Osterley House: Herrenhäuserliche Mäanderungen durch die englische Wirtschaftsgeschichte
Von Klaus Heitmann
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Über dieses E-Book
Mitten in die Beschäftigung mit diesem Dingen fiel die Volksabstimmung darüber, ob England in der Europäischen Union verbleiben soll, deren Ergebnis die Welt so sehr überrascht hat. Dies motivierte den Autor dazu, noch weiter in die insulare Seele einzudringen. Dabei kam er zu dem Schluss, dass man eigentlich nicht überrascht sein konnte. England fällt es schwer, den Verlust von "splendid isolation" und Weltmachtstellung zu verwinden. Die Betrachtungen in "Osterley House" können daher auch als das Buch zum Brexit gelesen werden.
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Buchvorschau
Osterley House - Klaus Heitmann
Klaus Heitmann
Osterley House
Herrenhäuserliche Mäanderungen durch die englische Wirtschaftsgeschichte
Impressum
Copyright © Edition Shakuntala, Berlin
Verlag neobooks.de
ISBN 978-3-7427-3010-7
Umschlagbild:
Antony Devis Osterley House
In Osterley House
werden zahlreiche historische Personen erwähnt, die manchem Leser nicht oder nicht näher bekannt sein dürften. Ein Register sämtlicher Personen mit Lebensdaten und kurzer Charakterisierung befindet sich am Ende des Textes.
Für denjenigen, welche es bevorzugen, das Werk in der Hand zu haben, steht es bei epubli.de auch in Buchformat zur Verfügung (ISBN 978-3-7467-1889-7). Es kann dort, über den Buchhandel oder die gängigen Onlinehändler bezogen werden.
Sie öffnete mir die Augen für einen Blick in das wahre Leben. - Samuel Johnson über Bernard Mandevilles Bienenfabel
Im Westen Londons liegt Osterley House. Es ist eines jener Herrenhäuser, welche die Engländer unter Hinzufügung des Ortsnamens mit einem gewissen Understatement, das latent auch einem unguten Gewissen geschuldet sein dürfte, schlicht als „house bezeichnen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber, wenn auch nicht immer schon äußerlich, um alles andere als bescheidene Behausungen. Nicht nur, dass ihre Ausmaße weit über das hinausgehen, was man sich gewöhnlich unter einem Haus vorstellt. Innen befinden sich in der Regel opulent ausgestattete repräsentative Räume, darunter meist eine große Empfangshalle und ein eindrucksvolles Treppenhaus, Räumlichkeiten, in denen je nach der Epoche, in welcher das Haus entstand oder umgestaltet wurde, strahlendes Gold, dunkles Holz oder mehr oder weniger bunter Stuck vorherrschen. Zum Repertoire der „stately home
, wie diese Residenzen in England genannt werden, gehört auch eine Gemäldesammlung, in der einige Werke oder zumindest Kopien von Klassikern der Malkunst zu bestaunen sind, dazu allerhand Portraits von ehemaligen Besitzern des Hauses, ihren Familienangehörigen und royalen Celebritäten sowie romantische Landschaftsbilder, auf denen bevorzugt antike Ruinen abgebildet sind. Außerdem liebt man es, sich mit einer bedeutungsschweren Bibliothek zu umgeben, in der sich fein-ledern eingebundene Bücher und Prachtfolianten mit goldschimmernden Rücken, darunter vielbändige Geschichtswerke, Reise- und Länderbeschreibungen finden, welche, wiewohl meist ziemlich betagt, oft so makellos erhalten sind, dass die Vermutung nicht fern liegt, sie seien kaum je aus den Regalen genommen worden; manche prächtige Büchereihen erweisen sich bei näherer Betrachtung auch als bloße Ansammlung von Buchrücken, hinter denen sich eine Tür oder ein Schrank verbirgt. Umgeben ist das „house in der Regel von einem formalen Garten mit ornamental angeordneten oder zurechtgestutzten nicht selten exotischen Gewächsen samt einer lichten Orangerie für deren Winterquartier. Außerdem gehört dazu ein weitläufiger Landschaftspark, in dem das Herrenhaus möglichst mittig in „splendid isolation
platziert ist. Darin kann man den Blick entlang ausgeklügelter, durch sorgfältig platzierte Baumgruppen perspektivisch verstärkte Sichtschneisen in die Ferne schweifen lassen, wo er hier und da auf antikisierende Tempelchen, schön gebogene Brücken über künstliche Kanäle und Teiche, sowie Brunnen und sonstige Lustbauten trifft. Eingehegt wird das Ganze schließlich von einer Kilometer langen Mauer aus abertausenden von Ziegelsteinen. All das trifft auch auf Osterley House zu.
Die Herrenhäuser, die wie vom Himmel gefallene Edelsteine über die ganze Landschaft der britischen Inseln verstreut sind, waren idealiter Orte, an denen man die Geschäfte des Alltags hinter sich lassen konnte, welche die „Herren" vermutlich in Umkehrung der heute geläufigen Rangordnung wie die alten Römer am liebsten als „negotium, als Abwesenheit von „otium
(Muße), charakterisiert hätten. Aber in einem Volk, wo „negotium schon in der Sprache eine derart negative Konnotation verloren hat und „negotiation
für Verhandeln und somit auch für Handel und letztendlich überhaupt für Handeln und damit für die vorwärts drängende „Aktivität steht, über welche sich moderne Gesellschaften im Wesentlichen definieren, in einem solchen Volk waren diese „Otiumvillen
, wie man die ländlichen Rückzugsorte der Antike nennt, immer auch Kristallisationspunkte des allgemeinen Lebens. Hier traf sich, wer in der politischen und finanziellen Oberschicht des Landes etwas zu sagen hatte oder zu sagen haben wollte. Hier verhandelte man, was in diesen Kreisen wichtig war, prägte statusbestimmende Standards und entfaltete wirtschaftliche Aktivitäten. Nicht zuletzt wurden hier Entscheidungen getroffen oder vorbereitet, mit denen ein Gemeinwesen gesteuert wurde, welches ab dem Ende des 16. Jahrhunderts das größte Reich der Weltgeschichte schaffen und die Speerspitze der weltwirtschaftlichen Entwicklung werden sollte.
Eine Voraussetzung für diese außerordentliche Dynamik war die besondere Art des Generierens und Akkumulierens von Kapital, welche sich ab dem 17. Jahrhundert in England herausbildete und die sich im Großen und Ganzen bis heute erhalten hat. Auch insofern ist Osterley House mit von der Partie. Drei seiner Besitzer haben im englischen Wirtschaftsleben eine herausragende Rolle gespielt. Diese Kumulation machte mich neugierig, und indem ich diesen Figuren und ihren Beziehungen zu Osterley House nachging, begann eine lange und ziemlich windungsreiche Wanderung, die mich immer tiefer in die englische Wirtschaftsgeschichte, ja überhaupt in die zahlreichen Varianten der Geschichte samt allerlei Geschichten und Geschichtchen zog.Merkwürdigerweise fiel mitten in meine Betrachtungen die Abstimmung darüber, ob England aus der Europäischen Union ausscheiden solle, deren Ergebnis bekanntlich fast alle Beobachter und auch viele Engländer, nicht zuletzt die Initiatoren der Befragung überrascht hat. Dies war für mich umso mehr Grund, mich mit der insularen Seele und den Umständen zu befassen, die sie geprägt haben. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass man eigentlich nicht sonderlich überrascht sein durfte.Ursprünglich hatte mein Interesse an Osterley House einen gänzlich anderen Grund. Der heutige Bau ist das Werk des großen klassizistischen Architekten und Designers Robert Adam aus dem 18. Jahrhundert, welcher Kontakt zu dem italienischen Kupferstecher Giovanni Battista Piranesi hatte, mit dem ich mich seit Beginn meines tieferen Interesses an den Erscheinungen der Kultur und das heißt nicht weniger als ein halbes Jahrhundert lang immer wieder befasst habe. Robert Adam war wie sein moralphilosophisch-wirtschaftstheoretischer „Vornamensvetter" und Zeitgenosse Adam Smith, auf den ich im weiteren Verlauf meiner Erzählung noch zu sprechen komme, ein Schotte. Er hatte sich bei seinen architektonischen Studien in Rom mit Piranesi angefreundet und hatte sich von den stilistischen Vorstellungen und der Begeisterung des Italieners für die römische Antike anstecken lassen, was seinen eigenen noblen, geradezu kristallin-exquisiten (Adam)Stil formte, mit dem er eine ganze Epoche prägte. Diese Nähe zu Piranesi hatte zur Folge, dass ich mich mit Osterley House intensiver befasste, als mit den vielen anderen Herrenhäusern, welche ich in England besucht habe. Bei der näheren Beschäftigung mit derlei Fragen, die in erster Linie ästhetischer Natur sind, driftete ich aber schon bald in eine Welt ab, welche damit auf den ersten Blick wenig zu tun zu haben scheint, mit ihnen aber doch in merkwürdiger Dialektik verbunden ist, die Sphäre des großen Geldes und seines Erwerbs, welches die Voraussetzung für das Entstehen aber auch den Untergang von Herrenhäusern wie Osterley ist. Damit war ich bei den drei Eigentümern dieses Hauses, welche samt einigen Nebenfiguren beispielhaft für die merkwürdigen Verflechtungen stehen, welche Macht, Moral, Ästhetik und Wirtschaft in dieser Welt eingehen.
Ursprünglich hatte mein Interesse an Osterley House einen gänzlich anderen Grund. Der heutige Bau ist das Werk des großen klassizistischen Architekten und Designers Robert Adam aus dem 18. Jahrhundert, welcher Kontakt zu dem italienischen Kupferstecher Giovanni Battista Piranesi hatte, mit dem ich mich seit Beginn meines tieferen Interesses an den Erscheinungen der Kultur und das heißt nicht weniger als ein halbes Jahrhundert lang immer wieder befasst habe. Robert Adam war wie sein moralphilosophisch-wirtschaftstheoretischer „Vornamensvetter" und Zeitgenosse Adam Smith, auf den ich im weiteren Verlauf meiner Erzählung noch zu sprechen komme, ein Schotte. Er hatte sich bei seinen architektonischen Studien in Rom mit Piranesi angefreundet und hatte sich von den stilistischen Vorstellungen und der Begeisterung des Italieners für die römische Antike anstecken lassen, was seinen eigenen noblen, geradezu kristallin-exquisiten (Adam)Stil formte, mit dem er eine ganze Epoche prägte. Diese Nähe zu Piranesi hatte zur Folge, dass ich mich mit Osterley House intensiver befasste, als mit den vielen anderen Herrenhäusern, welche ich in England besucht habe. Bei der näheren Beschäftigung mit derlei Fragen, die in erster Linie ästhetischer Natur sind, driftete ich aber schon bald in eine Welt ab, welche damit auf den ersten Blick wenig zu tun zu haben scheint, mit ihnen aber doch in merkwürdiger Dialektik verbunden ist, die Sphäre des großen Geldes und seines Erwerbs, welches die Voraussetzung für das Entstehen aber auch den Untergang von Herrenhäusern wie Osterley ist. Damit war ich bei den drei Eigentümern dieses Hauses, welche samt einigen Nebenfiguren beispielhaft für die merkwürdigen Verflechtungen stehen, welche Macht, Moral, Ästhetik und Wirtschaft in dieser Welt eingehen.
Schon der erste Besitzer von Osterley, so stellte ich fest, war eine Figur, die dem englischen Wirtschaftsleben einen markanten Stempel aufdrückte. Das Land, auf dem sich heute Haus und Park befinden, wurde bis in die 60-er Jahre des 16. Jh. landwirtschaftlich genutzt. Im Jahre 1562 erwarb der Geschäftsmann Thomas Gresham den Bauernhof, der sich dort befand. Gleichzeitig erhielt er von der Krone den Besitz der umliegenden weitläufigen Ländereien von rund drei Quadratkilometern mit der Erlaubnis, diese in einen Park umzuwandeln.
Gresham, war, wie meine beiden anderen Protagonisten von Osterley House, ein Mann des Bürgerstandes. Sein Vater war ein wichtiger Player in der Londoner „City", dem seit alters weitgehend selbstverwalteten wirtschaftlichen Herz und Gehirn Englands, in der er unter anderem die Position des Lord Mayors inne hatte. Daneben hatte er eines der größten englischen Handelshäuser aufgebaut. Thomas Gresham selbst lebte und arbeitete lange für die Familienfirma in den Niederlanden, wo im 16. Jahrhundert, als England noch eine drittklassige Macht war, wirtschaftlich die Musik spielte. Auf der Basis der Erfahrungen, die er dort machte, beriet er die englische Krone unter König Edward IV., Königin Maria I. und Elisabeth I. in fiskalpolitischen Fragen. Insbesondere vermittelte er dem Herrscherhaus, das finanziell alles andere als souverän und daher chronisch klamm war, Kredite internationaler Großinvestoren, darunter von den deutschen Handelshäusern der Tucher in Nürnberg und der Fugger in Augsburg, von denen die Krone im Gegenzug Juwelen und andere Waren zu völlig überteuerten Preisen kaufen musste. Bei der Wahl der Mittel, mit denen er der Krone Geld verschaffte, war er nicht sonderlich skrupulös. So wurden auf seinen Rat Handelsflotten, die von England nach Antwerpen auslaufen wollten, so lange festgehalten, bis die Kaufleute der Krone einen hohen Kredit zu Konditionen, welche eben die Krone bestimmte, eingeräumt hatten. Als das englische Pfund zur Zeit Edwards VI. durch Kursmanipulationen ausländischer Händler und Fehlentscheidungen des Agenten der Krone in den Niederlanden in eine gefährlichen Krise geraten war, wurde Gresham, ohne dass er sich danach gedrängt hatte, wie er betonte, selbst zum Agenten bestellt. Gresham gelang es mit trickreichen Operationen, den Pfundkurs zu stabilisieren, wodurch die angeschlagene Kreditwürdigkeit Englands wiederhergestellt und die ausländischen Schulden der Krone, die sich bedenklich aufgehäuft hatten, unerwartet schnell zurückgezahlt werden konnten. Spätestens seit dieser Tat stand er in dem Ruf, ein außerordentlich einfallsreicher Finanzmann zu sein. Zu den Methoden, mit denen Gresham die Gläubiger der Krone dazu brachte, Ruhe zu halten, gehörte die Veranstaltung von Banketten, deren Opulenz in krassem Gegensatz zu den wahren finanziellen Verhältnissen seines Auftraggebers stand. Eines dieser Gastmähler ließ er für teures Geld von einem niederländischen Maler abbilden, was ich als erstes, weil besonders treffendes Beispiel für die Verbindung der Welten von Kunst und Geld bringe. Leider konnte ich nicht herausfinden, von wem es stammt und was aus diesem Gemälde inzwischen geworden ist. Von Gresham selbst gibt es aber mehrere Bilder, darunter eine wunderbar altmeisterlich klare Darstellung von dem seinerzeit angesagtesten Portraitisten Antonis Mor, das sich im Amsterdamer Rijksmuseum befindet.
Auch sonst war Gresham, der sich das Wohlwollen der Mächtigen nicht zuletzt durch große Geschenke zu sichern wusste, der Krone dienstbar, etwa als Botschafter Englands bei der Regentin der spanischen Niederlande, wofür er in den, wenn auch niedrigsten Adelsstand erhoben wurde. Außerdem sammelte er mittels Agenten, die ihm in vielen Teilen Europas zu Diensten waren, und durch Bestechung von relevanten Amtsträgern fleißig politisch relevante Nachrichten, insbesondere über die Absichten Spaniens, das England seinerzeit ständig bedrängte. Vor allem mit seinem Freund William Cecil, dem engsten Berater von Königin Elisabeth, stand er in regem, streng geheimem Briefverkehr. Eine wichtige Rolle spielte er auch beim Schmuggel von Geld und Waffen nach England. Das Exportverbot für Silber, das Kaiser Karl V. zur Stabilisierung der spanischen Handelsbilanz erließ, unterlief er, indem er das Edelmetall, welches die Basis der Währungen in allen Ländern war, in Pfefferlieferungen versteckte. Waffen deklarierte er sinnigerweise als Samtlieferungen und zur Reduzierung des in England notorischen Mangels an Schießpulver organisierte er eine „Armada, eine im wahrsten Sinne des Wortes „bewaffnete
Flotte, bestehend aus fünf Schiffen voller Schießpulver, die den Sprengstoff, der nicht zuletzt für den Kampf gegen Spanien dringend benötigt wurde, von den spanischen Niederlanden ohne Zwischenfälle über den Ärmelkanal brachte.
Besonders gerne nahm Elisabeth I. Greshams Dienste und seinen Rat in finanziellen Dingen in Anspruch. Er vermittelte ihr nicht nur immer wieder neue Kredite in Antwerpen, das seinerzeit die Drehscheibe der nordeuropäischen Finanzmarktgeschäfte war. Als sich deren Schwerpunkt nach Hamburg verlagerte, sorgte er dafür, dass der notorische Wackelkandidat England hier als zuverlässiger Kreditnehmer erschien. Immer wieder mahnte der Kenner der misstrauischen kaufmännischen Seele die Krone, die zur finanziellen Leichtsinnigkeit neigte, nicht nur an die kurzfristigen Vorteile von Transaktionen zu denken, sondern sich durch pünktliche Kreditrückzahlungen auch künftigen Ressourcen zu sichern.
Da Elisabeths Vater, Heinrich VIII., sein fiskalisches Defizit kurzsichtig und auf eben nicht seriöse Weise durch Verringerung des Edelmetallgehaltes der Münzen zu reduzieren versucht hatte, was zu einem Verfall des Pfundes führte, riet Gresham der Königin zu einer Münzreform, die sie dann auch zum Vorteil des Staatshaushaltes durchführte. Wir wissen nicht, ob er der Königin davon abriet, die leeren Kassen der Krone durch die Staatspiraterie gegen den spanischen Rivalen auf den Weltmeeren aufzubessern, wie sie etwa ein Francis Drake betrieb - die Königin war an einer Handelgesellschaft beteiligt, die Drakes Raubzüge finanzierte, woraus sie eine hübsche Dividende bezog-, eine bemerkenswerte Variante der Public-Private-Partnership, die so typisch für die englische Staatsorganisation ist und nicht selten zweifelhafte Effekte erzeugt (Drakes Vetter John Hawkins, der das gleiche „Geschäftsmodell praktizierte, handelte mit Unterstützung der Krone als einer der ersten Engländer auch noch mit Sklaven, was ein Jahrhundert später ein gigantisches public-private Modell werden sollte, auf das ich im Zusammenhang mit der South-Sea-Company noch zurückkommen werde). Gresham selbst war jedenfalls an der Gründung einer Handelsgesellschaft, der „Compagnie of Cathai
, beteiligt, welche die Expedition des berüchtigten Freibeuters Martin Frobisher finanzierte, mit der eine Nord-West-Passage nach Asien gefunden werden sollte. Allerdings hatte er mit diesem Ausflug in die Sphäre der Glücksritter und „Merchand-Adventurer, die damals von London aus in alle Welt ausschwärmten, wenig Fortune. In der City ging nach Frobishers erster Expedition im Jahre 1576 das Gerücht herum, dass er Golderzvorkommen entdeckt habe, weswegen man ihn umgehend mit einer weiteren Expedition beauftragte, nicht ohne ihn zuvor, unbekümmert um die Rechte der indigenen Bevölkerung, zu nicht weniger als zum „Großadmiral aller Meere und Gewässer von Cathai
, also China, und anderer neu zu entdeckender Gewässer ernannt hatte. Da er von dieser Fahrt zweihundert Tonnen Gestein mitgebracht hatte, das man für goldhaltig hielt, schickte man ihn, im Goldrausch - der Mutter aller Modelle zur leichten Gewinnmaximierung - jede kaufmännische Vorsicht außer Acht lassend und ohne eine weitere Überprüfung des mitgebrachten Materials gleich mit fünfzehn Schiffen wieder los, die er mit Golderz füllen sollte. Als er zurückkam, wusste man schon, dass man sich verspekuliert hatte. Es hatte sich herausgestellt, dass das goldschimmernde Gestein wertloses Pyrit war.
Für Königin Elisabeth hatte Gresham noch eine Aufgabe zu erfüllen, die ihm nicht angenehm, aber offenbar nicht abzulehnen war. Er musste in seinem Haushalt Lady Mary Grey, eine Urenkelin Heinrichs VII, und Großcousine der Königin mit Thronfolgeberechtigung, quasi als Gefangene halten. Die unglückliche Lady hatte ohne die erforderliche königliche Zustimmung heimlich und unter Stand, nämlich einen bloßen, wenn auch stattlichen königlichen Portier geehelicht, weshalb sie der damaligen, geradezu shakespearesk-rigorosen Thronsicherungspolitik gemäß sofort und auf Dauer von ihrem Angetrauten getrennt und viele Jahre unter Hausarrest gestellt wurde, ein Schicksal, das auch ihre Schwester Catherine erlitt, die ihre Gefühle genausowenig im Zaum halten konnte oder wollte und ebenfalls heimlich geheiratet hatte. Drei Jahre ihrer „Gefangenschaft" verbrachte Lady Mary Grey im Hause Greshams, die beiden letzten in Osterley House. Der Hausherr suchte, auch zur Entlastung seiner Frau, welche die traurige Lady zu betreuen hatte, mehrfach um Entbindung von dieser Last nach, fand damit aber bei Hofe lange kein Gehör.
Bei Gelegenheit von Mary und Catherine Grey muss ich noch auf das Schicksal einer weiteren Grey-Schwester samt dessen Weiterungen eingehen, weil sich dadurch die für die westliche Politkultur so bedeutenden Entwicklungen am Ende des 17. Jahrhunderts, die im Verlauf meiner Erzählung noch eine Rolle spielen, recht plastisch von den Verhältnissen der Gresham-Zeit abheben werden. Die dritte im Bunde der Geschwister war Lady Jane. Ihr Leben war ein wahrhaftes Königsdrama á la Shakespeare, was auch wieder mit mehr oder weniger geglückten Eheallianzen zu tun hatte, mit denen zu Fürstens Zeiten bevorzugt (Eroberungs)Politik gemacht wurde. Um diese Lady hatte sich der ehrgeizige John Dudley, Earl of Warwick, bemüht, der es zu einem der wichtigsten Ratgeber Heinrichs VIII. gebracht hatte, aber nach noch Höherem strebte. Der politische Ehrgeiz und der Hang, die Nähe der Krone zu suchen, der in seiner Familie endemisch war, sollten ihm und seiner Entourage nicht gut bekommen. Schon John Dudleys Vater Edmund war damit schlecht gefahren. Er war unter Heinrich VII. so etwas wie ein Finanzminister. Als solcher hatte er ein strenges Regime geführt und sich insbesondere beim Adel unbeliebt gemacht, den er rigoros zur Kasse bat. Nach dem Tode seines Herrn wurde er von Heinrich VIII., der sich damit wohl die Sympathie des Adels sichern wollte, unter einem Vorwand in den Tower gesperrt, wo er wegen Hochverrates enthauptet wurde, was der Beginn einer ganzen Serie von Köpfungen rund um die Familie Dudley war. Sohn John scheint dem König die Beseitigung seines Vaters nicht allzu übel genommen zu haben, denn er verdingte sich bei ihm als Heerführer und Berater in verschiedenen wichtigen Funktionen. Als Heinrich VIII. seinem Tod entgegen sah, berief er John Dudley in den Regentschaftsrat, der für seinen noch minderjährigen Sohn aus der Ehe mit Jane Seymour, den nachmaligen Edward VI., bis zu dessen Volljährigkeit die Regierungsgeschäfte führen sollte. Dessen Vorsitz hatte zunächst Edwards Onkel, der zu diesem Zweck zum Herzog von Somerset erhoben wurde. Als sich nach einigen Jahren unter den Granden Widerstand gegen den Herzog unter anderem deswegen erhob, weil er durch einen misslungenen Feldzug nach Schottland die Finanzen des Landes zerrüttet hatte und zu viel Verständnis für aufständische Bauern zeigte, die gegen die zunehmenden Einzäunungen von Ackerland durch den Adel protestierten, nutzte Dudley, der selbst Großgrundbesitzer war und schon außerordentich blutige Schlachten gegen die Bauern geführt hatte, die Gelegentheit, um Somerset im Verein mit Gleichgesinnten zu stürzen. Er ließ sich von Edward VI., den er auf seiner Seite hatte bzw. hatte ziehen können, selbst zum Herzog (von Northumberland) erheben und veranlasste