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Irish Rover
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eBook370 Seiten5 Stunden

Irish Rover

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Über dieses E-Book

Irgendwo in Deutschland. Maika und Vicky sind beste Freundinnen, könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein. Beide suchen nach dem perfekten Gefährten. Doch während die draufgängerische Vicky bereit ist, alles für ihre große Liebe aufzugeben, wird Maika von Zweifeln und ihrer nachdenklichen Art vereinnahmt, so dass der Ire Patrick kämpfen muss, um sie für sich zu gewinnen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Freundschaft der beiden Frauen, die sich mit Offenheit und Vertrauen unterstützen, um gesellschaftliche Hürden und Zwänge zu überwinden.
Sie entdecken, wie wichtig es ist, Hilfe anzunehmen, neue Wege zu gehen und sich dabei selbst treu zu bleiben. Alle Akteure sind Wanderer auf der Suche nach dem Glück. Und bei allen spielt die grüne Insel eine besondere Rolle.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum31. Dez. 2016
ISBN9783741880452
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    Buchvorschau

    Irish Rover - Susanne Rapp

    Prolog

    Ich folgte ihm in ein Land, das ich nicht kannte.

    Und er zeigte mir einen Ort, wo die Feen atmen.

    Schweigend auf einem Felsen sitzend, den Blick in die Ferne gerichtet, über mir der weite Himmel, habe ich eine Ahnung von etwas Höherem, etwas Ungreifbarem, das in allem um mich herum existiert.

    Die alten Gemäuer, die lächelnden Hunde, die verlockend schönen Abgründe der Cliffs of Moher.

    Er geht voraus mit sicherem Schritt. Mein Gefährte kennt mich und manch einen Ort, der dem Unwissenden unerreichbar bleibt.

    Und seine Liebe zu diesem Land, diesen Menschen, geht ein wenig auch auf mich über. Denn ich lasse es zu.

    Was macht sie so freundlich, so redselig, die Menschen dieser Insel? Ist es die Einsamkeit? Oder ein Wissen, das alt ist, wie die Gezeiten?

    Aufbewahren will ich die Augenblicke, wie Momentaufnahmen, die ein Foto niemals wiedergeben kann. Und wenn ein langer harter Winter kommt, schließe ich meine Augen und kehre zurück zu den endlos aneinandergereihten grünen Mosaikstückchen, auf denen Schafe, Kühe und weiße Pferde grasen. Ich erinnere mich der Farbe des Shannon und der Moorseen mit ihren rotbraunen Tiefen. Felsen, auf denen weißes Moos sich wie Landkarten erstreckt und das Rhododendronmeer von Rosa und Violett. Dann erahne ich den Grund für die tiefe Verbundenheit, die er für diese Insel, seine Heimat, empfindet.

    Hab Dank für all die schönen Orte und Momente, die meine Sorgen verblassen lassen, mich verzaubern und lehren.

    Bei dir finde ich, wonach ich immer suchte. Du wirst bei mir sein und mir ein verstehendes Lächeln schenken, wenn ich tief einatme und für immer zu einem kleinen Teil dieser gewaltigen Schönheit werde.

    1

    Patrick Cullom stand neben der Bühne und beobachtete die Menschen, die es sich auf den Bänken im Kellergewölbe bequem gemacht hatten. So feierten also die Deutschen den St. Patricks Day. Im Grunde genommen unterschied sich das Geschehen nicht wesentlich davon, wie dieser Tag bei ihm zu Hause gefeiert wurde. Die Musik, die Darbietungen auf der Bühne und ein aus Jung und Alt gemischtes Publikum. Die meisten von ihnen hatten bereits einen recht hohen Alkoholpegel erreicht, der sie munterer und auch hemmungsloser machte. Menschen waren doch überall gleich, wenn es ums Feiern ging. Für ihn war es dieses Mal anders.

    Normalerweise war er es, der den ganzen Abend lang schuftete, um die ausgelassenen Gäste bei Laune zu halten, Unmengen von Bier auszuschenken und dafür zu sorgen, dass niemand etwas tat, was er später bereuen könnte.

    Patrick hatte gemeinsam mit seiner Schwester Rose ein Inn an der Westküste Irlands. Dort, wo während der Saison tausende von Touristen die atemberaubende Landschaft mit ihren starken Kontrasten, das irische Flair und die meist ruppig dreinblickenden alten Fischer fanden, die in fortgeschrittenem Alter mehr als Statisten und weniger als Seeleute arbeiteten. Patrick kannte alte Männer mit markanten und wettergegerbten Gesichtern, die sich ein Zubrot verdienten, indem sie den ganzen Abend herumsaßen, tranken und Anekdoten längst vergangener Tage erzählten. So liebten das die Touristen. So sah ihre Vorstellung von Irland aus.

    Heute war Patrick nur als Gast hier in Deutschland, konnte sich betrinken und das tun, was er gern machte, nämlich Menschen beobachten. Besonders die jungen Frauen, von denen hier in dem großen Kellergewölbe, dessen dicke Mauern aus hellbraunen Sandsteinblöcken bestanden, in Hülle und Fülle vorhanden waren, gehörten zu seinen bevorzugten Jagdobjekten.

    Mit seinem roten Dreitagebart den dunkelblonden, kurzen Haaren und lindgrünen Augen war es schwierig, seine Abstammung zu verleugnen. Irischer konnte man nicht aussehen. Er war stolz darauf, mit seinen 42 Jahren noch keinen Bauch zu haben. Ganz im Gegenteil. Er war schlank, aber nicht hager, seine Oberarme sehnig und leicht muskulös.

    Er sah an sich herunter. Sein dunkelgraues Hemd stand halb offen, die Ärmel waren lässig hochgekrempelt und seine graue Jeans saß locker auf seinen schmalen Hüften. Er war zufrieden mit seinem Aussehen, das auf den ersten Blick als durchschnittlich hätte bezeichnet werden können. Ausgeprägte Lachfalten um seine Augen, ließen ihn älter wirken. In der Rechten hielt er ein Glas Bier, das nur noch zur Hälfte gefüllt war. Bald war es Zeit, sich um Nachschub zu kümmern.

    Er hatte viele Stunden hinter der Bühne gemeinsam mit Toms Band »Irish Rover« verbracht und mit den Jungs herumgeblödelt und getrunken. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie ihren Auftritt an diesem Abend hatten.

    Patrick lernte die Jungs vor zwei Jahren in Irland kennen. Sie waren die Küste entlang gereist und überall dort aufgetreten, wo man bereit war, sie zu bezahlen. Der Name von Patricks Inn hatte ihnen gefallen, so dass sie Kontakt mit ihm aufnahmen, mehr, um etwas über die Geschichte des alten Hauses zu erfahren, als um nach einem Auftritt zu fragen.

    Das Inn mit dem Namen »Cowards Inn« hatte nur acht Doppelzimmer, einen kleinen, gemütlich eingerichteten Garten und ein etwas größeres Pub mit Bühne. Patrick hatte schon als Kind mitgeholfen und das rund 200 Jahre alte Haus, das lange seinen Eltern gehörte, später zusammen mit seiner Schwester übernommen.

    Tom und seine Jungs waren ihm gleich sympathisch gewesen, so dass er einen Auftritt mit ihnen vereinbarte und sie im Gartenhaus übernachten ließ. Irgendetwas faszinierte ihn an den deutschen Jungs, die so viel mehr Enthusiasmus, als viele einheimische Musiker zeigten, wenn sie ihre Instrumente zum Klingen brachten.

    Es war mitten in der Saison gewesen, so dass Patrick und Rose alle Hände voll zu tun hatten. Als das Pub gegen Mitternacht schloss und die letzten Gäste nach Hause geschickt waren, saß er noch stundenlang mit ihnen zusammen und hörte ihnen zu, wenn sie von ihrer Heimat Deutschland schwärmten. Vom guten Bier und den schönen Frauen, von denen es angeblich sehr viele dort gab. In bester Bierlaune hatte Tom ihn irgendwann eingeladen, einmal nach Deutschland zu kommen und sich anzusehen, wie seine Leute den St. Patricks Day feierten. Mitte März hatte die Touristensaison in Irland noch nicht begonnen, so dass es wenig zu tun gab. Da könne er, der Rotbart, wie ihn die Bandmitglieder nannten, doch für ein paar Tage nach Deutschland kommen und den Feiertag seines Namenspatrons dort verbringen.

    Im darauffolgenden Jahr hatte es nicht geklappt. Größere Reparaturen standen an, die dringend erledigt werden mussten. Aber ein Jahr darauf hatte ihn nichts mehr davon abgehalten, sich Deutschland oder zumindest die Heimatstadt seines Kumpels Tom, mit dem er in regelmäßigem Kontakt stand, anzusehen.

    Rose hatte ihn regelrecht rausgeworfen. Sie hatte ihn gezwungen, online ein Flugticket zu buchen und seine Sachen zu packen.

    »Verdammt noch mal Bruder. Wann hast du das letzte Mal Urlaub gemacht? Das sind gefühlte 100 Jahre«, hatte sie gerufen, theatralisch die Arme gehoben und die Augen verdreht. »Ich komme wunderbar allein zurecht. Es ist genügend Bier im Keller, um halb Irland abzufüllen und Essen haben wir auch jede Menge im Vorratsraum. Du weißt doch, die Stammkunden kommen nicht zum Essen vorbei und die ersten Touristen reisen nicht vor Mitte April an.«

    Sie hatte sich zu ihm gebeugt und ihn mit ihren gutmütigen, dunkelgrauen Augen angelächelt. »Fahre nach Deutschland und bleibe dort, bis ich dich zurückrufe. Schau dich um, lerne die Deutschen noch besser kennen. Das ist gut fürs Geschäft«, fügte sie hinzu und hob lehrerhaft den Zeigefinger. »Wir müssen doch wissen, wie unsere Lieblingstouristen ticken.«

    Es stimmte schon, dass ganz besonders Touristen aus Deutschland im Cowards Inn Zimmer buchten. Schon als kleiner Junge hatte Patrick mit Kindern aus Deutschland gespielt und dabei deren Sprache gelernt, die er fließend sprach. Nur ein kleiner Akzent verriet seine irische Herkunft.

    Seine drei Jahre ältere Schwester Rose bedeutete Patrick alles. Sie war immer für ihn da gewesen und ihre Ratschläge zu befolgen, hatte sich immer als richtig erwiesen. »Wirst du es wirklich ohne mich schaffen?«, hatte er sie mit übertrieben gerunzelter Stirn gefragt. Da hatte sie die Hände in die Hüften gestemmt und sich mit entrüsteter Miene vor ihm aufgebaut.

    »Ich werde froh sein, wenn mein kleiner Bruder mir mal für ein, zwei Wochen nicht auf den Geist geht.« Dann folgten ihr fröhliches Lachen und ein Klaps auf seine Schulter, womit die Sache besiegelt war.

    Auf der Bühne tanzten gerade ein paar hübsche junge Frauen mit langem Haar und grünen, eng anliegenden Kleidern. Gertenschlank und mit langen Beinen ausgestattet, wirkten sie anmutig wie Elfen, als sie um einen Fiddler, der im Zentrum der Bühne stand, tanzten und mit hämmernden Tritten die metallenen Sohlen ihrer Steppschuhe auf den Holzboden stießen. Patrick hätte sofort mittanzen können, denn er kannte die Schritte seit seiner frühesten Kindheit. Doch so hübsch, wie die jungen Frauen anzusehen waren, interessierte ihn viel mehr das, was vor der Bühne geschah.

    Da saßen ein paar feiste Kerle mit ihren gelangweilten Frauen und stierten auf die Beine der Mädchen, so dass ihnen fast der Sabber aus den Mündern lief. Natürlich trugen sie auch diese Leprechaunhüte in leuchtendem Grün und künstliche rote Bärte. Die gab es nach fünf halben Litern Bier als Zugabe der Brauerei. Nie hatte Patrick verstanden, wie man so etwas freiwillig tragen und sich zum Volltrottel machen konnte. Doch hier in Deutschland schien das sehr lustig zu sein. Manche Gesichter zeigten sogar ein wenig Stolz, wenn sie nach dem fünften Bier ihren kühn erworbenen Kopfschmuck aufsetzten.

    Hunderte Menschen saßen auf den Bankreihen, die längs zur Bühne aufgestellt waren, eng beieinander. Sie erinnerten an Ölsardinen in einer Blechbüchse, schienen sich aber nicht daran zu stören, ständig von ihrem Nachbarn angerempelt zu werden.

    Es war dunkel, stickig und heiß in dem überfüllten Keller, der von bunten Lampions, die an den Wänden aufgehängt waren, beleuchtet wurde. Doch Grün war definitiv die dominierende Farbe. Dennoch waren viele Gäste nach vorne gekommen, um die Mädchen aus nächster Nähe tanzen zu sehen.

    Patrick strich sich über die roten Bartstoppeln am Kinn und genoss es, einfach nur einer von vielen zu sein. Zu feiern, zu trinken und sich zu amüsieren. Seine Schwester hatte schon Recht gehabt, als sie behauptete, er habe seit gefühlten 100 Jahren keinen Urlaub mehr gemacht. Dennoch war es ihm schwergefallen zu gehen, da er sie nicht mit all der Arbeit allein lassen wollte. Spätestens, wenn die ersten Touristen anrückten, wollte er wieder zurück sein.

    Ja, es war eine gute Idee gewesen, für ein paar Tage zu verschwinden. Raus aus dem täglichen Trott, um andere Dinge sehen, andere Menschen kennen zu lernen. Das war schließlich einer der Gründe, weshalb er nach Deutschland gekommen war.

    Tom und seine Frau Miriam hatten sich sehr gefreut, als er gestern angekommen war, obwohl sie jede Menge Arbeit hatten, um das Fest zu organisieren. Denn Toms eigentlicher Beruf war der eines Eventmanagers. Gitarrist und Sänger der Irish Rover zu sein, war eher ein Hobby, auch wenn er oft mit der Band auf Tour war.

    Patrick hatte Tom als gut gelauntes Organisationstalent kennen gelernt. Mit seinem Bäuchlein, dem fusseligen Kinnbart und den abstehenden blonden Haaren sah er ein wenig wie ein kleiner Kobold aus. Seine lebendigen Augen und seine quirlige Art verbreiteten stets gute Laune. Patrick hatte festgestellt, dass Tom ein Mann war, der mit seiner direkten und ehrlichen Art, die Welt zu sehen, ein guter Ratgeber war.

    Der Auftritt der Irish Rover vor zwei Jahren im Cowards Inn war gut angekommen, so dass die Band eine Woche lang geblieben war und jeden Abend spielte. Besonders die Stunden nach den Auftritten, wenn sie es sich an der Theke gemütlich machten, Bier tranken und bis in die frühen Morgenstunden quatschten, hatten Patrick gefallen, so dass er sich darauf freute, dies in Deutschland wieder zu tun.

    Es waren nur wenige Tage gewesen, aber Patrick hatte Tom schnell ins Herz geschlossen und ihm irgendwann auch anvertraut, dass er auf der Suche nach seiner Traumfrau sei. Es sollte eine mit eigenem Willen, eine, mit der man Pferde stehlen kann, sein. Tom hatte ihn forschend mit seinen großen, braunen Augen angesehen und ihm dann erklärt, dass er ein tolles Mädchen kenne, das ihm gefallen würde. Sie sei Single, ungefähr so alt wie er und arbeite als freie Journalistin.

    Patrick war es peinlich gewesen, über ein so persönliches Thema zu reden. Er musste sich eingestehen, dass er noch nie zuvor mit jemandem über diese Sache gesprochen hatte. Es lag an Toms vertrauenswürdiger Art, mit der er die Dinge ernst, aber nicht zu ernst nahm.

    Patrick hatte sich noch nie ernsthafte Gedanken darüber gemacht, wie seine Traumfrau sein sollte. Eigener Wille? Pferde stehlen? Die Worte waren ihm einfach so herausgerutscht. Doch als sie seine Lippen verlassen hatten, war er sich ganz sicher, dass sie sich richtig anfühlten. Natürlich war auch wichtig, wie sie aussah und, wenn er ehrlich mit sich war, ob sie es mit ihm aushalten würde. Denn das war kein leichtes Unterfangen.

    Wenn es um Sex ging, hatte er ein bestimmtes Beuteschema, das geradezu lächerlich klischeehaft war. Weiblich, sinnlich und bereit. Doch wenn es eine sein sollte, die er sich an seiner Seite vorstellen konnte, dann sahen die Kriterien ganz anders aus.

    »Komm nach Deutschland. Ich stell sie dir vor. Sie ist böse. Du wirst sie mögen.«

    Allein diese Worte hatten ausgereicht, um ihn neugierig zu machen. »Wie meinst du das, sie ist böse?«

    »Oh, sie sprüht vor Sarkasmus. Sie ist ein Dickkopf und nicht aufs Maul gefallen. Sie kann dich mit einem Satz niederstrecken. Ist mir auch schon passiert, glaub mir«, hatte Tom ihm mit einem Augenzwinkern erklärt. »Aber wenn sie dich erst mal ins Herz geschlossen hat, ist sie eine echte Traumfrau. Du musst sie halt erst einmal erobern.«

    Tom hatte sich und Patrick an diesem Abend vor zwei Jahren noch ein Bier geholt und sich wieder vor ihn gesetzt, wobei der alte Barhocker, auf dem er sich niedergelassen hatte, verdächtig knarrte. »Ist so eine Art Herausforderung, Rotbart. Ich hab dich in den letzten Tagen ein bisschen kennengelernt und bin ganz sicher, dass ihr bestens zusammenpassen würdet.« Tom hatte sich vorgebeugt und Patrick sein Bierglas entgegengehalten: »Prost, Alter. Ich werd sie dir vorstellen, wenn du kommst. Sie wird auch beim Fest sein, um darüber zu schreiben. Das macht sie immer. Sie ist die Beste. Schreibt nie irgendwelchen Scheiß und fängt mit wenigen Worten die Atmosphäre ein. Du wirst sie lieben.«

    Patrick versuchte sich die Frau, von der Tom ihm vorschwärmte, vorzustellen. Eine Journalistin. Wie sah eine Journalistin aus?

    Die typischen Klischees begannen, sich in seinem Kopf zu bilden. Desinteressierter Gesichtsausdruck, einen kleinen Block in der einen, den Kugelschreiber in der anderen Hand. War sie blond, klein, mollig? Oder doch ganz anders? Tom hatte ihn wirklich neugierig gemacht. Das war ein Talent, das er, als Eventmanager, bestens beherrschte. Doch er hatte ihm bisher weder ihren Namen, noch, irgendwelche äußerlichen Merkmale, verraten. Tom war die Sorte Mann, die bei einer Frau auf ganz andere Dinge Wert legte. Und über die ließ er sich in dieser letzten gemeinsamen Nacht im Cowards Inn ausführlich aus.

    Die anderen Musiker waren längst schlafen gegangen, so dass die beiden Männer ungestört reden konnten.

    »Sie hat viel Humor, ist schlagfertig und sehr gescheit. Aber das lässt sie nicht raushängen, wenn du weißt, was ich meine. Sie hat das Herz an der richtigen Stelle. Ein verdammt großes Herz. Mitfühlend ist sie auch.« Tom hatte einen Schluck Bier getrunken und mit versonnenem Lächeln die Flaschenreihen auf der Rückseite der Theke angesehen. »Sie ist der beste Kumpel, den man haben kann. Wenn ich nicht mit meiner Miriam so glücklich wäre, würde ich alles daran setzen, sie für mich zu gewinnen. Ja, sie ist eine echte Traumfrau.«

    Und das war der zweite Grund, weshalb Patrick nach Deutschland gekommen war. Er wollte unbedingt diese Frau kennen lernen. Sie war Single wie er. Sie suchte auch nach dem richtigen Gefährten.

    Patrick hatte nie Probleme damit gehabt, Frauen aufzureißen. Er wusste, dass er ein eher unscheinbarer Typ war. Doch er hatte etwas, womit er sie alle ins Bett bekam. Es waren seine Augen oder vielmehr die Fältchen darum. Diese Fältchen, kombiniert mit einem sehr selbstsicheren Lächeln seiner schmalen, doch sinnlichen Lippen, ließen ihn cool und attraktiv wirken.

    Sex zu bekommen war geradezu lächerlich einfach. Das war überall auf der Welt das Gleiche. Doch mit echter Liebe war das etwas völlig anderes. Die konnte man nur geschenkt bekommen oder sich durch harte Arbeit verdienen. Das war ihm klar. Und das war vielleicht auch ein Grund, weshalb er immer noch allein war.

    Sein besonderes Lächeln war ihm oft sehr nützlich gewesen. Doch irgendwann, vor langer Zeit, war ihm eben dieses Lächeln zum Verhängnis geworden.

    Für einen kurzen Augenblick tauchten Erinnerungen auf, die sich wie tausend Nadelstiche in seinem Kopf anfühlten. Bilder aus der Vergangenheit drangen auf ihn ein, so dass er die Augen schloss und die Geräusche, die von allen Seiten auf ihn eindrangen, zu einem Wabern verschwammen. Nicht daran denken. Du musst es ausblenden. Lass es nicht die Oberhand gewinnen. Patrick öffnete die Augen und sah nur verschwommene Farben, die um ihn herum zuckten.

    Da war eine Melodie, zu der der Fiddler gerade ansetzte. Eine Melodie, die er kannte. Doch er konnte sie nicht einordnen.

    Beinahe hätte er sein Glas fallen lassen. Schweiß stand ihm auf der Stirn und eine, ihm sehr vertraute Übelkeit, drängte sich seine Brust hinauf.

    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und sah auf. Das Geschehen vor ihm begann wieder, Konturen anzunehmen. Konzentrier dich, verdammt nochmal, redete er sich ein. Das Erste, was sein Blick traf, nachdem die Erinnerung verflogen war, war eine junge blonde Frau, die ihn fasziniert ansah. Sie saß ganz vorne in der ersten Reihe neben ihrem Freund, der etwas dümmlich wirkte und sein Mädchen nicht zu beachten schien. Beute.

    Der Jagdinstinkt nahm überhand und veranlasste Patrick, seine Waffe zu aktivieren. Das Mädchen starrte ihn unverhohlen an. Faszination und Erregung lagen bereits in ihrem Blick. Er schien ihr zu gefallen. Patrick lächelte sie an und dies bewirkte, dass das Mädchen unruhig auf seinem Hintern herumrutschte und sich mit einem Bierdeckel Luft zufächelte. Mit diesem Lächeln, leicht lasziv, fordernd, aufreizend, bekam er jede, die er wollte.

    Langsam sah er sich um und fand weitere weibliche Gesichter, die seinen Wandel entdeckt hatten und ihn anstarrten. Der Typ neben der Blondine bemerkte die plötzliche Unruhe seiner Freundin und legte die Arme besitzergreifend um ihre Hüften, wobei er Patrick wütend anfunkelte. Meins, schien sein Blick zu sagen, und als Patrick ihn unverfroren angrinste, war für einen kurzen Augenblick Aggression im Gebaren des Mannes zu erkennen.

    Patrick wandte den Blick ab. Er hatte bekommen, was er wollte, was er gebraucht hatte. Er wurde begehrt. Die kleine Blondine würde heute Nacht von ihm träumen. Doch sie war es nicht, nach der er Ausschau hielt.

    Tom hatte nicht viel verraten. Nicht einmal ihren Namen. Alles was er über die Frau, die er kennen lernen wollte, wusste, war, dass sie hier im Kellergewölbe war und wahrscheinlich mit einem Schreibblock und einer Kamera bewaffnet, herumlief.

    Toms Grinsen, als Patrick versucht hatte, ihn auszuquetschen, war nervig gewesen. »Ich stell sie dir vor«, hatte er nur gesagt. »Wenn sie arbeiten muss, ist sie voll konzentriert und hat keine Zeit zum Flirten. Aber du bist ja noch eine Weile da. Da wird sich sicher eine Gelegenheit ergeben.«

    Verdammt, hier waren hunderte von Frauen und keine hatte eine Kamera oder einen Schreibblock in der Hand.

    Der Auftritt der Tänzerinnen ging seinem Ende zu und wurde mit ohrenbetäubendem Applaus belohnt. Die Mädchen mit den langen Beinen verschwanden hinter der Bühne und die Musiker von Irish Rover begannen, ihre Instrumente aufzubauen. Tom griff zum Mikrofon und fragte mit gespielt unschuldigem Lächeln: »Na, gefällt’s euch hier?« Die Antwort der Gäste war mehr als positiv und drückte sich durch lauten Applaus und Gejohle aus. Tom erklärte, es sei nun an der Zeit, sich hinten am Tresen noch ein Bier zu holen. In etwa einer halben Stunde ginge es dann weiter.

    Patrick drehte sich nach seinem Freund um und hielt ihm den erhobenen Daumen entgegen. Tom sprang von der Bühne und kam zu ihm.

    »Und hast du sie schon entdeckt?«

    »Wie soll ich denn? Ich weiß nicht einmal, wie sie aussieht.«

    Tom schielte auf Patricks leeres Glas. »Du solltest es mal am Tresen versuchen. Da wird jetzt zwar viel los sein, aber du kannst einfach zu Miriam gehen. Die ist bestimmt auch dort und wird dich nicht warten lassen. Vielleicht ist »sie« ja auch dort.« Tom sprang zurück auf die Bühne, deutete in Richtung Theke und nickte Patrick aufmunternd zu.

    Als Patrick sich langsam durch die Menge manövrierte, war das blonde Mädchen, mit dem er vor wenigen Minuten noch geflirtet hatte, völlig aus seiner Erinnerung gelöscht. Er sah nicht ihren sehnsüchtigen Blick, als er ganz nah an ihr vorbei ging.

    Der Jäger in ihm, den er nicht kontrollieren konnte, hatte sich vorerst zurückgezogen.

    2

    Maika und Vicky standen hinter dem Tresen am anderen Ende des Kellers und bedienten die Gäste. Noch war nicht viel los, da die meisten vor der Bühne standen, um sich die tanzenden Mädchen anzusehen.

    Vicky war die Attraktivere der beiden. Sie war ein wenig größer als ihre beste Freundin Maika und ihre dunkelroten Haare fielen ihr lockig über den Rücken. Sie betonte gern ihre weibliche Figur, indem sie enge Sachen trug, die ihre üppigen Formen noch besser zur Geltung brachten und ihre Tätowierungen am Oberarm frei ließen. Maika hingegen bevorzugte weite Kleidung, die ihre Formen verdeckten, und der Schnitt ihres kurzen blonden Haars verlieh ihr etwas Jungenhaftes.

    Unterschiedlicher hätten zwei Frauen nicht sein können. Sowohl ihr Aussehen als auch die Art, wie sie sich bewegten und sprachen, waren Welten voneinander entfernt. Nur, wer die beiden kannte, wusste, dass sie unzertrennlich waren.

    »Ganz schön was los heute«, rief Vicky Maika über den Lärm zu und griff routiniert nach zwei leeren Gläsern, die ihr jemand entgegenhielt. »Soll ich die für dich vollmachen oder willst du sie zurückgeben, Schätzchen?«, fragte sie den Mann mit einem aufreizenden Lächeln und zeigte ihm, worauf sein Blick ohnehin schon lag, noch ein wenig deutlicher, indem sie ihm ihren Busen entgegen streckte.

    Maika beobachtete sie mit grimmigem Gesicht und kommentierte ihren Flirtversuch bissig. »Lass stecken, du Schlampe. Der Mann ist verheiratet. Hör auf, ihm Appetit zu machen. Sonst bekommt er Ärger.«

    Vicky lachte laut und drehte sich zur Spüle, wo sie die Gläser abstellte. Dann zapfte sie zwei frische Bier und reichte sie dem, etwas verstört dreinblickenden, Mann mit einem zuckersüßen Lächeln.

    Als er sich umdrehte und ging, rief Vicky: »Das ist der beste Ort zum Flirten, Süße. Hinter dem Tresen. Da hast du immer was zwischen dir und dem Kerl. Da kann er nicht grapschen. Wie sieht’s aus? Probier’s doch auch mal.« Sie ging zu Maika, die die Augen verdrehte, legte den Arm um ihre Schultern und gab ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange. »Hab dich lieb, Kleine.«

    »Ich dich auch«, kam die gemurmelte Antwort und ein kleines Lächeln spielte um Maikas Lippen.

    Die Mädchen hatten aufgehört zu tanzen und Tom betrat die Bühne, um alle dazu aufzufordern, sich noch ein Bier zu holen. Maika spülte die Gläser und stand mit dem Rücken zum Saal.

    »Oh, oh«, rief Vicky.

    »Schon gut Vicky. Wir kriegen das hin, wenn jetzt 100 Leute gleichzeitig ihr Bier wollen«, reagierte Maika auf Vickys Ausruf.

    »Nein Süße, das meine ich nicht.«

    Maika drehte sich zu ihr und beobachtete, wie sie ihren Busen zurechtrückte und einen bestimmten Punkt im Raum fixierte. »Was haben wir denn da. Das sieht aber lecker aus. Schau mal Maika. Auf 11 Uhr. Sexy.«

    Maika sah in die gleiche Richtung ihrer Freundin und fand, worauf diese sich konzentrierte.

    »Ein Jäger auf der Pirsch. Schau und lerne Maika. Da, ein Rundblick, um die Situation abzuchecken. Na, wer könnte ein potentielles Opfer sein?« Vicky stützte die Ellenbogen auf den Tresen und kommentierte ihre Beobachtungen weiter für die unwissende Freundin. »Na, wie wäre es mit der kleinen Blondine? Das wäre doch ein netter Snack. Nein? Dabei ist ihr Höschen bestimmt schon ganz feucht, so wie sie dich ansieht. Ist sie dir zu jung? Vielleicht. Hey Baby, komm zu mir. Hier kommst du auf deine Kosten. Oh, ja.«

    Maika stöhnte. Ihre Freundin hatte den Flirtmodus aktiviert. Das durfte jetzt nicht wahr sein. Gerade walzte eine Hundertschaft durstiger Menschen auf die Theke zu, die alle bedient werden wollten, und dieses Weib hatte nichts Besseres zu tun, als Ausschau nach einem Spielzeug für die Nacht zu halten.

    »Gleich wird hier die Hölle los sein. Reiß dich mal von deinem Sunnyboy los. Den kannst du nachher immer noch vernaschen.«

    »Was ist mit dir? Bleibst du heute nüchtern und allein? So wie immer?«

    Maika kannte ihre Freundin zu gut, um ihr diesen Spruch übel zu nehmen. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«

    Vicky seufzte theatralisch. »Und wie das bei dir mit dem Vergnügen aussieht, kann ich mir gut vorstellen. Ein dickes Buch und ne Tasse Tee mit viel Milch. Stimmt’s Schatz?« Vicky machte einen Schritt auf Maika zu, legte ihren Arm um ihre Taille und zog sie an sich.

    »Du kennst mich«, murmelte Maika und konzentrierte sich mit gesenktem Blick darauf, ein Bierglas abzutrocknen. »Ich bin ein Feigling mit großer Klappe und nichts dahinter.« Sie sah zu ihrer Freundin auf. »Ich wünschte, ich wäre so mutig wie du.«

    Vicky küsste Maika auf die Nasenspitze. »Das wird schon, Schatz. Du brauchst halt ein wenig mehr Zeit. Weißt du, Männer sind dämlich. Wenn du denen keine klare Ansage machst, kapieren sie es nicht.« Sie ließ Maika los und taxierte sie mit einem freundlichen Blick. »Du bist so eine Süße. Aber mal ehrlich. Eine heiße Nacht täte dir auch mal gut.«

    Maika warf das Geschirrhandtuch nach ihr, was Vicky mit lautem Lachen quittierte, bevor sie sich wieder in Positur warf und den Mann mit dem roten Dreitagebart fixierte.

    Vicky war diejenige, die schon Millionen Mal in irgendwelchen Kneipen gearbeitet hatte. Sie war sozusagen der Profi, während Maika sich eher als Zuarbeiter sah. Bis Maika ein, ihrer Meinung nach, perfektes Bier gezapft hatte, war bei Vicky schon ein halbes Dutzend über den Tresen gegangen. Und nun war da dieser Typ, der sie ablenkte. Das Chaos war praktisch vorprogrammiert.

    Bleib ruhig, redete sich Maika ein und fuhr mit den Fingern hektisch durch ihr Haar. Ihre Freundin begann zu lächeln, während Maika in einem Anflug von Panik die frisch gespülten Gläser zählte und nach den Bierfässern schielte. Na gut, los geht’s, dachte sie, krempelte sich die Ärmel ihrer Bluse hoch und schenkte dem ersten Kunden, der vor ihr stand ein unsicheres Lächeln.

    Vicky fixierte noch immer reglos den Typen und Maika dachte, tu mir das nicht an. Nicht jetzt. Bitte. Vicky schien sie gehört zu haben, oder ihre Gedanken zu lesen. So, wie das irgendwie immer bei den beiden der Fall war. Ein seltsames Band ließ sie ständig dasselbe denken, sagen oder auch tun. Meistens jedenfalls. Wenn es um Männer ging, war das etwas anderes.

    Zunächst zeigte sich Vicky kooperativ und schubste ihre Freundin lachend mit dem Hintern an. Der Rotbart war noch nicht in Reichweite. In Windeseile zapfte sie ein Bier nach dem anderen, während Maika abkassierte. Keiner regte sich auf. Das war gut. Doch die Schlange vor der Theke wurde immer länger.

    Hilfe, ich hasse das, dachte Maika und machte weiter. Doch dann hörte der Nachschub an gefüllten Gläsern plötzlich auf. Maika drehte sich um und sah, dass der Rotbart angekommen war.

    Er stand vor dem Tresen und lächelte Vicky an. Wieso der? Wieso gerade jetzt? Was war denn so besonders an diesem Kerl? Sie hatte jetzt keine Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, warum Vicky ausgerechnet ihn auserkoren hatte.

    Sie begann selbst die Gläser zu füllen, und für einen kleinen Augenblick hasste sie ihre beste Freundin. Aber sie tat ja schließlich nur das, was gut für sie war. Vicky nahm sich, was sie wollte und scherte sich wenig darum, was andere von ihr dachten. Das war eine dieser Eigenschaften, für die Maika sie bewunderte. Sie selbst hätte sich nie getraut, einem Mann so offenkundig zu zeigen, dass sie sich für ihn interessierte.

    Der Kerl, der vor Vicky stand, schien sich definitiv für sie zu interessieren. Wäre es nicht so laut im Keller gewesen, hätte man es zwischen den beiden knistern hören. Mit Blicken schien er sie bereits auszuziehen und ja, er hatte irgendetwas an sich, dass ihn attraktiv machte.

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