Ruppi: Eine ostdeutsche Kriminal-Novelle
Von Joachim Gerlach
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Buchvorschau
Ruppi - Joachim Gerlach
Gert Holstein
Ruppi
Eine ostdeutsche Kriminal-Novelle
Vom gleichen Autor als ebook erhältlich:
Geschichten aus einem anderen Land
Aufschwung Ost – die neue Arbeitswelt
Teil I
Der Einfachheit halber werde ich ihn Ruppi nennen. Eigentlich heißt er Ruprecht und das mit Nachnamen. Seine Vornamen kennt er wahrscheinlich selbst nicht mehr, denn seit er denken kann, sprechen ihn alle nur mit Ruppi an, seine Frau darin eingeschlossen. Letztere jedoch mit einer Ausnahme: Wenn sie danach erschöpft und zufrieden beieinander liegen, nennt sie ihn bei seinem Vornamen: „Ach, Hans-Jürgen!" und kuschelte sich noch ein Stückchen enger an ihn.
Lehrer und Vorgesetzte in der Armee freilich bevorzugten andere, den Umständen eher gemäße Anreden. Jedoch liegen diese Lebensabschnitte weit im Dunstkreis der Erinnerungen schon eine Ewigkeit zurück, weswegen ich mich mit ihnen auch nicht weiter aufhalten will. Anzumerken sei nur, dass Ruppi nach dem Abitur in Ermangelung anderer Berufsvorstellungen sich für drei Jahre zu den Fallschirmjägern meldete. Zwar hatte er auch einen richtigen Beruf erlernt, war fast gleichzeitig mit der Hochschulreife zum Facharbeiter für Automatenherstellung avanciert. Allerdings konnte er sich um nichts in der Welt vorstellen, in dieser Mühle der Eintönigkeit bis zum Lebensende sein berufliches Dasein zu fristen. Das Problem dabei: es fehlte ihm an überzeugenden Alternativen. Deshalb erst einmal Fallschirmjäger, nach drei Jahren wird man weiter sehen. Aus drei Jahren wurden sechs, aus sechs zehn. Immer wieder verlängert wegen fehlender Alternativen bis er endlich genug hatte vom Militär. Es folgte ein Hochschulstudium der Wirtschaftswissenschaft, abgekürzt „WiWi. Ein Wissenschaftszweig, welcher an der eigentlich technisch orientierten Universität von den angehenden Technikern und Mathematikern abfällig zu „HiWi - Hilfswissenschaft
degradiert wurde. Bei Lichte besehen hatten die nicht einmal unrecht, Ruppi war sich seines Dünnbrett-Studiums sehr wohl bewusst. Nur waren die Bedingungen, mit Hilfe von WiWi-HiWi schneller auf dem Einkommensweg voranzukommen, für ihn weitaus günstiger als in einer der technischen Disziplinen. Da hätte er in irgendeinem Betrieb erst einmal wieder ganz von vorn anfangen müssen. Mit erheblichen finanziellen Konsequenzen. Negativen versteht sich.
Ruppis Erwägungen sollten sich auszahlen. Schon sein erstes Arbeitsfeld nach Studienabschluss wurde mit weit über eintausend Mark vergütet, seine Ex-Kommilitonen stiegen mit allerhöchstens 700 ein. Die zehnjährige Armeedienstzeit zahlte sich auch aus, mit einem Problem allerdings: man setzte Erwartungen in ihn. Erwartungen, die in Führungspositionen mündeten. Erwartungen, die Ruppi nicht erwidern konnte, nicht erwidern wollte, und folgerichtig nicht erwiderte. Sehr zum Verdruss seiner Gemahlin freilich, denn die vierköpfigen Familie wollte nach deren Vorstellungen standesgemäß ernährt, eingekleidet und auch sonst rundum versorgt werden. Ruppis individuelle Befindlichkeiten waren da fehl am Platz.
Aber er setzte sich durch, gegen den strammen Druck derer, die ihn ihren Maßstäben gemäß in gegebene Hierarchieebenen einschichten wollten, gegen den sanften Druck seiner Gemahlin, die höhere Einkommensvorstellung mit sich trug. Auch wenn es Blessuren kostete, ziemlich deftige sogar. Am Ende landete er in einer ihn durchaus befriedigenden beruflichen Nische. Er landete im Reich der sich auch im Ländchen trotz aller Hindernisse wirtschaftlicher und mentaler Natur immer mehr breit machenden Computertechnik. Unter den Blinden seiner Erwerbseinrichtung avancierte er zum einäugigen König. Irgendwann heftete man ihm dafür sogar noch einen staatlichen Orden an die Brust, aber da war es bis zur Wende nicht mehr weit. Orden und Urkunden gab es zuhauf, gleichwenn es mit der allgemeinen Bedarfsdeckung nicht unbedingt zum Besten stand. Ruppi hätte es lieber gesehen, sie hätten Wege gefunden, all das Ordensblech in kapazitätsträchtige Speicher für Computer zu verwandeln.
Die Wende selbst verwandelte stattdessen seine bisherige Einkommensquelle zuerst in ein Toll- und kurz darauf in Totenhaus. Um die eintausend Beschäftigte verschwanden schon einmal samt und sonders in der