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Behauptung statt Wahrheit: Die Anmaßung der Kirchen
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eBook409 Seiten5 Stunden

Behauptung statt Wahrheit: Die Anmaßung der Kirchen

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Über dieses E-Book

Das Machtstreben der Kirche nach Einfluss auf den Staat ist ungebrochen. Als selbsternannte höchste moralische Instanz versucht sie, die gesamte Gesellschaft mit ihren eigenen Regeln zu dominieren, während sie sich selbst den öffentlichen Gesetzen sichtbar entzieht.
Ihre Lehre stützt sie auf reine Behauptungen, die sie zu Wahrheiten erklärt hat.
Mit einfachen Betrachtungen, befreit von indoktrinierter Exegese, wird die Basis der kirchlichen Lehre, die fünf Mosesbücher, entmystifiziert. Aufgezeigt wird, was wahr sein kann, was objektiv falsch ist, und was Legende sein muss.
Essays behandeln unter anderem Glaube und Wissen, Freiheit und Abhängigkeit, Macht und Anmaßung, Kreation und Evolution, Kirche und Staat.
Schonungslos werden die falschen Schöpfungsberichte und die unmoralischen Geschichten der Erzväter unter die Lupe des gesunden Menschenverstandes genommen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Dez. 2019
ISBN9783750216532
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    Buchvorschau

    Behauptung statt Wahrheit - Erwin Leonhardi

    Vorwort

    In diesem Buch geht es nicht um Glaubensfragen, sondern um die dokumentarische Basis der christlichen Religionen, den wortgetreuen Inhalt der ersten Schriften des Alten Testaments. Die Texte werden so diskutiert, wie sie dastehen, und nicht so, wie sie mit theologischer Dogmatik von Klerikern interpretiert werden. Wenn man den Inhalt eines Textes entsprechend abstrahiert, kann man aus jeder beliebigen Aussage eine ideologisch genehme Version herleiten. Das beherrschen Exegeten meisterhaft. Das Ziel dieser Buch-Trilogie besteht darin, das Phänomen der Herrschaft von Religionen, speziell der christlichen, zu beleuchten.

    Es zeigt sich, dass der Ausspruch, die Priester erfänden die Götter, um die Menschen zu beherrschen, durchaus eine reale Bedeutung hat. Aber alle Göttererfindungen aller vergangenen Kulturen haben sich als falsche Lehre erwiesen. Die laut damaliger Priesterschaft angeblich mächtigen und ewigen Götter sind mittlerweile sang- und klanglos mit ihren Völkern untergegangen.

    Die Grundfrage ist, wer die Priester erfand. Ohne den Apparat der religionstragenden Funktionäre ist eine angestrebte Dominanz nicht möglich. Man braucht also eine Menge von Menschen, die es als Berufung empfinden, dem Rest der Welt eine unbeweisbare Ideologie aufzudrängen. Sie werden gestützt durch die unterschwellige Angstmache ihrer Kirche, die damit über viele Jahrhunderte ihre sogenannten Gläubigen beherrscht hat - und selbst heute immer noch beherrscht. Die Priesterschaft bildet das raffinierteste Führungssystem, das die Welt bisher erlebt hat. Durch die anmaßende Behauptung der Kirchen, die selbst ernannte höchste moralische Instanz zu sein, glaubt jeder innerhalb dieses Systems, es wäre gut. Daraus leiten deren Führungsriegen die Berechtigung ab, sich in alle Bereiche der Gesellschaft einzumischen.

    Als naturwissenschaftlich geprägter Mensch habe ich gelernt, Antworten auf Ungereimtheiten mit pragmatischen Ansätzen zu suchen. Entgegengebrachte konditionierende Aussagen, deren Kern und Motivation es zu isolieren gilt, habe ich während meiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Unternehmensführer in der freien Wirtschaft oft enttarnen müssen. Der einzige zielführende Weg, Mitteilungen richtig einzuschätzen, ist die nüchterne ideologiefreie Betrachtung und das Bewusstsein, dass ausnahmslos jede Aussage einen Zweck verfolgt. Diese Vorgehensweise gewinnt fast immer. Ideologische Aspekte entpuppen sich bei genauer Betrachtung meistens als leere Hüllen.

    Für mich zählen Fakten. Die Schlüsse daraus ziehe ich selbst. Ich brauche keine Exegeten, die mir erklären, was ich wie verstehen soll. Mich interessiert auch nicht, was in Schriften angeblich zwischen den Zeilen zu lesen ist, denn in Wirklichkeit steht da nichts. Wäre dort eine dem jeweiligen Autor wesentlich erscheinende Aussage verborgen, hätte er sie mit Sicherheit explizit niedergeschrieben. Wer zwischen den Zeilen liest, interpretiert die vorhandene Aussage nach eigenem Gutdünken.

    Fakten sind nachprüfbar und ihre Gewinnung ist beliebig wiederholbar. Sich widersprechende Fakten gibt es nicht, widersprüchlich scheinende Darstellungen schon.

    Mit rhetorischem Geschick gelingt es wahren Könnern, Aussagen so zu formulieren, dass sie den Zuhörer gezielt konditionieren. Nicht falsch bedeutet nicht automatisch richtig. Geschickte Weglassungen und kontextfremde Beispiele bis hin zu mantrahaften Wiederholungen dienen als Hilfsmittel. Reicht das nicht aus, werden zur Einschüchterung prophetische Szenarien mit schlimmen Ergebnissen heraufbeschworen. Wer nicht aufpasst, wird manipuliert.

    Nach diesem Prinzip arbeiten die christlichen Religionen durch ihre Organisationen, die Kirchen. Sie indoktrinieren ihre Mitglieder von Kind an, indem sie ihnen Harmonieversprechen geben, die sie nur erreichen können, wenn sie sich an die vorgegebenen Regeln halten. Das gesamte Regelwerk definieren sie selbst. Da sie realitätsfern sind, können sie im Alltag nicht bedingungslos eingehalten werden. Jedes Zuwiderhandeln gilt als Sünde und wird benutzt, um ein schlechtes Gewissen zu implantieren und zu pflegen. Eine Erlösung von den Sünden kann nur durch die vorgenommen werden, die das Regelgebilde gemacht haben. So schließt sich der Kreis der Vereinnahmung. Der Kirche geht es nur vordergründig um das von ihr propagierte Seelenheil. Ihr genügt der aus unterschwelligem Unbehagen bestehende Gehorsamsglaube ihrer Mitglieder. Der sichert schließlich die Kirchensteuer.

    Man kann an vielen Stellen beobachten, wie politische und religiöse Organisationen mit behaupteten Wahrheiten Herrschaftsansprüche begründen. In jüngster Zeit wurde sogar der Begriff der alternativen Fakten geprägt.

    Wenn man in Aussagen versteckte Ziele, die hidden agendas, vermuten muss, erfordert dies die besondere Aufmerksamkeit aller wachen Interessierten. Die müssen diese Ziele und die darunter liegende behauptete Welt hinterfragen und erforderlichenfalls an den Pranger stellen.

    Im gesellschaftlichen Bereich beobachtet man wachsende Ansätze zur Vereinnahmung von Verbrauchern durch zunehmend aggressive Schaffung von neuen Wertesystemen. Das betrifft viele Sphären des Alltags, beispielsweise die Legende von der gesunden Ernährung durch veganes Essen. Deutlich zeigen auch modische Erscheinungen, wie zerlumpte Jeans, dass das Folgen solcher Bewegungen zu Kritiklosigkeit führt. Anders ist nicht zu erklären, dass man einer objektiven Hässlichkeit nur deswegen folgt, weil andere es tun. Unübersehbar bewirken technische Trends neue Verhaltensmuster bis hin zur fatalen Ablenkung von der gebotenen Aufmerksamkeit im Straßenverkehr. Für jeden erkennbar regiert die fortschreitende Vereinnahmung in sogenannten sozialen Netzwerken durch einfache Kommunikationsgeräte das soziale Verhalten des einzelnen Teilhabers. In der Politik genügen die radikalen Strömungen am linken und rechten Rand der Parteien als jedem bekannte Beispiele. Der älteste Bereich ist mit lediglich behaupteten Wahrheiten und intolerantem Dominanzstreben die Religion.

    Wenn die Ideologie einer solchen Organisation sich dann noch zusätzlich in Richtung eines gesellschaftlich parasitären Daseins bewegt, muss die Toleranz ihr gegenüber hinterfragt werden. Das gilt uneingeschränkt für politische Parteien, aber auch für gesellschaftliche Aspekte, wie beispielsweise Kultur- und Sportvereine, und für religiöse Gemeinschaften. Der Staat ist gefordert, sich wohl zu überlegen, wen oder was er mit Steuermitteln fördert. Das Gleiche gilt für den einzelnen Bürger. Seine Toleranz darf nicht zu Gleichgültigkeit und Untätigkeit führen. Hier gilt das warnende abgewandelte Sprichwort: Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist.

    Mein Buch richtet sich gegen die selbst ernannte Autorität der Kirchen, die sie - historisch betrachtet - vorwiegend aus den ersten Schriften des Alten Testaments ableitet.

    Grundsätzlich unterstelle ich, dass es kein Schriftstück gibt, das ohne jeden Zweck existiert. Texte nehme ich wörtlich, denn sie sind so gemeint. Wären sie anders gemeint, wären sie anders geschrieben. Eulenspiegelei ist keine unsympathische Haltung, sie zeigt oft sehr deutlich, wie leicht Menschen durch gezielte, ungenaue Kommunikation manipuliert werden können. Ein Narr, wer diesen Till Eulenspiegel für einen Narren hält. Indem er die Dinge wörtlich genommen hat, führte er vielen Menschen vor Augen, wie gezielte Missverständnisse entstehen können.

    Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit grundsätzlichen Fragen der christlichen Religionen und offensichtlichen Ungereimtheiten in der Bibel bis hin zu groben Fehlern in den hier beispielhaft gewählten ersten Büchern des Alten Testaments. Sie bilden immerhin das Fundament des christlichen Glaubens, ein Fundament mit vielen fehlerhaften und widersprüchlichen Aussagen.

    Genau genommen ist dieses Fundament nur ein behauptetes, das objektiv betrachtet einer Nachprüfung nicht standhält.

    Dabei überprüfe ich jede Ungereimtheit in den Texten, ohne Rücksicht auf etablierte Exegesen. Antworten muss jeder selbst finden, ich sammle nur Fakten und stelle anheim, wer welche Schlüsse daraus zieht.

    Mein Ziel ist nur das Aufwecken, nicht die Konvertierung zu meiner Ansicht. Meine Ansichten können falsch sein. Das Aufzählen von Fakten ist allerdings nie falsch. Sich von ideologischen Ausführungen nicht bedingungslos einnehmen zu lassen, ist ebenfalls nie falsch. Alles, was ich erreichen will, ist aufzuzeigen, dass man durch nüchternes Nachdenken manchmal zu erstaunlich einfachen Ergebnissen gelangen kann. Nachdenken schadet nicht. Allerdings sehen manche Ideologien schon im Nachdenken die Gefahr der Abtrünnigkeit. Wer anderen das Recht abspricht, nachzudenken und nachfragen zu dürfen, verrät damit die Untauglichkeit seiner Ideologie. Er fürchtet Machtverlust durch die Enttarnung von Schwächen.

    Wer die Basis des Humanismus, das Modell der Vernunft, Toleranz, Wissenschaft und genereller Wahrheitssuche ablehnt, sollte das Folgende sehr genau lesen. Man kann dann prüfen, ob man bereits in der ideologischen Gefangenschaft lebt, ob man wichtige Details jemals erfahren hat, und ob die Texte überhaupt glaubhaft sein können.

    In den Zitaten der Bücher Moses habe ich die Originaltexte der Luther-Bibel von 1545 verwendet. Die hat von allen bisherigen deutschsprachigen Versionen am längsten die religiöse Denkwelt beeinflusst, auch wenn sie ein paar Übersetzungsfehler enthält. Diese Texte sind über Jahrhunderte Grundlage für unzählige Bücher, Exegesen, Schriften und Dogmen gewesen.

    Das hier im Buch vorgenommene Zitieren der Bibelstellen macht für den Skeptiker das parallele Nachlesen in der Bibel hinfällig und entzieht gleichzeitig der oft gebrauchten Schutzformulierung, das stehe so nicht in der Bibel, rein sachlich die Basis.

    Weil damit gerechnet werden muss, dass nicht jeder Leser die drei Bände der Trilogie in der vorgesehenen Reihenfolge liest, werden ein paar wenige Kernsätze in den Vor- und Nachwörtern wiederholt. Zum vollen Verständnis sind sie essenziell.

    Im Sommer 2019, der Autor.

    Glaube und Wissen

    Fakten werden nicht dadurch geschaffen,

    dass Viele daran glauben.

    Glaube ist assoziiert mit Emotionen und individuellen Vorstellungen. Wissen ist allgemein und basiert auf wiederholbarer, verstandesmäßiger Erfassung und Beobachtung und Messung der Realität. Glaube ist subjektiv, Wissen ist objektiv.

    Glaube ist nicht dinglich, nicht messbar. Er ist individuell und findet nur im Kopf des Einzelnen statt. Religiöser Glaube beruht auf der Anerkennung eines Gottes als lenkende, höhere Macht mit angedichteten Fähigkeiten. Objektive Eigenschaften dieser Macht kann es mangels Nachprüfbarkeit nicht geben.

    In der Wissenschaft gibt es eine andere Art von Glauben. Er beruht auf einer Gewichtung von Fakten gegenüber ungeklärten Ursachen für Phänomene. Für noch nicht endgültig beweisbare Fragestellungen werden als mögliche Antworten Theorien entwickelt. Eine fundierte Theorie basiert auf Wissen. Wegen der Lückenhaftigkeit gibt es manchmal unterschiedliche Theorien für die gleiche Sache. In keinem Falle sind okkulte oder esoterische Elemente beteiligt. Durch Schließen der Lücken entstehen aus anfänglichen Theorien nachprüfbare Fakten.

    Religiöser Glaube basiert auf dem Vertrauen auf die Gültigkeit von Texten und priesterlicher Exegese. In jedem Falle ist er mit Wunderdenken, Okkultismus und Esoterik verbunden. Auf Wissen basierende Elemente gibt es für religiösen Glauben nicht.

    Im Gegensatz zu Wissen setzt Glaube keine Bildung voraus. Objektives Wissen gibt es erst seit wenigen Hundert Jahren, Glaube ist so alt wie die Menschheit.

    Wo das Wissen endet, beginnt der Glaube. Je eher das Wissen endet, desto früher übernimmt Wunderdenken die Antworten. Diese Relation zeigt sich besonders deutlich im Alten Testament.

    Glaube und Wissen schließen sich gegenseitig aus. Individueller Glaube kann allgemeines Wissen nicht verdrängen. Wer nicht wissen kann, muss glauben.

    Wer in seinem Glauben Fakten negiert, diskreditiert damit nicht die Fakten, sondern seinen Glauben. Fakten zum Schutz des eigenen Glaubens zu diskreditieren, ist das Resultat einer Selbsttäuschung.

    Wissen hat Grenzen, Glaube nicht.

    Freiheit oder Abhängigkeit

    Unser Planet Erde folgt als ein sich langsam und stetig verändernder, unbedeutender Himmelskörper irgendwo am Rande der Milchstraße, einer von Milliarden Galaxien, den Gesetzen des Kosmos. Alles Leben darauf folgt den pragmatischen Gesetzen der Natur und auf Zufall und Kopierfehlern im biologischen Erbsystem beruhenden Erscheinungen. Da außer dem Menschen in der gesamten Natur kein oberbewusstes Denken nachweisbar ist, gibt es für den weit überwiegenden Teil der Natur keinen Glauben.

    Der Mensch, das bisher geistig höchst entwickelte Lebewesen auf der Erde, versucht mithilfe der von ihm geschaffenen Kultur, das Leben nach seinen Vorstellungen auszurichten. Dabei folgt er einem Urtrieb der Natur, nämlich dem Streben nach Dominanz über die übrigen Mitglieder des Rudels. Um seine Ziele zu erreichen, benutzt er Gewalt oder erfindet Ideologien als Werkzeug. Das oberste Ziel ist Macht. Macht hat, wer andere beherrscht. Wer andere beherrscht, kann sie benutzen. Ideologien dienen als Scheinbegründungen für zweckgerichtetes Handeln. Sie sind geistige Gefängnisse.

    Die meisten unterdrückenden Systeme beruhen auf einer Minderheit, die mit brutalen Vorgehensweisen die Mehrheit terrorisiert und Angst verbreitet. Die Mehrheit ist immer deutlich stärker, kann oder will sich aber aus Bequemlichkeit nicht mobilisieren. Wer sich nicht wehrt, muss mit Bevormundung leben.

    Ideologische Unfreiheit kann bequemer sein als Freiheit. Man folgt den Regeln und fühlt sich erhaben, man wird nach eigener Anschauung ein guter Mensch. Wenn Gutmenschen sich verbinden, bestärken sie ihre Gemeinsamkeit und werden leicht zu Eiferern. Dann sind sie die intolerantesten Verfechter ihrer Ideologie. Richtig oder falsch wird nicht mehr infrage gestellt. Zu Andersdenkenden entwickeln sie ein Feindbild. Sie verurteilen und richten über jeden Gegner ihrer Denkwelt ohne Reue. Das wird deutlich bei politischen Systemen, selbst bei sogenannten demokratischen Parteien. Letztere mögen auf demokratischen Weg gewählt worden sein, ihre nach Macht drängende Ideologie bestimmt jedoch nur ein kleiner innerer Kreis. Ideologen wissen immer, was für andere gut ist, und erklären damit diese anderen für unmündig. Alles, was die eigene Ideologie stört, wird bekämpft.

    Religionen sind hier wegen ihrer selbst ernannten Autorität extrem. Beispiele für die gnadenlose Verfolgung von Andersdenkenden durch eine mächtige Religionsführerschaft gibt es in Hülle und Fülle. Das zeigen auch fast alle Religionen der alten Kulturen, die trotz tiefen Glaubens an ihre allmächtigen Götter versunken sind. Eine besonders negative Ausprägung zeigt die mittelalterliche Inquisition. Hier finden sich vieltausendfach Beweise für die grenzenlose Verblendung und gewissenlose Grausamkeit. Menschen, von denen jeder wusste, dass sie unschuldig sind, wurden verurteilt und hingerichtet, von Mördern im Priestergewand. Wer Glück hatte und seine Gerichtsverhandlung überlebte, wurde enteignet und trug so mit seinem Vermögen zum Stillen der unermesslichen Prunksucht der Kirche bei.

    Wehrhaftigkeit gegen geistige Unterdrückung beginnt mit dem Aufwachen. Infrage zu stellen, was laut Behauptung von Ideologen als herkömmlich oder unumstößlich gilt, ist der Beginn von Freiheit. Dazu gehört Mut, manchmal bis zur Selbstaufgabe. Das zeigen Geschichte und Gegenwart.

    Aber, wenn er erwacht, kann den Geist der Freiheit niemand wieder in die Flasche sperren.

    Die Ideologie in christlichen Religionen

    Obwohl es von Gläubigen oft vehement abgelehnt wird, ist jede Religion nicht mehr als eine von Menschen gemachte Ideologie. Den Beweis dafür liefert die Philosophie mit entwaffnender Logik.

    Eine Ideologie (griechisch idea = Vorstellung, logos = Lehre, ideologia = Lehre von der Vorstellung), ist im philosophischen Sinn eine Anschauung, die ohne Beweisführung höchsten Anspruch auf Gültigkeit erhebt und dabei abweichende Lehrmeinungen nicht gelten lässt.

    Ideologien sind Machtinstrumente, deren Ziel darin besteht, andere für die Erreichung eigener Vorstellungen zu gewinnen. Allein schon deswegen sind Ideologien grundsätzlich abzulehnen, denn sie entmündigen ihre Anhänger, wenn nötig mit Gewalt. Eine der mächtigsten Ideologien ist die Religion.

    Die objektive Beurteilung, ob die christlichen Religionen Ideologien sind, erlaubt die Methode der Ideologiekritik, die in der Zeit der Aufklärung zur Analyse eines Sachverhalts wissenschaftlich definiert wurde, und seither verwendet wird. Neben anderen Philosophen sieht der österreichisch-englische Philosoph Sir Karl Raimund Popper (*1902 in Wien, † 1994 in London) in der Ideologiekritik insbesondere die Analyse der folgenden fünf Punkte:

    Dogmatisches Behaupten absoluter Wahrheiten,

    Tendenz zur Immunisierung gegen Kritik,

    Vorhandensein von Verschwörungstheorien,

    utopische Harmonie-Ideale,

    die Behauptung von Werturteilen als Tatsachen.

    Wendet man diese Postulate auf die christliche Lehre an, lässt sich feststellen:

    Für alle dogmatisch behaupteten religiösen Wahrheiten gibt es nicht den geringsten Beweis. Die Behauptungen bestehen beispielsweise in der Existenz Gottes, dem Vorhandensein einer Seele, der Jungfrauengeburt, der Auferstehung, der Himmelfahrt, dem Weiterleben nach dem Tod, der Apostolischen Tradition, dem Fegefeuer, der Hölle, dem Teufel, der Dreieinigkeit und anderen. Alle sind unbeweisbar.

    Wer gegen behauptete religiöse Wahrheiten argumentiert, begeht eine Sünde und wird bestraft. Heute wird er isoliert, zumindest mundtot gemacht, früher wurde er hingerichtet. Wie Kritik behandelt wurde, zeigt beispielsweise der Umgang mit Marcion, Martin Luther, Galileo Galilei, in unserer Zeit Hans Küng, Uta Ranke-Heinemann und vielen weiteren Personen. Das Ziel war immer, sich gegen Kritik von wichtigen Persönlichkeiten zu immunisieren.

    Als geistige Verschwörer gelten Teufel, Hexen und Dämonen, als dingliche gelten Kirchenkritiker und manche politische Systeme. Es gibt noch heutzutage speziell ausgebildete Exorzisten. Allein deren Existenz zeigt, dass es immer noch Menschen gibt, die Dämonen, Teufel und Hexen für real halten. Marcion galt als ketzerischer Verschwörer, ebenso die Reformatoren, auch Heinrich VIII. wurde als solcher angesehen.

    Das Reich Gottes, wofür es keine einzige Beschreibung gibt, und das Versprechen des Weiterlebens nach dem Tod für die sündenfreien Gläubigen sind unbeweisbare utopische Harmonieversprechen. Die christliche Lehre sagt, wer nach bestimmten religiösen Regeln lebt, die sie kraft Amt selbst festlegt, wird nach dem Tod im Himmelreich in Harmonie weiterleben. Diese Aussage zu treffen ist einfach, denn der Verkünder kann und muss das Versprechen nicht einlösen. Das weiß er auch, und deshalb fällt ihm die Verkündung leicht.

    Die allererste Tatsachenbehauptung ist das erste Gebot: Ich bin der Herr, dein Gott. Diese Behauptung ist unbeweisbar. Danach folgt das Werturteil, man würde bestraft, wenn man diese Behauptung nicht anerkennt. Die Kirche beansprucht die moralische Führerschaft aufgrund der Zehn Gebote. Sie vermittelt den Eindruck, die Menschenrechte gingen auf diese Gebote zurück. Das ist falsch. Die heutigen Wertesysteme gehen nachweislich nicht auf die Kirchenlehre, sondern auf den Humanismus zurück. Die Dogmatik der christlichen Kirche definiert als selbst ernannte höchste moralische Instanz, was gut und böse ist, bis hin in privateste Bereiche, sogar bis zu Gedanken. Sie definiert, was sündhaft und damit strafbar ist. Im Gegensatz zur Lehre ihrer eigenen Heiligen Schrift, gibt sie vor, Sünden durch ihre eigenen Erfüllungsgehilfen vergeben zu können. Bei genauem Hinsehen wird die kirchliche Bestrebung sichtbar. Sie heißt heute noch: Glaube statt Vernunft, Verdummung statt Wissenschaft und Absolutismus statt Humanismus.

    Die französischen Materialisten, u. a. Paul Heinrich Dietrich von Holbach und Claude Adrien Helvétius, kritisierten insbesondere die katholische Kirche und bezeichneten deren Behauptungen, die ihrer Meinung nach im reinen Interesse der Machterhaltung liegen, als Priesterbetrug.

    Deutlicher kann man es nicht sagen.

    Die Aufklärung verlangt die Durchsetzung von Vernunft, Wissenschaft, Demokratie und Menschenrechten. Dem stehen die Kirchen diametral gegenüber. Luther meinte: Die größte Hure des Teufels ist die Vernunft. Wie mit Wissenschaftlern früher umgegangen wurde, zeigt die Geschichte am Beispiel von Galileo Galilei. Statt Demokratie herrscht strengster Absolutismus, sogar heutzutage noch mit einer eigenen Gerichtsbarkeit als Staat im Staate.

    Menschenrechte im heutigen Sinne gibt es im Alten Testament, dem Fundament der Bibel, nicht, auch bei Luther nicht. Es gibt nur Pflichten und Strafen bei Pflichtverletzungen. Auch das ist typisch für Ideologien.

    Wenn die höchste Belohnung das Ausbleiben einer Strafe ist, muss eine solche Ideologie als nicht erstrebenswert angesehen werden.

    Kommunikation

    Es ist eine Binsenweisheit, dass unsere Welt freier von Hass, Unterdrückung, Ausbeutung und Übervorteilung wäre, wenn die gesamte Menschheit einfach nur besser und ehrlicher kommunizieren würde. Aber die Menschheit hat zum versteckten Transport von Informationen die verklausulierte Sprache der Diplomatie erfunden. Damit hat die Kommunikation ihre Tücken erhalten.

    Es gehören immer mindestens zwei dazu, nämlich ein Sender und ein Empfänger. Sender sind die Autoren und Redner, Empfänger die Leser und Zuhörer.

    In jede Aussage legt ein Sender Inhalte, die seiner gewachsenen individuellen Denkwelt entspringen. Eine alternative Welt hat er nicht. Er will etwas darlegen, was andere in seinem Sinne verstehen sollen.

    Der Informationsempfänger ordnet das Empfangene logischerweise mit der Begrifflichkeit in seiner gewachsenen individuellen Denkwelt ein. Anders geht es nicht. Beim Empfänger muss zusätzlich vorausgesetzt werden, dass er keine ideologisch implantierten Gewissensbisse dahingehend hat, ob er überhaupt die Information empfangen darf. Wer sich dabei unwohl fühlt, hat bereits ein ernstes Problem.

    Sind die inhaltlichen Besetzungen von Begriffen bei Sender und Empfänger verschieden, können sie nicht sicher kommunizieren. Das bezieht sich nur auf abstrakte und interpretierbare Informationen, für Fakten gilt das nicht.

    Aus der Intention des Sendenden und dem ideologischen Kontext des Empfangenden folgt eine einfache Diagnose: Sender und Empfänger können sich bei unterschiedlichen Auffassungen nicht verstehen, denn für beide sind die Bedeutungen von gleichen Begriffen unterschiedlich besetzt. Gleiche Syntax, unterschiedliche Semantik. Sind die Denkwelten nicht kompatibel, gibt es keine Verständigung.

    Eine Chance zur besseren Verständigung läge darin, wertungsfreie Diskussionen zur Annäherung der jeweiligen Begriffsverständnisse zu führen. Aber das ist mühsam und bedeutet Kampf. Es ändert wohl kaum jemand ohne triftigen Grund seine Begriffswelt.

    Nichts ist so stabil wie die innere Wahrheit, auch dann, wenn sie objektiv falsch und nicht nachprüfbar ist. Nicht nachprüfbare innere Wahrheit heißt Glaube. Glaube ist berechtigt, wenn er als solcher gekennzeichnet wird. Jeder darf glauben, was er will. Aber wenn Glaube beginnt, Wissen zu verneinen, verkommt er zu einer destruktiven Ideologie.

    Diskussionen unter Andersdenkenden sind bestenfalls interessant, aber - wie oben begründet - meistens ergebnislos und daher nutzlos. Am Ende eines solchen Argumentationsaustauschs gehen die Kontrahenten auseinander, und jeder hat sich die Stellen gemerkt, an denen die eigene Einstellung eine bessere argumentative Untermauerung gebrauchen kann. Mehr nicht.

    Unter Gleichdenkenden verstärkt sich die Identifikation mit ihren Wertesystemen bis hin zu Rausch. So entsteht zunächst Fanatismus und später Radikalismus. Das zeigen ausartende politisch motivierte Demos ebenso wie zügellose Fans von Fußballvereinen. Betonköpfe gehen für die Richtigkeit ihrer Überzeugung bis zum persönlichen Angriff und bis zur öffentlichen Verunglimpfung, früher bis zur grausamen Hinrichtung. Vertreter gleicher Ansichten bilden verschworene Gemeinschaften, und sie halten dies für gut.

    Allerdings werden Sachverhalte nicht wahrer durch Abstimmung oder Zustimmung Gleichgesinnter. Auch Rituale zur festeren inneren Bindung der Gleichgesinnten oder Tötung Andersdenkender erhöhen nicht den Wahrheitsgehalt der eigenen Ideologie.

    Sind Denkwelten erst einmal etabliert, sinkt interessanterweise meistens die Toleranz anderen gegenüber drastisch. Paradoxerweise gilt dies sogar dann, wenn Toleranz eine erklärte Eigenschaft der Ideologie ist. Intolerante Haltung wird aber über kurz oder lang für jede Ideologie gefährlich, denn sie führt zur Verkrustung und Verarmung des eigenen Gedankengutes und letztlich zur Institutionalisierung von Unsinnigkeiten. Die Anhängerschaft realisiert dies eher als die Chef-Ideologen und antwortet zunächst mit innerer Ablehnung, dann mit Abspaltung oder Flügelbildung und später mit totaler Abkehrung. So jedenfalls haben bisher alle Ideologien geendet, seien sie weltlichen oder geistlichen Ursprungs. Sie eliminieren sich über Zeit selbst. Wer Augen hat, zu sehen, kann das an zeitgenössischen Abläufen beobachten.

    Manchmal gibt es auf Fragen mehrere mögliche Antworten. Das ist besonders dann so, wenn man wertfrei denken will. Es gibt keinen Zwang, der besagt, dass es immer nur eine Möglichkeit gibt. Mehrere Wahrheiten gibt es nicht, aber mehrere Fakten zu einer Sache, die manchmal verschiedene Schlüsse zulassen, gibt es durchaus.

    Im Zweifelsfall bietet Ockhams Rasiermesser, eine einfache Einschätzungsweise. Begründer dieser auch Sparsamkeitsprinzip genannten Methode war Wilhelm von Ockham (1288 - 1348). Sie geht auf die Scholastik zurück und besagt, dass wahrscheinlich diejenige Aussage richtig ist, die mit der geringsten Anzahl an Hypothesen und ohne Widerspruch zu Bekanntem auskommt. Sie stellt somit die einfachste Theorie dar. Das ist zwar keine Garantie für Richtigkeit, erweist sich im Nachhinein aber fast immer als zutreffend. Das Rasiermesser steht metaphorisch für das Wegschneiden unpassender Erklärungsansätze.

    Meist sind die wirklichen Antworten auf alle möglichen Fragen einfach. Fragen zu stellen ist legitim. Die richtigen Fragen zu stellen ist eine Kunst, und ebenso kunstvoll ist es, aus den Antworten den objektiven Gehalt heraus zu schälen.

    Wenn man sich tief in dieses Muster begibt, werden viele Ungereimtheiten klar, allerdings wird auch manche vorherige Klarheit nebulös. Eines passiert mit Sicherheit: Man wird frei. Und weil man frei wird, entsteht Unbeschwertheit, alles wird leicht, das Unabdingbare wird erträglich, man findet die innere Ruhe.

    Das sehen viele Freidenker als die größte erreichbare innere Stärke an. Ideologen sehen das völlig anders.

    Kirche und Staat

    Die Verflechtung von Kirche und Staat ist so alt wie die Menschheit. Bei fast allen Naturvölkern kann man die Urversion ablesen, die als Muster für diesen gesellschaftlichen Dualismus gilt.

    Dort gibt es ein Stammesoberhaupt, meistens körperlich der Stärkste oder der geschickteste Jäger oder der Weiseste, zumindest jemand, der dieser Gesellschaft im täglichen Daseinskampf einen messbaren Nutzen bringt. Er ist der Herrscher. Und es gibt einen Magier oder Schamanen oder Medizinmann, eine selbst ernannte Autorität, mit der man es sich besser nicht verdirbt, weil er angeblich mit übersinnlichen Mächten in Verbindung steht. Er hat erkannt, dass er mit Mystifizierung Macht ausüben kann. Die mystischen Dinge behauptet er einfach und praktiziert Scheinbeweise. Seine Machtstellung gründet er auf die Verbindung zu irgendwelchen Göttern, die es regnen lassen, die gute Ernte gewähren, die Gesundheit verheißen, die im Prinzip alle nicht nachprüfbaren Vorkommnisse regeln. Tritt seine Prognose ein, untermauert das seine Fähigkeiten, tritt sie nicht ein, sucht er einen Sünder aus und sorgt mehr oder weniger grausam für dessen Bestrafung, möglichst in aller Öffentlichkeit. Für seine Dienste lässt er sich von der Allgemeinheit entlohnen, mit Geld oder Naturalien. Das Oberhaupt lässt den Schamanen gewähren, weil selbst ihm Unheil drohen könnte, sollte er in Ungnade fallen.

    Dieses allgemein bekannte, kleine Szenario ist die Urform von Staat und Kirche. In den später wachsenden Gesellschaften hat sich in Erweiterung der Urform eine Priesterschaft entwickelt, die sich in allen Kulturen höchste Macht angeeignet hatte.

    In Alt-Ägypten wurde dem Sem-Priester, seines Zeichens Hohepriester des Osiris, dem ägyptischen Gott des Jenseits, die Macht zugesprochen, nach dem Tod den König zu beleben, ihn zu regenerieren und dessen Weg zu ewiger Herrschaft zu öffnen. Welcher ägyptische König konnte sich im eigenen Interesse dieser Macht entgegenstellen?

    Die Griechen hatten schon sehr früh ihre Götterwelt geschaffen. Sie glaubten fest an deren Macht und richteten im Alltag ihr Verhalten nach dem vorgegebenen religiösen Kodex aus. Dass im frühen europäischen Mittelalter die griechische Götterwelt zur Mythologie herabqualifiziert wurde, ist der kirchlichen Überheblichkeit zuzuschreiben.

    Der babylonische Priester Berossos, ca. 330-280 v. Chr., ist bekannt als Verfasser eines historischen Werks in griechischer Sprache und als Begründer der hellenistischen Astrologie. Er diente dem Gott Bel-Marduk und genoss höchstes Ansehen im Herrscherhaus. In seinem Werk begründete er durch die Verbindung mesopotamischer und griechischer Tradition die Legitimierung der Seleukidenherrschaft. Der Nachfolger Alexanders des Großen, Seleukos I., wusste genau, dass ein verärgerter Berossos auch ein beliebiges anderes Herrschaftshaus hätte begründen können. Es wäre unklug gewesen, sich gegen Berossos zu stellen.

    In der römischen Religion übte während der Monarchie der König die obersten priesterlichen Funktionen aus. Zu Zeiten der Republik gebührte das dem Oberpriester. Die Priester genossen besondere Ehren- und Vorrechte und galten auch als Hüter der Traditionen, was sie in ihrer altertümlichen Tracht zum Ausdruck brachten. Wesentliche politische Entscheidungen während der Zeit der Republik wurden vorher mit dem Oberpriester besprochen. Es war politisch riskant, gegen den priesterlichen Rat zu handeln.

    Irgendwann im frühen Altertum ist neben anderen altorientalischen Religionen das Judentum entstanden. Grundlage dafür war die nicht ganz neue Idee des Monotheismus, die der ägyptische König Echnaton als Erster geprägt hatte. Dessen Ansatz mit dem einzigen Gott wurde allerdings nach seinem Tod durch die Priesterschaft eiligst getilgt. Zu viele Priester wären überflüssig geworden, wenn sich Echnatons Auffassung durchgesetzt hätte. Es ist nicht auszuschließen, dass die frühen Juden von der Ansicht Echnatons inspiriert waren, als sie ihren monotheistischen Gottesglauben schufen. Die spätere Ablösung des überaus strengen Gottes des Alten Testaments durch die Vaterfigur des gnädigen Gottes, die der Religionsstifter Jesus bewirkt hat, kam einer Erlösung gleich und wurde zum Fundament des Christentums. Insofern erscheint die Bezeichnung Erlöser in diesem Licht passend.

    Nachdem die christliche Urkirche durch den römischen Kaiser Konstantin (272-337 n. Chr.) aus innenpolitischen Gründen offiziell anerkannt wurde, hat sie ihre Macht entfaltet. Im europäischen Mittelalter stellte sich das Papsttum zwischen Gott und die Herrscher, von denen viele selbst glaubten, sie seien von Gottes Gnaden in diese Führungsrolle gesetzt. Die über Jahrhunderte gepflegte Krönung der Könige und Kaiser durch den Papst diente der öffentlichen Machtdemonstration der Kirche. Diese Macht war kompromisslos.

    So konnte sich der Klerus aktiv in die Landesführung einmischen und die jeweiligen Königshäuser in eine Art Geiselhaft nehmen. Wer sich nicht fügte, wurde exkommuniziert. Das war Jahrhunderte lang die Höchststrafe für einen Herrscher und gleichbedeutend mit dem totalen Machtverlust. Jeder hat vom Gang Heinrichs IV. nach Canossa gehört. Ein bekanntes Beispiel für diese Art von Konflikten ist auch der Machtkampf zwischen dem englischen König Heinrich VIII. und Papst Clemens VII. Hier führte der Widerstand gegen die päpstliche Macht in England zur Kirchenspaltung.

    Über alle Religionen hinweg lässt sich ein absolut gleicher Dachgedanke formulieren: Die Priesterschaft ist eine selbst ernannte Autorität, welche die Kompetenz vorgibt, alleine zu wissen, was moralisch gut und böse ist. Wer zuwider handelt, wird mit göttlichen Strafen belegt. Der Staat hat die Aufgabe, die Wirtschaft und das gesellschaftliche Miteinander zu regeln, und sich aus den kirchlichen Regularien herauszuhalten.

    Nach dem Ersten Weltkrieg regelte die Weimarer Nationalversammlung 1919 in der Weimarer Reichsverfassung das Verhältnis von Staat und Kirchen neu. Sie schuf eine Basis, die auf Religionsfreiheit, weltanschaulicher Neutralität und der Selbstbestimmung aller Religionsgemeinschaften beruht. Die Staatskirche und Staatsreligion sind damit ersatzlos weggefallen. Aber schon 1926 bezeichnete Ulrich Stutz, ein deutscher Rechtshistoriker und Kirchenrechtler, die damals gewählte Konstruktion als hinkende Trennung. Das heutige Grundgesetz führt die damaligen Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung im Artikel 140 ganzheitlich eingliedernd fort. So ist hier die Klarheit der Trennung nicht verbessert worden.

    Ein wesentlicher Unterschied in der Legitimierung besteht heute darin, dass die Staatsführung demokratisch gewählt wird, während die Organe der Kirchen absolutistisch bestimmt werden. Hier ist die Volksmeinung bedeutungslos. Diejenigen, welche die Kirche bezahlen, und für die ihre Kirche angeblich da ist, dürfen nicht mitbestimmen.

    Während sich der Staat eher selten, meist gar nicht, in die Angelegenheiten der Kirchen einmischt, ist der umgekehrte Weg fest etabliert. Es gibt in vielen Staaten kirchliche Zentralräte, die aktiven Lobbyismus betreiben. Umgekehrt gibt es das nicht. Es gibt zwar Botschafter im Vatikan. Deren Aufgabe ist es aber, Befehlsempfänger zu sein, nicht Berater.

    Ohne eine rechtliche Basis nehmen sich die Kirchen die Position der Mitsprache heraus, wenn es um Gesetze geht, die nach ihrer Auffassung ihr Selbstverständnis tangieren. Dazu gehören die Bereiche von Verhütungsmitteln, Schwangerschaftsabbruch, Stammzellenforschung, Tierversuche und andere Themen, für die sogenannte Ethikkommissionen eingesetzt werden. Die sollen den Kreis quadratieren und die Spannung zwischen Wissenschaft und Kirche neutralisieren. Bisher ist dies nur mangelhaft gelungen. Dass in diesen staatlichen Ethikkommissionen sehr häufig Vertreter der Kirchen vorkommen, kritisieren humanistische Verbände und Vertreter des Atheismus seit vielen Jahren. Sie bemängeln die Einmischung der Kirchen generell und auch, dass Nichtchristen und Konfessionslose nicht in gleichem Maße präsent sein dürfen, obwohl allein Konfessionslose mittlerweile ein Drittel der Bevölkerung ausmachen.

    Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass die Kirche zustimmen muss, bevor eine vorgeschlagene Person einen theologischen Lehrstuhl an einer Universität einnehmen kann. Wer nicht linientreu ist, darf nicht lehren.

    Den Kirchen ist das nur möglich, weil die Politik sich nicht ausreichend dieser Einflussnahme erwehrt. Offenbar überwiegt die Angst vor Stimmenverlust den Neutralitätsauftrag. Dabei gebären sich die Kirchenführer als geistlich und moralisch höchste Führungsinstanz. Diese Rolle haben sie sich kraft souveräner Willkür selbst zugeschrieben. Begründet wird das Ganze mit der Bibel, der angeblich Heiligen Schrift, aus der sie eine Dogmatik abgeleitet haben, die zum großen Teil in diesem Schrifttum überhaupt nicht vorhanden ist.

    Gerichtsbarkeit

    Zur Sicherheit hat sich die Kirche im

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