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Simonetta: Ein Leben in der Renaissance
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eBook139 Seiten1 Stunde

Simonetta: Ein Leben in der Renaissance

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Über dieses E-Book

Simonetta Cattaneo Vespucci.
In der Nacht vom 26. auf den 27. April 1476 starb sie in Florenz, knapp dreiundzwanzigjährig. Eine heimtückische Krankheit raffte die schönste Frau der damals bekannten Erde dahin und hinterließ Trauer, Unverständnis und Verzweiflung. Kurz zuvor noch war sie die Königin an Giuliano de'Medicis Turnier gewesen, die bewunderte Geliebte des Bruders von Lorenzo de'Medici.
Die Person der Simonetta war die Grundlage für einen kollektiven Rausch. Sie war ein Star, weltberühmt und jung verstorben, ein Objekt der gemeinsamen Sehnsucht einer Generation, verklärt durch die bekanntesten Maler und Poeten der Zeit. Sie war ein Bild für Männerphantasien, ein Pin Up-Girl für den Pirelli-Kalender der Renaissance!

Der vorliegende Text ist eine Erzählung, die Geschichte eines außergewöhnlichen, tragischen Lebens. Szene für Szene schärft der Autor den Blick auf Simonetta. Die fortschreitenden Bilder aus der italienischen Renaissance sind die Kulisse für das kurze und heftige Aufflackern des kollektiven Begehrens und der Sehnsucht. Die Hintergründe sind so genau wie möglich und so sachdienlich wie nötig recherchiert, so dass historische Realitätstreue gewährleistet ist.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum25. Aug. 2014
ISBN9783847606185
Simonetta: Ein Leben in der Renaissance

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    Buchvorschau

    Simonetta - Paul Ott

    Toskana

    Golden glühten die Hügel der Toskana in der trockenen Hitze des Spätsommertags, als ich zum wiederholten Mal im Verlauf meines Urlaubs den weiteren Weg zurück zu meiner Herberge wanderte, einfach deshalb, weil er abseits der Überlandstraße durch die Rebberge führte. Zwischen zwei Platanen, die wie Wächter auf einer kleinen Anhöhe thronten, führte das steinige, jetzt im Herbst staubtrockene Sträßchen hinunter zu einem Rebgut. Außerhalb des Hauptgebäudes, das in seiner schlossähnlichen Pracht dem Besitzer als zeitweiliger Wohnraum diente, duckten sich niedrige, ziegelbedeckte Steinhäuschen in den Lehm des Weinberges.

    Ich war eben an der ersten Türe vorübermarschiert, als ich den Alten erblickte, der vor dem mittleren Haus auf einer hölzernen Bank hinter einem grob geschnittenen, sonnengebleichten Tisch saß. Er grüßte mich wie jedes Mal mit einer Handbewegung, welche das Lüften eines Hutes andeuten sollte, obwohl er sich barhäuptig im Schatten eines Olivenbaumes befand. Diesmal jedoch ließ er es nicht beim Begrüßen bewenden, sondern winkte mich mit einer ungeduldigen Geste zu sich heran.

    Als ich vor ihm stand, lächelte er mir zu und lud mich zum Sitzen ein. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich von der Bank, auf der ich eben Platz genommen hatte, begab sich ins Innere des Hauses und kam nach kurzer Zeit zurück, unter den Arm ein breites, fladenartiges Brot geklemmt, in der einen Hand eine Flasche und zwei Gläser, in der andern eine Schüssel kleiner, schwarzer Oliven.

    Ich seufzte auf, durstig war ich wohl, aber die Sonne brannte noch ein wenig heiß für den alkoholreichen Wein der Gegend. Als der alte Mann mir das Glas reichte, erwies sich das Getränk jedoch als kühl und erfrischend. Er brach ein Stück Brot mit den Händen und reichte es mir zusammen mit der Schale Oliven, gleichzeitig stellte er sich mit dem Namen Domenico Vespucci vor. Ich entgegnete die Höflichkeit und dankte für die Einladung.

    Ich machte mir bereits Gedanken über diesen Namen, der mir bekannt vorkam, obwohl ich den Mann vor meinem Aufenthalt in dieser Gegend nie gesehen hatte. Als wir die Gläser ein erstes Mal geleert und auf den Tisch zurückgestellt hatten, wo er sie sogleich nachfüllte, räusperte er sich und begann zu sprechen.

    „Ich weiß nicht, wie viel Zeit Sie haben, aber wenn Sie mir ein wenig Gesellschaft leisten würden, möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen."

    Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, und da sich von meinem Platz aus die weiten Hügel sehr schön beobachten ließen, freute ich mich auf die Erzählung des Mannes neben mir auf der Bank, auch wenn ich nicht wusste, was da kommen sollte.

    „Vielleicht ist Ihnen mein Name geläufig. Der Seefahrer Amerigo Vespucci ist vor fünfhundert Jahren bekannt geworden, weniger durch seine navigatorischen Leistungen, die bis heute umstritten sind, sondern dadurch, dass er dem neu entdeckten Kontinent Amerika seinen Namen gegeben hat. Ein Cousin dieses Amerigo nun hieß Marco Vespucci. Ich habe mich mit ihm beschäftigt. Aber leider bleiben die Quellen spärlich, viel mehr als seinen Namen habe ich nicht erfahren. Er ist auch kein direkter Verwandter meiner Familie.

    Interessant ist jedoch die Geschichte seiner Frau, die mich mein ganzes Leben lang nicht losgelassen hat. Sie kennen das Bild „Geburt der Venus" von Sandro Botticelli? Es hängt in den Uffizien in Florenz, aber auch wenn Sie noch nie dort waren, haben Sie es bestimmt schon auf Postkarten gesehen. Diese wunderschöne Frau mit den langen, blonden Haaren; Sie wissen, wir Italiener finden dies besonders faszinierend. Die schaumgeborene Göttin aus dem Meer, das war sie, die Angetraute meines Namensvetters, Simonetta Cattaneo Vespucci.

    In der Nacht vom 26. auf den 27. April 1476 starb sie in Florenz, knapp dreiundzwanzigjährig. Eine heimtückische Krankheit raffte die schönste Frau der damals bekannten Erde dahin und hinterließ Trauer, Unverständnis und Verzweiflung. Kurz zuvor noch war sie die Königin an Giulianos Turnier gewesen, die bewunderte Geliebte des Medici-Schönlings.

    Die Person der Simonetta war die Grundlage für einen kollektiven Rausch. Sie war ein Star, weltberühmt und jung verstorben, ein Objekt der gemeinsamen Sehnsucht einer Generation, verklärt durch die bekanntesten Maler und Poeten der Zeit. Sie war ein Bild für Männerphantasien, ein Pin Up-Girl für den Pirelli-Kalender der Renaissance!"

    Klar machte mich dies neugierig. Ich trank einen weiteren Schluck, die erste Flasche war bereits leer, und bevor Domenico Vespucci weitererzählte, holte er eine zweite aus dem kühlen Keller, dazu eine schwere Salami, von der er dicke Rollen abschnitt und bedächtig kaute, bevor er in einer langsamen, stark betonenden Melodie die Geschichte wieder aufnahm.

    1

    Die Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1453 ist eine stürmische Nacht, in der schwere Träume den Schlaf verscheuchen. Cattocchia Spinola Cattaneo ist, nachdem sie schon elf Kindern zum Leben verholfen und eines tot geboren hat, mit dem dreizehnten im Bauch zu Verwandten nach Portovenere geflüchtet. Es hat alles ganz harmlos und dennoch in einer für die Zeit ungewohnten Art und Weise begonnen.

    Nach einem sonnendurchglühten Herbst haben unbeherrschte Stürme den Außenposten der genuesischen Macht von der Welt abgeschnitten. Der Regen hat den einzigen Zugangsweg entlang des schroffen Vorgebirges überschwemmt, und die Schifffahrt ist früher als üblich eingestellt worden. Aber dies beunruhigt Cattocchia nicht.

    Vielmehr sind es die ersten Wehen, welche die Achtunddreißigjährige nun plötzlich mehr schrecken als es die Vorahnung je getan hat. Marco, Pellegrina, Stefano, Francesco, Giovanni, Tomaso, Bettina, Luigina, Nicolò, Marietta und Barnaba sind in den letzten Jahren schon aus Cattocchias Leib gewachsen, jetzt soll es ein letztes Kind werden. Ungewohnt ängstlich erinnert sie sich an das Totgeborene vom vorigen Jahr, und gleichzeitig weiß sie, dass sie sich die notwendige Ruhe gegönnt hat und keine Furcht haben muss.

    So liegt sie nun in einem beinahe drei Meter breiten, einfachen Bett, das umgeben ist von derben hölzernen Truhen ohne Schlösser. Eine weiche Matratze erhöht den Komfort. Über ihr wölbt sich ein Baldachin aus schwerem blauen Samt, der nicht nur die Neugierde der Leute im Zaum, sondern auch die Kälte von der Bettstatt entfernt hält. Cattocchias Gastgeber haben an alles gedacht, als sie ihr dieses Schlafzimmer überlassen haben. Und dass neben ihr nur noch die Hebamme im selben Bett schläft, gibt Cattocchia ein völlig neues, bis anhin ungekanntes Gefühl der Freiheit.

    Die Geburt kündigt sich in den letzten Tagen des Oktobers an. Bereits vor der Zeit spürt Cattocchia, dass das Kind unruhig wird und sich auf die Welt vorbereitet. Sie befürchtet schon Schlimmes. Nur zögernd lässt sie sich von der Hebamme beruhigen. Jeden Abend organisiert diese die Wache an ihrem Bett von neuem, werden frisches Wasser gekocht und saubere Tücher bereitgelegt.

    Aber es dauert dann doch noch einige Tage, bis am 30. Oktober, nach dieser unruhigen Nacht, in der die Kräfte des Himmels sich mit Ungestüm zu Wort melden, im Verlauf des späten Morgens die Wehen beginnen. Gegen elf Uhr wird Cattocchia von der Sklavin und der Hebamme auf den Gebärstuhl gesetzt.

    Es dauert nur wenige Minuten, und dann presst die Genueserin unter ihrem weiten Rock ein letztes Mal. Beinahe schmerzlos entspringt ihrem Schoss ein neues Leben, klein und leicht fühlt sich das Neugeborene an, und dennoch ist es ein Versprechen für die Zukunft wie jedes einzelne ihrer zahlreichen Kinder. Dann sinkt Cattocchia erschöpft auf ihr Bett zurück und fällt endlich in einen Schlaf, in welchem sich die Traumbilder jagen.

    Ein Streit mir ihrem Mann Gaspare Cattaneo hat Cattocchia aus Genua weggetrieben. Trotz der Größe des Hauses und seiner Verantwortung als Familienoberhaupt ist er im fortgeschrittenen Alter abermals zu einer der gefährlichen Reisen nach Southampton aufgebrochen, mit dem Schiff in einem Konvoi durch das piratenverseuchte Mittelmeer.

    Dies hat Cattocchia in ihrem Entschluss bestärkt, nach der Geburt nicht mehr ins Haus der Cattaneo zurückzukehren, sondern wiederum in ihrer eigenen Familie Einzug zu halten. Ihre Kinder nehmen den Familiensitz in Beschlag, die ältesten beiden Söhne sind bereits verheiratet und haben ihre Frauen nachgezogen, welche ihrerseits schon Enkelkindern das Leben geschenkt haben. Seit jedoch Cattocchias Mutter gestorben ist und die Geschwister eigene Behausungen bezogen haben, gibt es neben dem Vater genügend Platz. Schließlich gehören die Spinola wie die Familie ihres Mannes zur Aristokratie im Genua des 15. Jahrhunderts, der Familienverband ist eng, so dass Cattocchia trotz des zusätzlich zu versorgenden Kindes gut aufgenommen würde.

    Dennoch plagen sie ungewohnte Ängste, trübe Vorzeichen eines kommenden Unglücks, und sie kann die üblen Gedanken nicht aus ihrem Kopf vertreiben, wenn sie sich auch noch so sehr weigert, Unangenehmes in ihren Schlaf eindringen zu lassen. Und so denkt sie an ihr Zuhause und an die Zeit in Portovenere, wo sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben Zeit lassen kann, und sie empfindet es als größeren Luxus als die bisher gekannten finanziellen Vorteile, dass sie nicht mehr für den gesamten Haushalt zuständig ist.

    Endlich erwacht sie bedächtig aus ihrem traumreichen Schlummer. Sie betrachtet, langsam auftauchend aus dem Schattenreich, das schmucklose Gemach, die nicht verputzten Ziegelwände, und blickt endlich dankbar zum Bild der Maria mit dem Kind auf, das in halber Höhe an der linken Wand hängt. Ein ungelenker Maler hat es wohl in Serienarbeit geschaffen, aber es spendet dennoch Trost, den Cattocchia gerade in dieser schweren Zeit nötig hat.

    Es ist inzwischen Abend geworden. Cattocchia sieht sich in der Kammer um und gerät schon sehr in Unruhe, als außer ihr niemand zu erblicken ist. Sie ruft nach der Sklavin Maria, die kaum auf sich warten lässt, die Tür zum Schlafzimmer aufstößt und ihr ein dünnes Bündel in die Hände drückt:

    „Ein Mädchen!"

    Für Cattocchia ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Dieses Geschöpf soll in seinem Leben das Glück mit sich tragen, das ihrer Mutter versagt geblieben ist! Rasch befiehlt sie Maria, den Opal und den Rubin aus der Truhe

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