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Bernard: Lebensgeschichten
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eBook259 Seiten3 Stunden

Bernard: Lebensgeschichten

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Über dieses E-Book

Unser Leben ist ein buntes Puzzle aus vielen Teilen
Ein Puzzle aus vielen Einzelgeschichten.
Es ist eine lange, bunte Perlenkette von Ereignissen, Erfahrungen, Zufällen, Bekanntschaften, bangen Minuten und Stunden der Leere.
Von Perle zu Perle ist ein kleiner Zwischenraum, ein unscheinbarer Einschnitt.
Das sind die entscheidenden Momente der Wegfindung und der Neuorientierung.
Wichtige und weniger wichtige persönliche Entscheidungen, Zufälle, Sachzwänge, spezielle Umstände aber auch Nachlässigkeit oder Feigheit geben der Lebensgeschichte immer wieder neue Wendungen.
Zum Beispiel vor dem Traualtar pflegen wir ein JA von uns zu geben, was wäre aber geschehen bei einem klaren NEIN.
Das Leben hätte einen ganz anderen Verlauf genommen.
Jede Auswahl ist immer eine entscheidende Weichenstelle
Wenn ich mein eigenes Leben betrachte und mir vorstelle, ich hätte damals ...
...nun, manchmal habe ich und manchmal nicht und daraus ist dieses Werk entstanden, ein wildes Gemisch von Erlebtem und Erfundenem
Ich wünsche dem Leser viel Vergnügen beim Lesen dieser Autobiographie eines Fabulierers.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum2. Juli 2019
ISBN9783748569145
Bernard: Lebensgeschichten

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    Buchvorschau

    Bernard - Johann Widmer

    Bernard

    CORINNE

    BERNARD

    ROSETTA

    PIERRE

    FRANCESCA

    ROSE

    ALI

    CORINNE

    Bei einer Tankstelle in der Nähe von Lausanne nahm mich eine junge Dame aus Genf mit.

    Man könnte sie wohl mit dem Begriff „rassige Frau bezeichnen, denn ihre Fahrweise war überaus beherrscht aber verdammt schnell, eben „rassig und absolut lebensfroh.

    Ihr roter Mini Cooper schien sich nur bei Geschwindigkeiten über 120 km/h wohl zu fühlen und die Fahrerin ignorierte prinzipiell jede angegebene Geschwindigkeitsbeschränkung. Sie fuhr wirklich souverän und sicher, nur wenn sie ihre nächste Gauloise anzündete schien es mir, dass ihr die Zigarette wichtiger sei als das was draussen geschah. Nach der Ausfahrt „Rolle"  übernahm ich das Befeuern der Blauen.

    Sie stellte sich vor als „Corinne, Studentin und anscheinend „Tochter des Hauses.

    Als sie von mir erfahren hatte, dass ich Arbeit suche, betrachtete sie mich ausgiebig von der Seite (bei Tempo 120) und meinte dann, ob ich es bei ihnen als Gärtner und Portier versuchen wolle. Ich hätte mein eigenes Häuschen beim Parkeingang. Über Lohn und Arbeitsvertrag müsste ich mit ihrem Vater verhandeln. Für die Pflege des Gartens hätte ich bei Bedarf jederzeit drei Arbeiter zur Verfügung, aber das sollte ich alles mit „Papa" besprechen.

    Ich akzeptierte sofort, denn ich war völlig abgebrannt, hatte keine zwei Franken mehr in der Tasche und keine Ahnung wie es weitergehen sollte.

    Sie sagte, dass ihr Vater erst in etwa einer Woche aus  New York zurück sein werde,  aber inzwischen werde sie mich quasi auf Probe einstellen  und ich könnte  mich schon etwas einarbeiten. Ob ich überhaupt etwas von der Sache verstehe, fragte sie lachend.

    Ich konnte sie beruhigen, denn ich hatte sogar ein Arbeitszeugnis von einem bekannten Gartenbaubetrieb in der Ostschweiz bei mir.

    Mit dem Essen könne ich es halten wie es mir passe, entweder mit den übrigen Angestellten zusammen oder selber haushalten in meinem Häuschen, was bisher alle meine Vorgänger vorgezogen hätten.

    Mit dieser Formel war ich einverstanden, denn ich liebe die Autonomie über alles.

    Etwas peinlich war mir, dass ich meine neue Arbeitgeberin schon vor Beginn meiner Tätigkeit um einen Vorschuss anbetteln musste, aber sie hatte volles Verständnis für meine prekäre Lage.

    An meinem neuen Arbeitsplatz angekommen rieb ich mir erst mal die Augen, denn so gross, so herrschaftlich hatte ich es mir nicht vorgestellt.  Das Gärtnerhaus, etwas zurückgesetzt, gleich neben dem Eingangstor, hatte eine geräumige Dreizimmerwohnung, daran angebaut war eine Werkstatt, Geräteschuppen und gedeckte Stellplätze für den Maschinenpark, ein paar Schritte weiter weg stand ein grosses Gewächshaus. Auf der anderen Strassenseite, ausserhalb des Tores, war das Ufer des Genfer Sees. Etwa 300 Meter weiter oben stand das Herrenhaus, eine riesige Villa und das alles lag in einem weitläufigen Park mit grossen alten Bäumen, Palmen und einem kleinen Bambuswald. Ein Park, über den ich in Zukunft herrschen würde.

    Da stand eine Aufgabe vor mir, die nach meinem Geschmack war. Ich musste mich zwar noch fachlich etwas klug machen, denn mir fehlte die entsprechende Grundausbildung, aber meine Devise war immer, was man will, kann man auch erreichen und für alle Probleme gibt es Bücher.

    Ausser mir war da noch das Hauspersonal, eine italienische Köchin mit ihrer Tochter (als Hilfskraft), ein echter englischer Butler, ein Dienstmädchen und der Chauffeur des Chefs.

    Und das alles für vier Personen, Monsieur S. ein bekannter Genfer Bankier, seine Frau und deren Schwester und natürlich Corinne, die Tochter des Hauses.

    Und dann waren da noch die zwei Dobermann Hunde, stattliche und gefährliche Burschen, die man mir anvertrauen wollte, sobald sie sich an mich gewöhnt hätten. Sie bewachten den eingezäunten Park in der Nacht, am Tag lungerten sie um das Gärtnerhaus herum, immer das grosse Eingangstor im Blick, das aber praktisch dauernd verschlossen war. Über eine Gegensprechanlage am Tor konnte man Kontakt aufnehmen mit dem Pförtner oder mit dem Büro des Chefs. Dort arbeiteten manchmal zwei seiner Sekretäre, vornehme, etwas steife Bürohengste, die aber häufig auf der Chefetage der Bank in der Stadt gebraucht wurden.

    Mir gefiel es vom ersten Tag an und ich versuchte in meine Rolle hineinzuwachsen.

    Ich ahnte zwar  schon, dass es an Arbeit nicht mangeln werde, aber da ich selber zu bestimmen hatte was, wann und wie gemacht werden musste und für die Gartengestaltung ziemlich freie Hand und einen ausreichenden Kredit hatte, machte mir diese Aufgabe grossen Spass.

    Meine Arbeit als Pförtner bestand darin, dass ich jedermann, der das Tor passierte namentlich notieren musste mit dem Zeitpunkt des Kommens und des Gehens, Hausbewohner inbegriffen. Wenn der Chef aber wichtigen Besuch erwartete, dann musste ich eine Uniform anziehen samt der dazu passenden Schirmmütze  und neben dem geöffneten Tor stramm Stellung beziehen. Auch diese hohen Gäste hatte ich, mit genauer Uhrzeit versehen, zu notieren.

    Lieferanten, also Bäcker, Fleischer und Getränkehändler durften bis zum Haus fahren, wenn sie mir bekannt waren, aber auch bei denen hatte ich immer einen Blick in die Laderäume zu werfen. Fremde oder unangemeldete Personen kamen nicht durch das Tor.

    So quasi zur Selbstverteidigung hatte ich neben den Dobermännern noch eine Waffe in erreichbarer Nähe und das war eine alte Schrotflinte, mit der ich übrigens auch Raben und Eichelhäher im Park in Schach hielt, wenn sie allzu grossen Schaden anrichteten.

    Als der Chef zurückgekehrt war, rief er mich auf sein Büro. Ich hatte ihm vorher mein Bewerbungsschreiben, meinen Lebenslauf und den Auszug aus dem Strafregister zukommen lassen. Ich erzählte ihm aber auch, dass letzteres vielleicht einen Eintrag erhalten könnte und weshalb. Die Geschichte mit dem Faustkampf, den ich mit dem Schwiegervater in spe ausgefochten hatte, schien ihn zu amüsieren und dass ich über meinen K. O. Sieg nicht besonders stolz war fand er richtig. Er gab mir den Rat, diese Geschichte bald einmal gütlich zu regeln, im Falle von gerichtlichen Konsequenzen könne ich auf juristische Hilfe von Seiten der Bank rechnen, denn als Angestellter der Firma hätte ich ein Recht darauf.

    Das hiess im Klartext, dass ich meinen Job erhalten hatte.

    Nach der Vertragsunterzeichnung händigte er mir noch 2000 Franken Vorschuss aus, für Einrichtung im Gärtnerhaus, für Arbeitskleidung und für meine persönliche Garderobe, denn der Chef verlangte von allen Angestellten, dass sie „anständig" gekleidet waren. Dann wollte er noch wissen, in welchem Verhältnis ich zu seiner Tochter stehe und da konnte ich ihm versichern, dass da absolut nichts sei.

    Er war scheinbar misstrauisch geworden, weil Corinne von mir geschwärmt hatte, aber, so meinte er, gehe es ihn ja nichts an. Ich sollte aber noch wissen, dass sie schon vergeben sei und ihr Zukünftiger sei ein eifersüchtiger Gockel.

    Die  Hausangestellten nahmen mich sofort in ihren Kreis auf, jeder auf seine Art und Weise. Die Köchin Francesca, eine stämmige Frau aus dem Piemont glaubte, mich unter ihre Fittiche nehmen zu müssen, denn dass ich da unten allein haushalten wollte, gefiel ihr gar nicht. Sie sah mich schon als verhungertes Skelett vor dem Eingangstor liegen, denn Männer könnten ja  viel, aber zu sich selber Sorge tragen, das könne keiner von ihnen.  

    Sie schickte dann fast täglich ihre Tochter, die sechzehnjährige Rosetta, mit einem Stück Braten oder einem Teller Ravioli zu mir ins Gärtnerhaus um sicher zu sein, dass ich nicht verhungere.

    Der Butler „schwebte" immer irgendwie irgendwo herum, völlig abgehoben und unnahbar in seinen weissen Handschuhen und mit seinem kritischen Blick, der alle und alles zu taxieren und gleichzeitig zu ignorieren schien, was nicht seinen Meister betraf.

    Der Chauffeur Ali, ein Tunesier, etwa in meinem Alter, war ein feiner Typ, ein intelligenter Bursche mit dem ich sehr gut auskam.

    Das Dienstmädchen Stella, eine junge Frau aus Süditalien hatte vor allem den zwei Frauen im Herrenhaus zu dienen, der Frau des Chefs und deren Schwester Lucie, der Künstlerin des Hauses.

    Lucie spielte leidlich gut Klavier, aber sie fühlte sich momentan  ausschliesslich  zur Malerei hingezogen, sie befand sich im grossen „Rausch der Farben".

    In mondhellen Nächten schritt sie manchmal geistesabwesend durch den Park und deklarierte Gedichte, vor allem eigene, die sie „postromantische Elegien nannte. Aber sonst war sie eine kluge und umgängliche Person mit einer starken Neigung zur Bohème und allerlei Verrücktheiten, die gerade en „vogue waren. In dieser korrekten und formalen Umgebung hier war sie aber absolut nicht das schwarze Schaf, sondern eher ein Lichtschein im Dunkel und wurde auch so wahrgenommen.

    Sie war eine vielgereiste Person, kannte Paris, New York und Buenos Aires und die jeweilige aktuelle Kunstszene, sie wusste viel und kannte sich in den schönen Künsten bestens aus, ihr eigenes und grosses Problem war aber der Umstand, dass sie nicht wusste ob sie Komponistin, Malerin oder Lyrikerin war. Sie rang um Gewissheit und verplemperte ihre Zeit im nutzlosen Nachdenken und Überlegen.

    Als ich ihr einmal den Rat gab, einfach immer das zu tun, wozu sie im Moment Lust hatte, schaute sie mich ganz verdutzt an.

    „Aber ich muss doch endlich wissen, wo meine wahre Berufung liegt"

    „Warum nicht in allen drei Sparten," gab ich ihr zu bedenken, Multitalente hatte  es schon immer gegeben, denke man nur an Michelangelo oder Leonardo. Der Maler Paul Klee war auch ein guter Musiker und Gottfried Keller war kein schlechter Maler gewesen.

    Überlassen wir doch der Nachwelt das Urteil, ob wir richtig gewählt hatten," riet ich ihr und wurde dafür stürmisch umarmt.

    Zwei Tage später teilte mir Corinne mit, dass ihre Tante Lucie irgendwann in nächster Zukunft in Genf eine Galerie eröffnen wolle, so eine Art  Treffpunkt von Lyrik, Musik und Malerei. So nebenbei erfuhr ich auch, dass die beiden Schwestern die ursprünglichen  Besitzerinnen der Bank waren und auch heute noch die Aktienmehrheit besassen. Die Frau des Chefs war die unsichtbare graue Eminenz der Bank. Sie war die alte  Glucke, die im versteckten Nest auf den goldenen Eiern hockte. Damit das Geld auch zusammenbliebe, musste eine Heirat Lucies mit allen Mitteln verhindert werden, ihre Verschwendungssucht hingegen wurde gefördert, denn immer wenn sie Bares brauchte, verkaufte sie ihrem Schwager einige Bankaktien und so verschoben sich die Mehrheitsverhältnisse in der geplanten Richtung. Die Bank war die Familie und umgekehrt. Die Zukunft der Familie und damit der Fortbestand der Bank war wichtig und Corinne, das einzige Kind der Bank trug dafür die volle Verantwortung. Sie würde einst über die absolute Mehrheit verfügen, zusammen mit ihrem Verlobten, dem Vizedirektor der Bank dann sogar über die  Zweidrittelmehrheit.

    Es war abgemacht, dass die Heirat stattfinden werde nach ihrer Promotion an der Uni und um diesen Zeitpunkt etwas hinauszuschieben hielten sich ihre Anstrengungen im Studium in Grenzen. Sie wollte ihre Freiheit noch geniessen so lange wie möglich.

    Ich befragte sie manchmal über ihren Zukünftigen, erhielt aber nur ausweichende Antworten, merkte aber, dass hier nicht die grosse Liebe, sondern das grosse Geld im Zentrum stand.

    Noch am gleichen Tag machte ich die Bekanntschaft mit dem Herrn Vizedirektor.

    Er stand mit seinem Wagen vor dem Tor und verlangte in sehr barschem Ton, dass ich ihm sofort öffne.

    Da er sich nicht vorgestellt hatte, kontrollierte ich das Nummernschild und fand es nicht auf der Liste der zugelassenen Fahrzeuge. Ich teilte es ihm via Gegensprechanlage mit und fragte ihn, wer er sei, denn ich hatte ihn noch nie gesehen.

    Damit löste ich eine Schimpftirade aus und Verwünschungen, die mich für den Rest meines Lebens krumm und bucklig hätten machen können.

    Schliesslich sagte er, wer er sei, ich entschuldigte mich höflichst beim Herrn Vizedirektor und liess ihn passieren, meine rechte Hand zum Gruss an der Mütze, wie es sich gehörte.

    Vor der Pförtnerloge hielt er an und befahl mir, in der Zwischenzeit sein Auto zu waschen.

    Ich bedauerte sehr, dass ich dafür nicht zuständig sei und zudem nach meinem Arbeitsvertrag nicht das Recht habe für andere Leute Arbeiten auszuführen.

    Sein Kopf nahm die Farbe einer reifen Tomate an, die gewaltige Stimme versagte und ich hatte einen Moment lang Angst, der Schlag treffe ihn.

    Eine weisse Staubwolke bewegte sich rasch zum Herrenhaus hinauf.

    Etwa eine Stunde später wurde ich ins Büro des Chefs zitiert.

    Der Chef thronte, wie Gottvater in seinem schweren Ledersessel, seinen Vize neben sich und wollte genau wissen, was da los gewesen sei.

    Zuerst entledigte sich der Vize seiner Version, dann durfte ich mich verteidigen.

    Statt dessen liess ich mein Tonbandgerät laufen, eine meiner neusten Errungenschaften, und man hörte nun Wort für Wort unserer Unterhaltung am Tor.

    Die Tomate  platzte schier und der Chef verfolgte den Diskurs mit einem Grinsen auf den Stockzähnen.

    Ohne weiter darauf einzugehen meinte er dann zum Vize, dass man diese neue Technik der Sprachaufzeichnung im Geschäft unbedingt auch einführen müsse bei wichtigen Gesprächen und Verhandlungen.

    Mir war aber auch klar, dass ich mir mit dem Stellvertreter des Chefs einen respektablen Feind eingehandelt hatte.

    Sollte ich vielleicht als Wiedergutmachung doch sein Auto waschen? (ums Verrecken nicht!)

    Meine Einsiedelei gefiel mir immer besser, denn ich konnte für mich allein sein wann es mir passte, war aber andrerseits ein fester Bestandteil des Betriebs.

    Mit den anderen Angestellten hatte ich guten Kontakt, ausser mit dem „Unnahbaren", dem Butler, der irgendwie über unsern Köpfen schwebte. Ein einziges Mal kam er ins Gärtnerhaus weil  eine seiner Topfpflanzen dahinserbelte. Er hatte eine Azalee mit kalkhaltigem Wasser ersäuft und erdrosselt. Umtopfen in die richtige Erde und ein kleiner Kuraufenthalt bei mir brachte die Pflanze wieder in den grünen Bereich und bedankte sich mit üppiger Blütenpracht. Als ich sie ihm zurückbrachte, voller Stolz auf meinen grünen Daumen, bestaunte er sie einen Moment lang, gab sie mir dann zurück mit der Behauptung, das sei nicht seine Pflanze, ich versuchte ihm hier eine andere unterzujubeln, das hätte er selber auch tun können, nämlich einen Ersatz kaufen.

    Ich nahm die Pflanze wieder an mich, wortlos, denn es wären Wörter gewesen, die auch der Duden kennt, aber nie erwähnt. Ich brachte dann die Topfpflanze zur Küche hinüber. Die gute Francesca hatte Tränen der Rührung in den dunkeln Augen (und ich verdiente mir ein paar ganz feine Leckerbissen der italienischen Küche in den nächsten Tagen).

    Und so kam es auch. Ich ass köstliche Sachen, von denen ich zum Teil bis heute ihre Namen noch nicht kenne.

    Einmal, ich erinnere mich noch gut, waren es Gnocchi. Ich liess mir von Rosetta Name und Zubereitung des Gerichts erklären und fragte sie dann nebenbei, ob sie auch Köchin werden wolle wie ihre Mutter. Ja, die Mama bringe ihr jetzt das Kochen bei, damit sie dann nach ihrer Heirat ihre Familie gesund und gut ernähren könne.

    Ob sie denn schon einen Verlobten habe, wollte ich wissen. Sie schüttelte ihren hochroten Kopf, nein, das sei noch zu früh, sie müsse zuerst das Kochen lernen.

    Ich erklärte ihr, dass  Köchin ein hochangesehener Beruf sei, den man erlernen könne und mit dem man gutes Geld verdiene, aber man müsse vorher eine Lehre absolvieren.

    Sie wusste das schon, aber Mama finde, dass heiraten wichtiger sei.

    „Gut, mag sein, aber ich würde beim Heiraten einer gelernten Köchin den Vorzug geben", meinte ich so nebenbei.

    Am Abend kam Corinne vorbei und sagte mir, dass in der Küche grosse Aufregung herrsche, weil ich der Tochter  der Köchin einen Heiratsantrag, oder eben keinen Heiratsantrag gemacht habe, weil sie keine gelernte Köchin sei.

    Wir mussten beide lachen und ich erklärte ihr den Fall.

    „So einfach kommt man zu einer Frau, oder eben nicht", scherzte ich.

    „So einfach, aber noch einfacher kommt die Frau an den Mann, sagte sie nachdenklich, „als Zugabe zu einem Aktienpaket.

    Ohne Nebenabsicht sagte ich: „Bei einer solchen Zugabe könnte ich auf die Aktien verzichten," und wurde im nächsten Moment von ihr auf den Mund geküsst.

    Dann sah ich nur noch ihr rotes Kleid, das auf dem Fussweg zur Villa hinauf flatterte.

    Mir lag im Moment der Park, das heisst seine Neugestaltung, mit der mich der Chef beauftragt hatte, sehr am Herzen. Ich zeichnete Pläne, machte Skizzen und später Zeichnungen und Aquarelle im Format A3, die einzelne Ausschnitte des Gartens zeigten im Jetztzustand, dann im Zustand nach der Umgestaltung und schliesslich, wie er sich nach einigen Jahren präsentieren würde.

    Der Chef war  Feuer und Flamme für meine Ideen, schickte mich auf Reisen, damit ich andere berühmte Gärten besuchen konnte, machte mich mit der Leitung des Botanischen Gartens bekannt, damit ich bei Bedarf an seltene Pflanzen herankommen konnte.

    Bei meiner Reise nach Japan hatte sich Corinne mir angeschlossen und machte die Studienfahrt zu einem schönen und nachhaltigen Erlebnis.

    Ich wunderte mich zwar, dass der Herr Papa seine verlobte Tochter mit mir reisen liess, aber ich wusste es zu schätzen, denn seine Tochter ist ein sehr liebes und intelligentes Wesen, an dem ich auf dieser Reise ganz neue Seiten kennen lernte.

    Im Gegensatz zu mir, war sie schon eine erwachsene Person, die genau wusste was sie wollte. Ich liess mich einfach von der Zeit und den Ereignissen treiben ohne mir allzu viele Sorgen zu machen.

    Mit Corinnes Studentenausweis verschaffte ich mir auch Zugang zur Unibibliothek, wo ich bald zu den bekannten Stammgästen gehörte. Ich hatte bald einmal gemerkt, dass mir das bisschen Mittelschulwissen nicht genügte um mit meinem Leben klar zu kommen, aber wohin die Reise am Schluss gehen sollte, war mir nicht klar.

    Tante Lucie begann sich lebhaft für meine Zeichnungen zu interessieren, versuchte sie zu kopieren, erfolglos zwar, denn jeder Zeichner hat nun einmal seinen eigenen Stil, seine eigene Dynamik im Strich und den kann man nur schwer imitieren. Schliesslich kam sie fast täglich mit einer ihrer zeichnerischen Missgeburten, damit ich sie korrigiere. Aber wie bringt man einem Trampeltier bei, dass es keine Wasserelfe ist?

    Später  begann sie mir Zeichnungen abzuluchsen, die ich aus irgendwelchen Gründen ausgeschieden hatte und brachte mir dafür mal ein Paket besonders schönes Japanpapier, einen luxuriösen Kasten mit Farben und Pinseln für Aquarellmaler oder auch mal ein Kistchen Cigarillos meiner Lieblingssorte. Ihr Verhalten mir gegenüber begann sich zu verändern. Sie machte mir Komplimente, rühmte meine Begabung und schleimte sich auch sonst ein, auf eine Art, die mir verdammt zuwider ist. Sie war eine interessante Person, etwas verdreht und spinnert zwar, eine alte Schachtel, aber mir schien, dass sie in ihrem Inneren irgendwie traurig, oder verloren sein musste. Man liess ihr ihre Künstlerflausen aber niemand nahm sie in Wirklichkeit ernst. So lange sie noch Firmenanteile in ihrem Besitz  hatte musste man sie gewähren lassen, ob das nach ihrem finanziellen Ruin, der leicht vorauszusehen war, so blieb, war fraglich.

    Ich war mit der Neugestaltung des Gartens beschäftigt und hatte schon eine Weile keinen Kontakt mehr mit Lucie gepflegt als sie eines Abends zu mir kam mit einer Einladung zur Eröffnung ihrer Galerie. Ihr grosser Lebenstraum war Wirklichkeit geworden. Sie bat mich inständig den wichtigen Anlass ja nicht zu versäumen.

    Der erste Aussteller(in) sei übrigens sie selber. Als geladene Gäste erwähnte sie so ziemlich die gesamte Genfer Nomenklatura von Regierung, Bildung und Geld.

    Na ja, dachte ich, da beisst sich wieder einmal die Schlange in den eigenen Schwanz, aber ich versprach zu kommen, nach Möglichkeit.

    Am Abend der Vernissage kam Corinne mich abzuholen, aber statt nach Genf zu fahren nahm sie die andere, nach Evian.

    Sie lud mich ein, mit ihr zusammen in einem Nobelrestaurant zu speisen, wir hätten dann auch Zeit wieder einmal miteinander zu plaudern.

    Um mir meinen Appetit nicht zu verderben wartete sie bis

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