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Im Moment die Ewigkeit: Ein Zeitroman
Im Moment die Ewigkeit: Ein Zeitroman
Im Moment die Ewigkeit: Ein Zeitroman
eBook154 Seiten2 Stunden

Im Moment die Ewigkeit: Ein Zeitroman

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Über dieses E-Book

Markus Nell, Zeitungsredakteur, hat einen Interviewtermin in einem Institut für Biochemie. Da ihn niemand empfängt, betritt er ahnungslos eines der Labors.
Seitdem dehnt sich für ihn die Zeit, zieht sie sich zunehmend in die Länge, zunächst kaum merklich, aber bald scheint die Verlangsamung seiner Welt kein Ende zu nehmen. Sand im Getriebe der Zeit.
Er schwebt zwischen Hoffen auf ein Ende eines Alptraumes und Bangen darum, welche Entwicklung der zeitliche Ablauf seiner Welt annehmen wird.
Niemand glaubt ihm, auch nicht, dass er verfolgt wird. Sein Chef schickt ihn in Urlaub, seine Lebenspartnerin verlässt ihn.
Er ist ratlos und versucht sich abzulenken, sich mit der Ungleichzeitigkeit zu arrangieren.
Kein Mensch hat derartiges vorher erlebt ...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Dez. 2014
ISBN9783847619932
Im Moment die Ewigkeit: Ein Zeitroman

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    Buchvorschau

    Im Moment die Ewigkeit - Uwe Christian Klein

    Prolog

    Die Blätter des Baumes bewegten sich nicht. Es war nahezu windstill in dem parkähnlichen Garten, der hinter dem Hauptgebäude des Wohnheims angelegt war. Der Baum, eine Weide, stand inmitten einer großzügig angelegten Rasenfläche, die von schmalen Blumenbeeten und geschnittenen Eiben gesäumt war. Die Wärme des spätsommerlichen Nachmittags wirkte angenehm auf Markus Nell, der in einem Rollstuhl reglos vor dem Baum saß. Eine Pflegerin legte eine Decke über seine Beine, was er, wäre er dazu in der Lage gewesen, gerne abgelehnt hätte. Doch Markus Nell konnte weder sprechen, noch sich irgendwie bewegen. Sein Gesicht zeigte keine Mimik, so dass es ihm nicht möglich war, sich in irgendeiner Weise zu äußern.

    Vielleicht werde er sich eines Tages fühlen, als könne er ewig leben, hatte vor wenigen Tagen ein Neurologe zu ihm gesagt, als er diesen nach einigem Zögern aufsuchte, noch aufzusuchen fähig war. Dieser hatte ihm in seiner Verzweiflung Mut machen wollen. Wie Recht dieser doch behalten hatte, nur konnte er nichts Positives daran entdecken. Die Langeweile, die er fühlte, war fast unerträglich.

    Hinter seinem Rücken spürte er die beiden Männer, die ihn verfolgten, dessen war er sich sicher, auch wenn ihn in den letzten Tagen einige Menschen, darunter sogar Freunde, wegen dieses Eindrucks für verrückt oder zumindest überreizt gehalten hatten. Sie waren sicher wieder da, sie waren in den letzten Tagen immer da. Er hatte nur selten die Möglichkeit sie zu sehen oder zu hören, zum Einen durch die wahrgenommene Langsamkeit von Allem, das ihn umgab, zum Anderen verbargen sich die beiden heimlichen Verfolger, wohl aus gutem Grund. Diesen Grund wusste er allerdings nicht, er ahnte ihn nur. Aber sie waren ganz sicher anwesend, irgendwo hinter ihm, als Teil dieser seiner Welt, in der bei den Bewegungen aller Dinge Sand ins Getriebe gekommen zu sein schien.

    Zunächst hatte er anfangs nur eine gewisse Ungeduld verspürt. Doch der Tag, an dem diese seltsame Verlangsamung begann, das war ihm später aufgefallen, wurde ihm dann eindeutig bewusst. Das Problem war nur, dass selbst in seiner Erinnerung die Dinge langsamer abzulaufen schienen, was ihn verwunderte, ihm unlogisch vorkam. Immer wieder dachte er an diesen Tag, an diesen Moment, der ihm anfangs nicht so bedeutungstragend erschienen war, ihm nicht die Wertung zugeschrieben hatte, die diesem für die ganze Geschichte, die er durchlebt hatte, im Grunde genommen zuzuweisen notwendig gewesen wäre. Diese Dehnung der Zeit auch im gedanklichen Rückblick verlangte von ihm viel Geduld, und manchmal kam es vor, dass ihn dieser Umstand an den Rand des Wahnsinns trieb. Seit diesem Tag fühlte er sich verfolgt.

    Wie gerne hätte er seine Geschichte erzählt, wäre neugierig darauf gewesen, wie Menschen, die ihm nahe waren, die ihm etwas bedeuteten, reagiert hätten, ja, ob sie ihm inzwischen glauben würden, oder ob sie noch immer der Ansicht gewesen wären, dass er eine psychische oder neurologische Krankheit habe, er gewissermaßen verrückt sei. Doch war er zum Sprechen nicht mehr in der Lage, hatte kaum noch einen bewusst steuerbaren Muskel unter Kontrolle. Kein Wort, keine Silbe

    konnte er artikulieren, nichts mehr mitteilen, so dass diese Unfähigkeit zur Bewegung, die ihm als Beweis der Wahrheit dessen, was er zu erzählen hatte, hätte dienen können, das in den vergangenen Tagen Erlebte hätte nachvollziehbar belegen können, dass ausgerechnet dieser Umstand, der ihn befähigt hätte, anderen Menschen gegenüber seine Erfahrungen glaubhaft machen zu können, ihm eben dieses Erzählen unmöglich machte. So hatte er nur sich selbst als inneren Zuhörer seiner eigenen Gedanken, sich selbst als Anvertrauten eines unfreiwilligen Geheimnisses, das ihn zum Grübeln brachte, immer wieder die einzelnen Situationen der vergangenen Tage im Geist durchlebte, immer langsamer freilich, dass er zuweilen am liebsten von eigener Hand aus dem Leben geschieden wäre, doch selbst dazu war er nicht mehr in der Lage. Er war gefangen in einer bis zur Unendlichkeit gedehnten Zeit, von Sekunden, von Augenblicken in Fesseln gelegt, die zu öffnen ihm unmöglich war, und was noch schwerer wog, auch sonst niemand lösen konnte.

    Dabei stellte sich ihm das Erlebte nur wenig kompliziert dar, es wäre recht einfach zu erzählen gewesen, zumindest überwiegend, so sinnierte er, und er sah keine Möglichkeit mehr, dass sich an diesem Zustand etwas ändern würde. So wusste niemand, was ihm tatsächlich geschehen war. Seine Erscheinung wirkte aus der Ferne, obwohl er Mitte dreißig war, wie ein alter pflegebedürftiger Mann, aus der Nähe wie ein schwer erkrankter jüngerer Mann oder jemand, der bei einem Unfall erlittene schwere Verletzungen überlebt hatte.

    So erzählte er die Geschichte gewissermaßen nur sich selbst, in schier endlos erscheinender Dauer und Häufigkeit, denn dazu hatte er alle Zeit der Welt.

    So saß er in seinem Rollstuhl vor dem Baum, den Blick starr auf diesen gerichtet, froh darüber, dass es ihm wenigstens irgendwie gelungen war, dass man ihn in diese Position gebracht hatte, und lebte den kurzen, jedoch gedehnten und schicksalhaften letzten Zeitraum dieses Teils seines Lebens, in dem er noch etwas hätte ändern, seinen nun eingetretenen Zustand hätte abwenden können. So glaubte er zumindest.

    Als unter anderem philosophisch gebildeter Mensch, der er war, hoffte er, dass seine Erlebnisse eines Tages als platonische Ideen durch irgendeinen Kosmos schweben und an anderer Stelle, einem anderen Ort, in einem anderen Geist hätten aufgenommen werden können. Diese theoretische, zu einer winzigen Wahrscheinlichkeit des Eintretens geschrumpfte Aussicht auf Mitteilung war die einzige Hoffnung, die ihn noch trug, die ihm noch einen Funken Kraft gab.

    Erstes Kapitel

    Die stählerne Uhr thronte auf einem eisernen Gerüst über dem Platz vor dem Bahnhof, mächtig und erhaben, als sei sie sich der Bedeutung der fließenden Nachricht, die sie verbreitete, bewusst. Menschen huschten vorüber, manche in ihrem Vorhaben verspätet, in geduckter Haltung, so, dass einjeder erkennen sollte, dass sie die wahre Uhrzeit, die ihre Verspätung belegt hätte, nicht sehen konnten. Andere schauten verstohlen an ihr empor, als dächten sie: „Ja, ich weiß schon, dass ich mich beeilen muss." Einige blieben kurz vor ihr stehen und schauten sie offen an, von Angesicht zu Angesicht, was entweder einen erhellenden oder aber einen erblassenden Gesichtsausdruck bei den Betrachtern verursachte. Passanten verglichen die angezeigte Uhrzeit mit der Zeitangabe auf ihrer Armbanduhr oder auf ihrem Handy, taten geschäftig oder waren wirklich in Eile. Wieder andere schlenderten gemütlich an ihr vorbei, ohne Notiz von ihr zu nehmen und gaben dem Beobachter ein Gefühl, wie man es von Urlaubsorten zu kennen glaubt: Zeit spielt hier und jetzt keine Rolle, ich muss mich nicht nach Stunden und Minuten orientieren.

    Einer Gruppe von Männern in grauen und dunklen Anzügen, eine Krawatte sichtbar darunter, schien der Blick auf die Uhr die Schritte zu beschleunigen, ein Mann mit einem Rollkoffer machte den Eindruck, als traue er der Uhrzeit nicht, und schüttelte immer wieder den Kopf, so oft er an der Uhr hinauf schaute. Einigen Personen, so hätte es dem Betrachter erscheinen mögen, regelte der öffentliche Zeitmesser die Richtung ihres Ganges. So gingen sie nach einem Blick auf die Bahnhofsuhr entweder schnelleren Schrittes zum Eingang des Bahnhofsgebäudes oder drehten sich leicht gelangweilt oder mit beruhigt wirkender Mimik in Richtung eines der Cafés am Bahnhofsplatz, um dort ein offensichtliches Übermaß an Zeit zu verbringen. Eine Frau wartete erkennbar ungeduldig auf ihren Freund, den sie, als dieser sich ihr näherte, mit vor sich verschränkten Armen und vorwurfsvollem Blick erwartete. Der Freund tat achselzuckend überrascht und hob schließlich unschuldig die Arme, legte eine Hand auf ihre Schulter, um sie halb schiebend, halb ziehend zu einem der genannten Cafés zu begleiten und ihr aus Angst vor einer Szene ein Getränk zu spendieren. Eine Mutter wartete am links vor dem Bahnhofsgebäude gelegenen Busbahnhof auf die Ankunft des Busses, der wenig später ihre kleine Tochter zu ihr brachte und eine Reaktion bei der Mutter hervorrief, als habe sie die Kleine nicht erst seit dem frühen Morgen, sondern seit ihrer Entbindung nicht mehr gesehen. Nur wenige Meter entfernt hatten zwei Erzieherinnen viel Mühe mit etwa zwanzig Kindern, die ungeduldig auf ihre Linie warteten und all das gerne machten, was die Erzieherinnen ihnen verboten.

    Viele Menschen, Männer und Frauen, Jung und Alt, verbrachten ihre freie Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges oder des nächsten Busses, teilweise wohl auch ihre mittägliche Pause, in den genannten Cafés. Die meisten Gäste saßen draußen in der spätsommerlichen Sonne.

    Vor einem solchen Café saß Markus Nell unter einem großen Sonnenschirm vor seinem Laptop und einer Tasse Kaffee an einem Tisch. Er fühlte sich angestrengt und bediente mit ernstem bis genervtem Blick die Tastatur und schaute dabei auf das Display. Er war Journalist, Redakteur des Feuilletons der regionalen Zeitung und bereitete sich auf einen Besuch in einem biochemischen Institut vor. Wenn die Arbeit es erlaubte, verrichtete er sie gerne in einer ungezwungenen Umgebung, wie eben vor jenem Café.

    Das Institut, das Ort des vor ihm liegenden Termins war, lag nahe der Universität und war auch organisatorisch mit dieser eng verbunden.

    Dabei musste er eine starke Abneigung gegen diesen Auftrag überwinden, als hätte er eine Vorahnung gehabt, welche Änderung in seinem Leben er diesem Termin später würde zuschreiben müssen. Er hatte noch nie ein Interview mit einem Chemiker oder überhaupt einem Naturwissenschaftler geführt, denn es war nicht sein Metier, und er ärgerte sich über seine Zusage gegenüber einem Redakteur und Kollegen, dessen Redaktion er selbst nicht angehörte. Er sah sich eher als Intellektueller, das entsprach auch seinem Image, das er sich angelegt hatte und das ein Jeder an seinem dunklen Sakko sowie einem schwarzen Hemd und ebensolcher Weste, erkennen sollte. Und er zählte sich zu jenen Intellektuellen, die einer vermuteten rationalen und berechnenden Haltung von Naturwissenschaftlern grundsätzlich ablehnend gegenüber standen. Auch empfand er eine gewisse Arroganz entsprechender Forscher, die ohne Diskurs und Disput einfach ihre Meinung über andere stellten und die zusammen mit Ökonomen die Welt regieren wollten. Seine Kleidung stand in farblichem Kontrast zu seinem hellblonden Haar, das er leicht zurück gekämmt trug.

    Markus Nell schrieb als Redakteur zwar für das Feuilleton seiner Zeitung, aber er war bereit, heute einen Kollegen der Wissenschaftsredaktion zu vertreten, weil sich dieser kurzfristig hatte krank melden müssen. Erst vor zwei Stunden hatte er den Auftrag übernommen, zu unüberlegt und gutmütig, dachte er im Nachhinein. Normalerweise ließ er sich immer ausreichend Zeit, wenn er sich auf solche Termine vorbereitete. Unter Zeitdruck konnte und wollte er nicht arbeiten, sah sich als gemütlichen Menschen. Er hatte keine Idee, was er diese Person, einen Herrn Professor Denk, mit ihrem Labor fragen sollte, und im Grunde hatte er keine Lust, sich mit dieser Frage auch nur zu beschäftigen, obwohl der Forscher wohl berühmt war und bereits eine Reihe von internationalen Forschungspreisen erhalten hatte. Er las auf der Internetseite des Instituts, um sich ein ungefähres Bild machen zu können, was dort geforscht und veröffentlicht worden war. Er hatte von Chemie kaum eine Ahnung, erinnerte sich nur ungern

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