauptdarsteller
Ein neuer Mesrine?
Gefangen in Rio. Ronnie Biggs
Der( fast) perfekte Coup
Eine lebenslange Flucht
The Big Scoop
Das große Wiedersehen
Die Posträuber-Methode
Das Maß ist voll
»Und plötzlich drehten alle durch«. Arno Funke
Dagobert grüßt seine Neffen
Aus Dagobert wird Daniel Düsentrieb
Die Dagomanie
Die Presse als Fluchthelfer
Das Dagobert-Bedürfnis
Das Phantom wird entzaubert
Sein Leben als Dagobert
Die Sache mit der Reue
Crime Goes Social. Verbrecher und soziale Netzwerke
Ein digitales Denkmal
Neue Rahmenbedingungen
Freier Zugang für Falschinformationen
True Crime zum Mitspielen
Vorverurteilt - und hot
Die Social-Media-Strategien organisierter Kriminalität
Waffen, Geld und schöne Frauen
Digitale Polizeipräsenz
Die Rolle der Journalisten
Danksagung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Es gibt unzählige Veröffentlichungen über kriminelle Personen und ihre Taten. Eine Personengruppe gerät dabei oft in den Hintergrund: die Opfer. Ich bin mir bewusst, dass auch in meinem Buch die Straftäter den viel größeren Raum einnehmen. Daher will ich an dieser Stelle die Möglichkeit nutzen, Sie auf einen Verein und seine wertvolle Arbeit hinzuweisen. WEISSER RING e. V. ist die größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität in Deutschland und bietet persönliche Betreuung, Anteilnahme und individuellen Beistand für alle Betroffenen. Informieren Sie sich doch gerne auf der Homepage des Vereins – und wenn Sie eine Spende dalassen möchten, geht das ganz einfach unter spenden.weisser-ring.de.
Noch ein letzter Hinweis, bevor es losgeht: Ich habe im Text in den meisten Fällen die männliche Form gewählt, die Angaben beziehen sich aber auf Angehörige aller Geschlechter.
El Chapo und das Seidenhemd. Ein Vorwort
»Ich denke, einige Menschen hätten ihr erstgeborenes Kind geopfert, um diese Story zu bekommen.« Mit diesen Worten verteidigte Jann Wenner, Chefredakteur des Rolling Stone, den ganz großen Coup seines Magazins: ein Interview mit dem zu diesem Zeitpunkt seit drei Monaten auf der Flucht lebenden Drogenboss Joaquín Guzmán, genannt El Chapo. Das Gespräch führte dabei kein geringerer als Hollywood-Star Sean Penn, der sich nach monatelangen Geheimverhandlungen im Oktober 2015 mit Guzmán im mexikanischen Dschungel traf. Doch warum lässt sich einer der meistgesuchten Verbrecher der Welt auf ein Gespräch ein? Eitelkeit und der Wunsch, das öffentliche Bild mitzubestimmen, scheinen bei der Entscheidung ausschlaggebend gewesen zu sein: Sean Penn besuchte El Chapo auch deshalb, um mit ihm über die Verfilmung seines Lebens als Staatsfeind Nr. 1 zu verhandeln.
In der Hoffnung auf ein schmeichelhaftes Filmporträt begab sich der Flüchtige in höchste Gefahr. Wie eine Nachrichtenagentur meldete, waren die mexikanischen Behörden über das Treffen informiert. Die Kenntnis über seinen Aufenthaltsort ist sicher ein Grund dafür, dass Guzmán am 8. Januar 2016 in der Stadt Los Mochis gefasst werden kann. Nur einen Tag später erscheint Sean Penns Artikel für den Rolling Stone, in dem er ausführlich über seine Begegnung mit El Chapo berichtet. Zu dessen Verhaftung gab Penn lediglich an, das Vertrauen des Kriminellen nicht ausgenutzt zu haben – das Treffen wäre schließlich nicht als Falle geplant gewesen.
Die vermeintliche Vertrautheit zwischen dem Schauspieler und dem Drogenboss zieht sich durch das gesamte Interview. Joaquín Guzmán, einer der reichsten Menschen der Welt, präsentiert sich als Sohn armer Eltern, der das Drogengeschäft brauchte, um seine Familie durchzubringen. Sich selbst sehe er nicht als gewalttätige Person, er schütze sich nur vor seinen Feinden. Was Joaquín Guzmán nicht erwähnt: Als Chef des Drogenkartells Sinaloa ist er für den Tod mehrerer hundert Menschen verantwortlich, die er sicher nicht alle aus Notwehr ermorden ließ. Wenige Tage nach Erscheinen des Artikels am 12. Januar meldete die Washington Times, dass El Chapos Seidenhemd mit Paisleymuster und blauen Streifen, das er auf dem Foto mit Sean Penn trug, mittlerweile restlos ausverkauft sei.
Das Hemd ist nicht das einzige Merchandise-Produkt Guzmáns. El Chapo, dessen Name markengeschützt ist, wird in seinem Heimatland Mexiko wie ein Heiliger verehrt. Dass dort eine regelrechte »Chapomanie « ausgebrochen ist, hängt vor allem mit seiner Außenwirkung zusammen: Guzmán zeigt sich als Wohltäter, saniert Häuser und Straßen, baut Schulen und Kirchen. Er gilt als »Mann des Volkes«, der sich in Krisenzeiten gegen die Regierung stellt.
Mit spektakulären Gefängnisausbrüchen wie 2015, als er durch einen Tunnel im Badezimmer seiner Zelle verschwand, stößt er nicht nur unter seinen Landsleuten auf Sympathien. Es sind genau solche Geschichten, die mir während meiner Recherche für dieses Buch immer wieder begegneten. Geschichten, in denen Verbrecher zu Stars, Journalisten zu Ermittlern und unbeteiligte Beobachter zu Fans wurden.
Dass Kriminelle wie El Chapo ihr Filmporträt beeinflussen möchten, ist offenbar nicht selten. Im Juli 2016 wandte sich der Bruder des 1993 erschossenen Drogenbosses Pablo Escobar, Roberto, an die Betreiber des Streaming-Portals Netflix. Er habe die erste Staffel der Serie Narcos, in der es um den Aufstieg und Fall seines berühmten Bruders geht, gesehen und hätte einige Verbesserungsvorschläge. Um das Portal vor weiteren »Unstimmigkeiten« zu schützen, bot er an, die zweite Staffel vor der Ausstrahlung zu prüfen – für eine Aufwandsentschädigung von einer Milliarde Dollar.
Narcos ist eines der unzähligen Formate des Genres True Crime, das sich mit wahren Verbrechen auseinandersetzt. Den Hype ausgelöst hat 2014 der amerikanische Podcast Serial, der sich in der ersten Staffel mit der Beweisführung im Mordprozess gegen den Schüler Adnan Syed aus dem Jahr 1999 auseinandersetzt. Seitdem ist True Crime auch hierzulande nicht mehr wegzudenken: Podcasts wie Zeit Verbrechen, Verbrechen von Nebenan oder Mordlust, hochwertig produzierte Dokumentationen auf Netflix & Co., Magazine wie stern Crime oder Online-Formate wie Der Fall sind nur einige Beispiele. Und wenn selbst Arabella Kiesbauer, die in den Neunzigern in Deutschland vor allem durch ihre Nachmittagstalkshow Arabella bekannt wurde, eine Sendung mit dem Titel Arabellas Crime Time (TLC) moderiert, zeigt das: True Crime ist alles andere als ein Nischenthema.
Dabei sind Mörder von allen Verbrechern zweifellos die Stars der genannten Formate – mit teils fragwürdigen Auswirkungen, wie die Dokumentation Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders aus dem Jahr 2019 zeigt. 30 Jahre nach seiner Hinrichtung spricht der Mann, der in den 1970ern mindestens dreißig Frauen getötet hat, direkt zu seinem Publikum. Die Doku basiert auf Tonbandaufnahmen, die Ted Bundy selbst für einen Journalisten aus der Todeszelle aufgenommen hat. Die Miniserie sorgte für einen kurzzeitigen Wirbel um seine Person – und auch für die Steigerung seiner Attraktivität. Das ging so weit, dass Netflix am 28. Januar 2019 sinngemäß twitterte, man habe festgestellt, dass viel über die »Hotness« Ted Bundys diskutiert würde und man müsse – sicher nicht ganz uneigennützig – darauf hinweisen, dass sich noch weitere Männer im Programm befänden, bei denen es sich nicht um Mörder handele.
So groß der Boom um True Crime aktuell auch scheint, das Genre gibt es nicht erst seit 2014. Entstanden ist diese Gattung um 1920 in den USA. Magazine kamen auf den Markt, die in erster Linie männliche Leser mit einer Mischung aus Kriminalgeschichten und Sex ansprechen sollten. 1924 erschien zunächst die Reihe True Detective, kurz darauf folgte Master Detective. Beide Magazine enthielten detailreiche Schilderungen echter Straffälle, Fotos von Opfern, Tätern oder Tatorten und gaben einen Einblick in die Ermittlungsarbeit der Polizei. Außerdem versuchten die Autoren, sich in die Gedanken des Verbrechers hineinzuversetzen und herauszufinden, warum er die Tat begangen haben könnte, um zusätzlich den Detektivcharakter der Leser anzusprechen.
Ein Meilenstein für True Crime folgte dann im Jahr 1965. Nach 6 Jahren Recherche veröffentlichte Truman Capote mit dem Buch In Cold Blood eine Art literarische Reportage über den Mord einer Familie in Holcomb, Kansas. Zwei Männer töteten einen Farmer, seine Frau und ihre zwei Kinder – aus reiner Lust am Morden, ohne augenscheinliches Motiv. Capote reiste nach Holcomb und besichtigte den Tatort, sprach mit Nachbarn und Verwandten und begleitete den ermittelnden Sheriff bei seiner Aufklärungsarbeit.
Obwohl ursprünglich für Männer konzipiert, ist True Crime heute vor allem bei Frauen beliebt: Beispielsweise sind beim Magazin stern Crime etwa 80 Prozent der Leser weiblich. Nicholas Büchse, der am Aufbau von stern Crime beteiligt war, sagt im Gespräch dazu, dass das Magazin sich auch klar an dieser Zielgruppe ausrichte und sich mehr auf die Psychologie und die Hintergrundgeschichte der Täter fokussiere als auf Blutrünstigkeit und Horror zu setzen – eine klare Abgrenzung also zu den ersten englischsprachigen Magazinen aus den 1920ern.
Und so spricht das Genre auch jemanden wie mich an. Bevor ich angefangen habe, mich während meines Studiums der Kultur- und Medienwissenschaften mit True Crime zu beschäftigen, war meine einzige Begegnung mit Kriminalität das Hören von alten Folgen der Drei Fragezeichen. Ungelogen: Ich würde niemals freiwillig mit einer Geisterbahn fahren, und Horrorfilme schaue ich mir nur unter Zwang an. Gleichzeitig recherchierte ich für dieses Buch, ohne mit der Wimper zu zucken, wie der japanische Kannibale Issei Sagawa sein Opfer verspeiste und schaute mir eine True-Crime-Doku nach der nächsten an.
Was also macht den Reiz aus, sich mit wahren Verbrechen zu beschäftigen? Nervenkitzel allein, das zeigt mein Beispiel, kann es nicht sein – denn ich bin nun wirklich keine Person, die den Thrill sucht. Was mich dagegen sehr wohl reizt, ist, aus sicherer Entfernung in eine Welt einzutauchen, die nicht weiter von meiner eigenen Lebensrealität entfernt sein könnte.
Diese Neugierde für das Unbekannte macht True Crime so spannend. Kaum ein Genre ermöglicht es besser, als Beobachter in die intimsten Situationen anderer Menschen hervorzudringen. Gleichzeitig lernen wir, so Sabine Rückert, stellvertretende Chefredakteurin der Zeit und Verantwortliche des Podcasts Zeit Verbrechen in einem Interview in der NDR-Sendung ZAPP im April 2019, bei Kriminalgeschichten immer auch etwas über uns und die Gesellschaft, in der wir leben. Wir rätseln also fleißig mit, werfen einen hobbypsychologischen Blick in den Kopf eines Killers – um uns danach erleichtert zurückzulehnen, in dem wohligen Wissen, uns selbst nicht in Gefahr zu befinden.
Kein True-Crime-Format würde es ohne eine ganz spezielle Personengruppe geben: die Täter. Die Beweggründe und Biografien der Verbrecher werden offenbar als wesentlich interessanter angesehen als die Schicksale der Opfer, die in der öffentlichen Wahrnehmung meist völlig außer Acht gelassen werden. Die Täter, ihre Lebensumstände und Motive scheinen Journalisten, Autoren, Filmemacher und auch uns Konsumenten viel mehr zu faszinieren.
Die zehn Protagonisten dieses Buchs erreichten in ihrer Rolle als Sozialrebellen, Kannibalen, Mörder oder Bankräuber eine auffallend ausgeprägte Medienwirkung, die bis in die heutige Zeit und wahrscheinlich weit darüber hinaus reicht. Je weiter die Taten von Jesse James, Bonnie und Clyde, Al Capone, Charles Manson, Jack Unterweger, Issei Sagawa, Jacques Mesrine, Ronnie Biggs und Arno Funke zurückliegen, desto stärker verklärt sich ihr Bild. Teilweise sprechen wir bei einigen dieser Täter sogar von Legenden. Doch warum werden Straftäter zu Medienstars