Der Kugelmensch: oder von der Suche der Sucht und dem Finden
Von Luise Phillis
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Über dieses E-Book
"Und wenn du auf der Suche bist, so hast du dich längst auf den Weg gemacht, und wenn du auf dem Wege bist, so brauchst du nur innezuhalten und zu spüren, dass Du selbst es bist, wonach du immer gesucht hast." (LP)
Hier geht der Leser, die Leserin auf eine lange, spannende Reise in das eigene Ich. Dabei erlebt er/sie gemeinsam mit den Protagonisten/Innen von 13 neuverfassten Ur-Märchen viele Abenteuer, die von der Autorin mit Seelenweisheit erzählt werden.
So ermöglicht dieses Buch eine intensive Lebensreise in die Tiefen der menschlichen Seele und. beschreibt u. a. die Gender-Problematik und ihre Überwindung als möglicher Kugelmensch.
Die Märchen sind eingebettet in Literatur- und Filmbeschreibungen und in philosophische Gedanken. So ist das Lesen dieses Buches besonders auch hilfreich in Krisenzeiten.
Der Mensch ist in diesem Buch als ursprünglich Heimatsuchender unterwegs und erfährt so seine ur-menschlichen Sehn-Süchte nach Liebe, Anerkennung, Glück und einem erfüllten Leben -dies- und jenseits der Geschlechter-Rollen.-.als sein eigenes Entwicklungspotenzial.
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Buchvorschau
Der Kugelmensch - Luise Phillis
Vorwort
Wir alle sind auf der Suche nach etwas, was wir zu kennen
scheinen, aber kaum erfassen können.
Es ist die große Sehnsucht nach dem Anderen,
nach der vollkommenen Kraft, nach dem intensiven Hochgefühl,
nach dem Ich im Du, nach dem Beseelten, nach Harmonie,
nach der Grenzüberschreitung zu bloßem Sein,
nach dem Vollkommenen, nach der „Urheimat".
Während wir sehnsüchtig auf der Suche sind,
werden wir in der Lage sein zu erkennen,
dass nicht nur das Suchen, sondern auch das Finden zum Leben gehört
und wir durch Achtsamkeit und Gewahrsein jene Urheimat in uns selbst wiederentdecken können…
Luise Phillis
Einleitung
„Man wird nicht erleuchtet, indem man sich Lichtfiguren vorstellt, sondern indem man sich die Dunkelheit bewusst macht ..." Carl Gustav Jung
Eines Nachts, als es besonders dunkel war und ich mich in einer von jenen Nächten befand, die nicht enden wollen und in denen das Leben eine Wende nimmt, ging mir ein Licht auf. Mir wurde bewusst, dass der Lebensantrieb des Menschen, das, was ihn hier überleben und leben lässt eine unbewusste Sehnsucht und Suche nach etwas ist, was er in einer tiefen Seins-Schicht kennt. Es ist das, was der Mensch allerdings im Wachbewusstsein schwer oder überhaupt nicht benennen kann.
Bleibt dieses Suchen auf einer unbewussten Ebene, so kann es zu einer Sucht werden, die das Suchen zum Selbstzweck macht und das Finden nach einer scheinbar unbekannten Urheimat verhindert.
Deshalb stellte sich mir die Frage, was es mit dieser Sehnsucht auf sich hat und was Sucht im Ursprünglichen überhaupt sei, wo sie herkommt und wie wir mit ihr auf vernünftige Weise umgehen können. Um die menschliche Suche und die Möglichkeit des Findens als Seelenreise erfassen zu können, so wurde mir klar, ist es notwendig, den Menschen, wenn schon nicht vollständig erklären zu können, ihn jedoch als Ganzes verstehen zu wollen. Dazu ist es nötig auch das Mythische, z. B. auch Entstehungsmythen in die Betrachtung mit einzubeziehen, wie z. B. einen von Platon und einen aus dem Alten Testament, aber ebenso „moderne" Märchen.
Diese ermöglichen genau wie Träume und ihre Deutung eine Innenschau, die anschließend gedeutet und erklärt werden können und neue Erkenntnisse über das Spannungsverhältnis von Individuum und das In –d er Welt-Sein, der Gesellschaft ermöglichen.
Jeder Mensch kennt in seinem tiefsten Inneren Archetypen, d. h. Urbilder, wie sie in den Märchen dieses Buches vorkommen, wie z. B., den Narren, den Magier, die Seherin, den Eremiten, die Mäßigkeit, die Gerechtigkeit, die Liebe, den Teufel usw., wenn er sich die Zeit nimmt und darüber nachsinnt.
Alle in den Märchen vorkommenden Gestalten und Bilder stellen Aspekte des eigenen Selbst dar, wie wir es auch u. a. in der Traumdeutung von C.G. Jung kennen.
Die Idee, Märchen zu schreiben war schon immer ein Wunsch von mir gewesen. Ich liebte es schon als Kind besonders, Märchen zu lesen. Diese Begeisterung rührt daher, denke ich, dass besonders der Ort im Märchen keine Rolle spielt. Auch die Zeit ist völlig unbestimmt, vielmehr ist es das Miteinander der Märchengestalten, das von Belang ist und das mich berührt und beschäftigt. So begann ich diese Märchen in jenen dunklen Nächten zu schreiben.
Mit diesen einzelnen Märchen in diesem Buch geht der Leser, die Leserin gemeinsam mit den Märchenfiguren auf eine Reise in das eigene Ich. Doch um dort anzukommen, wird er sich genau wie die Märchengestalten mit seiner Ursucht, nämlich der Sehnsucht nach Liebe und Zuwendung konfrontieren.
Die Protagonisten im Märchen sind angetrieben von dieser Sehnsucht und so machen sie sich süchtig suchend auf den Weg, auf den eigenen Lebensweg.
Diese Reise durch die Märchen zeigt, dass wir Menschen auf der Suche nach Vollständigkeit, nach Vervollkommnung sind, auch wenn uns dies im alltäglichen Leben oft nicht bewusst ist. Mit diesem „Unterwegssein" erfüllt sich der Mensch den Wunsch nach Zuwendung und Liebe, den Alltag gut bewältigen zu können und gleichzeitig über das Alltagsbewusstsein hinauszugehen.
Bleibt dieses Suchen nach Anerkennung, Liebe, Vervollkommnung jedoch auf einer unbewussten Ebene, sind Drogen- , Alkohol- , Tablettensucht und andere Suchtformen wie Bulimie, Sex-, Arbeits- und Spielsucht als Kompensation für die wahrhafte Suche nach dem eigenen Selbst vorprogrammiert.
Die Lebensreise durch die Märchen ins eigene Selbst wird durch jeweils
anschließende Kommentare zu den Märchen ergänzt und es werden anschauliche Beispiele aus der Weltliteratur, aus Verfilmungen und aus alten Mythen und der Philosophie gegeben. Diese ermöglichen die Einbettung des Themas der Suche nach Liebe in einen allgemeinen und ebenso konkreten Lebenszusammenhang wie Familie und Gesellschaft. Sobald der Mensch sich seiner Sehnsucht bzw. Süchte als Suche nach irgendetwas, was seinem Leben Sinn gibt, nach dem Ursprünglichen, bewusst wird, kann er sich befreien und sein Suchen in ein Finden verwandeln.
Hierzu dienen auch Fall- Beispiele aus meiner Praxis als philosophisch-psychologische Lebensberaterin und von prominenten Persönlichkeiten.
1. Kapitel Verlust der ursprünglichen Heimat
Die Urheimat wieder finden
Der unfreiwillige Wanderer
„… Und wenn du auf der Suche bist, hast du dich längst auf den Weg gemacht,
und wenn du auf dem Wege bist, so brauchst du nur innezuhalten und zu spüren,
dass du selbst es bist, wonach du immer gesucht hast." Luise Phillis
Es gab irgendwann einmal einen Mann und eine Frau, die erzählten beide die folgende Geschichte, es war die ihrige, die des Kugelmenschen und zugleich war es der Beginn des Mensch-Seins und -Werdens:
Die Urheimat wieder finden
Am Anfang war die Ur-Geschichte, diese Urgeschichte und das Ur-wort waren im Universum und das Ur- Wort war das Wort für die Urheimat, nämlich „Esuahuzridni, in der drei Kugelmenschen lebten. Diese hatten je vier Arme, vier Beine, zwei Köpfe und zwei Geschlechtsorgane und deshalb wirkten sie wie Kugeln. Sie konnten sich sehr schnell fortbewegen, sie konnten Radschlagen und vieles mehr. Einer der drei Kugelmenschen hatte nur weibliche Geschlechtsorgane, der zweite hatte nur männliche und der dritte Kugelmensch hatte ein männliches und ein weibliches Geschlechtsorgan. Sie fühlten sich sehr wohl in ihrer Urheimat „Esuahuzridni
, so dass sie sich vor Wohlbehagen immer schneller fortbewegten und übermütig wurden und dem, der sie erschaffen hat, seinen Platz streitig machen wollten. Das ließ das Universum, die göttliche Allmacht, sich nicht gefallen und sie wurde zornig und nahm ein Schwert, mit dem sie diese drei Kugelmenschen in zwei Hälften teilte. So gab es drei Frauen und drei Männer mit je zwei Beinen, zwei Armen, einem Kopf und jeweils einem entsprechenden Geschlechtsorgan. Die Teilung mit dem Schwert können wir heute noch an unserem Bauchnabel erkennen. Die göttliche Allmacht hatte die Haut über dem Bauch zusammengezogen. Und da die geteilten Kugelmenschen dann auch noch von dem Baum der Erkenntnis einen Apfel aßen, was ihnen von der göttlichen Allmacht ausdrücklich verboten war, die Schlange ihnen jedoch geraten hatte, mussten sie auf Geheiß der Gottheit ihre Ur-Heimat „Esuahuzridni" verlassen.
Seit dem Leben die Menschen auf der Erde in Raum und Zeit und seit dem sind sie voller Sehnsucht. Sie suchen ihre zweite Hälfte und brauchen diese, um sich ganz zu fühlen und/oder sich fortzupflanzen. So sind sie auf der Suche nach ihrer Heimat „Esuahuzridni". Da sie nun den Apfel von dem Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wissen sie, was gut und böse ist, und das macht ihre Leben nicht unbedingt leicht hier auf dieser Erde. Jedoch können sie sich zurückerinnern, und so suchen sie die Einheit, die Ganzheit, herbei und manchmal nähert sich ihr sehnsüchtiges Suchen ihrer Ur-heimat „Esuahuzridi" und manchmal kehren sie sogar dorthin zurück…
„Aristophanes-Mythos im „Symposion
sehr frei nach Platon, (aus: Platon, Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke, von Rudolf Rufener, 8 Bände, Artemis, Zürich/München 1974) und der „Paradies-Mythos" sehr frei nach dem Alten Testament (aus: Die Jubiläumsbibel, Württembergische Bibelanstalt, Stuttgart 1964)
Wie es diesen geteilten Kugelmenschen nun auf dieser Erde ergeht und wie sie ihr süchtiges Suchen als Weg zu ihrer Ur-Heimat erkennen können, in die sie jederzeit gelangen können, zeigen nun die folgenden Märchen, die die ur-eigenen Geschichten eines jeden „ehemaligen" Kugelmenschen sind…
Eines Tages, eines Nachts, war mir klar, dass diese Mythen auch meine eigene Geschichte beschreiben.
Meine Eltern waren „Flüchtlinge, ich selbst bin also ein Flüchtlingskind, nach dem zweiten Weltkrieg hier oder dort geboren, irgendwo im Norden von Deutschland. So hatte ich bereits früh erkannt, dass das Wort „Heimat
mehr sein musste als ein Ort, denn mein Vater sagte immer, wenn er eine Geschichte erzählte. „Bei uns zu Hause… und dann begann er immer eine spannende Erzählung von einem schönen, großen Bauernhof, von Tieren, die artgerecht gehalten wurden, von Menschen, die trotz zweier unterschiedlicher Nationen in einem Land, in Polen, als Polen und Deutsche, friedlich miteinander lebten, jedenfalls vor dem ersten und vor dem zweiten Weltkrieg… Für mich bedeutete dies, wenn das „Zuhause
meines Vaters irgend woanders war, irgendwo, wohin wir damals in meiner Kindheit nicht einmal reisen konnten, dass es für mich keines gab, jedenfalls nicht eins, das an einen Ort gebunden war, keines das ein Bauernhaus, Land und Tiere bedeutete. Denn wir wohnten in meiner frühen Kindheit in einem kleinen Häuschen, das wir irgendwann verließen, weil meine Eltern sich immer wieder auf eine Art Flucht, auf eine Suche nach irgendetwas begaben. Wir zogen häufig um und ich kann, wenn ich an meine Kindheit denke, die Orte, in denen wir wohnten zwar erinnern, aber sie hatten irgendwie einen geringen Stellenwert für mich. Viel wichtiger waren mir hingegen die Menschen, zu denen ich losgelöst von irgendwelchen Orten, eine Verbindung hatte. Ich wollte gern dazu gehören zu den Menschen, die keine Flüchtlinge waren. Da wir in der Nachkriegszeit sehr bescheiden wohnten, war der Wunsch nach Zugehörigkeit besonders wichtig für mich, aber es war nicht ganz einfach. Meine Eltern rollten in der deutschen Sprache das typisch östliche R
. Meine Großmutter hatte einen ostpreußischen Dialekt und wir aßen selbst eingemachte Salzgurken in Steintöpfen. Die anderen Kinder aßen Gewürzgurken von „Kühne. Wir sagten zu Karotten „Mohrrüben
statt Wurzeln wie die anderen Kinder und meine Schwester und ich fielen auf, obwohl wir nicht als die „armen Flüchtlingskinder aus dem Rahmen fallen sollten, indem wir mit aufwendig genähten Kleidern von meiner Mutter fein herausgeputzt waren. Eigentlich wollten und sollten wir gar nicht auffallen, wir wollten nur dazugehören, um so etwas wie „Heimat
empfinden zu können. Doch wir fielen auf und waren eben anders. Deshalb war ich immer auf der Suche nach Zughörigkeit und unbewusst auf der Suche nach der Heimat, von der ich nicht wusste, wie sie für mich aussehen sollte. So konzentrierte sich meine Suche auf Begebenheiten, auf Menschen und dennoch wechselte ich häufig die Wohnungen z. B. während meines Studiums, wechselte die Orte, so als würde es doch einen Ort geben, den ich eines Tages finden und als meine „Heimat" bezeichnen könnte. Doch all dies war mir nicht bewusst. Es waren die Menschen, die mich interessierten, doch auch bei ihnen hatte ich nie wirklich das Gefühl angekommen zu sein. Also suchte ich, ohne zu finden, bis ich in einer von jenen Nächten wusste, wonach ich immer gesucht hatte, von da an hatte ich suchend süchtig gefunden…, denn nun war mir klar, dass dies alle Menschen suchen, auch wenn es vielen nicht bewusst ist.
Von dieser Suche, der Sehn-Sucht und dem Finden handeln die Märchen dieses Buches, die durch Kommentare, Literatur-, Film- und Fallbeispiele ergänzt werden.
Der unfreiwillige Wanderer
- Sich Aufmachen: Familienverlust- oder die Chance, sich auf den Weg zu machen -
Zu einer Zeit gab es einen jungen Mann, der war ohne Eltern aufgewachsen. Aufgezogen hatte ihn eine wilde Frau, die ihm viel Liebe und Geborgenheit gegeben hatte. Als der junge Mann achtzehn Jahre alt war, ging er seines Weges und begegnete vielen Menschen. Viele fragten ihn, wer seine Mutter und sein Vater gewesen seien. Er konnte jedoch nur als Antwort geben, dass er es nicht wisse und dass eine Geschichtenerzählerin ihn erzogen habe. Er hatte nichts vermisst bei Lucia, die ihm alle Liebe dieser Welt gegeben hatte. Als er jedoch immer öfter nach seinen Eltern gefragt wurde, er selbst jedoch keine rechte Antwort wusste und die Menschen teils mit Entsetzen, teils mit mitleidiger Anteilnahme reagierten, verfiel der junge Mann eines Tages in eine tiefe Traurigkeit, die er bis dahin nie gekannt hatte.
Er wurde so traurig, dass er keinen Menschen mehr sehen wollte.
Also suchte er Unterschlupf in einer Hütte, die leer stand, am Rande
eines Dorfes. Bald störte ihn selbst das Tageslicht, und er verhängte Türen und Fenster und verließ die Hütte nicht mehr. Und bald wollte er den Raum nicht mehr verlassen, um in einen anderen zu gehen, also legte er sich nieder in seine Bettstatt, weil er sich dort sicher glaubte.
Doch auch hier musste er weinen und wollte schließlich nicht mehr leben.
Er sah keinen Sinn mehr für sein Dasein, so sehr wütete die Traurigkeit in
seiner innersten Höhle. Also wollte er seinem Leben ein Ende bereiten.
Als er darüber nachsann, wie das geschehen sollte, klopfte es an seine
Tür, und plötzlich stand die alte Lucia vor ihm. Ihr war zu Ohren
gekommen, wo ihr Zögling sich befand. Sie hatte gefühlt, dass es schlecht um ihn stand.
Sie setzte sich an sein Bett, und es zerriss ihr das Herz, als sie ihren Zögling weinen sah. Doch blieb sie ganz ruhig, als er sie verzweifelt fragte: „Warum hast du mir nie gesagt, wer meine Eltern waren?" –
Lucia antwortete: „Habe ich dir nicht alles gegeben, was ein Junge braucht?
Habe ich dich nicht gefüttert, als du klein warst, dich geschaukelt, habe
mit dir gespielt, dir Geschichten erzählt, dir die Gräser, den Wald gezeigt,
dir von Tieren, Menschen und Gott erzählt, dich gehegt und gepflegt?" –
Der junge Mann nickte, das stimmte alles, nur er könne es nicht
mehr fühlen, sagte er zu Lucia und deshalb wolle er sterben. Als Lucia ihn von diesem Wunsch nicht abbringen konnte, sagte sie gelassen zu ihrem Pflegesohn: „Also, wenn du es denn um jeden Preis willst, so gib mir das Versprechen, es mit diesem Messer zu tun, das ich dir jetzt reiche! – Aber bitte tu´ es nicht hier, sondern
nimm meinen Wanderstab und dieses Blümlein hier und gehe durch den
dunklen Wald. Dann gelangst du zu einer Wiese, gehe über diese Wiese, bis
du schließlich einen tiefen Abgrund siehst. Dort setze das Messer an deine Kehle und stelle dich so, dass du gleichzeitig hinunterstürzen kannst, dann wird dir ein glücklicher Tod sicher sein!" Dies sagte Lucia voller Gelassenheit.
Ihr Pflegesohn versprach ihr, so zu handeln, wie sie es ihm aufgetragen hatte. Er stand auf, zog seine Kleider an, nahm ihren Wanderstab und das Blümchen und ging aus dem Haus.
Als er noch nicht weit von der Hütte entfernt war, blieb er stehen und winkte Lucia inniglich zu, den es sollte das letzte Mal sein.-
Er kam schließlich in den dunklen Wald. Er konnte den Duft der Bäume riechen, also blieb er stehen und sog den Duft des Waldes ein, es sollte schließlich das letzte Mal sein. Dann ging er weiter und hörte die Vögel singen, und er blieb stehen und pfiff ihre Lieder, als wären es seine, es sollte ja das letzte Mal sein. Er schlenderte weiter und verließ den Wald und gelangte an eine Wiese, spazierte durch die Gräser und sang dabei ein Liedchen. Schließlich lief er leichten Fußes, bis er an den tiefen Abgrund kam, die Lucia ihm beschrieben hatte. Hier angekommen, hatte er vergessen, warum er eigentlich hier war, auch das Messer hatte er unterwegs verloren, und so spazierte er voller Leichtigkeit am Abgrund entlang. Ein kleiner Hund gesellte sich zu ihm, und nichts konnte den jungen Mann davon abhalten, in den Himmel zu blicken, sich von der Sonne bescheinen zu lassen, mit der Gewissheit, zwar in den Abgrund zu schauen, aber niemals abstürzen zu können.
Grenzsituationen ermöglichen, den eigenen Weg zu suchen
In diesem Märchen sind wir mit dem Lebensthema, das im Grunde jeden Menschen betrifft, konfrontiert. Es geht um die Frage nach dem Ursprung im Zusammenhang mit dem eigenen Lebenssinn, auch wenn nach dem letzteren nicht ausdrücklich gefragt wird. Dabei handelt es sich um die menschliche Tragik schlechthin, nämlich darum, dass er nicht weiß, woher er kommt. Die eigentliche Herkunft ist ungewiss, selbst wenn wir unsere leiblichen Eltern kennen. Dieser junge Mann hat keine leiblichen Eltern mehr. Allerdings hat er sich damit arrangiert, und zwar bis zu dem Moment, als er ins Leben hinausgeht, als er von anderen Menschen danach gefragt wird. Er hatte es gut gehabt bei seiner Ersatzmutter, einer Geschichtenerzählerin. Jedoch wird er verunsichert durch die Fragen, die von außen an ihn herangetragen werden. Es sind die nach seinem Ursprung, von dem er nichts weiß. Das erschüttert ihn zutiefst, so dass er nicht mehr weiter leben will. --- Um sich aber wirklich auf die Wanderschaft zu begeben, muss der Mensch alles aufgeben, vielleicht auch ein Stück sich selbst, um dann neu anfangen zu können. Er muss mit etwas abgeschlossen haben, nämlich mit seiner Kindheit. Und diese muss dann sterben. Und so möchte der junge Mann am liebsten mit ihr zusammen sterben, denn so groß ist sein Schmerz, der sowohl Abschieds- als auch Trennungsschmerz bedeutet. Dabei handelt es sich um die Trennung von seinem kindlichen Sein, von seiner Ersatzmutter. Deshalb hat der junge Mann Angst weiterzugehen. Als er sich vom äußeren Leben zurückzieht und sich seiner Trauer über seine Nicht-Zugehörigkeit und seinem Abschiedsschmerz hingibt, da kommt die Ersatzmutter zu ihm, die ihn liebevoll groß gezogen hat. Sie verkörpert die typisch weise Alte, die weiß, was zu tun ist, selbst in dieser extremen Grenzsituation. Sie verkörpert den weiblichen Aspekt, die weise, uralte Stimme in uns, die uns sagen kann, wie es weitergeht. Wir müssen sie nur hereinlassen, wenn sie sich ankündigt, wenn sie an die Tür klopft.
Existenzielle Grenzsituationen, wie tiefe Trauer und Abschiedsschmerz ermöglichen dem Menschen allerdings die Lebens-Angst, die Angst davor, nicht weiter leben zu können, in ein Loslassen zu verwandeln. In diesen Situationen ist der Mensch offen für diese innere Stimme der weisen Alten und er beherzigt diese sogar, so wie der Protagonist in diesem Märchen dem Rat der Alten folgt.
So vermag die weise Alte, ihn von seinen Selbstmordgedanken, von seinem Selbsthass abzubringen.
Es ist tatsächlich eine Art Selbsthass, wenn der Mensch sich weigert weiterleben zu wollen. Jedoch kann die weise Alte ihn von seinem Vorhaben ablenken, denn sie nimmt ihn gleichzeitig Ernst, so dass sie ihm sogar praktisch vorschlägt, wie er seinem Leben ein Ende bereiten kann…. Sie schickt ihn durch einen dunklen Wald und auf eine grüne Wiese, bis er an einen Abgrund kommt, in den er sich stürzen kann, wenn er das Messer, das sie ihm mitgibt, dort an seine Kehle setzt und diese durchtrennt. Die Weisheit der Alten besteht darin, dass sie einerseits auf den Wunsch des jungen Mannes sterben zu wollen, eingeht, und ihn andererseits mit dem Leben konfrontiert, indem sie ihn durch den Wald gehen lässt, so dass er die Natur entdecken kann, die Pflanzen und die Tiere. Deshalb gibt sie ihm auch ein Blümchen mit, das ein Zeichen für die Schönheit des Lebens ist. Das wirkt auf der unbewussten Ebene. Der dunkle Wald, durch den der junge Mann durchgehen muss, konfrontiert ihn nicht nur mit der äußeren Natur, sondern gleichzeitig mit seiner inneren Lebensstruktur. Es ist ein Naturgesetz, auch durch die Dunkelheit gehen zu müssen, um an eine Lichtung zu kommen, um die bunten Seiten des Lebens kennen zu lernen. Und das geht nur, wenn der Mensch, den Weg, den er einschlägt, auch anfängt bewusst zu gehen. Dann wird sein Gang leicht und beschwingt und er nimmt die Natur wahr und fängt an das Leben zu genießen. Er schlendert, er spaziert durch sein Leben. Und als er an den Abgrund kommt, hat er vergessen, warum er eigentlich dorthin gekommen ist.
Der Hund, der sich zu dem „unfreiwilligen Wanderer" gesellt, symbolisiert seinen Instinkt, der ihn von nun an in seinem Leben begleitet, der ihn, wenn er aufpasst, nicht verlässt.
Sich abnabeln heißt Ballast verlieren und den menschlichen Urzustand wiedergewinnen.
Der junge Mann in diesem Märchen hat etwas von der Weisheit und Leichigkeit eines Narren.
Er kann vor dem Abgrund spazieren, ohne herunterzufallen. Dieser ist sein eigener Abgrund, in den er hineinschauen kann ohne abzustürzen, ohne seine Leichtigkeit zu verlieren. Es gehört Naivität dazu, sich so zu verhalten, jedoch gehört diese zur jugendlichen Neugier und zum Forschungsdrang dazu. Dies ist es, was aus dem jungen „unfreiwilligen Wanderer einen freiwilligen macht, der sich durch seine Intuition und durch seinen Instinkt zum Abenteuer „Leben
antreiben lässt.
Dieser junge Wanderer stellt einen wichtigen Teil unserer Seele dar.
Unabhängig vom Alter eines Menschen sind diese jugendliche Neugierde und diese Leichtigkeit wichtig für ein erfülltes Leben, für eine spannende Lebensreise. Gewissermaßen ist der junge Wanderer als Narr wie alle Menschen, die sich inkarniert haben, unschuldig schuldig, im Sinne von verantwortlich.
Da er seine Eltern, seinen Ursprung nicht kennt, ist er gezwungen, auf der Suche zu sein, auf der Suche nach seiner Herkunft, also auf der Suche nach sich selbst.
Also muss er sich zwangsläufig auf den Weg begeben, die Quelle allen Seins zu suchen.
Für diejenigen, die ihre leiblichen Eltern nie kennen gelernt haben, ist die Suche zwingender, da der Wunsch eines jeden Menschen, seine Wurzeln kennen zu wollen, natürlich ist.
Der elternlose Zustand des jungen Mannes symbolisiert den Urzustand des Menschen. Eigentlich sind wir alle elternlos: Unsere Eltern haben uns nur auf der physischen Ebene auf die Welt gebracht, haben uns jedoch nicht erschaffen.
Sie gilt es – um in einen ausgeglichenen Seelenzustand zu gelangen – diese seelisch zu überwinden, d. h. wir müssen uns als junge Erwachsene von ihnen lösen.
Dieses Lösen ist allerdings ein innerer Prozess und wird zu einer inneren Befreiung von allem, was wir karmisch in diesem Leben zu bearbeiten haben.
Es ist mit das Schwierigste, was wir im Sinne von Entwicklung in unserem Leben zu leisten haben. Die Abnabelung von unserer Familie oder Ersatzfamilie ist die Voraussetzung für ein verantwortungsvolles Leben.
Allerdings bedeutet dies im eigentlichen Sinne nicht Trennung, sondern ein sich auf den Weg - Machen in Freiheit.
Als junge Erwachsene streben wir danach, unseren eigenen Weg zu gehen, unsere Eltern loszulassen, für die Zuwendungen, die sie oder Ersatzeltern uns gegeben haben, dankbar zu sein, dies aber ohne schuldig zu sein, selbst wenn die Art und Weise der Zuwendung nicht perfekt war.
Diese Zuwendung, die wir als Kinder erfahren haben, kann allerdings auch niemals perfekt sein; sie ist immer unzulänglich, da unsere Eltern/ bzw. unsere Ersatzeltern nicht allmächtig sind...
So ist dieses innere Sich – Lösen von unseren Erziehungsberechtigten und das Lösen von unserem Kindsein in dem Falle besonders problematisch, wenn wir unsere Eltern als absolut empfinden und an diesem „absolutistischen Weltbild" festhalten.
Erkennen wir allerdings die Unzulänglichkeit unserer Eltern/ Ersatzeltern als zum Leben gehörig an, ersparen wir uns viel überflüssiges Leid.
Ohne Vorwürfe und Selbstvorwürfe können wir uns dann in Freiheit auf den Weg machen, auf unseren ureigensten Weg, wie auch immer dieser aussehen mag.
Um das zu erreichen, müssen wir durch das Leid hindurchgehen, das wir als junge Menschen erfahren, wenn wir beispielsweise in der Pubertät die Unzulänglichkeit unserer Eltern entdecken und sie nicht ertragen können.
Die Suche nach Identität als Notwendigkeit für ein eigenverantwortliches Leben
Ein Beispiel für die schmerzliche Suche nach Identität, nach Lebensorientierung wird in dem weltweit bekannten Roman „Der Fänger im Roggen" von J. D. Salinger dargestellt. Der Protagonist Holden Caulfield, 16 Jahre alt, der sich als Suchender insofern auf den Weg macht, indem er die zivilisierte Welt der Erwachsenen (vierziger Jahre des 20.Jahrhunderts= repräsentativ für die weltweite Zivilisation mit einer gewissen Zeitlosigkeit) ablehnt, wünscht sich ein freies Leben in der Natur, eine Welt, in der es gerecht zugeht und alle Menschen glücklich sind, fern von der verlogenen Welt der Erwachsenen, in der es nur um Geld, Ansehen und Macht geht. Obwohl Holden Caulfield wohlhabende Eltern hat, er intelligent und gut aussehend ist, ist er in seinem tiefsten Inneren unglücklich und zum vierten Mal der Schule verwiesen, traut sich nicht mehr nach Hause und treibt sich in New York herum und sucht in unterschiedlichsten Situationen nach etwas, was er selbst nicht wirklich weiß, geschweige denn benennen kann, irgendeine Art von Erfüllung, die er aber nirgends findet, wie z. B. bei einer Prostituierten oder bei einem alten Lehrer, den er aus seiner Schulzeit kennt und den er - verglichen mit anderen Erwachsenen - geschätzt hat. Alle Menschen, die Holden trifft und alle Situationen, in die er sich begibt, enttäuschen ihn, und so fühlt er sich einsam, verlassen und unverstanden.
Die Trennung und Abgrenzung von der Welt der Erwachsenen ist zunächst immer eine innere, in der Zeit der Pubertät und des Erwachsenwerdens aber immer von dem Wunsch begleitet auch auszubrechen aus dieser Welt, sich auch konkret auf den Weg zu machen, auch wenn man/frau diesen nicht kennt.
„ Als ich mit allem fertig war, blieb ich mit meinen Koffern noch eine Weile
an der Treppe stehen und warf einen letzten Blick auf den verdammten
Gang. Dabei heulte ich sozusagen. Ich weiß nicht warum. Ich setzte meine
rote Jagdmütze auf mit dem Schild nach hinten, so wie ich es am liebsten
hatte und schrie, so laut ich konnte: ´Schlaft gut, ihr Idioten! ´ Sicher
wachten im Stock alle auf. Dann machte ich mich davon".
(J. D. Salinger „Der Fänger im Roggen, J. D. Salinger, Der Fänger im Roggen, Übersetzung bearbeitet von Heinrich Böll, Reclam, Leipzig 1988, S. 188.)
Der Rebell, Holden, weiß weder wohin er will und was er will, aber er weiß genau, was er nicht will, nämlich zurück in die verlogene Welt der Erwachsenen. Vielmehr ist sein einziger und sehnlichster Wunsch, den er zu äußern vermag, der, an einer Klippe zu stehen und kleine Kinder, die in einem Roggenfeld spielen aufzufangen und festzuhalten, damit diese nicht herunterfallen.
„ (...) jedenfalls stelle ich mir immer kleine Kinder vor, die in einem Roggenfeld ein Spiel machen. Tausende von kleinen Kindern, und keiner wäre in der Nähe – kein Erwachsener, meine ich – außer mir. Und ich würde am Rand einer verrückten Klippe stehen. Ich müßte alle festhalten, die über die Klippe hinauslaufen wollen – ich meine, wenn sie nicht Acht geben, wohin sie rennen, müsste ich vorspringen und sie fangen. Das wäre ( ...) der Fänger im Roggen. Ich weiß schon, dass das verrückt ist, aber das ist das einzige, was ich
wirklich gern wäre." (ebd.)
Holden Caulfields Wunsch, die Kinder vor dem Absturz in den Abgrund zu
bewahren, ist unbewusst einerseits der Wunsch, selbst eines der Kinder zu sein und beschützt zu werden, die Gewissheit zu haben, ihm könne nichts passieren in dieser „chaotischen Welt", er kann nicht abstürzen, da er gehalten wird von jemandem, der sich für ihn zuständig fühlt...
Andererseits ist es auch sein Wunsch selbst dieser Jemand zu sein, der stark und kräftig genug ist, die Kinder zu halten, sie vor der Orientierungslosigkeit, die dazu führen kann, in den Abgrund zu stürzen, zu bewahren...
Diese beiden Wünsche, einmal selbst das zu beschützende Kind und zum anderen der Beschützer selbst sein wollen, machen den schmerzhaften Konflikt des Heranwachsenden, den leidvollen Übergang vom Kindsein zum Erwachsensein deutlich.
So stellt die Romanfigur Holden Caulfield den Heranwachsenden auf der Suche nach dem Sinn des Lebens dar, ohne ihn wirklich gefunden zu haben. Seine Suche geht weiter, da er als Jugendlicher, der noch zur Schule geht, sein ganzes Leben noch vor sich hat.
Wie leidvoll die Zeit des Abnabelns von der Kindheit und vom Elternhaus ist, wird in diesem Roman besonders auch dadurch deutlich, dass Holden der Hilfe von außen bedarf, denn er braucht eine Psychotherapie.
Wahrscheinlich ist für den „unfreiwilligen Wanderer, der sich auf den Weg macht und durch Wald und Wiese geht, keine Therapie nötig, um zu seiner Leichtigkeit zu gelangen, die ihm den Sturz in den Abgrund erspart. Jedoch hat er als Figur des Narren im Gegensatz zu Holden Caulfield seine Abnabelung von Kindheit und Erziehungsberechtigten vollzogen, nachdem er sich auf den Weg gemacht hat, durch den dunklen Wald zugelangen, auch wenn das zunächst nicht ganz freiwillig war, da die weise Alte eine kleine „List
angewendet hat, um ihn zum Leben (zurück) zu führen. Danach erfährt er eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die er vorher nicht gekannt hat.
Er hat seinen Lebensweg noch vor sich und wird seine Erfahrungen machen, indem er seine Lebensabenteuer bestehen wird und immer ein Stück Leichtigkeit behalten wird, da er den tiefsten Punkt in seiner Gefühlsskala überschritten hat und wirklich alles losgelassen hat, nämlich sein Leben.
Wir können uns nur auf die Abenteuerreise Leben begeben, wenn wir unsere Kindheit hinter uns lassen. „Der unfreiwillige Wanderer" ist noch am Anfang seiner Reise, bzw. diese hat noch gar nicht richtig angefangen, aber er ist gewappnet durch die Trauererfahrung des Loslassens und seine Reise nach dem Etwas, nach dem Kick, nach dem Anderen… , kann beginnen. Dabei wird ihm Vieles begegnen, z. B. die Liebe. das Teuflische, die Verführungskunst, die Wahrheit zu verschleiern, usw.
All das gehört zu jedem Leben dazu… Seine Leichtigkeit, sein Instinkt und seine Intuition (die weise Geschichtenerzählerin), werden ihm auf seinem Weg, bei seiner Suche helfen.
Ebenso wie der „Freiwillige Wanderer und wie Holden Caulfield sucht auch „Siddharta
, die Hauptfigur in Hermann Hesses gleichnamigem Roman, den Sinn, das „Eigentliche im Leben, und verlässt deshalb sein Elternhaus, weil er es dort, bei den Brahmanen, den religiösen Oberhäuptern, die zur höchsten Kaste in Indien gehören, nicht zu finden glaubt. Er findet es nicht im Außen, weder bei den Bettelmönchen, weder bei Buddha selbst, noch durch ein weltliches ausschweifendes Leben bei den „Kindermenschen
, wie Hesse die Menschen nennt, deren einzige Werte Ruhm, Macht und äußere Attraktionen sind.
Am Fluss bei einem Fährmann kommt Siddharta zur Ruhe, wobei der Fluss als Symbol für das Fließen der Zeit und für das Beständige steht, das die Sichtweise des Menschen bedeutet, nämlich nicht ein Suchender sein zu müssen, sondern einer, der findet. Siddhartas Angekommen-Sein besteht in seiner Erkenntnis der Welt darin, allen Wesen mit Liebe, Achtung und Ehrfurcht zu begegnen und zu wissen, dass Weisheit nicht übertragbar, sondern nur für jeden Einzelnen erfahrbar ist.
So hat jeder Mensch, seinen ureigenen Weg in Liebe zu gehen, ohne dass er irgendeine Erkenntnis auf einen anderen Menschen direkt übertragen kann.
So äußert Siddharta seine Erfahrungen als Hoffnung: „Die Welt zu durchschauen, sie zu erklären, sie zu verachten mag großer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie nicht zu verachten, sie und mich nicht zu hassen sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht betrachten zu können." (Hermann Hesse „Siddharta -, eine indische Dichtung", Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974.)
Dem „unfreiwilligen Wanderer", dem Narren ist dies nicht bewusst, aber unbewusst liebt er sich und die Welt, er muss jedoch noch in die Welt hinaus und seine schmerzlichen Erfahrungen machen, um wieder dort anzukommen, wo er jetzt ist, allerdings mit dem Unterschied, dass er nach seiner Reise mit Bewusstheit sich selbst und die Welt liebt...
Da unsere Eltern nicht absolut und nicht unfehlbar sind, drängt sich die Sehnsucht nach etwas Absolutem auf, die Suche nach dem Universum, nach Gott … und die macht die Reise in die Welt zwingend.
Diese Suche nach dem Absoluten ist die Suche nach dem Leben, die Suche nach dem Ursprünglichen, d. h. nach uns selbst, nach dem ureigensten Selbst mit seinen unterschiedlichen schillernden Facetten.
Das Sich – Auf – den - Weg – Machen ist das Leben selbst, ... das Angekommen – Sein.
Wenn wir dies beherzigen, unsere geschichtlich – gewordene Kindheit loszulassen, was zunächst immer schmerzlich sein muss, dann wird uns die Fröhlichkeit und Leichtigkeit des „Unfreiwilligen Wanderers", des Narren zuteil, die menschlichen Abgründe zu überwinden.
Wir haben den Mut und die Leichtigkeit die Reise in das Menschliche Sein anzutreten... Wichtig ist hierbei,