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Liebe auf sumerisch: Wie Gilgamesch König von Uruk wurde
Liebe auf sumerisch: Wie Gilgamesch König von Uruk wurde
Liebe auf sumerisch: Wie Gilgamesch König von Uruk wurde
eBook611 Seiten10 Stunden

Liebe auf sumerisch: Wie Gilgamesch König von Uruk wurde

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Über dieses E-Book

3000 v. Chr. stöhnen die Bewohner von Uruk unter der Knute des beduinischen Usurpators Gilgamesch. Der sich mit seinen Martu-Spießgesellen die Stadt unter den Nagel gerissen und sich selbst zum König proklamiert hat. Die Priester Elulu und seine Tochter Schamkat sinnen auf Abhilfe. Die kommt in Gestalt des Gutäers Enkischusch, von dem sich Gilgamesch zähmen lässt. Allerdings muss der naturliebende Enkischusch dafür länger in der Stadt Uruk ausharren, als ihm lieb ist. Er muss Gilgamesch sogar auf seinen Abenteuern begleiten: In den Zedernwald, wo sie Humbaba begegnen und in die sumerische Unterwelt Kunurgia, die sich überraschend anders darstellt, als gemeinhin kolportiert wurde.
Ein intensives Sittenbild einer längst vergangenen Zeit, in der die Menschen sehr moderne Probleme haben. In der viele Grundlagen für die heutige Zivilisation entstehen. In der aber auch zum letzten Mal Fähigkeiten der Menschen zu Tage treten, die heute weitgehend verschwunden sind.
Nach der Lektüre dieses Buches wird dir das bronzezeitliche Zweistromland so vertraut sein, als wärst du selbst dabei gewesen.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum26. Apr. 2022
ISBN9783986468934
Liebe auf sumerisch: Wie Gilgamesch König von Uruk wurde

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    Buchvorschau

    Liebe auf sumerisch - Wolfgang Schrader

    Liebe auf sumerisch.

    Wie Gilgamesch König wurde

    Wolfgang Schrader

    Auflage 2017

    Alle Rechte vorbehalten

    © 2017 Apple of Eden GmbH

    ISBN: 978-3-98646-893-4

    Verlag GD Publishing Ltd. & Co KG, Berlin

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    logo_xinxii

    Das Buch ist urheberrechtlich geschützt. Jede unerlaubte Vervielfältigung, Verbreitung und Weitergabe ist untersagt.

    Haftungsausschluss

    Der Inhalt dieses Buches wurde sorgfältig recherchiert und zusammengestellt. Es handelt sich um die persönliche Meinung und Erfahrung des Autors. Weder der Autor noch der Verlag übernehmen irgendeine Haftung oder juristische Verantwortung gleich aus welchem Grund.

    Inhaltsverzeichnis

    Begriffe

    Prolog

    Buch 1 – Uruk

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    XIII

    XIV

    XV

    XVI

    XVII

    XVIII

    XIX

    Buch 2 - Die Heilige Hochzeit

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    Buch 3: Das Zedernabenteuer

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    Buch 4: Uruk wird neu geordnet

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    Buch 5: Die Unterwelt

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    XIII

    XIV

    XV

    XVI

    XVII

    XVIII

    IXX

    XX

    XXI

    Buch 6: Gilgamesch und Istustaya

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    Epilog

    Begriffe

    Wer?

    Abate ein junger Gutäer, der von den Martu entführt wurde. Er führt Schamkat in seine heimatlichen Berge.

    Alfirk Ein pulsierender Stern im Sternbild Kepheus. Etwa 700 Lichtjahre von der Erde entfernt. Pate von Gilgamesch.

    An Stadtgott von Uruk und Ahnherr aller Götter des sumerischen Pantheons.

    Antares    Der hellste Stern im Sternzeichen Skorpion. Das Herz des Skorpions. 619 Lichtjahre von der Erde entfernt.

    Atair  Hellster Stern im Sternbild Adler. Etwa 17 Lichtjahre von der Erde entfernt. Pate von Hischutasch.

    Chatti Mythisches Volk, das in der vulkanischen Tufflandschaft Kappadokiens Städte in die Tiefe grub.

    Dumuzi Gott der Hirten. Sohn von Enki und Sirtur. Bruder von Geschtinanna. Geliebter Inannas. Muss für jeweils ein halbes Jahr als Ersatz für Inanna in die Unterwelt.

    Enki Stadtgott von Eridu. Gott der Weisheit. Erschaffer der Menschen. Vater von Inanna.

    Elulu Oberpriester des Weissen Tempels in Uruk. Vater von Schamkat.

    Enkischusch Gutäer. Freund von Schamkat und Gilgamesch.

    Ereschkigal Herrscherin der Unterwelt und Schwester von Inanna.

    Estan Die chattische Sonnengöttin.

    Geschtinanna Göttin des Weins. Schwester Dumuzis. Muss für jeweils ein halbes Jahr als Ersatz für Inanna in die Unterwelt.

    Gilgamesch Mythischer König von Uruk. Anfang des 3. Jahrtausend v. Chr. Held des Gilgamesch-Epos.

    Girtab Schwanzstern im Sternbild Skorpion. Ca. 480 Lichtjahre von der Erde entfernt. Pate von Enkischusch.

    Gizzal Kaufmann und späterer Finanzminister von Uruk.

    Gutäer Volk in den Waldregionen des Zagrosgebirges östlich von Mesopotamien und nördlich von Elam.

    Hepat Sonnengöttin der Hurriter, einem Volk im Norden Mesopotamiens.

    Hischutasch Karawanenführer aus dem elamitischen Anschan.

    Humbaba Mythischer Wächter des Zedernwaldes.

    Hurriter Volk im Norden Mesopotamiens, das seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. bezeugt ist.

    Estan Sonnengöttin. Höchste und einzige Göttin der Chatti. Wurde später als Estan von Arinna auch von den Hethitern verehrt.

    Illuyanka Königin der Chatti.

    Inimabakesch Schamane der Gutäer.

    Inanna Sumerische Göttin der Fruchtbarkeit und Hauptgöttin von Uruk im Eanna-Tempel.

    Istustaya Chattische Königstochter.

    Jamlik Martu-Vertrauter von Gilgamesch.

    Martu Wüstenstamm. Vorläufer der Beduinen.

    Nahundi Sonnengott der Elamiter.

    Nammu Sumerische Schöpfergöttin.

    Nanna Sumerischer Mondgott.

    Nergal Herrscher der Unterwelt. Gemahl von Ereschkigal.

    Ningal Sumerische Göttin des Schilfes

    Ninlil Sumerische Göttin des Windes.

    Nusku Sumerischer Licht- und Feuergott.

    Ratjaja Junger Chatta. Freund von Istustaya.

    Sargas Stern an der Schwanzwurzel des Sternbildes Skorpion. Ca. 300 Lichtjahre von der Erde entfernt. Pate von Schamkat.

    Schamkat Hohepriesterin des Eanna-Tempels.

    Shaula Stern an der Stachelspitze des Sternbildes Skorpion.570 Lichtjahre von der Erde entfernt. Pate von Inimabakesch.

    Sumerer Mesopotamisches Volk unbekannter Herkunft, das seine Blütezeit im 3. Jahrtausend v. Chr. hatte.

    Teschup Wettergott der Hurriter.

    Ubaiden Ursprünglich in Mesopotamien ansässiges Volk, das von den Sumerern unterworfen wurde.

    Urasch Sumerische Erdgöttin.

    Utu Sumerischer Sonnengott.

    Wei    Stern am Bauch des Sternbildes Skorpion. Ca. 64 Lichtjahre von der Erde entfernt. Pate von Elulu.

    Wo?

    Alalach Das heutige Tell Acana. Über den Orontes mit dem Mittelmeer verbunden und ein Knotenpunkt antiker Handelsrouten.

    Anschan Stadt im alten Elam. Heute Tal-i Malyan in der persischen Provinz Fars.

    Buranuna Der heutige Euphrat in Mesopotamien. Länge mit Quellflus 3380 km.

    Choaschpes Fluss im heutigen Zagrosgebirge.

    Danu Alter Name für die heutige Donau.

    Dilmun Das heutige Bahrain. Mythologisch der paradiesische Ort, an dem der sumerische Noah, Utnapischtim, seine Unsterblichkeit genoss. Historisch eine reiche Zivilisation, die von 4000 – 800 v. Chr. florierte.

    Ebabbar Tempel in Zimbir.

    Eridu Die vermutlich älteste sumerische Stadt südöstlich von Uruk.

    Halab Das heutige Aleppo. Etwas 130 km von der Mittelmeerküste entfernt.

    Harappa Im heutigen Pakistan, Provinz Punjab. Namensgeber der Harappa-Kultur.

    Idigina Der heutige Tigris in Mesopotamien mit einer Länge von ca. 1900 km.

    Kisch Sumerische Stadt. Heute Tall al-Uhaymir. Etwas 80 km südlich von Baghdad.

    Kokscha-Tal Im heutigen Afghanistan. Region Badakhshan.

    Kolachi Heute Karachi, Pakistan, Provinz Sindh.

    Kukkutarma Heute Mohenjo-Daro. Stadt im pakistanischen Indus-Tal, Provinz Sindh.

    Lagasch Sumerische Stadt östlich von Uruk.

    Nimma Besser bekannt unter seinem griechischen Namen Elam. Frühes Siedlungsgebiet mit der Hauptstadt Susa.

    Pasaja Heute Vinca Belo Brdo. Namensgeber für die jungsteinzeitliche Vinca-Kultur.

    Sar-é-Sang Ort in Afghanistan. Region Badakhshan.

    Shar-e-Sukhte Ort im südöstlichen Iran. Provinz Belutschistan.

    Sigamato Untergrundstadt. Heute Derinkuyu in Zentralanatolien, Provinz Nevsehir.

    Surkotada Hafenstadt. Zur Harappa-Kultur gerechnet. Heute im Süden Pakistans am arabischen Meer.

    Umma Sumerische Stadt, nordöstlich von Uruk. Heute das iraksiche Umm a-Aqarib.

    Ur Sumerische Stadt, südöstlich von Uruk. Bereits 6500 v.Chr. von den Ubaiden besiedelt. Heute Tell el-Muqayyar.

    Uruk Sumerische Stadt. Seit 5000 v.Chr. Siedlungsstätte der Ubaiden. Heute das irakische Warka etwa 20 km östlich vom Euphrat, obwohl die Stadt früher direkt am Fluss lag.

    Zimbir Etwa 16 km südwestlich vom heutigen Bagdad auf der östlichen Seite des Buranuna. Heute Tell Abu Habbah.

    Was?

    Bastonade    Sohlenstreich. Bestrafung, bei der Hiebe auf die Fusssohlen verabreicht werden.

    Biltum Gewichtsmass. 60 Minen – ca. 30 kg.

    Danna Längenmass. Etwa 10,5 km.

    Eanna-Tempel Tempel der Fruchtbarkeitsgöttin Inanna in Uruk.

    Elle Die sumerische Elle zu ca. 518,5 mm. Sie wurde geteilt in 30 Finger.

    Emmer    Alte Weizensorte, die seit 10.000 v. Chr. im Vorderen Orient angebaut wurde.

    Ensi Zweithöchste Amtsperson im sumerischen Stadtstaat.

    Gallabu Bader. Friseur. Zog auch Zähne.

    Hierodule Tempeldienerin.

    Kurnugia Land ohne Wiederkehr. Die sumerische Unterwelt. Das Totenreich.

    Lapislazuli Ein tiefblauer Halbedelstein, der seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. im heutigen Afghanistan, Provinz Badkhshan geschürft wurde.

    Logogramm    Schriftzeichen, das für einen Begriff steht.

    Lugal Höchste Amtsperson im sumerischen Stadtstaat.

    Lukur Tempeljungfrauen.

    Mine    Währungseinheit. 60 Schekel.

    Naditu Dem Tempel angehörende Dame der gesellschaftlichen Oberschicht.

    Nisannu 1. Monat im sumerischen Kalender.

    Onager Wildesel, die als unzähmbar gelten.

    Piktogramm    Vorläufer der Schriftzeichen in Bildform, bei denen ihre Bedeutung noch gut zu erkennen ist.

    Sche Samenkorn. Kleinste Währungseinheit. Ca. 47 mg.

    Schekel Währungseinheit. 180 Sche.

    Talent   Währungseinheit. 60 Minen.

    Urigallu Oberpriester im sumerischen Stadtstaat.

    Utnapischtim Mythischer Erretter der Menschen vor der von den Göttern als Strafe gesandten Sintflut.

    Weisser Tempel Tempel in Uruk, in dem der Stadtgott An verehrt wurde.

    Zikkurat Tempelarchitektur, bei der sich durch breite Außentreppen verbundene Plattformen zur Spitze hin verjüngen.

    Mesopotamien im 3. Jahrtausend v.Chr.

    Prolog

    Vor ca. 14 Milliarden Jahren knallte es ziemlich heftig. Das Universum entstand. Das Universum war wohlgeordnet. Ebenen lagerten sich über Ebenen. Von atomaren Strukturen bis hin zu Galaxien-Superhaufen. Mit den Ebenen vermehrten sich auch die Dimensionen. Während die atomaren Strukturen sich auf drei Dimensionen beschränkten, bewegten sich die Sterne mitsamt ihren Planetensystemen bereits in einem sechsdimensionalen Raum. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ergänzten Länge, Höhe und Breite. Das Medium der Sterne war Energie. Über das sie beliebige Entfernungen überbrücken konnten. Über diese Energie traten sie miteinander in Kontakt. Zogen sich an, stießen sich ab und verschmolzen miteinander.

    In einem entlegenen Teil dieses Universums wurde aus einer Gaswolke eine unbedeutende Protosonne geboren. Die sich mit der Zeit zu einem Hauptreihenstern stabilisierte, der seine Energie durch Verbrennen von Wasserstoff gewann. Auf der riesigen Teilchenscheibe, die diesen Stern, unsere heutige Sonne, umkreiste, ballten sich winzige Teilchen durch Sonnenwinde und Gravitationskräfte zu kleineren, dann immer größeren Gesteinsbrocken zusammen. Die vier inneren Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars entstanden. Deren Monde, die Asteroiden, die Kometen und die Meteoriten. Die vier äußeren Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun jenseits des Asteroidengürtels begnügten sich mit einem festen Kern, um den sich vor allem Helium und Wasserstoff lagerten.

    Das Ganze wäre nicht weiter bemerkenswert, hätte sich nicht in diesem höchst unbedeutenden Sonnensystem in einer entlegenen kleinen Milchstraße etwas im ganzen Universum Einmaliges ereignet. Auf dem Planeten Erde entstand, was heute gemeinhin mit Leben bezeichnet wird. Aus der Sonnenenergie und spezifischen physikalischen Gegebenheiten auf der Erde.

      Die Sonne des irdischen Sonnensystems wurde vom Entstehen des Lebens auf ihrem Planeten Erde völlig überrascht. Zunächst wusste sie nicht das Geringste damit anzufangen. Nirgendwo gab es etwas Vergleichbares.

    Doch wurde sie von diesem eigentümlichen Phänomen magisch angezogen. Auch wenn es sich anfangs nur um Ribozyme und Mikroben handelte. Bald aber bildeten sich die ersten Bakterien und breiteten sich über die gesamte Erdoberfläche aus. Bislang hatte sich Sonne wie jeder verantwortungsbewusste Zentralstern lediglich darum gekümmert, dass ihre Planeten die ihnen zugewiesenen Bahnen einhielten. Dass in ihrem System Ordnung herrschte und die diversen Anziehungskräfte in der Balance blieben.

    Dieses Leben auf der Erde war eine völlig neue Herausforderung. Es entstand und verging in einem für kosmische Verhältnisse völlig ungewöhnlichem Tempo. Ständig entwickelte sich etwas Neues und ging wieder unter. Und dieses Erdenleben wurde von einer bisher unbekannten Besonderheit geprägt: neben den entwickelnden und erhaltenden Energien gab es chaotische und vernichtende. Beide kämpften miteinander erbittert um die Vorherrschaft. Und erzeugten damit einen ständig wachsenden Energiebedarf. Sonne stellte fest, dass diese Erdwinzlinge mehr und mehr von ihrer Energie, die eigentlich für das gesamte Planetensystem gedacht war, für sich beanspruchten. Energie, die doch unerschöpflich schien.

    Sonnes Wasserstofffusion, die Wandlung von Wasserstoff in Helium, produzierte unvorstellbare Mengen an Energie. Pro Sekunde wurden 6 Milliarden Tonnen Wasserstoff zu Helium und erzeugten 180.000 Kilowattstunden pro Gramm Wasserstoff. Daraus bestand Sonne größtenteils und machte damit fast 99% der Gesamtmasse ihres Planetensystems aus. Von diesem gewaltigen Energiepotential beanspruchten die Erde und das Leben auf ihr einen ständigen wachsenden Anteil.

      Sonne begann, sich Sorgen zu machen und versuchte, ihren Energieausstoß in Richtung Erde zu reduzieren. Was den vernichtenden Kräften die Oberhand gab und zu total chaotischen Zuständen auf der Erde führte. Das Leben war von völliger Ausrottung bedroht. Schleunigst stellte Sonne den alten Zustand wieder her. Erstaunt stellte sie fest, dass es ihr nahezu unmöglich war, der Anziehungskraft der Erdenwesen zu widerstehen. Sonne fühlte sich für das Leben auf der Erde inzwischen mehr verantwortlich als für die Ordnung in ihrem Planetensystem. Was war zu tun?

    Wenn Sonne ihre Energie der Erde weiterhin ungezügelt zur Verfügung stellte, drohte ihr selbst ein früheres Ende. Unter normalen Umständen würde ihr Wasserstoffvorrat noch fast 10 Milliarden Jahre reichen. Erst dann würde sie zu einem Roten Riesen und schließlich zu einem Weißen Zwerg werden. Aber bei dem Bedarf, den die Erdenwesen hatten, würde diese Entwicklung erheblich früher stattfinden. Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Umwandlung des Wasserstoffes zu Helium die Zusammensetzung Sonnes ständig zugunsten des Heliums verschob. Und je mehr Helium, desto intensiver die abgestrahlte Energie. Das konnte Sonne nicht verhindern.

    Irgendwann würde ihre Energie das bekömmliche Maß überschreiten und die Erdenwesen vernichten. Sonne musste einen Weg finden, ihren Energieausstoß so zu regulieren, dass das Leben auf der Erde möglichst lange erhalten blieb. Ohne dass sie sich bei dem ständig wachsenden Bedarf schneller als vorgesehen aufheizte. Was ihr eigenes früheres Ende und damit das des gesamten, von ihr abhängenden Sonnensystems bedeutet hätte.

    In ihrer zunehmenden Verzweiflung wandte sich Sonne an Sargas, einen benachbarten Stern aus dem Sternzeichen Skorpion, zu dem sie ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hatte. Sargas waren die ungewöhnlichen Vorgänge auf der Erde nicht entgangen. Da sie aber nicht unter seine Verantwortung fielen, hatte er ihnen bislang keine Beachtung geschenkt. Sonne erläuterte Sargas ihr Problem und kam dann auf den Punkt:

    „Meinst du, es gibt eine Möglichkeit, dass mir andere Sterne einen Teil meiner Verantwortung für die Erdenwesen abnehmen können? So dass ihr erstaunlicher Energiebedarf auf mehr Quellen verteilt wird. Damit meine Energieproduktion weder mich noch die Erde gefährdet. Damit den vernichtenden Kräften auf der Erde Einhalt geboten und das Chaos in Schranken gehalten werden kann."

    „Wie stellst du dir das vor? Warum sollten andere Sterne dir helfen wollen? Die meisten haben mit ihrem eigenen System genug zu tun."

      „Weil dieses Leben auf der Erde einzigartig im ganzen Universum ist. Weil es erhalten werden muss und ich allein mit dieser Aufgabe überfordert bin."

      „Alle Beziehungen zwischen den Entitäten im Universum beruhen auf Anziehung. Wenn nun zu diesen winzigen Erdlingen eine Beziehung aufgebaut werden soll, dann kann das nur funktionieren, wenn sich zwischen Sternen und Erdenwesen eine Anziehung entwickelt. Wie soll das gehen?"

      „Ich spüre so eine Anziehung. Ich könnte mir vorstellen, dass auch andere Sterne sie spüren, wenn sie erst einmal auf die Situation der Erdenwesen aufmerksam werden."

    „Wir Sterne aus dem Skorpion könnten ausprobieren, ob es zu so einer Anziehung kommt. Wir könnten uns einmal näher mit der Erde und dem, was du Leben nennst, befassen."

      „Dabei müsst ihr aber eure Energie so reduzieren, dass die Erdlinge keinen Schaden nehmen." Und Sonne berichtete Sargas von den vielen Besonderheiten, durch die ihre Schützlinge auf der Erde sich von allem unterschieden, was ansonsten im Universum existierte. Vor allem von dem Dauerstreit zwischen erhaltenden und vernichtenden Kräften, der nur unter Einsatz von viel Energie von außen für das Leben zu gewinnen war.

      Sargas wandte sich an die Sterne seines Sternzeichens, die ihm am nächsten standen. Das waren Graffias, Jabbah, Alniyat, Akrab, Girtab, Dschubba, Shaula, Wei und Antares. Und er setzte sie von der Bitte Sonnes in Kenntnis. 

    „Das schauen wir uns einmal an," war die einhellige Reaktion von Sargas Sternkameraden. Was sie ohne Verzug in die Tat umsetzten. Wie groß war ihre Verwunderung über die Enge, in der sich das Leben auf der Erde abspielte. Eine Enge, in der die gegensätzlichen Kräfte von Erhaltung und Zerstörung unvermeidlich aneinandergerieten. Gegensätze, wohin man schaute.

    Einerseits vermehrten sich die Lebewesen hemmungslos, andererseits brachten sie sich gegenseitig um. Ein den Sternen völlig unbekanntes Gefühl, die Liebe, prallte ungebremst auf eine ihnen nicht weniger unbekannte Gefühlsregung, den Hass. Ständig drohten die Verhältnisse auf der Erde durch diese Zusammenstöße in Chaos auszuufern. Sonne konnte die Erdenwesen nur durch die Energie ihrer Strahlen am Leben erhalten und vor dem Untergang schützen. Wesen in allen Größen, Formen und Farben. Von winzigen Bazillen bis zu riesigen Meeresbewohnern. Wie erschraken die Sterne über die Erkenntnis, dass diese Lebewesen nach einer ungewöhnlich kurzen Zeitspanne wieder sterben mussten. Manchmal direkt nach ihrer Geburt.

    „Was geschieht mit ihnen nach dem Tod?" fragten sie Sonne.

    „Ihre Körper lösen sich auf und werden wieder ein Teil der Substanzen auf der Erde. Ein unzerstörbarer Rest vereint sich wieder mit mir."

    Es war dieses Schicksal des Sterbens bald nach der Geburt, das den Ausschlag gab. Bald nach Sternenmaßstäben, die Lebensdauer in Milliarden von Jahren maßen. Es war diese ständige Bedrohung, den vernichtenden Kräften zum Opfer zu fallen. Das zog die Sterne unwiderstehlich an und machte sie für die Bitte Sonnes empfänglich.

      „Wie aber sollen wir Sonne am wirkungsvollsten unterstützen?" Diese Frage wurde eine Weile unter den Nachbarn im Skorpion erörtert, bis sie zu einem Entschluss kamen.

      „Um es Sonne zu ersparen, immer mehr Energie aufzuwenden und sich dabei so sehr aufzuheizen, dass sie in absehbarer Zeit alles Leben auf der Erde auslöscht, müssen wir jedes Wesen individuell betreuen. Zusammenstöße mit den vernichtenden Kräften müssen wir auf ein Minimum begrenzen und es so unbeschadet wie möglich durch seine kurze Lebensspanne geleiten. Dafür sollten wir Patenschaften übernehmen. Für jedes einzelne Individuum."

    Nun gab es inzwischen eine ganze Menge Lebewesen auf der Erde und die Sterne aus dem Sternbild Skorpion hätten nur einen winzigen Bruchteil davon betreuen können. Zum Glück gab es aber unendlich viel mehr Sterne im Universum als jemals Individuen auf der Erde Platz finden würden. Und als sich das Wissen über dieses einmalige Leben auf der Erde im Universum verbreitete, fühlten sich immer mehr Sterne angezogen und waren bereit, als Paten zu fungieren.

    Schließlich hatte jedes Wesen auf der Erde seinen Sternenpaten und das Leben verlief in einigermaßen geordneten Bahnen, auch wenn das Lebensgewimmel auf der Erde immer unüberschaubarer wurde. Die Sterne nahmen intensiv am Leben ihrer Patenkinder teil und hielten ihre schützende Hand über sie. Die Sternenpaten beeinflussten die Handlungen der Lebewesen und setzten ihre Energien gegen die vernichtenden Kräfte auf der Erde ein. Die Verbindung zu den Erdenwesen kam auch ihnen zugute. Ihre im Übermaß vorhandene Energie bekam Inhalt und Ziel. Sie widmeten sich ihrer Aufgabe als Paten mit voller Aufmerksamkeit und zunehmender Hingabe. Und sie profitierten noch auf andere Weise: War ein Patenkind am Ende seines Lebens angelangt, zog der Sternenpate dessen Erinnerungen an sich und bewahrte sie. Bei Bedarf konnte auf diese vergangenen Erfahrungen zum Wohle eines neuen Schutzbefohlenen zurückgegriffen werden.

    Bis vor ca. 5.000 Jahren war noch einigen Menschen der Kontakt zu ihren Patensternen bewusst. Sie konnten sie verstehen und trafen keine Entscheidung ohne sie. Um ca. 3.000 v. Chr. befanden sich das babylonische Zweistromland, die Stadt Uruk und ihre Menschen an dem Scheidepunkt, ab dem das Wissen um die Patensterne endgültig verloren ging. Zweifel, Unsicherheit und Lebensangst prägten das Leben der Bevölkerung. Doch noch einmal gelang es Menschen und Sternen, die Verderben bringenden Kräfte zu überwinden und ein Gemeinwesen zu schaffen, in dem die Menschen so glücklich und zufrieden lebten, wie es dem Menschen unter irdischen Bedingungen möglich ist. 

    Buch 1 – Uruk

    I

    Elulu warf genervt seinen Griffel auf den Tisch.

    „Ich bin es leid, eine Hymne nach der anderen auf diesen Wüstentölpel zu verfassen. Mit seinen Steuern presst er uns die Luft zum Atmen ab. Mit seinen Schikanen treibt er uns zur Weißglut."

    Seine Tochter Schamkat legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm: „Schimpfen wird nicht viel helfen. Vielleicht sollten wir uns etwas Wirksameres ausdenken."

    Elulu schaute seine Tochter mit hochgezogenen Brauen an:

    Hast du eine Idee?

    „Eher die Idee einer Idee. Ich muss noch etwas darüber nachdenken. Aber es geht so wirklich nicht weiter. Erst heute Morgen haben seine Kumpane drei Tempeljungfrauen abgeholt. Wer weiß, in was für einem Zustand sie zurückkommen. Wenn sie überhaupt wieder zurückkommen. Und natürlich wie immer ohne einen Kupferring Bezahlung."

    Das hatte sich alles ganz anders entwickelt, als die guten Bürger von Uruk es sich gedacht hatten. Die Angriffe auf die Stadt durch herumstreunende Beduinenbanden hatten der sumerischen Obrigkeit zunehmend zu schaffen gemacht. Der blühende Handel, das erfolgreiche Handwerk, das hohe Bevölkerungswachstum und die immer komplexer werdende Verwaltung hatten ihren Fokus verändert. Das gute Leben hatte sie weich gemacht. Ursprünglich hatte es den Sumerern durchaus nicht an Aggressivität gemangelt. Ohne viel Federlesens zu machen, hatten sie die Städte der friedlichen Ubaiden in wenigen Monaten überrannt. Die Bevölkerung hatten sie unterjocht, die hervorragende Infrastruktur hatten sie übernommen und weiterentwickelt. Das lag nun schon ein paar Jahrhunderte zurück.

    In der letzten Zeit war ihnen aber die Lust am Kriegshandwerk abhandengekommen. Stattdessen waren sie darauf verfallen, Söldner anzuwerben. Die sie vor den Überfällen aus der Wüste schützen sollten. Söldner, die sie unter denen rekrutierten, die an ihrer Schwelle herumlungerten und auf die Gelegenheit warteten, sich ein Stück vom sumerischen Kuchen abzuschneiden. Der Tisch war reichlich gedeckt. Ständig weiter verbesserte Irrigationssysteme hatten der Landwirtschaft Rekordernte auf Rekordernte beschert. Die Handwerkskunst entwickelte sich kontinuierlich und brachte immer neue Produkte hervor.

    Man trieb mit der ganzen bekannten Welt Handel, und es verging kein Tag, an dem nicht Waren und Rohstoffe aus aller Herren Länder eintrafen. Zu Wasser über die Kähne aus dem Norden, die den Buranuna als Verbindung nutzten. Oder auf Seglern, die aus dem Süden über das Salzmeer kamen. Zu Lande brachten nicht abreißende Eselskarawanen ihre Waren. Auf denselben Wegen verließen landwirtschaftliche Erzeugnisse, Wein, Bier, Töpferwaren, Werkzeuge, Webwaren, Schmuck, Kunstwerke und vieles mehr die Region.

    Kein Wunder, dass sich die beduinischen Wüstenstrolche von diesem Überfluss angezogen fühlten. Der Söldnerführer, über den sich Elulu und Schamkat gerade ereiferten, war Gilgamesch, ein Martu-Beduine, der von der urukischen Verwaltung zum Hauptmann der Schutztruppe gemacht worden war. Zusammen mit 120 seiner Genossen sollte er räuberische Attacken verhindern. Man hatte ihnen freie Unterkunft und Verpflegung geboten und 1 Schekel Silber im Monat. Für den Anführer 3 Schekel. Ein unwiderstehlicher Sold für die unkultivierten Hau-Draufs.

      Anfangs ging alles gut. Die Überfälle hörten auf und es kehrte Ruhe in der Stadt ein. Dennoch behielt man die Söldner. Zur vorbeugenden Abschreckung. Dem Tatendrang der Martu kam der Gegenstand abhanden und sie begannen sich zu langweilen. So sehr, dass ihre überschüssige Energie sich neue Ziele suchte. Die Söldner fingen an, die eigene Bevölkerung zu schikanieren. Immer wieder kam es zu sexuellen Belästigungen von jungen Frauen und Männern. Handwerkern und Schenkwirten wurden Schutzgebühren abgepresst. Die Martu-Söldner spielten sich mehr und mehr als die wahren Herren der Stadt auf. So recht wagte es niemand, sich ihnen entgegen zu stellen. Die Stadtväter mussten sich eingestehen, dass man vom Regen in die Traufe geraten war.

    Niemand aber hatte mit der dann eintretenden Entwicklung gerechnet. Offensichtlich dadurch ermutigt, dass niemand willens war, ihrem wüsten Treiben Einhalt zu gebieten, übernahmen die Martu kurzerhand die Macht in der Stadt. Gilgamesch ließ sich zum König ausrufen. Der amtierende Lugal wurde seines Amtes enthoben, seine Gemächer belegten Gilgamesch und seine Schlagetote. Die Verwaltung mit Urigallu und Ensi wurde beibehalten. Sie wurde lediglich eingeschüchtert und musste fortan den Weisungen König Gilgameschs Folge leisten. Die urukische Oberschicht war bereits so verweichlicht, dass sich kein Widerstand formierte. Die große Masse der Bevölkerung nahm den Umsturz achselzuckend zur Kenntnis. Für sie änderte sich nichts.

    Um den Handstreich im Nachhinein mit einem Legitimationsmäntelchen zu versehen, wurden die Priester angewiesen, Hymnen zu komponieren, in denen der Usurpator verherrlicht wurde.

    „Wegen dieser dämlichen Hymnen vernachlässige ich bereits meine Priesterpflichten! Elulu konnte sich nur schwer beruhigen. „Unsere Einnahmen sinken. Wie sollen wir die immer neuen Steuern noch aufbringen?

    Elulu war Priester im Weißen Tempel. Er stammte aus einer alten ubaidischen Familie, in die immer mal wieder Gutäer aus den Zagros-Bergen hineingeheiratet hatten. Daher kam sein gutäischer Name. Insgeheim betreute er zusätzlich einen Nammu-Schrein. Nammu war die alte Ubaiden-Göttin, die von der sumerischen Inanna verdrängt worden war. Nur wenige Mitglieder der alteingesessenen Familien hielten der Göttin noch die Treue und besuchten den Schrein regelmäßig.

    „Direkter Widerstand ist zwecklos, entgegnete Schamkat. „Wir müssen schlau vorgehen und sie an ihren Schwachstellen packen. Ihrer Unwissenheit, ihrer Zügellosigkeit und Disziplinlosigkeit. Lass mich nur machen.

    Sie küsste ihren Vater auf die Stirn. Ihr ovales, karamellfarbenes Gesicht war von

    rabenschwarzem Haar umhüllt, das sie zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt hatte. Die Augen waren mit Kajal schwarz umrandet. Lippen und Wangen mit Saflor dezent rot getönt. Ihr Körper war von einem zarten weißen Gewebe bedeckt, das ihre vollendeten Formen mehr betonte als verhüllte. Elulu seufzte und wandte sich wieder seiner Tontafel zu. Auf Schamkat war Verlass. Ihr würde etwas einfallen. Besänftigt lächelte er seiner schönen Tochter nach, als diese den Raum verließ.

    Schamkat war als Oberpriesterin des Eanna-Tempels, der Inanna gewidmet war, verantwortlich für allerlei Zeremonien, Orakel und Weissagungen, aus denen der Tempel seine Einkünfte bezog. Am einträglichsten war die symbolische Vereinigung mit Inanna, bei der attraktive Tempeljungfrauen zahlungskräftigen Männern zur Ejakulation verhalfen.

    Für so eine Zeremonie, deren Heiligkeit dahingestellt blieb, wurde mit einem Silberschekel der Gegenwert eines durchschnittlichen Monatseinkommens verlangt. Kein Wunder, dass der Eanna-Tempel sich mit der Zeit ein beträchtliches Vermögen an Land und Handwerksbetrieben zulegen konnte. Die Mitarbeiter des Tempels und ihre Familien führten angesichts der ständig steigenden Geldzuflüsse ein sehr angenehmes Leben. Die Gebäude konnten gepflegt und erweitert, mit Kunstgegenständen und Götterbildnissen ausgestattet werden. Bis jetzt. Durch den unersättlichen Gilgamesch wurde das privilegierte Idyll bedroht.

    ---

    Elulu legte seine Tontafel zur Seite. Das Eingraben der komplizierten Schriftzeichen erschöpfte ihn zunehmend. Vor allem dann, wenn er Texte verfassen musste, die ihm zutiefst zuwider waren. Aus einer auf dem Tisch stehenden Schale nahm er eine Dattel und steckte sich die süße Frucht in den Mund. Aus einem hellroten Tonbecher, der reich verziert war, nahm er einen tiefen Schluck Bier. Er würde nach seinen Lieblingen im Nammu-Schrein schauen. Das würde ihn aufheitern. Aus einer Kiste holte Elulu zwei Ratten. Ihre Schnauzen waren zusammengebunden und sie steckten in einem grobmaschigen Netz. Zweimal in der Woche kam Imta, der sich auf den Rattenfang spezialisiert hatte, und brachte ihm frische Ratten. Elulu ergriff den an der Rattenkiste lehnenden Gabelstab und ging durch die große Halle mit dem Bildnis des Himmelsgottes An in das angrenzende kleine Gemach, das Nammu gewidmet war.

    Vor dem Bildnis von An, dem der Weiße Tempel gewidmet war, hatten sich einige Verehrer versammelt und brachten mit Hilfe eines Priesters ihre Opfer dar. Für Nammu gab es nur sehr selten Besucher. So gab es auch heute niemanden, der sich für Nammu interessierte. Elulu zog den Vorhang, der den Raum abtrennte, hinter sich zu. Er legte Stab und Ratten zur Seite und sank der Länge nach vor einer Truhe zu Boden. Auf der stand eine kleine Tonfigur. Neben ihr eine Vase, aus der ein frischer Zedernzweig ragte. Elulu streckte Arme und Hände zusammengelegt über den Kopf nach vorn. Der Priester wurde ganz still. Elulu sprach nicht. Er wandte sich mit seiner inneren Stimme an die Figur:

    „Nammu, dein Diener Elulu steht vor dir."

    „Sei gegrüsst, Elulu. Was ist dein Begehren?"

    „Nicht nur, dass die Sumerer Inanna und An den Vorzug vor dir geben. Nun bedrängt uns auch noch Gilgamesch. Ich bitte um deine Hilfe."

    „Dass die verkommenen Sumerer die Hure Inanna mir vorziehen, ist nicht zu ändern. Mit Müttern können sie nicht viel anfangen. Schon gar nicht mit ihrer Urmutter. Die macht ihnen Angst. Sie haben sie in die untersten Schichten ihres Bewusstseins verbannt. Der Preis dafür wird ihnen nicht erspart bleiben. Das mit Gilgamesch habt ihr euch selbst zuzuschreiben. Wie konntet ihr ihm und seinen wüsten Genossen jemals so viel Vertrauen schenken?"

    „Ich weiß, dass du uns gewarnt hast, Nammu. Wir haben aus Bequemlichkeit deine Warnungen in den Wind geschlagen. Jetzt brauchen wir deine Hilfe, um aus der Situation wieder herauszukommen."

    „Schamkat wird eine Lösung finden. Kümmere du dich um deine anderen Aufgaben."

    „Dein Wille geschehe!"

    Dieser Austausch fand nur im Kopf Elulus statt. Sonst war im Raum nichts zu hören. Auch die kleine Figur hatte sich weder bewegt noch einen Laut von sich gegeben. Nammu war vielleicht zwei Handspannen hoch. Auf den ersten Blick fiel ihre Kopfform ins Auge. Langgezogen mit länglichen Augenschlitzen ähnelte ihr Gesicht dem einer Schlange. Oder einer Eidechse. Der Körper war der einer Frau. Mit ausgeprägten Brüsten. Nammu war schlank und nackt mit einem angedeuteten Lendentuch, das bis zu den Füssen fiel. Vom Hals bis zum Ellbogen waren die Oberarme mit einer eigenartigen Schuppenpanzerung versehen. Auf dem Kopf trug sie einen schwarzen Kopfschmuck.

    Nammu hatte mit Elulu gesprochen. Darüber konnte es keinen Zweifel geben. Er hatte sie verstanden und ihr geantwortet, wenn auch mit seiner lautlosen Kopfstimme. Elulu hörte Nammu in seinem Kopf, war aber davon überzeugt, dass die kleine Tonskulptur zu ihm sprach.

    Elulu stand auf und zog vorsichtig eine Schublade auf, die in die Truhe eingelassen war. Im Inneren der Schublade kringelten sich zwei pechschwarze Kobras. Elulu hielt seinen Stab bereit, um die Schlangen am Entweichen zu hindern. Mit der anderen Hand ließ er die beiden Ratten in die Schublade gleiten. Sofort gaben die Kobras jeden Gedanken an Flucht auf und wandten sich den appetitlichen Ratten zu. Dass diese in Hanffasern kamen, störte sie nicht. Ihre Magensäfte waren schon mit anderem fertig geworden. Schwesterlich teilten sie sich die Nager. Sie töteten sie mit einem Biss, entriegelten ihre Kiefergelenke und machten sich daran, die Mahlzeit zu verschlingen.

    Elulu lächelte. Er liebte seine Schlangen. Er konnte sich nicht sattsehen an ihren glänzend schwarzen Schuppen und ihren geschmeidigen Bewegungen. Die Kobras waren Nammus Lieblingskinder. Schlangen verkörperten die Strahlen der Sonne. Und sie waren Symbole der sich immer wieder erneuernden Fruchtbarkeit. Nammu war die ursprüngliche Sonnen- und Schöpfergöttin. Die mit der Zeit zur Schlangen- und Fruchtbarkeitsgöttin geworden war. Mit Ankunft der Sumerer hatten die weiblichen Gottheiten ihre Stellung verloren.

    Die Sumerer hatten ihre launischen Wind- und Wettergötter mitgebracht, ihnen Tempel gebaut und akribisch ausgefeilte Kulthandlungen etabliert. Die begleiteten Uruks Bewohner das ganze Jahr. Tagein, tagaus. Allein Inanna war ins männerdominierte Wolkenkuckucksheim mit umgezogen. Man hatte ihr allerdings einen wenig schmeichelhaften Charakter verpasst. Inanna galt als launisch, lasziv und sexbesessen. Unter den führenden Gottheiten wurde sie nur deshalb geduldet, weil man sich Fruchtbarkeit von ihr versprach. Der ihr gewidmete Tempel, dem Schamkat vorstand, war bei den Urukern besonders beliebt. Neben den klassischen Bet- und Opferzeremonien hatte sich der Eanna-Tempel auf Orakel und Wahrsagungen spezialisiert. Dazu kamen die Tempeljungfrauen. Inanna war auf dem besten Weg, dem angestammten Stadtgott An, ihrem Vater, seine Vormachtstellung in Uruk streitig zu machen.

    II

    Schamkat war auf dem Weg in die Stadt. Zur Gasse der Goldschmiede. Sie wollte Gizzal aufsuchen, den Lapislazuli-Händler. Dessen Handelskontakte reichten weit in den Osten. Den Lapislazuli bezog er in Blöcken aus Shar-e-Sukhte östlich von Nimma. Die Fundstellen lagen noch weiter im Osten im Kokscha-Tal. In Sar-é Sang. Diese ansonsten eifersüchtig gehüteten Geschäftsgeheimnisse hatte der Händler Schamkat offenbart, als er von ihr ein glückbringendes Orakel erhoffte.

    Wie alle Menschen der damaligen Zeit nahm Gizzal vor wichtigen Entscheidungen gern die Orakel der Priester in Anspruch. Die waren an die Stelle der Sterne getreten, die bei den frühen Menschen für Entscheidungen verantwortlich waren. Das Wissen um die Sterne war weitgehend verloren gegangen. Nur sehr wenige Menschen hatten noch Kontakt zu ihren Sternenpaten. Mit den Orakeln hatten die Priester eine Entscheidungshilfe erfunden und sich damit eine sprudelnde Einnahmequelle erschlossen. Diese Orakel waren mannigfacher Natur und konnten je nach Aufwand richtig ins Geld gehen. Da gab es die Vogelschau. Die Öl-, Wein- Rauch- oder Mehlomina. Die Eingeweideschau, vor allem die Leberschau. Die Traumdeutung und einiges mehr.

    Der Fantasie der Priester war grundsätzlich keine Grenze gesetzt. Jeder Tempel legte umfangreiche Dokumentationen über die einzelnen Verfahren an, die immer mehr verfeinert und ritualisiert wurden. Den Hilfesuchenden wurde damit suggeriert, dass es sich um Methoden handelte, die über jeden Zweifel erhaben waren. Der Trick war, die Voraussagen so geschickt zu formulieren, dass sie vom Klienten beliebig gedeutet werden konnten. Damit wurde die Verantwortung wieder an den Fragesteller zurückgeschoben. Ging die Sache schief, hatte er sein Orakel eben falsch verstanden. Schamkat hatte während ihrer Ausbildung alle Stufen der Omendeuterei durchlaufen und beherrschte das Instrumentarium perfekt. Allerdings verfügte sie noch über eine zusätzliche Informationsquelle, die sie niemandem preisgab und die sie nur in Sonderfällen anzapfte.

    Bereits als Kind war sie auf eine Stimme aufmerksam geworden, die immer mal wieder zu ihr sprach, die sie aber nicht zuordnen konnte. Sie hatte anfangs sogar an ihrem Verstand gezweifelt und befürchtet, dass ein böser Geist sich in ihr eingenistet hatte. Mit der Zeit hatte sie sich an die Stimme gewöhnt, zumal sie einen durchaus vernünftigen Eindruck machte. Die Stimme hatte sich ihr sogar vorgestellt. Sie hieße Sargas und sei ein Stern im Sternbild Skorpion. Das hatte in ihr wieder neue Zweifel hervorgerufen. Ein Stern, der mit ihr sprach? Über eine Stimme, die sich kaum unterschied von all den anderen Gedanken, die ihr so durch den Kopf schossen?

    Aber Sargas hatte sich in seinen Äußerungen stets als verlässlich und weitblickend erwiesen. So hatte sie sich angewöhnt, ihn in ihre Überlegungen mit einzubeziehen und seinem Rat Gewicht zu geben. Von ihrem „kleinen Mann im Ohr", wie sie Sargas in einer Mischung aus amüsierter Verlegenheit und Respekt nannte, wusste niemand. Nicht einmal ihr Vater.

    Gizzal war eines Tages zu ihr gekommen, um sie in einer Angelegenheit zu befragen, die für die weitere Entwicklung seines Geschäftes von entscheidender Bedeutung war: er hatte die Gelegenheit, sich Leuten aus Sar-é Sang anzuschließen und so die eigentliche Fundstätte des Lapislazuli im Kokscha-Tal kennenzulernen

    Das war eine einmalige Gelegenheit. Bislang kam kein Edelsteinhändler um den Zwischenhandel in Shar-e-Suhkte herum, wenn es um Lapislazuli ging. Sollte es Gizzal gelingen, das kostbare Mineral direkt zu beziehen, würde das seine Gewinnmargen erheblich steigern. Allerdings hatte er die Kokscha-Männer gerade erst kennengelernt und wusste nicht, ob er ihnen vertrauen konnte.

    Ein typischer Fall für ein Orakel. Doch Schamkat erkannte sofort, dass hier zu viel auf dem Spiel stand, als dass es einem der üblichen Omina anvertraut werden konnte. Vielmehr war es eine einmalige Gelegenheit, sich die Dankbarkeit des einflussreichen Edelsteinhändlers dauerhaft zu sichern. Sie hatte sich deshalb an Sargas gewandt und ihn um seinen Rat gebeten. Schamkat erinnerte sich noch genau an Sargas Worte, die in ihrem Kopf entstanden:

    „Auf gar keinen Fall dürfen die Händler aus Shar-e-Sukhte mitbekommen, dass Gizzal ihnen Konkurrenz machen will. Deshalb muss er seine Einkäufe aus Sar-é Sang auf einer anderen Route nach Uruk zurückbringen. Er muss nicht die allgemeine Handelsroute nach Westen nehmen, sondern sich nach Süden wenden. In das Indus-Tal. Von da kann er den Lapislazuli auf Boote verladen. Über Kukkutarma nach Kolachi am Meer. Über das Meer und den Fluss zurück nach Uruk. So kann er eine Entdeckung durch die Shar-e-Sukhter vermeiden. Außerdem spart er auf der Indus-Route über das Meer Zeit und Kosten. Was die Vertrauenswürdigkeit der Sar-è Sanger betrifft, so müssen sie eine Geisel zurücklassen, die Gizzals Sicherheit garantiert."

    Um Gizzal diese Aussage als glaubwürdiges Orakel verkaufen zu können, hatte Shamkat damals Kräuter verbrannt und eine tiefe Trance vorgetäuscht, aus der heraus sie dem Lapislazuli-Händler ihre Botschaft übermittelte. Gizzal war sehr erstaunt gewesen. Noch nie hatte er ein so präzises Orakel vernommen. Aber vom Industal und dem Seeweg dorthin hatte er bereits gehört. Die Frage war, wie er aus dem Kokscha-Tal nach Kolachi, dem Hafen im Industal kommen sollte.

    Aber wenn eine Karawane den langen Landweg von Sar-é Sang nach Uruk bewältigen konnte, so müsste das auf der viel kürzeren Strecke ins Industal ebenfalls möglich sein. Das mit der Geisel war eine gute Idee. Wenn die Kokscha-Männer ernsthaft mit ihm ins Geschäft kommen wollten, würden sie dem auch zustimmen. Ein Restrisiko blieb, aber das war unvermeidbar. Wollte man Geschäftskontakte in Monate entfernten Gegenden anknüpfen, kam man um Risiken nicht herum.

    So hatte sich Gizzal zu der Reise entschlossen. Er hatte Schamkat ihren Seherlohn ausbezahlt und versprochen, sie im Falle einer erfolgreichen Reise üppig zu belohnen. Alles war so gelaufen, wie Sargas es geraten hatte. Gizzal war in Begleitung von nur zwei Vertrauten mit den Männern aus Sar-é Sang ins Kokscha-Tal aufgebrochen. Dort glücklich angelangt hatte er direkt bei den Bergleuten einkaufen können. Bis zum Indus hatte er seine kostbare Fracht auf Kamelen transportiert. Danach war er auf einem Boot den Indus hinabgefahren. Er hatte die große Stadt Kukkutarma passiert und hatte in Kolachi seine Fracht auf einen Segler verladen, der ihn auf direktem Wege zurück nach Uruk brachte. Für den Hinweg hatte Gizzal 9 Monate benötigt. Den Rückweg schaffte er in einem Drittel der Zeit.

    Die Bergleute hatten nur 10% der Summe verlangt, welche die Händler aus Shar-e-Sukhte von ihren Kunden forderten. Schamkats Orakel war also ein Vermögen wert und die Dankbarkeit Gizzals kannte keine Grenzen. Schamkat hatte sich aber mit einem kleinen Äffchen aus Lapislazuli zufriedengegeben. Ihr stand der Sinn weniger nach irdischen Reichtümern. Viel mehr Wert legte sie auf den Umstand, dass sich nun einer der mächtigsten Handelsherren von Uruk in ihrer Schuld befand.

    III

    „Sei gegrüßt, Schamkat, und möge An dir tausend Jahre schenken!" Gizzal lächelte breit und umfasste mit beiden Händen die Unterarme der Priesterin. Er war einen halben Kopf kleiner als seine Besucherin, untersetzt und hielt die fetten Hände für gewöhnlich über seinem ausladenden Wanst gefaltet. Sein Haupthaar hatte sich weitgehend zurückgezogen. Die Augen blitzten hinter dicken Wülsten und seine gewaltige Nase hing fast bis auf den merkwürdig femininen Mund herab. Das fliehende Kinn zierte ein spärlicher mit weißen Fäden durchzogener Bart.

      „Aber bitte nicht unter einem König Gilgamesch, lachte Schamkat. „Da würde ich ja noch die Kurnugia vorziehen, Ereschkigals Reich.

    Gizzal gefror das Lächeln auf den Lippen. So frivol konnte auch nur eine Priesterin reden. Für die normalen Sterblichen war die Unterwelt eine Horrorvision. Ob reich oder arm, Mann, Weib oder Kind – kein Mensch kam um den Gang in das Schreckensreich der Todesgöttin herum. Darüber scherzte man nicht.

      „Was führt dich zu mir? versuchte er rasch das Thema zu wechseln. „Darf ich dich mit etwas Granatapfelsaft erfrischen?

      „Das wäre großartig, denn ich fürchte, ich werde dich länger in Anspruch nehmen müssen."

    Gizzal führte Schamkat in den Innenhof seines Hauses, wo sie im Schatten einer Dumpalme Platz nahmen. Sie setzten sich auf den Rand der mit gebrannten Ziegeln gemauerten Einfassung des Brunnens. Der Kaufmann klatschte in die Hände. Ein hellhäutiger Junge erschien und wurde angewiesen, Erfrischungen zu bringen.

      „Was macht der Tempel, wie geht es deinem Vater?" erkundigte sich Gizzal. Es entsprach der guten Sitte, sich dem eigentlichen Zweck des Besuches erst dann zu widmen, wenn für das leibliche Wohl des Besuchers gesorgt war. So schwatzten sie eine Weile über Land und Leute, obwohl Gizzal sehr gespannt war, was die Priesterin auf dem Herzen hatte. Schließlich kam der Junge zurück und brachte ein Tischchen mit Granatapfelsaft, Honigmelone und Trauben. Mit einer Verneigung zog er sich wieder zurück.

      „Woher hast du ihn? fragte Schamkat und deutete mit dem Kinn in die Richtung, in die der Junge verschwunden war. „Ich sehe ihn das erste Mal.

    „Vom Markt. Die

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