Gebet und Mantra
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Über dieses E-Book
Gebet: Es gibt eine allgemeine Tendenz unter bestimmten Intellektuellen, das Gebet als etwas Religiöses und Minderwertiges abzutun. Ein Blick auf die spirituelle Geschichte der Menschheit zeigt jedoch, dass das Gebet schon immer ein integraler Bestandteil des spirituellen Lebens war. Es gibt einen Grundgedanken und einen Vorgang hinter den Gebeten, eine mystische Wahrheit mit tiefgreifenden Auswirkungen, die der Verstand nicht immer erkennt, aber das Herz leicht entdeckt. In diesem Buch werden die verschiedenen Aspekte des Gebets als Teil unserer spirituellen Entwicklung und unseres Wachstums im Lichte des Integralen Yoga aufgezeigt.
Mantra: Sri Aurobindo enthüllt, dass „das Mantra, poetischer Ausdruck der tiefsten spirituellen Realität, nur möglich ist, wenn sich drei höchste Intensitäten poetischer Sprache treffen und unlösbar eins werden, eine höchste Intensität rhythmischer Bewegung, eine höchste Intensität verwobener verbaler Form und Denkweise, Stil und eine höchste Intensität der Seele Wahrheits-Schau“. Es ist ein Ruf der Seele, der in Ekstase und Anbetung über die Vision der Wahrheit hervorspringt. Das höhere Firmament ist der geheime Geburtsort des Mantra, von dem die Seele zum Zeugen wird, während sie aus dem begrenzten Bereich des sterblichen Verstandes in das grenzenlose Sehen des Unendlichen aufsteigt. Das Mantra ist daher viel mehr als nur einige Sanskrit-Wörter, die mit tiefer Bedeutung erfüllt sind. Das Mantra kann in jeder Sprache sein, denn es entsteht aus der Stille, die die Sterne miteinander verbindet. Seine Tiefe geht über die bloße Bedeutung oder die Idee hinaus zu den Klang-Schwingungen, die auf Flügeln der Sehnsucht und Liebe klettern und den Hörer zum Heim der Wahrheit tragen oder ihm etwas von der Herrlichkeit offenbaren, das sich hinter den vielen Masken der Schöpfung verbirgt. In diesem Buch wird versucht, die Wahrheiten über das Mantra hervorzuheben, die uns durch die mantrischen Worte und Schriften der Mutter und Sri Aurobindos offenbart wurden.
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Buchvorschau
Gebet und Mantra - Sri Aurobindo
Teil 1
GEBET
Unser ganzes Leben sollte ein dem Göttlichen dargebrachtes Gebet sein. – Die Mutter
Kapitel I
Die Bedeutung des Gebets
Worte Sri Aurobindos
Das Leben des Menschen ist ein Dasein voller Wünsche und Bedürfnisse und somit von Begierden, nicht nur in seinem physischen und vitalen, sondern auch in seinem mentalen und spirituellen Wesen. Wenn er sich einer höheren Macht bewusst wird, die die Welt regiert, naht er sich dieser durch sein Gebet für die Erfüllung seiner Bedürfnisse, für Hilfe auf seinem rauhen Lebensweg, für Schutz und Beistand in seinem Kampf. Welche Rohheiten es bei der gewöhnlichen religiösen Annäherung an Gott durch das Gebet auch geben mag – und deren gibt es viele, besonders diese Haltung, die glaubt, das Göttliche könne man günstig stimmen, bestechen und ihm schmeicheln, so dass es sich durch Lobpreisung, Flehen und Geschenke zufrieden und nachsichtig stimmen lasse und wenig darauf achtet, in welchem Geist man sich ihm naht –, so entspricht dennoch diese Art, sich an das Göttliche zu wenden, einer wesentlichen Regung unseres religiösen Wesens und beruht auf einer universalen Wahrheit.
Man zweifelt oft an der Wirksamkeit des Gebetes und vermutet, das Beten selbst sei etwas Irrationales und darum notwendigerweise etwas Überflüssiges und Unwirksames. Es ist wahr, dass der universale Wille immer seine Absichten ausführt und davon nicht durch egoistisches Drängen oder Flehen abgelenkt werden kann. Es ist wahr, dass das Transzendente, welches sich in der universalen Ordnung zum Ausdruck bringt, allwissend ist und darum in seinem umfassenderen Wissen voraussehen muss, was zu geschehen hat und dazu keine Weisungen oder Anregungen durch menschliches Denken braucht. Es ist wahr, dass die Begehrlichkeiten des Individuums in keiner Welt-Ordnung ein wirklich bestimmender Faktor sind oder sein können. Aber weder diese Ordnung noch die Ausführung des universalen Willens werden durch ein mechanisches Gesetz bewirkt, vielmehr durch Mächte und Kräfte, von welchen, zumindest für das menschliche Leben, der Wille, die Aspiration und der Glaube nicht zu den unwichtigsten gehören. Das Gebet ist nur eine besondere Form, in der sich dieser Wille, diese Aspiration und dieser Glaube zum Ausdruck bringen. Oft sind seine Formen noch sehr primitiv und nicht nur kindlich, was kein Fehler wäre, sondern kindisch, aber dennoch hat es eine wirkliche Macht und Bedeutung. Seine Macht und sein Sinn ist, den Willen, die Aspiration und den Glauben des Menschen mit dem göttlichen Willen als dem eines bewussten Wesens in Berührung zu bringen, zu dem wir in bewusste und lebendige Beziehung treten können. Denn entweder können unser Wille und unsere Aspiration durch unsere eigene Kraft und Anstrengung wirken, was zweifellos zu etwas Großem und Wirksamen, ob für niedere oder höhere Zwecke, führen kann – und es gibt viele Disziplinen, die diese Kraft als die einzig zu gebrauchende herausstellen –, oder er kann unabhängig davon und dem göttlichen oder universalen Willen untergeordnet handeln. Diese letztere Methode wiederum mag entweder diesen Willen als aufgeschlossen für unsere Aspiration ansehen, dies aber beinahe mechanisch, nach einer Art Energiegesetz, gewiss aber völlig apersonal, oder sie mag ihn so verstehen, dass er bewusst auf unsere auf Gott gerichtete Aspiration und auf den Glauben der menschlichen Seele antwortet und ihr Hilfe, Führung, Schutz und den erbetenen Erfolg bringt, yogaksemam vahamyaham.
Das Gebet trägt dazu bei, diese Beziehung zunächst auf der niederen Ebene für uns vorzubereiten, wenn es auch dort mit vielem behaftet ist, was aus reinem Egoismus und bloßer Selbsttäuschung herrührt. Danach können wir uns aber höher hinauf jener spirituellen Wahrheit zuwenden, die dahinter steht. Dann kommt es nicht mehr so sehr auf Gewährung der erbetenen Sache an, sondern auf die Beziehung selbst, auf den Kontakt des menschlichen Lebens mit Gott, auf den bewussten Austausch mit ihm. In spirituellen Dingen und beim Suchen nach spirituellen Errungenschaften ist diese bewusste Verbindung eine große Macht. Sie ist eine viel stärkere Macht als unser völlig auf uns selbst gestütztes Kämpfen und Mühen und bringt ein größeres spirituelles Wachsen mit sich und eine größere spirituelle Erfahrung. Notwendigerweise endet das Gebet schließlich in der größeren Sache, auf die es uns vorbereitet hat – tatsächlich ist die Ausdrucksform, die wir Gebet nennen, an sich nicht wesentlich, solange der Glaube, der Wille und die Aspiration vorhanden sind –, oder aber es bleibt nur um der Freude an der Beziehung willen. Auch werden seine Ziele, artha, das Interesse, welches es zu verwirklichen sucht, immer höher und höher, bis wir schließlich die höchste, von keinen Motiven mehr bestimmte Verehrung erreichen, welche die der göttlichen Liebe ist, rein und einfach, ohne jegliche Forderung oder irgendein Verlangen.
*
Worte Sri Aurobindos
Die menschliche Seele kommt zum Göttlichen um der Hilfe, dem Schutz, der Führung und Erfüllung willen – oder, wenn Wissen das Ziel ist, naht sie sich dem Führer, Lehrer und Geber des Lichtes, denn das Göttliche ist die Sonne des Wissens –, oder sie kommt in Schmerz und Leiden, um Linderung, Trost und Erlösung zu finden, Erlösung entweder vom Leiden selbst oder von der Welt-Existenz, die die Heimstätte des Leidens ist oder dessen innere und wahre Ursache1... Die Seele geht zur Mutter-Seele mit all ihren Wünschen und Nöten, und die Göttliche Mutter will es so, damit sie ihr Herz der Liebe ausströmen lassen kann. Die menschliche Seele wendet sich ihr auch aufgrund des selbstexistenten Charakters dieser Liebe zu und weil sie uns den Weg zu unserer Heimat weist, in die wir von unseren Wanderungen in der Welt zurückkehren, hin zur Brust, an der wir unsere Ruhe finden.
*
Worte Sri Aurobindos
Nun zu den Gebeten: Die Tatsache des Betens als solche und die innere Haltung, die es mit sich bringt, besonders das selbstlose Gebet für andere, öffnet dich gegenüber der höheren Macht, selbst wenn in