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Das Gleichnis oder Michas Welt der Smybole
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Das Gleichnis oder Michas Welt der Smybole
eBook806 Seiten10 Stunden

Das Gleichnis oder Michas Welt der Smybole

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Über dieses E-Book

Ist Zeitreisen möglich? Gibt es einen Gott? Was sind Chakren? Wie funktioniert Raum und Zeit? Was hat es mit der Astrologie auf sich, oder dem Tarot? Wofür sind die Pyramiden wirklich erschaffen worden? Was ist Kabbala und wie funktioniert das chinesische Orakel I-GING?
Träume, Magie, Okkultismus, Esoterik, Engel und Teufel und nahezu alle offenen Fragen zu spirituellem Wissen und okkulter Philosophie werden in diesem Buch beantwortet.

Der 14- jährige Micha, der über die Sommerferien seinen Großvater auf dem Land besucht, sitzt bald jeden Abend mit ihm in dessen Arbeitszimmer und lauscht gebannt den weisen Ausführungen des 'belesenen' und erfahrenen 'Eremiten', über okkulte und spirituelle Erkenntnisse dieser Welt.
Parallel erlebt Micha eine Menge Abenteuer, wobei er nicht immer sicher ist, ob es nun Traum oder Realität ist, was ihn da an Eindrücken überflutet.
Verfolgungsjagd, Entführung, merkwürdige Begegnungen und spannende Szenen halten den Leser dieses Buches in Atem.
Eine geheime Software, die Michas Vater in die Bredouille bringt, weil die Geheimdienste einiger Nationen darauf scharf sind.
Eine mysteriöse Villa aus der Nazizeit erregt Michas Aufmerksamkeit und die seiner neuen Freunden, die er während seines Aufenthaltes bei Großvater kennen gelernt hat – in der alten Villa solle es nämlich spuken. Und die Freunde möchten herausbekommen, was es damit auf sich hat…

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Weil nämlich alles, was für den Menschen da ist und vergeht, unmittelbar immer nur in seinem Bewusstsein da ist und für dieses vorgeht; so ist offenbar die Beschaffenheit dieses Bewusstseins selbst das zunächst Wesentliche, und auf dieselbe kommt, in den meisten Fällen, mehr an, als auf die Gestalten, die darin sich darstellen.
Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum23. Okt. 2012
ISBN9783844235623
Das Gleichnis oder Michas Welt der Smybole

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    Buchvorschau

    Das Gleichnis oder Michas Welt der Smybole - Alexander Kopitkow

    Alexander Kopitkow

    MICHAS  WELT

    DER SYMBOLE

    Ein Streifzug durch die Geschichte

    der  okkulten  Philosophie

    [

    copyright (c) 2012 by Alexander Kopitkow, Leinfelden

    Impressum

    Das Gleichnis oder Michas Welt der Symbole

    Alexander Kopitkow

    published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Copyright: © 2012 Alexander Kopitkow

    ISBN 978-3-8442-3562-3

    MICHAS WELT DER SYMBOLE

    INHALTSVERZEICHNIS

    Kapitel 1

    DIE DIMENSION DER SYMBOLE 

    eine Dame verschwindet / die Geistervilla / Micha lernt eine neue Dimension kennen / wie oben so unten / die goldenen Verse des Pythagoras / wir sind schlafende Götter? / Michas neue Freunde / das hat schon Platon gesagt / Harrys Parallel-Universen / das Kreuz der Materie / das alchymistische Gold / wo die Dämonen hausen 

    Kapitel 2

    SCHNELLER ALS DIE ZEIT 

    Marions Traum / auf der Flucht / Mams Handtasche und die Agenten / die Hexe von Endor / Plutarch und die Geister / Apuleius' Totenwache / mit Rechenschieber und Fernrohr / ein leibhaftiger Drache / die Spitze der Pyramide / Tokio liegt in der Zukunft / die Lemniskate / Bewusstsein ist Gegenwart 

    Kapitel 3

    DIE FÜLLE DER GEGENWART 

    auf dem Hamburger Dom / die Herren in den gepanzerten Limousinen / Aristoteles und die Handleser / das Delphische Orakel / I Ging, das Buch der Wandlung / Odins Runenlied / die Höhe und Tiefe unserer Existenz / der Teufel und der Heilige Geist / Brahmas Tage und Nächte / alles fließt 

    Kapitel 4

    DURCH WÄNDE HINDURCH 

    der Tote im Kanal / eine Reisebekanntschaft / Computerspione / im Namen von Herodes / ein Körper aus Schattenstoff / die Chakras und der kollektive Wahnsinn / die Schlange Kundalini / das A und O der Götter / Hermes Trismegistos / das Kybalion und die 7 Prinzipien der Wahrheit 

    Kapitel 5

    ANGSTBRATEN IN HASSTUNKE 

    die Badenixen von Malibu / ein knappes Entkommen / als die Erde noch eine Scheibe war / eine Almwiese in Alaska / der unterirdische Friedhof / im Krieg mit San Marino / die Wissenschaft vom ICH / es war beim Ball Pare / Grossvaters Freundin / hermetische Verwandlung / ein schreckliches Krankenhaus

    Kapitel 6

    DIE RAUMZEITSCHLEIFE

    Micha wird gekidnappt / ein richtiges Einhorn / eine alberne Jagdgesellschaft / im Sumpf der toten Seelen / Tod den Hugenotten / ein wilder Wassermann / Zarathustra / Abracadabra / Plutarch und die Schrecken der Einweihung / Simon Magus / Appollonius und die Braut von Korinth / die Welt der Kabbalisten

    Kapitel 7

    DER PLANET DER VAMPIRE 

    ein überraschendes Wiedersehen / das Versteck im Hafen / morphogenetische Felder / der Lebensbaum / der Mittlere Pfad / der Stein der Weisen / die Säule der Gnade und die Säule der Strenge / Golem / Luzifer, der Lichtbringer / Prometheus' Strafe / der Erzengel Michael / die Wege des Tarot

    Kapitel 8

    EIN PAKT MIT DEM TEUFEL 

    auf  hoher See / Hassan und Sumurut / draussen sind die bösen Geister / das Geheimnis der Templer / der Tod des Grossmeisters / das Narrenszepter in der Gosse / auf dem Besen zum Blocksberg / Boccaccios 'fedeli d'amore' / Parcifal und König Artus / der Gral oder die Suche nach dem Sinn des Lebens

    Kapitel 9

    ANTIPYRAMIDE UND WELTFORMEL

    das Ungeheuer aus der Kiste / kopflose Flucht / Dantes Göttliche Komödie / Christian Rosenkreuz und das 'liber mundi' / ich denke, also bin ich / sator arepo / die Lauen und die Grauen / Lilith / Atlantis / den Geist erden / die Swastika und das Kreuz mit der Evolution / Brahmas Tage und Nächte

    Kapitel 10

    EIN HOLOGRAMM DER EWIGKEIT 

    die Befreiung / Abenteuer unter Wasser / Paracelsus und das Licht der Natur / das schreckliche Ende von Dr. Faust / Nostradamus / Jakob Böhmes Zinnteller / Jakin und Boaz / alles ist Schwingung / Graf Cagliostro und der Fürst der Dichter / im holografischen Museum

    Kapitel 11

    der tierische magnetismus

    auf hoher See / Wassereinbruch achtern / Swedenborg und die Geister / Mesmers tierischer Magnetismus / der Graf von Saint-Germain und die Königin von Saba / Eliphas Levi und das Astrallicht / die Geheimlehre / es gibt nur eine einzige Sünde... / die Zauberer auf Hawaii / warum nicht alle Verbrecher verrückt werden

    Kapitel 12

    CHA.O.S. WORLDWIDE 

    am Ziel der Reise / ein Engel schwebt herab / Wolken aus Denken und Fühlen / die goldene Morgendämmerung / Fräulein Sprengels Geheimdokumente / man darf Shakespeare nicht vergessen / Gurdjieff und Beelzebub / wer hat den Gips bestellt? / ein stummer Schrei / der Lampengeist zeigt sich

    Weil nämlich alles, was für den Menschen da ist und vergeht, unmittelbar immer nur in seinem Bewusstsein da ist und für dieses vorgeht; so ist offenbar die Beschaffenheit dieses Bewusstseins selbst das zunächst Wesentliche, und auf dieselbe kommt, in den meisten Fällen, mehr an, als auf die Gestalten, die darin sich darstellen.                         Schopenhauer, Aphorismen zur   Lebensweisheit

    1.

    Die Dimension der Symbole

    eine Dame verschwindet / die Geistervilla / Micha lernt eine neue Dimension kennen / wie oben so unten / die goldenen Verse des Pythagoras / wir sind schlafende Götter? / Michas neue Freunde / das hat schon Platon gesagt / Harrys Parallel-Universen / das Kreuz der Materie / das alchymistische Gold / wo die Dämonen hausen

    1

    Micha sah gelangweilt aus dem Abteilfenster: Wiesen, Bäume, wiederkäuende Kühe und jede Menge flaches Land. Und darüber ein trostlos schwarzgrauer, mit dicken Wolken behangener Himmel, der jeden Moment seine Schleusen öffnen würde.

    Das monotone Rattern der Waggons, das Quietschen und Kreischen der Räder in den Kurven, das laute Geschnatter und Lachen im Nachbarabteil - all das trug dazu bei, dass Micha lieber jetzt als irgendwann später ausgestiegen wäre, denn irgendwie schien ihn im Moment jegliche Geräuschkulisse auf die Nerven zu gehen. Hätte er doch seinen Gameboy mitgenommen, wäre die Zeit schneller vergangen. Aber mehr als eine Stunde musste er sich noch gedulden, bis der Zug am Zielbahnhof ankam. Micha war 14 Jahre alt und wirkte eigentlich wie 16, denn er war recht groß für sein Alter und benahm sich meistens schon ziemlich „erwachsen. Seine strohblonden Haare waren gerade mal zwei Zentimeter kurz und standen frech nach allen Seiten ab. Die athletische Figur hatte er sich beim Sport antrainiert, aber man konnte sie im Moment nicht sehen, denn der „Schlabber- Look verbarg die Figur der Jugendlichen heutzutage.

    Micha streifte mit einem kurzen Seitenblick seine Mutter auf dem Sitz neben sich. Sie hielt noch immer die Augen geschlossen und saß bequem zurückgelehnt in Ihrem Sitz. Für ihr Alter wirkte sie noch sehr jung, sie war 37, schlank, trug enge Blue- Jeans und ein enganliegendes, weißes T- Shirt, das ihre jungendliche und dennoch sehr weibliche Figur betonte. Wenn sie ihre langen blonden Haare offen trug, würde man sie höchstens auf 28 schätzen. Meistens band sie die Haare, wie jetzt auch, mit einem Gummi hinten zusammen, was sie einesteils strenger und auch ein bisschen älter machte – als 28 natürlich. Dafür kam ihr wunderschönes Gesicht besser zum Ausdruck und wenn sie schwarze Haare hätte, könnte man sie durchaus mit Liz Taylor in jungen Jahren verwechseln. Mam schlief nicht - wahrscheinlich wollte sie verhindern, dass die Frau auf dem Fensterplatz  gegenüber sie in ein Gespräch verwickelte.

    Micha sah die alte Dame visavis absichtlich nicht an, die da so offensichtlich auf eine Gelegenheit für einen Plausch wartete. Sie war gekleidet, wie eine typische Oma aus den 60ern, mit Blümchenkleid und weißen, unmodisch wirkenden Schuhen mit halbhohen dicken Absätzen. Ihre grauen Haare waren zu einem Dutt zusammengebunden und darüber saß ein kleines rosa Hütchen, das sich wahrscheinlich schon ein halbes Jahrhundert in ihrem Besitz befand. Zudem tronte auf ihrer Knubbelnase eine Nickelbrille mit dicken Gläsern, die ihre Augen mindestens doppelt so groß wirken ließen.

    Gleich fängt es an zu regnen, sagte sie unvermittelt zu Micha und beugte sich ihm ein wenig entgegen, während sie sich auf ihrem geschlossenen Regenschirm, mit gebogenem Holzgriff abstützte, den sie wahrscheinlich auch als Gehstock benutzte. Ihre Stimme war ein wenig krächzend und zittrig und erinnerte an eine alte Hexe aus einem Märchenfilm.

    Micha schaute sie kurz und verschämt an, nickte stumm, drehte seinen Kopf wieder zum Fenster und betrachtete die tief hängenden Wolken.

    Aber das ist nicht so schlimm, fuhr sie fort, mein Sohn holt mich mit dem Wagen ab.

    Wieder nickte Micha, blickte nur kurz zu ihr herüber und fixierte sofort wieder das Fenster.

    Bitte, Mam, mach die Augen auf! dachte er, red' du mit ihr. Ich hab wirklich null Bock.

    Als hätte sie Michas Stoßseufzer vernommen, öffnete Mam die Augen. Draußen fielen die ersten schweren Tropfen, klatschten gegen die Scheiben wobei sie im Zickzack- Kurs, beinahe waagerecht, vom Fahrtwind getrieben die Fenster hinunterkullerten.

    Eben hab' ich es zu dem jungen Mann gesagt, wandte sich die alte Dame nun mit einem freundlichen Lächeln an Mam, 'gleich wird es regnen'."

    Mam nickte bestätigend und nahm zugleich eine aufrechtere Sitzposition ein:

    Kein Wunder. Es soll sogar richtig stürmisch werden, laut Wetterbericht! Mam deutete mit den Augen zum Fenster, als sie das sagte und die alte Dame musste unvermittelt den Kopf drehen, um das Wettergeschehen zu betrachten.

    Nein, tatsächlich? Was für ein abscheuliches Wetter. Sie schaute mit großen Augen wieder zu Mam und klopfte sie ein paar Mal mit der Schirmspitze auf den Boden und schüttelte zudem ihr ergrautes Haupt.

    Mam nickte schweigend und hob dabei leicht die Augenbrauen, als wolle sie sagen: da kann man nichts machen!

    Micha sah unbeteiligt aus dem Fenster. Die Landschaft zerfloss hinter dem grauen Regenschleier zu etwas Unbestimmtem, geheimnisvoll Unwirklichem. Er war seiner Mutter dankbar, dass sie ihn von der Last eines so faden Gespräches befreit hatte.

    Wir müssten jetzt bald in Elmsbüttel sein, fuhr die alte Dame fort und spielte nervös an dem Griff ihres Schirmes herum.

    Ach? fragte Mam und nickte leicht mit dem Kopf.

    Da habe ich vor vielen Jahren meinen ersten Mann kennengelernt, fuhr die alte Dame mit einem freundlichen Lächeln fort, er war ein gebürtiger Elmsbüttler. Er hatte dort die Metzgerei seines Vaters übernommen.

    Tatsächlich? entgegnete Mam und setzte höflichkeitshalber einen interessierten Blick auf.

    Seine Familie und die Familie meines Onkels mütterlicherseits waren Nachbarn. Ich war früher oft zu Besuch dort, solange wir Kinder waren. Und nie ist er mir begegnet. Obwohl er doch im Nachbarhaus lebte. Aber als ich dann als Backfisch - oder Teenager, wie man heute sagt - fügt sie mit einem verständnisvollen Lächeln in Michas Richtung hinzu- nach Hamburg wollte und noch ein letztes mal nach Elmsbüttel kam, um mich von meinen Verwandten zu verabschieden - da traf ich ihn! Das war Schicksal. Oder höhere Fügung.

    Micha tat, als hörte er nicht zu und beobachtete die Regentropfen, die immer neue bizarre Figuren auf die Fensterscheibe zeichneten.

    Ja, das Schicksal geht oft seltsame Wege, sagte Mam, drehte den Kopf in Richtung Fenster und blickte nachdenklich anmutend ins Leere.

    Wie bitte?! dachte Micha.

    Wenn das die Unterhaltung erwachsener Leute war, wollte er lieber ein Schweigegelübde ablegen und sein Leben im Kloster beenden. Obwohl - ein Leben im Kloster...

    Das Rumpeln der Abteiltür riss ihn aus seiner Überlegung.

    Hier noch jemand zugestiegen? fragte der Schaffner, dessen blaue Uniform bestimmt nicht maßgeschneidert war, eher zwei Nummern zu groß. Er schaute einmal kurz, routinemäßig in die Runde und man sah an seinem gelangweilten Gesichtsausdruck, dass er diesen Job schon viele Jahre absolvierte.

    Die Antwort war ein Schweigen.

    Ein erneutes Rumpeln - und die Tür war wieder zu.

    Mam, krieg ich ‘ne Cola? Micha legte ein freundlich charmantes Gesicht auf, während er sie fragend und mit großen Augen, denen man nichts abschlagen kann, anblickte.

    Da wirst du dich gedulden müssen, bis der Mann mit dem Getränkewagen vorbeikommt, erwiderte Mam.

    Oh, ich glaube, in Glückstadt wurde ein Speisewagen angängt, sagte die alte Dame ziemlich bestimmt und klopfte erneut mit ihrem Schirm auf den Boden.

    Wunderbar, dann werden wir mal eine kleine Kaffeepause einlegen. Würden Sie solange unsere Sachen im Auge behalten? Mam deutete mit einem leichten Kopfnicken auf ihren Koffer und Michas Rucksack im Gepäcknetz.

    Damit stand sie auf und schob Micha aus dem Abteil. Rumms! Die Tür war zu.

    Auf dem Gang fragte Micha:

    Ich glaube, die Oma wäre am liebsten auch mitgekommen, oder?

    Sah so aus. Aber wir waren schneller, grinste Mam und ging, Micha vor sich her dirigierend, in Richtung Zugende.

    Während sie im Speisewagen saßen, war der Regen noch stärker geworden. Micha konnte von der Landschaft fast nichts mehr erkennen. Es war draußen so düster, dass man sogar die Lampen in den Waggons in Betrieb setzte.

    Er genoss es jetzt doch noch, zusammen mit seiner Mutter eine Eisenbahnfahrt zu unternehmen. Noch lieber wäre ihm allerdings, wenn auch sein Vater mitgekommen wäre - schließlich hatte Micha sich eine Menge einfallen lassen, um ihn wieder zurück nach Hause zu holen.

    Natürlich funktioniert Magie! hatte Michas Großvater früher mal auf Michas Frage geantwortet. Micha hatte diesen Satz noch genau im Ohr. Und der Großvater hatte Recht. Micha wusste es jetzt aus eigener Erfahrung. Schließlich war Paps nach 7 Jahren Trennung tatsächlich wieder nach Hause gekommen...

    Aber Micha hütete sich, darüber auch nur ein Wort zu verlieren.

    Er durchlöcherte die Zitronenscheibe in seiner Cola mit dem Trinkhalm und fragte sich, ob Mam wohl etwas von seinem kleinen Geheimnis ahnte.

    Ist dir eigentlich nichts aufgefallen? fragte Mam und schaute Micha mit großen Augen an.

    Nein, was? Micha nahm einen kräftigen Zug Cola mit dem Röhrchen.

    Die Frau in unserem Abteil...

    Was ist mit ihr?, wieder schlürfte er mit dem Röhrchen in seiner Cola.

    Ich weiß nicht... , Mam zupfte abwesend an ihren Haaren herum und schaute nachdenklich aus dem Fenster.

    Dass sie soviel redet? Micha lehnte sich auf seinem Sitz zurück und schaute Mam nachdenklich an.

    Nein, das meine ich nicht. - Sie wirkt irgendwie merkwürdig, so aufgeregt...

    Ist mir nicht aufgefallen, sagte Micha und widmete seine Aufmerksamkeit wieder ganz seinem Getränk.

    Sie guckt uns immer so von der Seite an. Und jeden, den sie draußen auf dem Gang sieht, mustert sie wie ein Polizist. Hast du das nicht bemerkt? Außerdem war sie irgendwie nervös, oder aufgeregt.

    Micha schnorchelte mit dem Röhrchen die letzten Tropfen aus dem Glas, Ist das wahr? fragte er schluckend.

    Wenn ich's dir sage! erwiderte Mam und schaute Micha mit großen Augen an.

    Ja und, was bedeutet das, ich meine, was denkst du? sagte er mit erhobenen Brauen und war jetzt sichtlich an einer ernsthaften Antwort interessiert.

    Ich weiß es nicht. Ich habe nur so ein merkwürdiges Gefühl... Mam schaute wieder aus dem Fenster und guckte eigentlich ins Leere.

    Meinst du, sie will unser Gepäck klauen? Fragte Micha mit einem ironischen Unterton.

    Mam durchwühlte plötzlich nervös ihre Handtasche.

    Was suchst du denn? fragte Micha.

    Aber seine Mutter suchte schweigend und wie es schien, recht aufgeregt, weiter.

    Mam, was suchst du! Micha beugte sich ein wenig vor und blickte in Richtung der geöffneten Handtasche.

    Mams Gesicht entspannte sich; sie klappte die Handtasche zu und legte sie auf den Sitz neben sich.

    Nichts, nichts. Alles in Ordnung. Magst du noch eine Cola?

    Eine Überraschung erwartete die beiden, als sie in ihr Abteil zurückkamen: es war leer. Die alte Dame war fort, mitsamt ihrer Reisetasche auf Rädern und dem Mantel.

    Micha schaute ins Gepäcknetz. Na jedenfalls war sein Rucksack und der Koffer seiner Mutter noch da.

    Wo ist sie hin?, fragte Mam, während sie sich nachdenklich am Kopf kratzte, ich meine, der Zug hat doch inzwischen kein einziges mal gehalten!

    Vielleicht ist sie aufs Klo..., erwiderte Michael mit weit geöffneten Augen.

    Mit Mantel und Gepäck? fragte Mam und schaute fragend zur Türe.

    ...Oder sie hat einfach das Abteil gewechselt. überlegte Micha.

    Aber warum denn um Gotteswillen! Ich sage dir, mit dieser Frau stimmt was nicht! Mam ließ sich langsam auf ihren Sitzplatz sinken und schaute suchend im Abteil umher, um eine Spur zu entdecken.

    Ach Mam, was soll denn an einer alten Oma nicht stimmen. Meinst du, sie hat eine Bank ausgeraubt? Auch Micha suchte ein Zeichen oder ein Indiz, das darauf hindeuten könnte, wo die alte Dame abgeblieben sein könnte.

    Er schaute auf den Boden und bemerkte etwas unter der  Sitzbank. Mam folgte seinem Blick und beugte sich vor.

    Was ist?! fragte sie beunruhigt und legte die Stirn nachdenklich in Falten.

    Micha zog einen einzelnen Schuh hervor und betrachtete ihn erstaunt von allen Seiten.

    O Gott! sagte Mam erschrocken, das ist einer von ihren Schuhen!

    Bist du sicher? Micha blickte den Schuh fragend an, als könne er verraten, was geschehen sei.

    Absolut! Mam rutsche nervös auf ihrem Sitz hin und her.

    Und was bedeutet das? fragte Micha ziemlich kleinlaut, beinahe flüsternd.

    Schatz, ich hab' keine Ahnung. Ich weiß nur, dass hier etwas nicht stimmt!

    Micha hatte den Schuh auf die Bank gestellt und war noch mal hinunter  getaucht.

    Hier ist noch was!

    Was denn, um Gotteswillen! Auch Mam sprach auf einmal ganz leise.

    Micha hielt zwischen Daumen und Zeigefinger eine benutzte Einwegspritze, deren Kanüle eindeutig mit frischem Blut benetzt war.

    Fass' das nicht an. Du kannst dir sonst was holen! zischte Mam erschrocken. Micha gehorchte sofort. Er legte die Spritze mit gepreizten Fingern und äußerst vorsichtig neben den Schuh und fixierte dabei mit angewidertem Blick die blutige Nadel.

    Das versteh' ich nicht, sagte er und schüttelte bedächtig den Kopf.

    Ich wusste es! Mir war die Sache von Anfang an nicht geheuer. Mam verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ebenso entsetzt auf die gefundenen Utensilien, wie Micha.

    War sie ein Junkie? grübelte Micha laut.

    Dummes Zeug. Mam wurde sichtlich unruhig.

    Aber wo ist sie hin?! fragte sie sich selbst und blickte sinnend ins Leere.

    Als im Nachbarabteil die Tür aufgeschoben wurde, nahm Micha eine alte Zeitung aus dem Gepäcknetz und legte sie über den Schuh und die Spritze.

    Was machst du denn da? wollte Mam wissen und richtete sich in ihrem Sitz auf.

    Nichts, sagte Micha. Er öffnete die Abteiltür, schob nur den Kopf hinaus, schaute mehrmals in beide Richtungen.

    Wo willst du hin! fragte Mam und spielte nervös am Verschluß ihrer Handtasche herum.

    Ich will nur mal gucken - bin gleich wieder da!

    Damit war Micha mit einem Satz auf den Gang hinaus getreten und schlenderte durch den Wagen, gaanz unauffällig, beide Hände in den Hosentaschen. In den Nachbarabteilen war alles ruhig; die Leute schliefen oder sie lasen. Alles war ganz normal. Auch das laute Reden im Abteil auf der anderen Seite hatte sich nicht verändert. Micha wollte nicht so weit weg von Mam und beschloss doch wieder umzukehren. Mam steckte gerade ihren Kopf auf den Gang hinaus, um zu sehen, wo Micha so lange blieb, als dieser zurückkehrte.

    Keine Spur von irgendwas sagte er leise, während er hastig die Abteiltüre zuzog und sie sich wieder setzten. Mam sah ihn ratlos und mit großen Augen an und hielt ihre Handtasche mit beiden Händen fest in den Schoß gedrückt, als wolle sie sich daran festhalten.

    Vor dem Abteil ging der Schaffner vorbei und wurde direkt an der Tür von einem dicken, schwitzenden Mann mit Vollglaze, in  einem hellen , zerknitterten Anzug, um eine Auskunft gebeten. Der Schaffner wälzte die Seiten eines kleinen Buches, redet mit dem Mann... alles schien ganz normal.

    Micha und seine Mutter sahen wortlos zu.

    Wir werden den Schaffner fragen, sagte sie.

    Der schwitzende Mann schaute, während der Schaffner zu ihm sprach, wie zufällig zu Micha und Mam ins Abteil und tupfte sich ständig mit einem weißen Taschentuch die Schweißtropfen von der Stirn. Er bedankte sich für die Auskunft mit einem Kopfnicken und ging.

    „Hast du den gesehen?" fragte Mam, zeigte mit dem Finger in Richtung Abteiltüre und schaute Micha fragend an.

    Micha nickte nur stumm. Mam zog die Abteiltür auf und fragte den Schaffner, der sich schon wieder entfernen wollte, ob er wisse, warum die alte Dame das Abteil gewechselt habe.

    Welche alte Dame? fragte der Schaffner, während er vergeblich versuchte, seinen Kuli in einem schwarzen Buch zu verstauen. „Irgendwie muss der doch da rein…na also", zufrieden klemmte er das Buch unter die Achsel, trat ins Abteil und wandte sich zu Mam.

    Die Dame, die mit uns hier im Abteil war! sagte Mam ungeduldig und zeigte mit dem Finger auf den leeren Fensterplatz, ohne ihren fragenden Blick vom Schaffner abzuwenden.

    Tut mir leid, sagte der Schaffner kopfschüttelnd. In diesem Zug gibt es einige alte Damen und ich kann mir beim besten Willen nicht alle….

    Aber Sie waren doch vorhin da und haben gefragt, ob jemand zugestiegen sei, unterbrach ihn Mam aufgeregt.

    Sicher, nickte der Schaffner.

    Und da muss Ihnen doch die alte Dame aufgefallen sein, die dort am Fenster saß!

    Tut mir leid. Ich kann mich nicht erinnern. erwiderte der Schaffner knapp und schaute auf die Uhr am Handgelenk, als wolle er ausdrücken: ich habe jetzt keine Zeit für Geplauder.

    Aber... , Micha schaltete sich ins Gespräch ein und wollte die Zeitung hochnehmen, um dem Schaffner den Schuh und die Spritze zu zeigen, doch er fing einen beschwörenden Blick seiner Mutter auf, so dass er mitten in der Bewegung innehielt und sich am Kopf kratzte:

    ..das verstehe ich nicht, beendete er den Satz.

    Nächster Halt  Elmsbüttel, sagte der Schaffner und verließ ohne ein weiteres Wort das Abteil.

    Als die Tür wieder - rumms - geschlossen war, fragte Micha:

    Was hattest du denn dagegen, ihm diese Sachen zu zeigen?!

    Wer weiß, vielleicht steckt er mit irgendwem unter einer Decke. Man kann heutzutage niemandem trauen. Mam flüsterte leise, als hätte sie Angst davor abgehört zu werden.

    Mam, du guckst zu viele Krimis.

    Als der Zug in Elmsbüttel Nord hielt, beugten Micha und seine Mutter aus dem Abteilfenster. Eine Gruppe junger Leute mit Rucksäcken stieg aus, sonst niemand. Mam setzte sich wieder und Micha schob das Fenster wieder hoch, als der Zug anrollte. Es regnete immer noch, und bis zur nächsten Station würde es fast eine halbe Stunde dauern.

    Micha legte den Schuh und die Spritze mitsamt der Zeitung wieder unter die Sitzbank.

    Tun wir am besten auch so, als wäre alles okay, hatte Mam eindringlich gesagt und Micha hatte genickt.

    Er überlegte. Seltsame Sache, in die sie da hineingeraten waren; und er wusste nicht, wie sie ausging. Aber er wusste, wie es begonnen hatte - nämlich mit seiner Prahlerei, seine Eltern wieder zusammenzubringen. Sandra hatte ihn zwar ausgelacht...  und dennoch, es hatte geklappt - und das war exakt der Grund für diese seltsame Reise.

    2

    Obwohl -, genau genommen begann alles mit dieser blöden Wunderlampe, die er beim Großvater gefunden hatte - oder nein, es begann damit, dass sein Vater ihn im letzten Sommer in die Ferien abholte. Genau, so war es. Damit fing es an. Am Vormittag war er noch mit Chris im Schwimmbad gewesen und während sie auf ihren Handtüchern lagen und  Sonne tankten, um sich vom kalten Nass zu befreien, hatte ihm Chris diese verrückte Geschichte von dem Ufo erzählt. Micha erinnerte sich noch ganz genau, wie er sich wunderte, dass das große Ufo in Chris' Zimmer passte.

    Wie kann es denn in deinem Zimmer gewesen sein, wenn es so groß war? hatte Micha gefragt, weniger aus Neugier, als mehr aus Höflichkeit. Denn schließlich kannte er solche Geschichten von Chris. Immerhin war der nicht nur sein Klassenkamerad, sondern auch sein bester Feund. Chris war rothaarig und hatte eine Menge Sommersprossen im Gesicht. Er war zwar etwas kleiner als Micha, aber dafür hatte er für seine 14 Jahre schon ganz schöne Muckis und Micha konnte sich hinter ihm sicherlich zweimal verstecken.

    Das war ungefähr so..., wie bei einer Doppelbelichtung im Film, sagte Chris und seine hellen blauen Augen leuchteten vielsagend, während er mit gespreizten Fingern einen Halbkreis in die Luft malte. Es waren irgendwie 2 ganz verschiedene Wirklichkeiten, aber gleichzeitig und an der selben Stelle.

    Und was hast du gemacht? fragte Micha und schweifte in seine Gedanken ab.

    Dafür, dass große Ferien waren an diesem wunderschönen Sommertag, schien Micha das Freibad auffallend leer. Die meisten Kinder, dachte er, waren jetzt wohl mit ihren Eltern sonst wohin verreist.

    Zuerst hab ich gedacht, ich träume, sagte Chris und fuhr sich mit den Fingern mehrmals durch seine kurze Bürstenfrisur, aber dann war mir klar, dass esWirklichkeit war.

    Und hast du irgendwelche Leute von der Besatzung gesehen?, fragte Micha und wurde neugieriger. Das war ja das merkwürdige! Von meinem Bett aus war niemand zu sehen!, sagte Chris. Sobald dieses gleißende Licht verschwand, war auch schon die Rampe heruntergeklappt. Ich brauchte nur aus meinem Bett raus und die 2 Schritte bis zur Rampe zu gehen.

    Und warum bist du nicht gegangen?fragte Micha mit einem etwas gelangweiltem Unterton.

    Nun warte es doch ab!, sagte Chris, ich bin ja hingegangen. Aber nicht richtig, nicht mit meinem Körper - irgendwie mehr wie in Gedanken. Mein Körper lag im Bett und ich ging gleichzeitig auf die Rampe zu. Kannst du dir das vorstellen?

    Also hast du doch geträumt. Micha schweifte abermals mit seinen Gedanken ab und beobachtete zwei Mädchen in seinem Alter, die gerade vom Einser nacheinander, mit einem Kopfsprung, ins Becken sprangen.

    Nein, wenn ich's dir doch sage! Chris legte seine Hand auf Michas Schulter. „Ich war vollkommen wach. Die Rampe hatte eine irgendwie glänzende schwarze Oberfläche, die aber so grünlich schimmerte."

    Wie die Mistkäfer, ergänzte Micha ironisch.

    Genau! Chris ließ sich nicht irritieren. Und das Tolle war, das Ufo wartete seelenruhig.

    Auf was?Micha war immer noch misstrauisch.

    Auf mich. Ich kletterte also aus meinem Bett und ging die Rampe hoch... erzählte Chris weiter.

    Also doch? Micha schaute noch gelangweilter daher.

    Was doch! Nein, bloß in Gedanken. Chris schaute ihn eindringlich an, Micha möge ihm doch glauben schenken.

    Hattest du Angst? Micha schaute ihn mit großen Augen an, denn an dieser Antwort war er wirklich interessiert.

    Nee, irgendwie hatte ich das Gefühl, das alles in Ordnung war. Das Ufo war ja nicht feindlich, verstehst du? Chris drehte sich auf den Bauch, stützte sein Kinn auf seine Faust und schaute ins Leere.

    Woher hast du das gewusst, auch Micha drehte nun seinen Rücken der Sonne zu.

    Keine Ahnung. Irgendwie war mir das ganz klar. Als ich oben war, stand da einer direkt vor mir! Chris bekam auf einmal einen ganz ehrfuchtsvollen Gesichtausdruck.

    Wer?! fragte Micha und war jetzt doch etwas interessierter.

    Ein Mensch. entgegnete Chris.

    Ein Mensch?! Klein und grün, mit Antennen auf dem Kopf? Micha schaute ungläubig.

    Ach was, sagte Chris. Er war so groß wie ich, oder halt wie ein Erwachsener. Ganz normal.

    Und was hatte er an?Micha richtete sich auf und kramte in seinem Rucksack, ob sich da noch ein Müsliriegel verbirgt, denn schwimmen machte ihn immer hungrig.

    Er hatte eine Kutte an oder sowas ähnliches. Wie ein  Mönch aus dem Mittelalter. Chris schaute immer noch andächtig ins Leere, als würde er sich ebenfalls an die Gefühle erinnern, die er während dieses Erlebnisses verspürte.

    Ein Mönch in einem Ufo? Micha legte den Rucksack wieder auf die Seite. Er musste sich wohl etwas zu essen kaufen, denn er fand nichts Essbares.

    Ich war auch verwundert. Chris setzte sich auf und verschränkte seine Beine zum Schneidersitz.

    Und sein Gesicht? Wie sah das aus? fragte Micha und schien immer noch interessiert.

    Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen. Es war durch seine Kapuze völlig abgedunkelt. Chris legte sich sein Handtuch über den Kopf, als wolle er seine Erzählung bebildern, sah aber eher wie ein orientalischer Eunuch aus.

    Und was sagte er? Micha war amüsiert und schmunzelte.

    Er begrüßte mich, ohne etwas zu sagen. Chris legte beide Hände übereinander auf seine Brust. Schau, so.

    Chris war aufgestanden und zeigte Micha, wie die Begrüßung ausgesehen hatte. Es wirkte recht feierlich.

    Micha beobachtete 3 Mädchen, die ganz in der Nähe auf einer großen Decke im Schatten einer Birke lagen, sich schubsten und kicherten und immer wieder auf Chris zeigten. Chris war Michas Blick gefolgt und bemerkte das Gekicher.

    So begrüßt man sich intergalaktisch! rief er zu ihnen hinüber und legte sich etwas frustriert wieder auf sein Handtuch. Etwas leiser sagte er:

    Mann, sind die blöd.

    Um von der Bushaltestelle aus nach Hause zu kommen, musste Micha noch ein paar Minuten zu Fuß gehen. Als er in die Eduard-Möricke-Straße einbog, sah er dort zu seiner Verwunderung den alten silbernen Peugeot seines Vaters geparkt.

    Entweder ist das Zufall, dachte Micha, oder Paps will mich zu Hause überraschen und rechnet nicht damit, dass ich hier schon sein Auto entdecke - wobei das letztere wohl das Wahrscheinliche war.

    Alexander saß im Wohnzimmer, bequem zurückgelehnt im Sessel und las eine Zeitung. Überraschung! rief er, als Micha eintrat und grinste, wie über einen gut gelungenen Streich.

    Hallo Paps! So eine Überraschung! Micha ließ seine Umhängetasche einfach fallen und ging schnurstracks auf seinen Vater zu.

    Die Beiden begrüßten sich mit Handschlag und man sah ihnen die Freude an, dass sie sich mal wieder begegneten.

    Na, geht's gut? wollte Alexander wissen.

    Klar. Ich war grad im Freibad. Woher wußtest du, wann ich nach Hause komme?

    Tja, Intuition, mein Sohn, Intuition…nee, quatsch, ich hab mit deiner Mutter telefoniert, sie hat’s mir verraten. Sie sagte auch, dass es wegen dieser Urlaubsvertretung nun doch nicht klappt mit euren Ferien.

    Ach, nicht so schlimm. Zuhause bleiben ist auch okay. erwiderte Micha, während er sich aufs Sofa plumpsen ließ. Alexander setzte ganz vorsichtig an:

    Ich komm momentan leider nicht los vom Geschäft, aber... sprudelte es dann weiter aus ihm heraus, …noch eine kleine Überraschung: wie wär's denn mit ein paar Tagen beim Großvater? Hättest du Lust?

    Doch, das klang ganz gut. Micha antwortete schnell, nicht dass sein Erzeuger es sich nochmals überlegte. Das ist eine tolle Idee. Und wann?

    Micha hatte den Großvater zum letztenmal vor 1 Jahr gesehen, bei Großmutters Beerdigung. Nun bewohnte er ganz allein sein hübsches kleines Häuschen am äußersten Stadtrand, keine 100 m entfernt von einem romantischen Weiher, voller Entengrütze und raschelnder Schilfstengel am Ufer. Ein klappriger Bootssteg mitsamt einem morschen Kahn gehört ebenfalls dazu.

    Jetzt gleich, wenn du magst. Für 14 Tage. Deine Mutter weiß bescheid, sie will dich am Wochende besuchen kommen und Großvater freut sich auch auf dich. Er erwartet uns in einer Stunde zum Kaffeetrinken. Einverstanden?. Alexander holte sein Handy aus der Hosentasche und hielt es Micha entgegen: „Hier, ruf sie kurz an, sie möchte dir kurz sagen, was du alles einpacken sollst."

    Wow, super.

    Micha freute sich ehrlich und nahm das Handy, um sich von seiner Mam anzuhören, dass er auch jaa nicht die Zahnbürste vergessen soll und auch genügend Unterhosen einpackt.

    Er brauchte keine zehn Minuten, um seine sieben Sachen zusammen zu bringen und stand auch schon wieder im Türrahmen mit Rucksack um die Schulter gehängt und Baseballmütze auf dem Kopf.

    Jetzt hab' ich mich aber für morgen mit Chris im Freibad verabredet. fiel Micha noch ein und gab sich dabei einen Klapps auf die Stirn.

    Ruf ihn an und sag ihm, dass du für 14 Tage fort bist. Außerdem kann er dich ja mal besuchen, wenn er mag. erwiderte Alexander und erhob sich aus seinem Sessel.

    Hat Großvater noch seinen Kater? wollte Micha wissen.

    Ich glaube schon.

    Und der Kahn ist auch noch da? rief Micha sichtlich aufgeregt.

    Sicher. Alexander kramte in seinen Hosentaschen, offensichtlich nach den Autoschlüsseln.

    Toll, können wir? sagte Micha.

    „Klar".

    Als der alte Peugeot vorm Haus des Großvaters hielt, dachte Micha: es scheint sich nichts verändert zu haben. Nun ja, ein bisschen mehr Efeu rankte am Haus und das  Fachwerk war renoviert und neue weiße Farbe schien auch an den Außenwänden zu sein. Die Hecke, die wohlgestutzt den kleinen Rasen mit den zwei alten Kastanien vor dem Haus umsäumte, ist auch etwas höher geworden. Grovaters Haus war ein altes, freistehendes Fachwerkhaus, hatte zwei Stockwerke und eine kleine Scheune daneben, die als Garage genutzt wurde. Das Haus war bestimmt schon 300 Jahre alt, so hatte es Großvater zumindest erzählt. Der Eingang war etwas erhöht und man musste eine Treppe benutzen, um ins Innere zu gelangen. Micha sah einen Mann im Garten werkeln, mit einer blauen Latzhose an und einem Strohhut auf; er war sicherlich schon so alt wie Grovater und er hatte eine Menge Falten im Gesicht. Seine Haut war braungbrannt und wirkte ledrig und an seinen Händen sah man, dass er in seinem Leben schon viel gearbeitet hat. Er kniete vor der Hausstürtreppe und stutzte gerade einen Strauch, während der Großvater im Türrahmen stand und sich mit ihm unterhielt.

    Da ist Harry, der Gärtner, sagte Alex, während er den Motor abstellte, erinnerst du dich noch an ihn?

    Klar doch. Micha nickte und holte seinen Rucksack vom Rücksitz.

    Und er scheint nüchtern zu sein, grinste Alex, dabei ist es schon fast 3 Uhr.

    Meinst du Großvater, Paps?! Micha schaute erstaunt auf und hielt in seiner Bewegung inne.

    Quatsch. Ich meine Harry! lachte Alexander.

    Zu mir hat Harry mal gesagt, dass es kein Mensch merkt, ob er was getrunken hat oder nicht. sagte Micha und stieg aus dem Auto.

    Der Großvater war ihnen auf halbem Weg entgegen gekommen und begrüßte Sohn und Enkel mit einem freundlichen Lächeln. Der Grovater hatte schon 65 Jahre auf dem Buckel, aber man sah es ihm gewiss nicht an. Er schien sich in den letzten zwei Jahren nicht verändert zu haben, außer dass die wenigen kurzen Haare, die seine Glatze umsäumten, noch weißer geworden sind. Er hatte einen sehr aufrechten Gang und man sah ihm an, dass er bis ins hohe Alter sportlich aktiv gwesen ist. Kein Bierbauch und kaum Falten im Gesicht und zudem ein sehr gepflegtes Äußeres. Sein Vollbart war sauber gestutzt und auch hier gab es nur noch einige dunkle Strähnen, ansonsten war der Bart fast weiß. Dass er in seinem Alter Jeans und T- Shirt trug, war Micha schon immer sympatisch gewesen.

    Fein, sagte der Großvater, dass es geklappt hat. Wie schön, euch beide zu sehen.

    Und als er Micha die Hand gab, sagte er:

    Wie kann man in einem Jahr bloß so wachsen? Er musterte Micha von oben bis unten.

    Ist doch normal, oder? wollte Micha wissen, der gerade noch ein halben Kopf kleiner als sein Großvater war.

    Ja, wo bleibt ihr denn? unterbrach Mimi die Begrüßungsrituale, sie war Großvaters Hausgehilfin und erschien im Tührrahmen.Erst mal Grüßgott ihr zwei, der Kaffee wird doch kalt. Kommt durchs Haus nach hinten auf die Terrasse, ich habe dort gedeckt. Während sie das sagte, schüttelte sie jedem der beiden ausgiebig die Hand.

    Mimi war so etwa Mitte 50 und äußerst korpulent, aber das musste wohl daran liegen, dass sie so gut kochte. Sie hatte schwarze Haare und die waren immer streng nach hinten zusammengebunden, zumindest immer wenn Micha sie sah. Sie hatte auch immer eine Schürze an und mit ihren kräftigen Armen konnten sie es sicherlich mit einem Gorille aufnehmen. Oh, und sie konnte so viel reden, ohne Unterlass. Und manchmal wurde sie ganz rot in ihrem runden Gesicht, besonders wenn sie sich über jemanden aufregte. „Na ja, irgendwie hatte sie einen guten Kern, dachte Micha „und außerdem ist Großvater gut versorgt.

    Oh, was für eine besondere Ehre, meinte Harry, der nun auch herbei gekommen war,  wie geht's denn so?

    Danke, und selber? Alex hatte das Antworten übernommen.

    Na, Linus, altes Haus…? sagte Micha, indem er sich neben den schwarzweiß gefleckten Kater kniete, der eben - wie zufällig - vorbeikam, um den neuen Besuch zu begutachten. …hast du alles im Griff? Linus der Kater hatte eine weiße und eine schwarze Gesichtshälfte, was an eine Karnevalsmaske aus Venedig erinnerte. Er müsste schon mindestens so alt sein wie Micha, wenn nicht sogar älter. Aber das sah man ihm nicht an, außer dass er halt sehr groß und nicht gerade schlank war. Micha kennt diesen Kater seit er denken kann, er war schon immer da.

    Kinder, nun kommt doch bitte. Der Kaffee! rief Mimi noch einmal.

    Wenn du einen Kaffee möchtest, rief Mimi zu Harry dem Gärtner hinüber, dann musst du jetzt die Heckenschere weglegen.

    Wieso duzt die den! fragte sich Micha, sind die verheiratet?

    Ich überleg' mir's noch, brummelte Harry und nahm seine Schnipselei wieder auf, während die Gesellschaft im Haus verschwand.

    Mimis Kuchen war wirklich sehr gut, fand Micha. Sie saßen an einem großen runden Tisch mit grüner Tischdecke unter einer großen alten Linde, die soviel Schatten spendete, dass eine ganze Hochzeitsgesellschaft darunter Platz gefunden hätte.

    Micha konnte es zwar überhaupt nicht leiden, allein unter so vielen Erwachsenen zu sein und auch ihr Geschnatter ging ihm tierisch auf den Geist - wie er fand -, aber er musste sich diesmal wohl damit abfinden. Viel lieber hätte er sich, wie Großvaters Kater, in ein ruhigeres Zimmer verdrückt und mit seinem Gameboy gespielt. Aber seinem Vater zuliebe und auch, weil er seinen Großvater nicht kränken wollte, blieb er sitzen.

    Inzwischen hatte sich auch Harry, der Gärtner, am Tisch eingefunden. Er erzählte stolz, dass er neuerdings die Bewohner der Goldberg-Villa, oben in der Brahmsallee, zu seinen Kunden zählte.

    Micha kannte dieses Haus; er war oft genug mit seinem Skateboard durch die Brahmsallee gefegt. An der Goldberg-Villa musste er links abbiegen, um das Haus des Großvaters zu erreichen. Diese Villa machte immer einen irgendwie verschlossenen, abweisenden Eindruck auf ihn; er konnte sich nicht erinnern, je einen Menschen dort gesehen zu haben. Auch den Garten mit den alten Bäumen hinter dem Haus hatte er als menschenleer in Erinnerung.

    Im ersten Stock ist noch immer diese Anwaltskanzlei, erzählte Harry während er eifrig Kuchen aß, aber seit das Erdgeschoss von einer Ballettschule gemietet wurde, soll es angeblich schon mal richtig in dem Haus gespukt haben, die letzten Worte sprach Harry sehr leise aus, beinahe flüsternd.

    Häh? dachte Micha, was ist denn das für ein dummes Zeug.

    Aber er schwieg höflich und trank brav seinen Kakao, den Mimi immer schon obligatorisch für ihn machte, wenn die Erwachsenen Kaffee tranken.

    Als hätte Harry Michas Gedanken erraten, fügte er erklärend hinzu:

    Das hat mir jedenfalls Dr. Schulze erzählt. Harry ließ sich von Mimi noch ein Stück Kuchen auf den Teller befördern.

    Tatsächlich? fragte Alex interessiert und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Kaffeetasse, und Micha spürte, dass sein Vater das Gleiche dachte wie er.

    "Ja, allen Ernstes. Sein Bruder, der andere Dr. Schulze, war einmal ziemlich spät noch in der Kanzlei. Er war ganz allein im Haus. Da hörte er aus dem Erdgeschoß, aus den Räumen der Ballettschule, Geräusche wie von einer lustigen Party mit vielen Menschen. Es ließen sich sogar einzelne Stimmen unterscheiden, und auch Gläserklirren.

    Aber es konnte, wie gesagt, eigentlich niemand dort unten sein, denn zu dieser Zeit machte die Ballettschule Sommerferien. Und wenn sie eine Party gegeben hätten, dann hätten sie das vorher bestimmt gesagt.

    Na jedenfalls, der Anwalt war so verblüfft, dass er hinunterging, um nach dem Rechten zu sehen. Aber als er die Treppe halb heruntergestiegen war, verstummte der Lärm. Er klingelte und klopfte bei der Ballettschule - die haben das Erdgeschoss gemietet -, aber niemand öffnete. Auch war die Tür sorgfältig verschlossen. Er holte die Reserveschlüssel und ging durch alle Räume. Aber es war niemand zu sehen, nichts zu hören. Kein Licht brannte. Es war alles ganz ruhig. Ist das nicht seltsam? Harry nahm einen Schluck aus seiner Tasse und wischte sich dann mit seinem Handrücken über den Mund. „Lecker der Kaffee,  sagte er zu Mimi „ und der Kuchen ist auch wie immer…  „…köstlich… ergänzte der Großvater.

    Und wie ging es weiter? wollte Micha von Harry wissen und zog ihn am Ärmel.

    Nichts weiter, sagte Harry, das war alles. Der Lärm ist seitdem nicht mehr aufgetaucht, und es gibt auch überhaupt keine Erklärung dafür, sagen die Anwälte.

    In dieser Villa, erzählte der Großvater, hatten sich in den letzten Kriegsjahren die Nazis einquartiert. Da wurden viele Feste gefeiert.

    Da ging es zu wie...  das war bekannt, ergänzte Harry, und es sollen dort sogar Menschen spurlos verschwunden sein, in dieser Villa, sagte er orakelhaft und mit hochgezogenen Augenbrauen, und sie haben damals auch diesen Schießplatz angelegt, unten beim See. Ich kann mich noch genau erinnern. Als kleiner Junge habe ich dort zugesehen. Haben eine Menge Erde bewegt damals. Hab mich immer ziemlich gewundert, woher all diese viele Erde kam.

    Micha fiel es schwer, sich den alten Gärtner als einen neugierigen kleinen Jungen vorzustellen.

    Aber mittlerweile ist von dem alten Schießplatz nichts mehr zu erkennen. Alles wieder zugewachsen, sagte der Großvater, heute stehen dort wieder Bäume, die inzwischen auch schon über 50 Jahre alt sind.

    Und die Leute, die früher in der Villa gewohnt haben, vor dem Krieg, was ist aus denen geworden? fragte Alex.

    Die wurden fast alle ermordet. Der alte Goldberg noch ganz kurz vor Kriegsende, sagte Mimi, die unaufgefordert Kaffee nachschenkte heute gehört das Haus einer Erbengemeinschaft in Amerika, glaube ich.

    "Woher weiß die das denn", dachte Micha.

    Hat sich noch nie einer von denen hier sehen lassen, ergänzte Harry, der sich inzischen satt zurückgelehnt hat und die Hände zufrieden über seinem stattlichen Bauch verschränkte. aber verdenken kann man's ihnen nicht.

    Warum hat mir das Großpapa nicht früher erzählt? überlegte Micha. Als er vor etwas über einem 1 Jahr hier war, stand das Haus gerade leer, jedenfalls das Erdgeschoss, und Micha war irgendwann einmal durch den verwilderten Garten geschlichen, hatte die beiden riesigen Linden bewundert, die so gut versteckt hinter der dichten Zypressenhecke standen, und er hatte neugierig durch die Fenster ins Parterre der düsteren Villa gespäht.

    Was er dort suchte, wusste er eigentlich selbst nicht so recht, aber er empfand das Grundstück als einen wunderbaren Abenteuerspielplatz.

    Vielleicht, wenn ich mich rein getraut hätte, dachte er, hätte ich dort noch irgendwas gefunden... ein paar alte Patronenhülsen oder eine vergrabene Pistole, oder auch einen Schatz, so einen Nazischatz aus lauter Goldbarren und alten Banknoten und wichtigen Dokumenten.

    Ob du noch ein Stück Kuchen willst, fragt dich Mimi, sagte Alex.

    Nein danke. winkte Micha ab.

    Gern hätte Micha noch etwas mehr über diese Geistervilla erfahren, aber niemand verlor mehr ein Wort darüber. Und fragen wollte er auch nicht. Schließlich sollte der  Großvater ihn nicht für neugierig halten.

    Interessant wurde die Unterhaltung der Erwachsenen erst wieder, als Harry aus seiner Jackentasche ein abgenutztes Schreibheft hervorzog und daraus mit wichtiger Miene vorlas, denn Alex hatte ihn soeben nach seinem Hobby, den alchimstischen Studien, gefragt.

    Geheimnisvoll orakelnd las Harry, wobei er seine Lesebrille auf der Nasenspitze balancierte:

    Durch stete ordentliche Abwartung und Regierung des Feuers, wird die einzige Universalmateria, in einem einzigen Gefäß und Ofen, durch eine einzige Regierung des Feuers, putrificieret, regenerieret und perficiret. Darf also der Laborant anders und weiters nichts thun, als dass er, neben Abwartung des Feuers, Gott um seinen Segen und Benedeyen bitte.

    Harry klappte sein Heft zu und sah mit bedeutungsvoller Miene in die Runde. Der Großvater schwieg.

    Also, um ehrlich zu sein, es klingt etwas seltsam, sagte Alex.

    "Die Alchemisten haben nur so seltsam gesprochen", sagte der Großvater, wie um Harry zu entschuldigen; der schien sich ein bisschen unverstanden.

    Micha wusste, dass der Großvater sich mit seltsamen Dingen beschäftigte, wie Mystik und Kabbala; und er hatte keine Ahnung, worum es dabei eigentlich ging. Auch waren ihm seit einem früheren Aufenthalt Großvaters Astrologiestudien bekannt; aber Harrys Alchemie - das war ihm ganz neu.

    Und außerdem, wenn Micha sich recht erinnerte, bezeichnete Harry sich als so eine Art Lehrling oder Schüler vom Großvater - obwohl sich Micha so einen alten Schüler wie den Gärtner eigentlich gar nicht denken konnte: 'Harry, wieviel ist 3 plus 4 ?' '8 ?' 'Falsch! Setzen! Das gibt einen Eintrag ins Klassenbuch wegen fortgesetzter Trunkenheit!'

    Aber warum haben sie das denn gemacht, so seltsam zu reden, wenn sie dann keiner versteht? fragte Micha neugierig.

    Eben deshalb. antwortete Harry und fuhr fort: „Um ihre Erfahrungen miteinander auszutauschen, ohne dass sich jemand Unberufener einmischen konnte."

    Wer sollte sich denn da einmischen?, wollte Micha weiter wissen.

    Tja, sagte Harry, die Alchemisten haben den Stein der Weisen entdeckt. Und mit dem muss man natürlich ziemlich vorsichtig umgehen, denn er besitzt Wunderkräfte.

    Wunderkräfte? echote Micha und seine Augen waren weit geöffnet.

    Es erstaunte ihn gar nicht, dass er so urplötzlich in eine Art Unterrichtsstunde hineingerutscht war, beim Kaffeetrinken - und mitten in den Ferien noch dazu. Das war auch schon früher so gewesen, aber merkwürdigerweise hatte Micha sich nie daran gestört, denn der Großvater sprach mit ihm meistens über Sachen, die in der Schule nicht unterrichtet wurden.

    'Die wirklich wichtigen Dinge', pflegte er mit einem Augenzwinkern zu sagen, 'lernt man nicht in der Schule'.

    Nur, dass Harry jetzt auch schon anfing, wie der Großvater zu reden, das störte Micha allerdings.

    Immerhin hat einer von denen, welche diese alchymistischen Symbole wörtlich genommen haben, das Porzellan erfunden, ein gewisser Herr Böttger, sagte Harry zu Micha gewandt und mit erhobenem Zeigefinger, der die Wichtigkeit dieser Aussage untermalen sollte, wie ein Oberlehrer.

    Weiß ich. Hatten wir schon in der Schule. Aber hat er denn das Porzellan aus lauter Symbolen gemacht? fragte Micha.

    Aus symbolischer prima materia. fiel nun der Grovater ein. Und er fuhr fort: „ Böttger hat lange herumgerätselt, was die materia prima  nun wirklich ist. Denn man hatte alles Mögliche vermutet - dass es vielleicht Quecksilber oder Blei oder Gold sei. Sogar Blut, Essig und Schwefel hatten die ‘Sudelköche’ in  Verdacht".

    „Was denn für Sudelköche?" wollte Micha jetzt wissen.

    „Als ‘Sudelköche’ verspottete man jene Materialisten, welche die alchemistischen Anweisungen wörtlich nahmen und in Laboratorien damit experimentierten." erwiderte der Großvater.

    Und was war diese prima materia nun wirklich? wollte Micha weiter wissen.

    Möchte noch jemand Kaffee? fragte Mimi mit der Kanne in der Hand, denn ihr war die Alchemie völlig egal.

    Ich, bitte, sagte Alex und hielt ihr seine Tasse entgegen.

    Der Großvater lehnte sich in seinem Gartenstuhl bequem zurück, faltete die Hände im Schoß und fuhr fort:

    Du weißt, woraus Materie besteht?

    Welche Materie? Micha fragte sich worauf sein Großvater hinaus wollte.

    Ganz allgemein Materie. erwiderte der Großvater und schien mit seinen Händen eine Kugel anzudeuten.

    Aus äähhh... Elementarteilchen? erzählte Micha.

    Genau. Das Merkwürdige daran ist ja, dass diese Elementarteilchen aus der Sicht der Physiker mal als Teilchen und mal als Strahlung wahrgenommen werden. Als Teilchen erscheinen sie ihnen als Materie, ansonsten als reine Energie.

    „Und was ist in diesem Fall mit ‚Energie’ gemeint?" wollte Micha wissen.

    „Tja, für einen Wissenschaftler ist Energie etwas, das sich messen und verarbeiten lässt. Für einen Mystiker ist Energie dagegen eine Erscheinungsform des Geistes. Um aber auf deine Frage zurückzukommen nach der materia prima, kannst du dir jetzt denken, was es sein könnte?"Großvater sah Micha fragend an und hob dabei die linke Augenbraue.

    Keine Ahnung. Eine Art Energie? Ich weiß - meinst du vielleicht 'Geist'? Micha schaute unsicher.

    Volltreffer. Der Großvater klatschte in die Hände.

    Aber woher haben denn die Alchemisten gewusst, also die Schlauen, meine ich, nicht die Sudelköche... Michas Neugierde war ehrlich.

    Auch die Sudelköche haben mit 'Geist' experimentiert, allerdings... ohne es zu wissen. Unterbrach ihn der Großvater.

    Also gut. Aber woher hat man das damals schon gewusst, das mit dem Geist? fragte Micha immer noch sehr interessiert.

    Nun, die Weisen jener Zeit sind nicht den Weg der Rationalisten gegangen, so wie wir heutigen Menschen, sondern sie gingen den Weg der Philosophen und Mystiker. Und sie sind schon 1000 Jahre vor Newton ans Ziel gekommen - und der hielt das Universum immer noch für eine gewaltige Maschine. Großvaters Stimme war immer sehr ergreifend wenn er über solche Dinge sprach und seine Gesten hatten etwas Theatralisches.

    Darf der Kater ein bisschen von der Schlagsahne haben? fragte Mimi, und als sie Großvaters Blick bemerkte: keine Angst, ich will ihm nicht die ganze Schüssel geben. Ich weiß, dass er zu fett ist.

    Micha erkannte sofort, dass die Unterhaltung eine Richtung nahm, die Mimi nicht gefiel.

    Was war denn das für ein Weg der Philosophen? fragte er deshalb sehr interessiert.

    "Man muß sich die Denker jener Zeit nicht so vorstellen wie unsere Philosophen heutzutage, für die eine Philosophie 'wissenschaftlich', rational und beweisbar sein muss, damit sie akzeptiert werden kann. Damals war die philo-sophie, die Liebe zur Weisheit, okkult; man musste seine rechte Gehirnhälfte einschalten, um zu verstehen."

    „Häh, was für eine Hälfte?" erkundigte sich Micha.

    Die Mystiker, ergänzte Alex, benutzen eher ihre rechte Gehirnhälfte, die Verstandesmenschen dagegen benutzten die linke.

    Oh, dachte Micha, jetzt kommt auch noch Biologie.

    Und wer benutzt beide, ich meine, wenn wir schon zwei Hälften haben? fragte Mimi höflich interessiert.

    Gute Frage. Ich würde sagen... kaum einer. raunte Großvater aus seinem Bart heraus und nahm noch einen Schluck Kaffee.

    Aber wozu gibt es dann eine rechte und eine linke Hälfte? fragte Micha, seinem Großvater zuliebe. Denn auf Biologieunterricht hatte er eigentlich keinen Bock, schließlich waren ja Ferien.

    Unsere Welt ist überall polarisiert, wohin man sieht. Sogar der Mensch ist es, sagte Harry bedeutungsvoll und hielt wieder seinen Zeigefinger in die Luft, warum also nicht auch sein Gehirn?

    Wenn Harry mein Lehrer wäre, überlegte Micha, würde ich ihm bestimmt nicht zuhören. Schon weil er mich so an diesen beknackten Mathelehrer erinnert, der hält auch immer den Zeigefinger in die Luft... und laut fragte er:

    Wo zum Beispiel ist die Welt polarisiert?

    Überall. In positiv-negativ zum Beispiel, oder aktiv-passiv, Tag und Nacht..., sagte Harry und verschränkte wichtig die Arme vor der Brust.

    Heiss und kalt?, sagte Micha.

    Genau, meinte der Großvater, für jedes Bewusste ein Unbewusstes, für jedes Rationale ein Irrationales.

    Das verstehe ich. Micha schaute in seine leere Kakaotasse, aber mehr zum Nachdenken, als würden die skurilen Überbleibsel des Kakaos in der Tasse irgendwelche Zeichen darstellen.

    Jetzt stell dir einmal vor, die Erkenntnisse so eines altertümlichen Philosophen ließen sich nur in Symbolen darstellen, die er als Vertikaldenker aus dem Bereich des Horizontaldenkens entnehmen muß... Der Großvater schwang seine Hand in einem Halbkreis über dem Tisch, als würde er eine weite Ebene andeuten.

    Was meinst du denn mit Horizontaldenken, Großpapa?

    "Ein Mensch, der nur für wahr hält, was er begreifen kann, also im Sinne von ‚Anfassen’, meine ich, den nenne ich einen Flach- oder Horizontaldenker. Für den ist nur wirklich, was seine fünf Sinne ihm vermitteln, weil er nämlich nicht in Symbolen denken kann.

    Kannst du mir ein praktisches Beispiel sagen? Micha war nun doch neugierig geworden.

    Denk nur an Homer. Seine Abenteuer des Odysseus waren und sind die weisesten philosophischen Erkenntnisse und Anleitungen zum Thema 'Evolution des menschlichen Bewusstseins', die man sich denken kann - symbolisch verpackt in eine Sage, dessen Symbolgehalt heute keinen Menschen mehr interessiert, weil ihn keiner mehr versteht. Oder denk an unsere Kartenspiele, Skat und Rommé usw. Einst wurde in ihnen das Wissen um den göttlichen Bauplan der Welt niedergelegt. Heute, in ihrer Sparversion, sind sie nur noch zum Zocken gut.

    3

    Nachdem Alex schon längst wieder in die Stadt zurück gefahren war, saß Micha allein im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Draußen in der Küche spülte Mimi das Abendbrotgeschirr und bereitete das Frühstück für den kommenden Tag für Großvater und Micha vor, ehe auch sie nach Hause ging.

    Harry, der Gärtner, war als erster verschwunden, denn er hatte seiner Frau versprochen, heute keine Überstunden zu machen.

    Micha stieg schließlich die schmale, knarrende Treppe zu Großvaters Arbeitszimmer im oberen Stockwerk hinauf. Im Haus war überall Holz verarbeitet. Es gab viele Balken, die die Decken trugen und auch die Böden waren mit Holzdielen ausgestattet und mit schönen Läufern und Teppichen belegt. Das machte das Haus lebendig, denn überall knarrte und  ächzte es, wenn man sich bewegte. Micha klopfte an die massive Holztür zu Großvaters Zimmer.

    Hereinspaziert sagte Großvater. Er saß an seinem alten Schreibtisch aus dunklem Holz, über ein Buch gebeugt und hob nur kurz die Augenlieder, um dann gleich wieder in dem Buch zu blättern und den Finger über die Zeilen gleiten zu lassen, als ob er etwas Bestimmtes suchte.

    Micha trat ein und schaute sich im Zimmer um. Da waren so viele geheimnisvolle Utensilien, wie kleine Steinpyramiden auf dem Fenstersims, oder kleine goldene Bhuddas auf einer kleinen dunklen Kommode, die mit ihren vielen Schnörkeln und Schnitzereien ein echtes Schmuckstück war. Das ganze Haus war mit teilweise fremdländischen aber durchweg antiken Möbeln, die Großvater im Laufe seines Lebens gesammelt hatte, ausgestattet. An den Wänden hingen diverse Bilder ‚alter Meister’, wie Großvater sie immer nannte. Da war auch ein Bücherregal in Großvaters Arbeitszimmer, das eine ganze Wand eunnahm und wo tausende Bücher ein Zuhause gefunden haben. Aber trotz allem  konnte Micha auch einen Computer ausmachen, denn auf dem Schreibtisch befanden sich eine Tastatur und ein Flachbildschirm. 

    Ich habe Linus hinausgelassen. Er saß die ganze Zeit vor der Tür und sah mich an. Ist das in Ordnung? wollte Micha wissen.

    Klar doch. Und wie war nun 'der Frosch mit der Maske'?, fragte Großvater, ohne von seinem Buch aufzublicken.

    Ach, ziemlich bescheuert. Und uralt. winkte Micha ab. „Du wolltest mir noch ein Geheimnis verraten." fragte Micha den Großvater.

    Ja richtig. Mach's dir bequem. Großvater zeigte auf einen Stuhl der so aussah, als hätte er einmal bei Napoleon im Schlafzimmer gestanden. Viele Schnitzereien auf der Rückenlehne und sogar Goldknöpfe auf den dunkelblauen Polstern.

    Micha räumte einen Stapel Bücher vom Stuhl und setzte sich. Nach dem aufgeregten Lärm des Fernsehfilms horchte er auf die Stille dieses Raumes, in dem nur das langsame, gleichmäßige Ticken der alten Pendeluhr an der Fensterwand zu vernehmen war.

    Wie du weißt , sagte der Großvater, indem er seine Brille abnahm und sich in seinen Sessel zurücklehnte, befindet sich die Menschheit mitten im Übergang vom Fische- zum Wassermannzeitalter - und dieses neue Wassermannzeitalter wird etwas mehr als 2.000 Jahre dauern.

    Micha nickte.

    Jedes neue Jahrtausend, fuhr der Großvater fort, "stand bisher symbolisch für einen Schritt in der Entwicklung der Menschheit: vor 5.000 Jahren wurden beispielsweise die Münzen als Zahlungsmittel erfunden, vor 4.000 Jahren entwickelte man die Schrift, vor 3.000 Jahren verehrte man die Götter des Olymp, vor 2.000 entstand das Christentum, vor 1.000 Jahren baute man die

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