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Auf dem Weg zum Wunderbaren
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eBook340 Seiten4 Stunden

Auf dem Weg zum Wunderbaren

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Über dieses E-Book

Was ist der Sinn unserer Existenz im großen kosmischen Plan?
Ist das Leben erfüllt von einem göttlichen Zweck oder ist es ein bloßes mechanisches Wechselspiel sich bekämpfender Gene?
Leben wir in einem Universum, das seinen blinden Verlauf nimmt vom Big Bang zum Big Crunch oder ist die Evolution beseelt von einem höheren Sinn?
Falls ein bewusster leitender Wille dahintersteckt, warum existiert dann das Böse?
Wie überschreiten wir die Grenzen eines blinden "Szientismus", der sich abtrennt von einem umfassenderen Verständnis, indem er die Existenz jeglicher Faktoren außerhalb seiner selbst auferlegten Grenzen der "wissenschaftlichen" Verifizierbarkeit leugnet? Können diese Fragen behandelt werden, ohne im anderen Extrem einer religiösen Dogmatik zu landen?
Nimmt unser Planet Erde eine spezielle Stellung innerhalb des Universums ein?
Spielen wir Menschenwesen eine spezielle Rolle in der Evolution?
Der belgische Schriftsteller Georges Van Vrekhem untersucht zeitlose Fragen vor dem Hintergrund von Sri Aurobindos Sicht der Evolution und eröffnet erfrischend neue Perspektiven auf Fragen, die Sucher durch alle Zeitalter hindurch beschäftigt haben.
Das Buch enthält die überarbeiteten Fassungen von elf Vorträgen, die Georges Van Vrekhem in den Jahren 2010 und 2011, also kurz vor seinem Tod, in Auroville im Sinne eines geistigen Vermächtnisses hielt.

SpracheDeutsch
HerausgeberAquamarin Verlag
Erscheinungsdatum19. Sept. 2020
ISBN9783968610580
Auf dem Weg zum Wunderbaren

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    Buchvorschau

    Auf dem Weg zum Wunderbaren - Georges Van Vrekhem

    Bibliographie

    Vorwort

    Die Vorträge in diesem Buch wurden in Auroville gehalten, die ersten vier im September im Gemeindehaus, die folgenden sechs im November und Dezember 2010 im Savitri Bhavan. Der Vortrag über den Kalki-Avatar wurde im Februar 2011 ebenfalls im Gemeindehaus gehalten, und zwar im Rahmen des Seminars über „Mutation II".

    Ich wurde eingeladen, Vorträge in Europa, den USA und Indien zu geben, aber aufgrund meiner Herzprobleme musste ich alle Reisepläne begraben. Dies gab Anlass zur Idee, eine Reihe von Vorträgen in Auroville zu halten, wo ich lebe, und sie auf Band aufzunehmen, so dass die Leute, die mich eingeladen hatten, die Vorträge – wenn sie das wünschten – sich nachträglich anhören konnten. Nach Abschluss der Vortragsserie fand man es wert, dies abzurunden, indem die Vorträge auch in schriftlicher Form zugänglich gemacht wurden.

    Bei den Texten in dieser Sammlung handelt es sich nicht um wörtliche Abschriften der Vorträge, es sind schriftliche Fassungen, die eine lesbare Version des gesprochenen Wortes wiedergeben. Jeder Text folgt dem Vortrag getreulich und behandelt ein gegebenes Thema in seiner Gesamtheit, es sind jedoch nicht abgerundete Essays, die ihr Thema erschöpfen, und sie könnten in jedem Fall leicht zu einem Buch erweitert werden.

    Der Leser mag sich mit Wiederholungen, sogar von Zitaten, konfrontiert sehen. Ich habe diese Wiederholungen bewahrt, weil ich glaubte, sie würden eine innere Resonanz schaffen, die die verschiedenen Themen zu einem Ganzen verbindet. Dieses Ganze soll, wie ich zu wagen hoffe, die dahinterliegende aurobindianische Vision spiegeln.

    Ich möchte meinen Mit-Aurovilianern Anandi Breton und Joseba Martinez für ihren Vorschlag danken, die Vorträge zu halten; Bindu Mohanty und Carel Thieme für ihre Initiative, sie zu organisieren; Shraddavan für ihre Gastfreundlichkeit im Savitri Bhavan; Sergey Stanovykh für die Video-Aufzeichnungen; Joel Van Lierde und den Mitarbeitern vom Auroville Radio für die Tonaufzeichnungen; und Muriel Ghion und Antim Singhi für ihre freundliche Unterstützung beim Halten der Vorträge. Ein besonderer Dank gilt Carol Thieme für das Durchlesen der Texte trotz seines großen Arbeitspensums.

    Nicht zuletzt möchte ich der aurovilianischen Zuhörerschaft danken. Ihre Empathie und Aspiration haben jedes Mal die Atmosphäre geschaffen, die mich durch die Vorträge trug und sie zu einem unvergesslichen Erlebnis für mich machten.

    G.V.V.

    It comes at last, the day foreseen of old,

    What John in Patmos saw, what Shelley dreamed,

    Vision and vain imagination deemed,

    The City of Delight, the Age of Gold.

    The Iron Age is ended. Only now

    The last fierce spasm of the dying past

    Shall shake the nations, and when that has passed,

    Earth washed of ills shall raise a fairer brow.

    Sri Aurobindo

    Collected Poems, S. 244

    Der Tag wird kommen, den oft man geweissagt hat,

    des Johannes Offenbarung, Shelley’s Träume –

    eitle Einbildungen gewähnt und Schäume –,

    der Goldene Äon und der Seligkeit Stadt.

    Zu Ende ist des Eisens Zeitalter. Nur

    der Vergangenheit letzte grimmige Todeskrämpfe

    erschüttern die Völker noch: Sind aus diese Kämpfe,

    hebt Erde ihr Antlitz, rein von der Übel Spur.

    (deutsche Übersetzung von Hans Peter Steiger

    in: Sri Aurobindo – Sämtliche Gedichte, S. 226)

    1. Adam Kadmon und die Evolution

    Der kosmische Purusha

    Mutter sprach mehrmals von einer sehr alten Überlieferung, aus der später die Zweige vedischer und chaldäischer Weisheit und Spiritualität hervorgingen. Um sich selbst zu erkennen, manifestierte sich der Eine laut dieser Überlieferung als die Große Mutter und wurde so zu zweien. Die Große Mutter manifestierte ihrerseits die Merkmale des Einen – Wahrheit, Licht oder Bewusstsein, Leben und Ananda oder Glückseligkeit – als die Hauptelemente der Manifestation. Wie aber aus der Überlieferung hervorgeht, kam es dabei zu einem entscheidenden Missgeschick, das die Wahrheit in Unwahrheit, das Licht in Finsternis und Unwissen, die Glückseligkeit in Leid und das Leben in Tod verwandelte.

    „Die schöpferische Kraft erbat flehend vom höchsten Ursprung ein spezielles Eingreifen, um diese verdorbene Welt zu retten, und als Antwort auf diese Bitte entströmte dem höchsten Ursprung ein besonderes Wesen der Liebe und des Bewusstseins, das sich direkt in die unbewussteste Materie stürzte, um dort die Arbeit des Erwachens zu beginnen. Dieses Wesen wird in den alten Erzählungen als tief schlafend auf dem Grund einer finsteren Höhle ausgestreckt beschrieben."

    Diese uralte Geschichte über einen Unfall an der Schwelle der Schöpfung, wofür die Große Mutter verantwortlich gemacht wurde, ist auch die Ursprungsgeschichte aller Schulen des Gnostizismus. Den gnostischen Mythen zufolge verlieren sich Seelen (göttliche Funken) in der Welt des Unwissens und können nur durch einen Erlöser gerettet werden, der sie an ihren Ursprung erinnert. In der Bibel rebelliert Satan (ursprünglich der Engel des Lichts) gegen Gott und wird zum Teufel. Auch Mutter erzählte mehr als einmal dieselbe Geschichte in ihrer vollständigen Form: Die vier Merkmale des Göttlichen – Wahrheit, Licht, Leben und Glückseligkeit – erachteten sich in ihrem grenzenlosen egoistischen Hochmut dem wahren Göttlichen als ebenbürtig und verwandelten sich so zu gewaltigen Asuras: zu den Herren der Unwahrheit, der Dunkelheit, des Leidens und des Todes. (In einem seiner Sonette beschreibt sie Sri Aurobindo als „die eisernen Diktatoren". Sie sind auch als die vier Reiter der Apokalypse bekannt.)

    Das „besondere Wesen, das das Göttliche aussandte, um die Welt zu retten, wird in den Schilderungen der alten Überlieferungen „als in tiefem Schlaf ausgestreckt auf dem Grund einer finsteren Höhle beschrieben, wobei es in seinem Schlaf ein regenbogenfarbiges Licht ausstrahlt, das nach und nach alle Elemente des Unbewussten durchdringt. Ohne diese direkte göttliche Durchdringung könnte die Welt der Unwissenheit und Dunkelheit nie zu ihrem Ursprung zurückfinden.

    Während ihres zweiten Besuchs in Tlemcen, im Jahr 1907, als sie mit Max Théon arbeitete, stieg Mutter in Trance in das „vollständig Unbewusste hinab bis auf den Grund der Manifestation. Plötzlich stand sie dort vor einer Grotte, in der sich das besondere Wesen befand: „Ein Wesen von regenbogenfarbigem Licht, das mit dem Kopf auf seiner Hand ruhend schlief. Sie hatte sich darin geübt, in Trance zu sprechen, und als sie Théon beschrieb, was sie sah, sagte er, es sei „der immanente Gott in der Tiefe des Unbewussten". Aber dann geschah etwas Bemerkenswertes: Das Wesen schlug seine Augen auf und brachte damit zum Ausdruck, dass die Zeit der wachen, bewussten Aktion gekommen war.

    Noch während sie in Tlemcen war, hatte Mutter eine ähnliche Erfahrung, die sie erst viel später, im Jahr 1961, erzählte. Sie hatte gelernt, die aufeinanderfolgenden Hüllen des Körpers „mit großer Geschicklichkeit zu verlassen. „Ich konnte auf jeder beliebigen Ebene einhalten, tun, was ich dort zu tun hatte, umhergehen, sehen, untersuchen und berichten, was ich sah. Einmal, als sie die subtilste Körperhülle hinter sich gelassen hatte, kam sie in einen Bereich „jenseits aller Formen, sogar aller Gedankenformen, wo man die vollkommene Einheit erlebte – die Einheit in „etwas, das die Essenz der Liebe war. Völlig überwältigend und unerwartet befand sie sich dort „in der Gegenwart dessen, was man als ‚das Prinzip‘ bezeichnen könnte, das Prinzip der menschlichen Form. „Es war eine aufrechte Form, genau an der Grenze zwischen der Welt der Formen und dem Formlosen, wie eine Art Norm, Modell oder ein Archetypus. „Zu jenem Zeitpunkt hatte ich noch nie davon gehört, denn niemand, den sie kannte, hatte es zuvor gesehen und davon berichtet. Aber sie fühlte sofort die besondere Bedeutung ihrer Erfahrung. „Dann [mindestens dreizehn Jahre später] als ich Sri Aurobindo kennenlernte und ihm davon erzählte, meinte er: ‚Das ist sicherlich der Prototyp der supramentalen Form.‘ Später sah ich es noch mehrere Male, und dies erwies sich als wahr.

    Wir erinnern uns, wie Mutter sagte, dass das Ereignis, das sie gewöhnlich als „den Unfall, den Sturz in das Unbewusste bezeichnete, in den alten Weisheitstraditionen unter verschiedenen Namen bekannt war. „In jedem Land, in jeder Tradition wurde das Ereignis auf eine besondere Weise dargestellt, mit unterschiedlichen Beschränkungen, unterschiedlichen Einzelheiten oder besonderen Merkmalen, aber in Wahrheit ist der Ursprung all dieser Geschichten derselbe. Es ist die gnostische Geschichte, die in den großen Epochen der Menschheitsgeschichte wiederentdeckt und wiederbelebt wurde (wie wir noch sehen werden). Und wir erinnern uns, dass sich sowohl am Anfang der Evolution als auch an ihrem Ende ein göttlicher Archetypus befindet, der die Entwicklung des Lebens auf der Erde bestimmt. 1

    Auch Sri Aurobindo hat über einen solchen Archetypus geschrieben, den er den „Körper der Schöpfungsgottheit" nannte. Bei der Betrachtung der vier Varnas – Brahmanen, Kshatriyas, Vaishyas und Shudras – erwähnte er den Purushasukta der Veden, „worin die vier Ordnungen beschrieben werden, wie sie dem Körper der Schöpfungsgottheit, seinem Kopf, seinen Armen, Schenkeln und Füßen entsprießen. Für uns, bemerkte er, „ist das nur ein poetisches Bild. Als wäre dies alles, als hätten die Menschen jener Tage eine so tiefe Verehrung gegenüber rein poetischen Gestalten wie dem Körper Brahmas empfunden. … Wir lesen immer nur unsere eigene Mentalität in die jener frühen Vorväter hinein und finden deshalb in ihnen nichts als phantasievolles Barbarentum. … Das Bild war für diese Seher ein ausdrucksvolles Symbol des Unoffenbarten und wurde benützt, weil es dem Mental als erhellender Hinweis diente für das, was das präzise, intellektuelle Wort, das nur des logischen und praktischen Denkens oder der Erklärung physischer und oberflächlicher Tatsachen fähig ist, nie offenbaren könnte. Für sie war dieses Symbol, das den Körper des Schöpfers darstellte, mehr als nur ein Bild, es brachte die göttliche Realität zum Ausdruck. Die menschliche Gesellschaft war für sie ein Versuch, dem kosmischen Purusha im Leben Gestalt zu verleihen. … Mensch und Kosmos sind gleicherweise Symbol und Ausdrucksform der gleichen verborgenen Realität. 2

    Dem Menschen als Mikrokosmos wohnt der Makrokosmos inne. Die Struktur seiner Person zeigt sich in der Gesellschaft in den grundlegenden Merkmalen des Brahmanen, des Kshatriyas, des Vaishyas und des Shudras. Diese vier Varnas, schreibt Sri Aurobindo an anderer Stelle, sind in unterschiedlichen Graden charakteristisch für jedes menschliche Wesen, ob Mann oder Frau. Sie sind universelle Eigenschaften und sollten nicht mit den vier „Kasten verwechselt werden, die nichts weiter sind als ihre verkalkte Karikatur. Im menschlichen Individuum und in der menschlichen Gesellschaft finden wir „den kosmischen Purusha oder den göttlichen Archetypus widergespiegelt.

    So wie allen traditionellen Weisheitslehren die Idee eines universellen Archetypus gemeinsam ist, verhält es sich auch mit der Idee der vier wesentlichen menschlichen Charakteristiken und der Art und Weise, wie sie in der Gesellschaft ausgearbeitet werden. „Es ist bemerkenswert", schreibt Sri Aurobindo, „dass sowohl in Europa als auch in Asien eine gemeinsame Tendenz herrschte, die wir nicht auf einen engeren Austausch von Ideen zurückführen können, sondern vielmehr dem Einfluss derselben natürlichen Ursache und Notwendigkeit zuschreiben müssen, die darauf ausgerichtet war, eine soziale Hierarchie zu entwickeln, basierend auf einer Einteilung der vier unterschiedlichen sozialen Aktivitäten [d.h. den Varnas]. … Was in den verschiedenen Teilen der Welt dabei an Geist, Form und Gleichgewicht ausgearbeitet wurde, war sehr verschieden, je nach den Tendenzen der Gemeinschaft und den Umständen, unter denen sie lebte, aber das ursprüngliche Prinzip war fast identisch." 3 Das ist zum Beispiel der Grund, warum wir im europäischen Mittelalter die Gesellschaft unter der Herrschaft der Geistlichkeit (Brahmanen) und der Ritter (Kshatriyas) vorfinden, eine soziale Ordnung, die bald durch die Kaufleute (Vaishyas) ergänzt werden sollte. Letztere wurden in ihrer Präsenz so stark, dass sie zu Recht als „der dritte Stand" bezeichnet wurden, was schließlich zu der unter dem Begriff Französische Revolution bekannten Umwälzung führte, fast unmittelbar gefolgt vom Aufstieg des Proletariats (Shudras) und dessen Massenbewegungen des Sozialismus und Kommunismus.

    Daraus können wir schließen, dass laut Sri Aurobindo, Mutter und den Überlieferungen, auf die sie verweisen, oberhalb oder hinter der Evolution die Gegenwart eines göttlichen Archetypus steht, der einer menschlichen Form ähnlich ist. Das Wissen um diese Form war und ist noch immer eine gemeinsame Weisheit im Osten und im Westen. Es ist diese Form – hier im philosophischen platonischen Sinne als „Idee" verstanden –, die wir im Laufe der Evolution des Lebens auf der Erde nach und nach in Gestalt des menschlichen Wesens ausgedrückt vorfinden. Diese Form bildet auch die Inspiration des Wissens auf der Basis der okkulten Schemata der Welt, zum Beispiel dem der Chakras, der Großen Kette des Seins, der astrologischen Struktur des Menschen und der kabbalistischen Sephiroth.

    Der ursprüngliche Mensch

    Das reine spirituelle Wissen ist der großartige Schatz, der in Indien sorgfältig aufbewahrt wurde und den Indien jetzt der Welt für ihre weitere Evolution vermittelt. Dieses Wissen war, obgleich oft verstümmelt, dennoch seit Jahrhunderten ebenso ein Teil anderer bedeutsamer Traditionen der Weisheit.

    „Die Ideen der Upanishaden", schreibt Sri Aurobindo, „kann man in vielen Gedanken von Pythagoras und Platon wiederfinden, und sie bilden den tiefgründigeren Teil des Neuplatonismus und Gnostizismus mit all seinen beachtlichen Folgen für das philosophische Denken des Westens. In seiner bemerkenswerten Artikelserie über den vorsokratischen Weisen Heraklit schreibt er zum Beispiel, dass eine von Heraklits Aussagen „uns an das vedische Feuer erinnert, das als der Erbauer der Welten, als das geheime Unsterbliche in den Menschen und Dingen, als der Umkreis der Götter besungen wird. … Es erinnert uns an den vedischen Blitz und Donner, dieses elektrische Feuer der Sonne, die das wahre Licht ist, das Auge, die wunderbare Waffe der göttlichen Wegbereiter Mitra und Varuna. Und wir lesen in einem von Sri Aurobindos Briefen: „Die vedischen Rishis waren Mystiker des althergebrachten Typs, die überall, in Indien, Griechenland, Ägypten und anderswo, die geheimen Wahrheiten und Methoden, die sie kannten, als sehr heilige und geheime Dinge in ihrem Besitz bewahrten und keinem Ungeeigneten enthüllten, der sie missverstehen, falsch anwenden, missbrauchen und dieses Wissen degradieren würde." 4

    Garth Fowden beschreibt diese Weisheitstraditionen wie folgt: „Keine davon war Teil der Massenreligionen, denn alle lehrten, dass Erlösung durch Wissen oder Erkenntnis [‚Gnosis‘] komme. Wissen könne plötzlich durch Offenbarung vermittelt werden, ganz gleich, wen auch immer der Lehrer dafür als würdig erachtete, wie es gewisse Gnostiker zu tun pflegten; oder es könne durch lange Studien wie bei den Platonikern oder bei nicht wenigen Gnostikern und, wie es scheint, bei den Hermetikern, angeeignet werden. Aber wie auch immer es erworben wurde, es blieb stets der Elite vorbehalten. Demzufolge führte die Tendenz innerhalb dieser Milieus zur Entstehung einer zweistufigen Struktur mit einer kleinen Gruppe von Lehrern, ‚den Auserwählten‘, die die Verantwortung über den Unterricht einer viel größeren Gruppe übernahmen, die von den Platonikern und den Manichäern treffend ‚Hörer‘ genannt wurden." 5

    Geheimhaltung wurde unter Todesstrafe nicht nur von den Pythagoräern, sondern von allen Geheimkulten zwingend gefordert. Eine eindrucksvolle Illustration dafür ist jene Passage aus dem lateinischen Roman Der Goldene Esel von Apuleius: „So höre, und sei versichert, dass das, was du hörst, wahr ist. Ich [ein Eingeweihter] drang nahe bis zu den Grenzen des Todes vor und betrat die Schwelle von Persephone, und bevor ich zurückkehrte, reiste ich durch alle Elemente. Am Ende der Nacht sah ich die Sonne mit glänzenden Strahlen aufscheinen. Ich stand in der Anwesenheit der Götter von unten und oben und verehrte sie aus nächster Nähe. Nimm also zur Kenntnis, dass ich von Dingen gesprochen habe, die du nicht wissen darfst, obgleich du davon gehört hast. So werde ich nur das mitteilen, was dem Verständnis Uneingeweihter ohne Sakrileg mitgeteilt werden kann."

    Ägypten und Griechenland

    Eine wichtige, obgleich vergessene oder verunglimpfte Quelle eines Großteils der Spiritualität in den antiken Zivilisationen rund um das Mittelmeer war Ägypten. Dies wird nicht genügend erkannt, da die meisten Ägyptologen spirituellen Werten gegenüber verschlossen blieben, unfähig, den Bannkreis des Positivismus ihrer akademischen Kreise und der vorherrschenden abrahamitischen Religionen zu verlassen. Erst seit Kurzem haben Autoren wie Martin Bernal (Black Athena – auf Deutsch erschienen als Schwarze Athene) und Christos Evangeliou (The Hellenic Philosophy: Between Europe, Asia and Africa) gezeigt, wie rege in alten Zeiten der Austausch rund um die östlichen Mittelmeerländer war und wie tief Ägyptens hoch entwickelte Kultur, sein Okkultismus und seine Spiritualität das präklassische Griechenland beeinflusst haben.

    Der Geist, der hinter den ägyptischen Tempeln, Pyramiden und den Tiermasken der Götter stand, trat zu Beginn unserer Zeitrechnung in Schriften zu Tage, die Hermetica genannt wurden. Diese hermetischen Texte gewannen einen enormen Einfluss, nachdem sie im Laufe der Renaissance wiederentdeckt, von Cosimo I. de’ Medici gekauft und von Marsilio Ficino übersetzt wurden. Lange Zeit wurde ihre Echtheit bezweifelt, aber nach und nach gewannen sie als Ausdruck der in jenen Zentren des alten Ägyptens wie Heliopolis, Hermopolis und den großen Tempeln von Luxor und Memphis herrschenden Weisheit allgemeine Akzeptanz.

    „Oder weißt du denn nicht, Asklepios, liest man im gleichnamigen Text, „dass Ägypten das Abbild des Himmels ist? Überdies ist es der Wohnsitz des Himmels und aller Kräfte, die dem Himmel innewohnen. Es gehört sich für uns, die Wahrheit zu sagen, unser Land ist der Tempel der Welt. Und ein anderer Text im Codex Hermeticus lautet: Hermes sagte mir oft, dass diejenigen, die meine Bücher lesen, der Meinung sind, sie seien sehr einfach und klar geschrieben, während sie tatsächlich die Bedeutung der Worte verbergen und vollends unklar werden, wenn später die Griechen unsere Sprache in ihre eigene übersetzen wollen, was zu einer völligen Verzerrung und Verdunkelung des Textes führen wird. In der ursprünglichen Sprache ausgedrückt, ist der Sinn des Lehrtextes deutlich zu erkennen, da die Qualität der Laute und die Intonation der ägyptischen Sprache in sich selbst die Kraft der gesagten Dinge enthalten." Die mantrische Schwingung der esoterischen ägyptischen Schriften wirkte ausreichend als Barriere, um exoterische Außenstehende auszuschließen, zu einer Zeit, als das, was wir jetzt als die eine Welt erkennen, noch in viele Welten zertrennt war.

    Aber das, was uns noch viel spezieller interessiert, ist der ursprüngliche Mensch, der kosmische Purusha, dessen Abbild alle Menschen sind. Was sagen die hermetischen Schriften darüber aus? Ihr Kern besagt, dass „die Essenz des Menschen die innere Gottheit ist, und dass das Ziel des Initiierten „eine tatsächliche Annahme der Attribute Gottes ist, kurz: die Vergöttlichung. Der Weg von Hermes ist der Weg der Unsterblichkeit, und das Ziel ist erreicht, wenn die gereinigte Seele Gott verwirklicht hat, „so dass der wiedergeborene Mensch, obgleich immer noch aus Körper und Seele gebildet, mit Recht ein Gott genannt werden kann". (Fowden) Solche Verwirklichungen sind nicht möglich ohne ein konkretes Wissen darüber, was später unter Annahme der Wiedergeburt die Kette des Seins oder die Sephiroth genannt wird. Die Möglichkeit dieser Verwirklichungen war es, welche die ägyptischen Priester – zusammen mit den Statuen ihrer Götter – zu den Inseln und zum Festland des alten Griechenlands trieb, wo sie die Mysterien von Dodona, jene von Kabiroi und vermutlich die der meisten anderen Orte, Delphi miteingeschlossen, begründeten. Offensichtlich war der theos anèr, der göttliche Mensch, jenen Menschen auch bekannt, die ihr Leben dem widmeten, dessen lebendiges Bild und Verkörperung sie selbst waren, wie sie entdecken sollten.

    Der Gnostizismus

    Der Gnostizismus, der sich wiederum rund um das östliche Mittelmeer konzentrierte, war eine spirituelle Bewegung unterschiedlicher Prägung, die sich in den ersten Jahrhunderten n.Chr. weit verbreitete. (Das Christentum gewann zunächst als eine gnostische Sekte Gestalt.) Dennoch findet sich das vom Gnostizismus assimilierte Gedankengut in weiten Teilen der vorangegangenen Geschichte. Direkte Einflüsse sind erkennbar im Pythagoräertum, dem Platonismus und den auf Sokrates und den Neoplatonismus zurückgehenden asketischen Schulen. Der Gnostizismus hat sich selbst durch den Hermetismus bereichert und hat unbestreitbare Elemente des orientalischen, insbesondere des indischen Denkens aufgenommen. Erneut sollte daran erinnert werden, dass es zu einem häufigen Austausch zwischen den Kulturen und Religionen jener Zeiten kam. Personen auf einer spirituellen Suche waren in den meisten Fällen auch abenteuerlich Reisende. Und Missionare, unter ihnen zum Beispiel diejenigen, die von Kaiser Ashoka ausgesandt wurden, waren ein wohlbekanntes Phänomen. (Es gab auch eine judäisch-buddhistische Gruppe von Heilkundigen in der Nachbarschaft von Alexandria.)

    Wie nahe das Christentum dem Gnostizismus gewesen ist, zeigt sich durch die brutale Entschlossenheit, mit der sämtliche Restbestände der letzteren Bewegung – und davon gab es viele – als Häretiker gebrandmarkt und unerbittlich durch die frühchristliche Kirche verfolgt und vernichtet wurden. Das, was vom Gnostizismus übrig blieb, fand sich in entsprechenden Zitaten in polemischen christlichen Texten, bis 1945 durch einen unglaublichen Zufall ein wahrer Schatz an gnostischen Texten im ägyptischen Nag Hammadi entdeckt wurde. Die Texte, die nicht im Herdfeuer der Mutter eines jener Finder verbrannten, wurden entziffert und übersetzt. Dabei handelte es sich um Fragmente und auch um einige vollständige Bücher aus allen weiter oben genannten Quellen; auch waren mehrere unbekannte Evangelien darunter, die allerdings neben den akzeptierten vier keine Aufnahme im Neuen Testament finden sollten.

    Ebenfalls können hier essenzielle Ideen der Upanishaden gefunden werden; tatsächlich bilden sie die Grundlage, auf die sich der Gnostizismus in der Ausarbeitung seiner kosmischen und suprakosmischen Vision stützte, wenngleich unter anderen Namen und manchmal in ziemlich barocken Variationen. Da finden wir einen transzendenten, unsagbaren Gott (das passive Brahman). Aus Gründen, die unser Verständnis übersteigen – wohl sein Spiel oder seine Lila –, wollte dieser Gott sich selbst in seiner Manifestation erkennen, indem er sich in der ganzen Pracht seiner Unendlichkeit konkretisierte. Sein Wissen und seine Macht der Manifestation – die Große Mutter, ist sowohl im Hinduismus als auch im Gnostizismus unter vielen Namen bekannt (Eva, Barbelo, Sophia…). Alles ging gut bei der Manifestation der höheren Welten, aber durch einen „Fehler oder, wie Mutter es nannte, durch einen „Unfall wurde die Schöpfung der niederen Welt, diejenige, in der wir leben, einem Demiurgen, einem „blinden Gott" (Samael), auch Yadalbaoth genannt, anvertraut.

    Hier sind wir beim grundlegenden gnostischen Mythos angelangt, den Mutter bestätigte, indem sie ihn mehr als einmal auf ihre Weise erzählte, verbunden mit dem Hinweis, dass diesem eine tiefere Bedeutung zukäme als in der Geschichte, die man Kindern erzählt. Aufgrund der misslungenen Schöpfung durch den Demiurgen wurde die göttliche Manifestation in zwei Teile aufgespalten: In den größeren Teil, wo alle Welten und Ebenen der Existenz vollkommene Himmel waren, und in den unteren Teil, beherrscht vom blinden Gott (bei den Gnostikern auch als der Jahwe der Bibel bekannt), wo Unwissenheit, Leid und Tod herrschten. Manchmal geschah es, dass Seelen, Funken des Göttlichen, in die untere Welt, die materielle Hemisphäre, fielen. Rettung aus dem gefallenen Zustand konnte nur durch die Erinnerung an deren wahren, ursprünglichen Zustand erlangt werden, das heißt durch Wissen oder Erkenntnis („Gnosis"), die ihnen ein Erlöser offenbarte.

    Im Gnostizismus heißt der ursprüngliche Mensch Anthropos (Mensch), Protanthropos (erster oder ursprünglicher Mensch), Adam oder Adamas. Die Beziehung zwischen den spirituellen Prinzipien wird sehr oft nach der Art menschlicher Beziehungen als sexuelle oder familiäre Verbindungen erklärt.

    Diese oberflächliche oder exoterische Bedeutung führte zu den Missverständnissen, die den Gnostizismus – nicht ohne Absicht – suspekt werden ließen. Dennoch sind Namen von Mann und Frau oder Ehemann und Ehefrau einerseits für das absolute Wesen – den Schöpfer, und andererseits dessen Wissen oder Macht – die „Schöpferin", den meisten hohen Religionen gemeinsam. Im Hinduismus zum Beispiel sind dies Purusha und Prakriti oder Ishvara und Shakti. Das Prinzip der universellen Manifestation ist dann ihr Sohn, der wahre und vollkommene Anthropos oder Adamas, der göttlich ist wie seine Eltern, dem alle Dinge entstammen und der als „ein unzerstörbares und unendliches Licht gesehen wird. Dieser „präexistente Mensch war kein anderer als der von Mutter wahrgenommene archetypische Mensch oder der von Sri Aurobindo erwähnte kosmische Purusha. Als das Licht, das nicht durch die Materie verdunkelt wird, sondern an ihrem Ursprung steht, ist er das, was Sri Aurobindo das Supramental oder das archetypische supramentale Wesen nannte.

    Kabbalah

    Einer der biblischen Ausdrücke, die sich zum gemeinsamen Sprachgut entwickelten, ist der: „Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen." Die Interpretation dieser Aussage in den spirituellen und okkulten Traditionen weicht beträchtlich vom allgemeinen Verständnis ab. Das biblische Buch der Genesis beschreibt zwei Arten, wie Adam erschaffen wurde. In der einen war er zunächst allein und Gott gab ihm eine Frau, um seine Einsamkeit zu lindern; in der anderen erschuf Gott Eva aus einer Rippe Adams. Die letztere Version würde bedeuten, dass Adam Mann-Frau, also potenziell androgyn war, und dass sich die Trennung der Geschlechter durch einen Eingriff in Adams bisexuellen Körper ergab.

    Dies wird bedeutungsvoll, wenn man weiß, dass der göttliche Purusha, das supramentale Wesen am Ursprung der Schöpfung, der gnostische Adam ist, der nicht bisexuell, sondern asexuell ist. Sri Aurobindo und Mutter haben immer wieder betont, dass das supramentale Wesen asexuell sei und die Geschlechter ein von der Natur geschaffenes Mittel seien, um auf ihren niederen Ebenen ihr Ziel zu erreichen. So ist der Mythos aus der biblischen Genesis von der Erschaffung Adams und Evas im Grundwissen eines der großen traditionellen Systeme, dem chaldäischen, enthalten.

    Das, was Sri Aurobindo „den kosmischen Purusha" nannte, ist ein wichtiges Element im großen okkulten System der Kabbalah, die sich im zwölften und dreizehnten Jahrhundert hauptsächlich im nördlichen Spanien und in

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