Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Auf Wiedersehen, Noel
Auf Wiedersehen, Noel
Auf Wiedersehen, Noel
eBook158 Seiten2 Stunden

Auf Wiedersehen, Noel

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Noel lebt in den 50er Jahren in Frankreich. Er erlebt die Geschenke und Verluste des Lebens. Die Bindungen zu den Menschen, die er liebt, vertiefen und verlieren sich wieder.
Nicht nur Noel erzählt aus seiner Sicht sondern auch die Menschen, die ihm nahe stehen. Die Protagonisten machen neue und besondere Erfahrungen, die ihre Leben teilweise grundlegend verändern.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum28. Feb. 2014
ISBN9783844250640
Auf Wiedersehen, Noel

Ähnlich wie Auf Wiedersehen, Noel

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Auf Wiedersehen, Noel

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Auf Wiedersehen, Noel - Antonia Conrad

    Auf Wiedersehen, Noel

    Antonia Conrad

    Impressum

    Auf Wiedersehen, Noel

    Antonia Conrad

    published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Copyright: © 2014 Antonia Conrad

    ISBN  978-3-8442-5064-0

    Widmung

    Für meine Schwestern Elena und Olivia

    1

    Ich wurde 1948 am 14. April geboren. Meine Zwillingsschwester heißt Chloe. Meine Eltern lebten damals in Mussey-sur-Marne, ein kleines Dorf im Nordosten Frankreichs. Sie besaßen einen kleinen Teil des Hauses in der Rue de la Valotte. Das Haus hatte drei Etagen, wir wohnten in der Ersten und oft wohnten mehr als drei Familien in dem Haus. Es war immer etwas los, zumindest in den oberen Etagen.

    Die Leute hatten Besuch oder nahmen Menschen bei sich auf, die auf der Durchreise waren. Keiner im Haus war wohlhabend und das konnte man dem Haus auch ansehen. Es war meist beige oder grau angestrichen und sämtliche Fenster und Türen waren nicht mehr die Neusten. Mussey-sur-Marne ist ein kleines Dorf, daher kannte man selten jemanden nicht, dem man auf der Straße begegnete. Auf den Fensterbrettern standen häufig Blumen und manchmal konnte man Kinderstimmen aus dem Innern des Hauses hören.

    Mein Vater verließ die Familie, als Chloe und ich gerade zwei Jahre alt waren.

    Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, dass Mama und Papa sich gestritten haben oder dass Papa eines Tages nicht mehr da war. Und ich bin froh darüber.

    Einen Vater gab es einfach nicht in meiner Kindheit. Es war damals nicht einfach für Mama und heute weiß ich das.

    Sie ist eine starke Frau mit viel Mut und Optimismus. Mama hat hellbraune Haare, die aber mittlerweile ein wenig gräulich geworden sind und große ausdruckvolle Augen. Sie ist auch in Frankreich aufgewachsen und ihre Eltern sind beide Franzosen. Mama trägt manchmal Hüte und ihre schwarzen Handschuhe.

    Sie besitzt nur wenig Schmuck und hat jedoch immer welchen an, auch wenn es nur eine dünne Halskette oder ein wertloser Fingerring ist. Mama ist eine sehr liebevolle Mutter gewesen, doch enge Freundschaften zu anderen Frauen hatte sie noch nie. Sie sagte früher oft, anderen Menschen traue sie nicht so gerne. Oder sie sagte, dass Menschen unberechenbar wären und es keinen durchaus guten Menschen auf dieser Welt gäbe. Nicht, dass sie Menschen nicht mochte, aber sie sagt auch heute noch „Erwachsene lügen nicht weniger als Kinder und Kinder sind nicht weniger bösartig als Erwachsene". Und ich glaube, sie hat damit nicht ganz unrecht.

    Sie kümmerte sich um uns und war gleichzeitig immer auf der Suche nach einer besseren Arbeit, um mehr zu verdienen. Arbeit hatte sie nie genug. Nie saß sie einfach nur da und tat gar nichts. Morgens weckte sie uns, bereitete das Frühstück zu, nahm ihre Tasche, setze einen Hut auf und verließ das Haus. Man hörte noch, wie die Türe scheppernd zufiel und Mamas abgetretene Absätze von unserer Türschwelle auf den Bürgersteig klackerten. Dann sah man sie, wie sie die Straße herunter lief, lächelte und uns eine Kusshand zu warf.

    Wir wussten nie wohin sie ging, wir wussten nur, sie ging irgendwohin, um zu arbeiten, damit es uns nicht an Geld mangelte. Obwohl es das trotzdem manchmal tat. Doch wir kamen immer irgendwie durch. Dann gingen Chloe und ich in die Schule und kamen nachmittags wieder zurück. Mama kam erst am Abend, kochte, spülte, putzte und brachte uns ins Bett. Ich weiß noch, dass ich als kleiner Junge bei Geräuschen wie schepperndem Geschirr, laufendem Wasser oder Bürstenstriche auf dem Holzboden immer besser einschlafen konnte.

    Und nie wusste ich, wann Mama damit aufhören würde. Sie sagte immer, sie wolle, wenn sie schon tagsüber nicht zuhause sein konnte, dass es wenigstens sauber war und etwas zu Essen in der Küche gab. Früher hatte Madame Renoir immer auf uns aufgepasst. Sie war eine alte Dame und wie eine Großmutter für uns.

    Sie war wundervoll warmherzig und sorgfältig. Sie hatte graues Haar und tiefe Lachfalten in Stirn und Wangen. Als Chloe und ich noch kleiner waren, spielten wir täglich auf den zwei Stufen vor unserer Haustür. Daran kann ich mich auch noch erinnern.

    Ein kleines Kind zu sein, ist glaube ich seltsam. Noch heute frage ich mich, wie und an was kleine Kinder denken. Ich weiß noch, wie Madame Renoir uns unser von da an geliebtes Schaukelpferd schenkte. Es war aus Holz, hatte eine struppige Mähne und Schweif, und zwei schwarze Punkte dienten als Augen.

    Sie schenkte es uns zu unserem vierten Geburtstag. Sie und Mama hatten gelächelt, als sie mit ansahen, wie unsere Augen leuchteten, sobald wir das Schaukelpferd gesehen hatten. Ich habe es heute noch in meinem Zimmer stehen. Doch Madame Renoir starb im Winter 1957. Es war Ende Januar.

    2

    Madame Renoir hatte uns aufgezogen, sie war uns teilweise näher als unsere eigene Mutter. Seitdem waren wir tagsüber alleine und niemand war da, wenn wir von der Schule kamen. Mir war das alleine sein egal, auch wenn ich in den ersten Monaten oft an Madame Renoir denken musste. Man gewöhnt sich an alles, doch ich glaube, Chloe erging es anders. Ich hätte ihr gerne geholfen, doch ich wusste nicht wie.

    Sie saß nur noch in der Küche oder im Wohnzimmer und starrte an die Wand.

    Ich war oft mit Freunden weg, wir gingen an den Fluss oder spielten auf der Straße Fußball. Ich dachte nicht an Chloe und heute fühle ich mich schuldig dafür, was im Herbst 1959 geschah. Ich liebte meine Schwester, doch ich hasste diesen Anblick, wenn ich nachhause kam. Ich warf meine Jacke aufs Bett, zog meine Schuhe aus, ging meistens in die Küche, trank einen Schluck, dann ließ mich aufs Sofa fallen. Da saß sie. Auf dem geblümten Sessel neben der Couch. Sie saß immer nur so da, und ich sah immer seltener ein Lächeln auf ihren Lippen, nicht mal ein gequältes oder künstliches. Chloe hatte ein sehr schönes Gesicht, doch sie war sehr dünn. Ihre Finger waren knochig, ihre Haut blass und ihre Backen eingefallen. Chloe hatte schulterlange blonde Haare. Wenn ich nach Hause kam, schaute sie meistens nur kurz zu mir und las weiter oder starrte weiter an die Wand. Chloe war sehr ordentlich. Ihre Haare waren immer gekämmt, ihre Kleider waren immer sauber. Das konnte ich von mir nicht behaupten. Sie trug immer Röcke und nur sonntags Kleider. Ich hatte auch keine blonden Haare, sie waren hellbraun. Chloe hatte eine gerade Nase, genauso wie ich und geschwungene Lippen. Ihre Zähne waren gerade und sie hatte eine feine Lücke zwischen den Schneidezähnen.

    Ihre Augen waren groß und hatten eine gräulich blaue Farbe. Sie starrte mich manchmal mit diesen Augen an und ich wusste nie, was sie wollte oder was sie damit bezwecken wollte. Ihre Augen waren groß und leer und fast hätte man sagen können ein wenig langweilig. Aber trotzdem fühlte man sich seltsam, wenn man Chloe in die Augen sah. Es fühlte sich an, wie losgerissen zu werden oder wie loslassen zu müssen. Loslassen zu müssen von deinem Leben. Es war wie eine Krankheit. Ich wollte nicht auch nur dasitzen und nichts tun. Ich wollte nicht loslassen, ich durfte nicht genauso leblos werden wie sie. Ich hatte oft darüber nachgedacht, wann Chloe wieder glücklicher werden würde oder wieder mal etwas unternehmen würde, doch es schien mir sinnlos. Wenn ich sie fragte, was los war, sagte sie nur, ich solle sie in Ruhe lassen oder sie wisse nicht, warum sie keine Lust hätte, raus zu gehen. Manchmal ging sie auch einfach in ein anderes Zimmer und lernte für die Schule oder las ein Buch. Ich fand, das war besser, als nur an die Wand zu starren.

    (Chloe)

    Mir fehlt jemand. Ich habe keinen Vater und Mama ist nur arbeiten, ich vermisse Madame Renoir so sehr. Noel versteht das nicht. Ihm ist es wahrscheinlich gleichgültig ob jemand bei uns ist. Ich bin fast nur alleine. Warum kann er nicht mal zuhause bleiben? Ich bin sehr einsam ohne jemanden in der Wohnung und ich kenne sie in und auswendig. Ich kann es Mama nicht sagen. Doch ich kann es nicht mehr lange aushalten.

    Nach ein paar Monaten wurde es besser. Sie lachte häufiger, hatte zwei Freundinnen gefunden und ich dachte, ich müsste mir endlich keine Sorgen mehr machen. Sie war auch wieder freundlicher zu mir und bereitete manchmal das Abendessen zu. Mama hatte nie mitbekommen, wie traurig Chloe gewesen war, doch ich möchte ihr nicht die Schuld dafür geben, was eben so geschah, wie es geschah.

    Mama hatte so viel zu tun und wenn sie es gewusst hätte, hätte sie bestimmt eine Bekannte gebeten, bei uns zu bleiben, solange sie arbeiten musste. Ich erinnere mich lebhaft an den Tag, an dem ich die Augen öffnete und nicht die geringste Ahnung hatte, was ich in wenigen Minuten feststellen werden würde.

    Ich war damals elf Jahre alt. Chloe und ich hatten uns bisher ein Zimmer geteilt, ansonsten gab es noch das Wohnzimmer, von welchem aus die Fenster in Richtung Süden zeigten.

    Deshalb war es dort tagsüber schön hell. Die Gardinen waren jedoch meist zugezogen und es war warm. Das Licht wirkte verschwommen und doch so klar, dass man die Staubkörnchen durch den Flur in der Luft schweben sehen konnte, wenn die Türe des Wohnzimmers geöffnet war und man zur Haustür hinein kam. Im Flur war damals gräulicher Teppichboden, der bis in das Wohnzimmer reichte. Chloe war eine Zeit lang wie ein Möbelstück in unserem Wohnzimmer gewesen. Ihre blonden Haare und ihre helle Haut in dem hellen warmen Licht waren nach einer Weile eins geworden, so dass ich sie nicht mehr sah. Ich sah nicht mehr sie selbst. Ich hatte sie verloren. Und auch als es ihr besser ging, war sie nicht mehr ganz sie selbst und ich gewann sie nie mehr zurück. Sie glitt mir aus den Fingern, wie ein nasses Stück Seife, immer wieder, wenn ich versuchte meine Schwester wieder zu gewinnen.

    Gleich links ging es in die Küche, sie war klein und dunkel, wenn wir nicht aßen oder Chloe oder Mama gerade kochten. Der Boden war gefliest und die Schranktüren matt gelb angestrichen. Die Arbeitsplatte war wohl einst weiß gewesen, hatte sich jedoch zu einem hellen Beige verfärbt. Und besaß zahlreiche Flecken verschiedenster Mahlzeiten. In der Mitte der Küche stand ein kleiner wackeliger Tisch mit drei Stühlen bestückt. Er war aus Holz und die Tischplatte war weiß angestrichen, doch der Lack war an allen vier Ecken schon abgeblättert. Gegenüber der Küche ging es in Mamas Schlafzimmer, dort standen nur ihr Kleiderschrank, eine kleine Kommode, das Bett und ein kleiner Nachttisch. An den Wänden hingen ein paar Fotos von Mamas und Papas Hochzeit, von Mamas Eltern und von Chloe und mir. Neben der Küche war das Kinderzimmer, welches mittlerweile kein richtiges mehr war. Rechts und links an der gemusterten Tapete stand jeweils ein

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1