Der Hunsrück: Ein Erlebnisbericht
Von Georg Schröder
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Über dieses E-Book
Auf meinen Wanderungen wurden Geschichte und Geschichten aus längst vergessener Zeit wieder Lebendig. Dabei begegneten mit der Schinderhannes ebenso wie Hildegard von Bingen. Am Schluß wurde es eine Reise zu mir selbst.
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Buchvorschau
Der Hunsrück - Georg Schröder
Prolog
Eine Woche lang nehme ich mir Zeit, um den Hunsrück mit dem Auto und zu Fuß zu erkunden. Im Jahre 2005 war ich schon einmal für längere Zeit dort, als Rettungsassistent im Praktikum. Damals wäre ich an der Masse menschlichen Leids mit der konfrontiert wurde, beinahe seelisch zerbrochen, wollte nie wieder dort hin.
Doch etwas scheint mich magisch anzuziehen. Ich will mehr wissen über diese Gegend, die ich vor sechs Jahren nur durch die Windschutzscheibe eines Rettungswagens gesehen habe.
Start im Morgengrauen
Langsam steigt die Sonne hinter den Bergen empor. Nebel hüllt das Rheintal ein und taucht die Umgebung in ein magisches Licht. Es verspricht ein sonniger Tag zu werden.
Ich beginne meine Reise in Koblenz, am Deutschen Eck. Hier am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, befindet sich der nordöstlichste Zipfel des
Hunsrück. Kaum jemand kennt diese Gegend wirklich und nur ganz wenige wissen um seine landschaftlichen und architektonischen Schätze.
Den Kern des Hunsrück bilden die Hunsrückhochfläche und die Simmerner Mulde. Im Nordwesten wird er von der Mosel und im Osten vom Rhein eingegrenzt. Der Binger Wald, der Soonwald und der Lützelsoon grenzen nach Süden ab. Das untere Naheland, der Hochwald und der Wildenburger Kopf schließen nach Südwesten an.
Hier ist das obere Nahebergland dem Hunsrück vorgelagert. Osburger Hochwald, Schwarzwälder Hochwald, sowie Saar und Ruwer begrenzen nach Westen. Die südliche Verlängerung bilden der Westrich und das Nordpfälzer Bergland.
Vor 400 Millionen Jahren war das heutige Mitteleuropa von einem tropischen Meer bedeckt. Auf dessen Boden lagerten sich im Laufe sehr langer Zeiträume dicke Schichten von eingespülten Sandmassen und Schlämmen ab, die von den umliegenden Landmassen ins Meer erodiert wurden. Ihr Eigengewicht verfestigte sie zu Gesteinen. Aus den Sanden wurden die so genannten Diagonese Sandsteine, die durch Druck und Auflast weiter zu Quarzit umgewandelt wurden. Der eingespülte Schlamm, bzw, Ton wandelte sich zu Tongestein und durch Druck und Deformation, ausgelöst durch tektonische Prozesse, zu Schiefer um.
Nachdem kontinentale Hebungen das Meer zurückgedrängt und die so genannte Hunsrückinsel des Devonzeitalters zu einem Gebirge aufgewölbt hatten, setzte die Verwitterung ein. Niederschläge, Frost und Hitze präparierten die harten Quarzite aus den weicheren Tonschiefern der umliegenden Hochflächen heraus. So entstand das gegenwärtige Relief mit den quarzitenen Höhenzügen von Schwarzwälder und Osburger Hochwald, Idarwald, Soonwald und Binger Wald. Als höchster Punkt der Hunsrücklandschaft dominiert der 816 Meter hohe Erbeskopf und bildet zugleich die Wasserscheide zwischen Nahe und Mosel.
Der Erzabbau im Hunsrück war wenig ergiebig. Die letzten Bergwerke wurden in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geschlossen. In Fischbach wurde Kupfer abgebaut. Im Raum Idar- Oberstein wurden Schmucksteine wie Achate, Amethyst, Japsis und Bergkristal gefördert.
Zu Beginn des Jahres 2009 sorgte der Hunsrückschiefer durch den spektakulären Fund eines Fossils für großes Aufsehen. Im Eschbach- Bocksberg Steinbruch in Bundenbach wurde das bisher einzige Exemplar des so genannten Schinderhannes Bartelsi gefunden. Die Entdeckung des 400 Millionen Jahre alten Fossils aus dem Unterdevon war völlig unerwartet, denn zuvor waren ähnliche Fossilien nur aus kambrischen Fossillagerstätten bekannt die etwa 100 Millionen Jahre älter sind als der Hunsrückschiefer. Schinderhannes Bartelsi ist ein entfernter Verwandter der Anomalocarieden, Organismen von denen man annimmt, dass sie mit den Gliederfüßlern verwandt sind. Sie waren etwa 10 Zentimeter lang, hatten ein segmentiertes Exoskelett mit seitlichen Loben zum Schwimmen und große Facettenaugen. Am auffälligsten ist ein Paar klauenähnliche Anhänge von denen man annimmt, dass sie die Nahrung dem Mund zugeführt haben.
Benannt wurde das Fossil nach dem Räuber Schinderhannes, der in der gleichen Gegend sein Unwesen trieb. Das Namensepithet Bartelsi ehrt Christoph Bartels, einen Experten für Fossilien aus dem Hunsrückschiefer. Das Exemplar befindet sich jetzt im Naturhistorischen Museum in Mainz.
Die Hunsrückhöhenstrasse
Seit es mich im Herbst 1989 ins Rheinland verschlagen hat, übt der Hunsrück eine große Faszination auf mich aus. Mit seinen Tälern, Hügeln und Wäldern, sowie den wie verwunschen da liegenden Fachwerkdörfern, erinnert er mich an meine thüringische Heimat.
Einen Moment lang schließe ich die Augen und sehe vor meinem geistigen Auge die Menschen, deren Schicksale mit dieser Gegend unmittelbar verknüpft sind.Ich sehe die Kelten, die diese Gegend bevölkerten, sehen die Heere der Römer, der Franzosen, Preussen und Amerikaner denen der Hunsrück als Durchzugs- und Aufmarschgebiet diente. Die Grafen von Sponheim, Namen wie Schinderhannes und Hildegard von Bingen kommen mir in den Sinn. Es scheint, als wolle mir der Hunsrück ein Geheimnis offenbaren. Also mache ich mich auf den Weg.
Trotz der frühen Morgenstunde herrscht bereits Hochbetrieb. Aus dem Umland strömen die Pendler in die Stadt, Reisebusse laden ihre Besuchergruppen aus, die ersten Cafes und Geschäfte öffnen. An der Ufermauer, nahe dem Deutschen Eck liegen drei große Flusskreuzfahrtschiffe vertäut.
Ich starte den Wagen und fädele mich ein in den dichten Verkehr. Zunächst folge ich der B- 9 in Richtung Boppard- Lahnstein, ehe mich die Hochtrasse des Zubringers auf die B- 327 in Richtung Hermeskeil führt. Ich fahre nun auf der Hunsrückhöhenstrasse, die im wesentlichen der B- 327 und der B- 407 folgt. Sie führt von Koblenz über Emmelshausen, Kastellaun, Kappel, Morbach, Thalfang, Hermeskeil, Reinsfeld, Kell am See bei Trier über Zerf nach Saarburg.
Die Hunsrückhöhenstrasse wurde in den Jahren 1938 und 1939 auf Befehl Herrmann Görings in kürzester Zeit durch die Organisation Todt, als militärisch- strategische Aufmarschstrasse zur deutsch- französischen Grenze und zum Westwall gebaut. Anschließend legte man in den Wäldern entlang der Strasse Nachschubdepods an. Im Bereich des Truppenübungsplatzes Kastelaun wurde ein Feldflugplatz angelegt. Dabei wurden viele keltische Hügelgräber entdeckt, die meisten jedoch zerstört.
Nach der Fertigstellung- 140 Kilometer in 100 Tagen- wurde die Strecke erst als Hunsrückstrasse, dann als Reichsstrasse 327 bezeichnet. Sie folgt zum Teil einer alten römischen Militärstrasse, die von Augusta Treverum (Trier) über Noviomagnus, (Neumagen- Drohn) nach Belginum (bei Wenderath) führte. Dort zweigte eine Trasse nach Osten ab, die über Dumnissus (Kirchberg) und Binginum (Bingen) nach Mogutraum (Mainz) verlief. Diese Strasse ist in der römischen Strassenkarte des 4. Jahrhunderts, der Tabula Peutigerinum, eingezeichnet. Geradeaus ging es weiter nach Bell. Von dort führte ein Weg über Beltheim, Sevenich und Schöneck in Richtung Koblenz, ein anderer nordöstlich nach Gamelshausen und Braunshorn nach Boppard. Der römische Dichter Decimus Magnus Ausonius erwähnte diese Strasse in seinem Gedicht Mosella, weshalb sie heute noch Ausoniusstrasse oder Ausoniusweg genannt wird.
Steil windet sich die Straße bergauf, eingerahmt von dichtem Laub- und Mischwald. Über Waldesch, Pfaffenheck, vorbei an Udenhausen, Kratzenburg und Halsenbach, geht es nach Emmelshausen, meinem ersten Ziel.
Die Stadt Emmelshausen ist mit rund 4700 Einwohnern Verwaltungssitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde und staatlich anerkannter Luftkurort. Bereits Ende des 13. Jahrhunderts befand sich auf dem Gebiet des heutigen Emmelshausen eine gleichnamige Siedlung. Im Jahre 1314 gelangte sie vom Reich als Pfand an Kurtrier und wurde nie mehr eingelöst. Mit der Besetzung des linken Rheinufers durch französische Revolutionstruppen in Jahre