Briefe von Bord – 1907-08 - Kaiserlicher Marineoffizier Willi Franck: Band 94 in der maritimen gelben Reihe bei Jürgen Ruszkowski
Von Willi Franck
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Aus Rezensionen: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!
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Rezensionen für Briefe von Bord – 1907-08 - Kaiserlicher Marineoffizier Willi Franck
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Buchvorschau
Briefe von Bord – 1907-08 - Kaiserlicher Marineoffizier Willi Franck - Willi Franck
Vorwort des Herausgebers
graphics1Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig bis zu 140 Betten.
graphics2In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 kam mir der Gedanke, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags": Seemannsschicksale.
Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinem Buch.
Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage nach dem Buch ermutigten mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Inzwischen erhielt ich unzählige positive Kommentare und Rezensionen, etwa: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!
Zu den von mir bevorzugt gelesenen Büchern gehören Auseinandersetzungen mit der Zeitgeschichte und Biographien. Menschen und ihre Geschichte sind immer interessant.
Dieser neue Band 94 enthält die Briefe des im August 1914 gefallenen Wilhelm Franck von seinen Reisen auf Schiffen der Kaiserlichen Marine in Fernost in den Jahren 1907-08. – Siehe auch Band 93 mit Briefen von Willi Franck aus den Jahren 1895 bis 1902.
Nach Absprache mit dem Autor (dem Enkel des Briefschreibers) werden die Briefe in der damals üblichen Original-Rechtschreibung belassen – also beispielsweise thatsächlich – Photographie – Thiere – Besitzthum – daß statt dass.
Die im Printbuch zahlreich vorhandenen Fußnoten sind im ebook aus technischen Gründen kursiv in Klammern in den Text eingefügt.
Hamburg, 2017 Jürgen Ruszkowski
graphics3Ruhestands-Arbeitsplatz des Herausgebers
Von hier aus betreibe ich meinen Hobby-Verlag, verpacke und verschicke Bücher und gestalte meine Internet-Websites.
www.maritimbuch.de
https://sites.google.com/site/maritimegelbebuchreihe/band-92-kaiserliche-marine
https://sites.google.com/site/ruszkowskijuergen/
https://sites.google.com/site/ruszkowskijuergen/himmelslotse
graphics4Anmerkungen des Enkels
Burkhart Franck, Am Krähenberg 19 c, D-14548 Schwielowsee OT Caputh – hat die in Kurrentschrift verfassten Briefe seines
Großvaters Georg Wilhelm Franck transkribiert und digitalisiert und stellt die historisch sehr interessanten Texte hier einer breiteren Öffentlichkeit vor.
chapter2Image1.pngBereits 1900/1901 hatte unser Großvater Georg Wilhelm („Willi) Franck im Dienstgrad Leutnant und Oberleutnant ein Kommando beim Ostasiatischen Kreuzergeschwader gehabt. Die vorliegenden Briefe berichten von seinem zweiten Ostasien-Kommando, nun als Kapitänleutnant und Erster Offizier auf dem Kanonenboot „TIGER
.
S.M.S Kanonenboot TIGER
Sie decken nicht die ersten 10 Monate vom Mai 1906 – März 1907 ab, in denen er in Hongkong, Nagasaki, Kobe Tsingtau und Indochina war, sondern setzen erst danach ein.
Die Briefe sind in der „Deutschen Kurrentschrift geschrieben und waren gut zu transkribieren. Kleine Fehler und Auslassungen habe ich beibehalten; nur wenn das Verständnis es erforderte, habe ich eine Korrektur in Klammern eingefügt. Die geographischen Anmerkungen habe ich zum großen Teil Meyers Großem Konversationslexikon 6. Aufl. (1907–1909) sowie Meyers Reisebuch „Weltreise
Erster Teil von 1912 entnommen. Für die chinesischen Ortsnamen benutzt WF manchmal die englische, meist aber die damals in Deutschland übliche Schreibweise, die ich auch für die Skizzen im Anhang verwandt habe.
Willy Francks Fotografien sind nur zum kleinen Teil erhalten und mit WF gekennzeichnet. Die übrigen Abbildungen habe ich überwiegend dem Internet entnommen.
Folgende Publikationen sind von besonderem Interesse:
Otto Schulze: Briefe aus Tsingtau 1906-08. Band 78 in der maritimen gelben Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags", Hrsg. Jürgen Ruszkowski, o. J. Oberzahlmeister O. Schulze beschreibt seine Eindrücke von der ersten hier beschriebenen Yangtse-Fahrt auf S.M.S. TIGER.
Kirchhoff, Hermann: „Otto Weddingen und seine Waffe. Aus seinen Tagebüchern und nachgelassenen Papieren, Berlin 1915. Der im Ersten Weltkrieg als U-Boot-Kommandant berühmt gewordene und 1915 gefallene Otto Weddingen beschreibt hierin u. a. seine Zeit als Oberleutnant an Bord S.M.S. „TIGER
von Juni – September 1907.
Eberspächer, Cord: Die deutsche Yangtse-Patrouille. Deutsche Kanonenbootpolitik in China im Zeitalter des Imperialismus 1900-1914. Bochum 2004. Es handelt sich um die bisher einzige umfassende Darstellung zu dieser Thematik.
Burkhart Franck
chapter2Image3.jpegVorwort der Tochter
Diese Briefe hat mein Vater Willi Franck, Pinneberg – gefallen 28.8.1914 (SMS „ARIADNE") – an seine Eltern geschrieben. Die Großeltern Franck schenkten sie später meiner Mutter, Ottilie Franck. Es existieren Fotos aus der Zeit in Ostasien (Album).
Meine Mutter hielt dieses Heft, von meinem Vater sorglich gebunden, sehr in Ehren.
Im Frühjahr 1945 – meine Schwester Marianne W. Franck war aus dem Osten geflohen und lebte in der Zeit in Dithmarschen – schickte Mutter dies Büchlein zu ihr, um ihr eine Freude zu bereiten. Es erreichte sie nicht – die Kriegswirren hatten es verschluckt.
Im Herbst geschah das Wunder – das Büchlein war wieder da. Es wurde in Itzehoe von einem Berliner Feuerwehrmann gefunden und abgeliefert!
graphics8Schreiben Otto Kählers zum Wiederauffinden der Briefe
graphics9Er lieferte es bei einem Oberst ab, der es meinem Onkel Otto Kähler gab. Otto Kähler – Rechtsanwalt – war der Schwager meines Vaters.
Das ist die Geschichte dieses Büchleins.
Brigitte Claussen geb. Franck
Pinneberg den 16.05.1985
graphics10Georg Wilhelm (Willi) Franck – Lebensstationen
1877 Geburt in Köln als Sohn des Hauptmanns a. D. Franz G.
W. Franck und seiner Frau Anna geb. Wieck
1894 Kadetteneintrittsprüfung bei der Marine-Akademie in
Kiel,
1895 Dienstantritt, infanteristische Ausbildung an der
Marineschule Kiel
Ausbildung auf dem Kadetten-Schulschiff „STOSCH",
Mittelmeerreise
Patent als Seekadett
1896 Ausbildung auf dem Kadettenschulschiff „GNEISENAU"
1897 Ausbildungskurs auf dem
Torpedoschulschiff „BLÜCHER"
Zugführerkurs auf dem Artillerieschulschiff „MARS"
1898 Offizierausbildung an der Marineschule Kiel
Rekrutenausbilder beim II. Seebataillon Wilhelmshaven
2. Torpedooffizier auf dem Linienschiff „WOERTH"
Beförderung zum Leutnant z. S.
1899 Kommandierung zur II. Torpedoabteilung
Einsatz auf „D 2 und „D 6
, Probefahrten mit „S.90"
1900 Bordkommando auf „S.92"
Transportleitung auf D. „HALLE" in Ostasien
Bordkommando auf Gr. Kreuzer „HANSA" in Ostasien
und Australien
Beförderung zum Oberleutnant z. S.
1901 Bordkommando auf Kl. Kreuzer „AMAZONE"
1903 Artillerieoffizier auf Kl. Kreuzer „FRAUENLOB"
1903 Bordkommando auf Küstenpanzerschiff „FRITHJOF"
1906 Patent zum Kapitänleutnant
1906 I. Offizier auf dem Kanonenboot „TIGER",
Einsatz in Ostasien
1909 Landkommando in Wilhelmshaven,
Vermählung mit Ottilie Jessen
1913 Navigationsoffizier auf dem
Linienschiff „HELGOLAND"
Beförderung zum Korvettenkapitän
1914 Verabschiedung, Stellung zur Disposition
August 1914 Reaktivierung als I. Offizier auf dem Kleinen Kreuzer
„ARIADNE" –gefallen im Seegefecht vor Helgoland
graphics11Willi Franck inmitten der Offiziere des Kanonenbootes SMS „TIGER" anlässlich des Kommandantenwechsels vor der Baracke auf der Teufelsinsel vor Tsingtau 1907
Hintere Reihe: Oblt. Dümmler – ObZhlm Behrens – StArzt Dr. Arndt – Ing. Schmidt – Oblt. Eckerlin
Vordere Reihe: Lt. z. S. Jehan – KptLt Franck – Oblt. Doflein
Im Hintergrund das Messefenster.
graphics12Georg Wilhelm Franck – Briefe 1907 aus Ostasien
graphics13Willi Franck ca. 1906 als Kapitänleutnant
graphics14Inhalt – Zeitraum
Schanghai 27.03. – 13.05.1907
Yangtse-Fahrt 14.05. – 01.06.1907
Schanghai 02.06. – 05.07.1907
Yangtse-Fahrt 08.07. – 31.07.1907
Fahrt nach Hongkong 05.08. – 01.10.1907
Nagasaki 09.10. – 26.10.1907
Port Arthur 27.10. – 14.11.1907
Tsingtau und Lauschan 15.11. – 30.12.1907
Fahrt nach Hongkong 02.01. – 13.02.1908
Yangtse-Fahrt 01.03. – 31.05.1908
Tsingtau und Schanghai 01.06. – 01.07.1908
Yangtse-Fahrt 03.07. – 03.09.1908
Nagasaki 05.09. – 15.09.1908
Abschied und Heimfahrt 28.09. – 16.10.1908
Anhang Dt. Post in China
Anhang Chinesische –Anlaufstationen
AnhangYangtsekiang – Anlaufstationen
Anhang Kanonenboot „TIGER – Daten
graphics15graphics16Shanghai, den 27. III. 1907
Liebe Eltern!
Seit heute beginnt für uns die ruhige Liegezeit in Shanghai; wir sind zu den Osterfeiertagen von unseren Schießübungen auf dem Yangtse hierher zurückgekehrt und bleiben wenigstens bis ca. 5. Mai, hoffentlich bis Ende Mai hier. Das Schiff hat Erholung gut nötig, die ewige Fahrerei bringt viel Schmutz an Bord und manche Schäden zum Vorschein. In 4 Wochen stehen wir vor der Jahresbesichtigung, da muß bekanntlich nicht nur die Mannschaft sondern auch das Schiff tiptop in Ordnung sein; da wirds noch allerhand zu thun geben, was bisher aufgeschoben wurde, und wenn nach Ostern die Briefe spärlicher fließen oder aufhören, so haltet es diesem zugute.
Es waren schlechte Tage in dieser Woche, Wind und Regen, dem Schießen nicht günstig. Gestern endlich kam ein besserer Tag, der bis spät in die Nacht ausgenutzt wurde; zur Belohnung konnten wir heute nach Shanghai zurück, nachdem mir allerdings das Anbordnehmen unserer selbst gebauten Scheibe reichlich Schwierigkeiten gemacht hatte. Umso schöner, wenn man´s hinter sich hat.
Neulich schrieb mir jemand aus Kiel, sie entbehre doch wohl das gesellschaftliche Leben Berlins; das sollte mir Leid thun. Jetzt hat sie´s in mancher Hinsicht ja noch gut, aber wenn die Kommandierungen kommen! (Bei Euch sind sie ja schon da und schon in Kraft.) Wie steht es denn damit? Auch darüber schwirren hier verschiedene Gerüchte aus Kiel. Ja, wenn dieser Brief Euch erreicht, ist nun wirklich schon ein Jahr seit meiner Ausfahrt verflogen! Ob das 2. ebenso interessant werden wird? – Eben wird nochmal Post gemeldet, französische; ich dachte ich hätte sie schon; ich habe wirklich noch zu viel zu beantworten. Wirklich.
Tante Emma und Tante Wanda schreiben. Man freut sich über die vielen guten Nachrichten, dann aber verzweifelt man fast an der Möglichkeit allen rechtzeitig zu antworten. Hier ist nun die eigenartigste Postverbindung die man sich denken kann: englische, französische, deutsche, amerikanische Postdampfer und nun noch die russische Bahn, die von hier alle Woche und in 21-23 Tagen befördert. Die Hofpost geht nur mit den drei erstgenannten Dampferlinien (s. Anhang „Deutsche Post in China").
Ich will nun noch an der Hand Eures Briefes ein wenig weiter plaudern. Zunächst die Vergleichskarten; ich wußte, daß beide mit demselben Dampfer gehen würden, wollte nur gern wissen, ob der Umweg über Berlin viel ausmacht; also ½ Tag.
Ja, und dann die Wahlen! Auch hier draußen hat man sie natürlich mit großem Interesse erwartet und verfolgt. Ob das Centrum sich innerlich doch nicht auch einen Knacks dabei geholt hat? Den Pbgern gratuliere ich zum Wahlergebnis (Die Reichstagswahl v. 25.1.1907 („Hottentottenwahl" wegen der Konzentration auf koloniale Fragen) ergab einen deutlichen Vorsprung der Konservativen und Liberalen vor den Sozialisten und dem Zentrum. Im Wahlkreis Pinneberg wurde der Linksliberale Ernst Carstens gewählt.).
Vielen Dank für die Theelöffel! Ich muß mich demnächst wohl in die nächst höhere Steuerklasse einschätzen, werde bei und bei Krösus-Nachfg. Südwestafrikabuch v. Frenssen (Peter Moors Fahrt nach Südwest. Ein Feldzugsbericht von Gustav Frenssen. Berlin, 1905) ist bisher nicht eingetroffen. Ich kann es hier an Bord bekommen (geliehen); schreibe dies zur Kontrolle für Vater und event., um es mir zuhause aufzubewahren.
Dienstlich und meßlich bin ich z. Zt. zufrieden, wenns Schiff nur besser instand wäre! Der Kommandant ist zwar nicht ganz mein Gusto – ich schreibe das nur, damit Ihr nicht denkt, ich wolle aus irgendwelchen Gründen nicht davon sprechen – er ist mir zu einseitig materiell; ein großer Teil seiner Gedanken dreht sich um die Verpflegung, und er setzt bei anderen Menschen das gleiche Interesse ziemlich rücksichtslos voraus. Er ist allerdings in Punkto Geschmack und Magen äußerst empfindlich, war letzter Zeit infolgedessen wenig gut aufgelegt, jetzt aber in der Besserung. Das Auslandskommando und Seereisen insbesondere sind ihm ein Greuel; auch hierin oktroyiert er anderen seine Meinung rücksichtslos auf. Für Dienst und Schiff hat er wenig Interesse, mischt sich in den Dienst des I. O. auch wenig ein was an sich ja angenehm, im Übermaß aber auch erschlaffend wirkt. Auf Alle Menschen schimpft er; wenn der Ausdruck erlaubt ist, dann ist er´s hier; dabei meint er es nicht böse, ist vielmehr gutmütig. Er hofft in 1½ oder 1 Jahr abgelöst zu werden; mir wäre ein 3. Kommandant kein Vergnügen.
Die Messe (Messe = Offiziere an Bord (außer dem Kommandanten). Im Winter 1906/07 waren dies: Stabsarzt Dr. Arndt, Behrens, Oblt. Doflein, Oblt. Dümmler, Oblt. Eckerlin, Kaptlt. Franck, Lt z.S. Jehan, ObZhlm. Ing. Schmidt) hat sich z. Zt. besser gefügt, ich glaube, daß der Rest des Jahres ohne Mistöne verlaufen wird, denn es handelt sich bei allen Differenzen nur um Messemitglieder, die schon vor meiner Zeit hier waren. Der neuere Teil ist leichter zu behandeln und im Ganzen freue ich mich deshalb auf die Ablösung der alten.
Der Brief wird frühestens übermorgen abgehen; ich schließe heute provisorisch mit herzlichem Gruß!
P.S. Meine Halsmandeln sind etwas geschwollen; ob´s die routinemäßige Entzündung wird? Wißt Ihr noch, Weihnacht vor einem Jahr?
W.
1.4.1907
Durch Versehen der Postordonnanz erreichte der Brief die russische Post nicht mehr; so schicke ich ihn heute durch Hofpost. Inzwischen ist in Brief mit eingelegten Schwestern-Briefen eingetroffen; herzlichen Dank! Hier, abgesehen von Ostern, nichts Neues, mir geht´s gut. Eine von mir erwartete Mandelentzündung hat sich wieder verzogen. Es ist prachtvolles Osterwetter geworden. Heute Mittag zum Frühstück habe ich mich bei Michelans (Carl Friedrich Michelan: dt. Kaufmann, Vertreter der einflußreichen Fa. Melchers & Co in Schanghai) angesagt. Beste Grüße! Ganz besonders Euch selber.
Euer Willi
graphics17Shanghai, den 25. IV. 1907
Liebes Mütterlein!
Nochmals will ich über Sibirien schreiben, vielleicht kommt dieser angekündigte Brief noch richtig zum Geburtstag an.
Mir also geht es gut, ich kann nicht klagen, es sei denn über den Kommandanten, dessen Interessen mir unverständlich und schrecklich sind. Aber damit finde ich mich ab; nur, wenn er mich holen läßt, um mir von seinen Gedanken zu erzählen, das wird mir sauer; er ist so verdrießlich und unzufrieden, nichts ist ihm recht. Es muß wohl auch solche Menschen geben. Ist die Besichtigung, Anfang Mai, gut, so werde ich im nächsten Jahr nichts auszustehen haben. Ist sie´s nicht, so wird es oft verquast sein. Doch darum lasse ich mir keine Kopfschmerzen wachsen und Ihr sollt´s auch nicht, dies soll Dir doch ein fröhlicher Geburtstagsbrief werden; also will ich ein wenig berichten.
Wir haben eine ruhige Zeit hier, ich freue mich das Schiff endlich mal in Ordnung zu bekommen, nicht nur die großen Reparaturen wie damals in Tsingtau, alles bis ins Kleinste wird jetzt in Angriff genommen; leider war mir heut das Wetter nicht günstig; es fing meinem Hoffen entgegen, an zu regnen und die frische Farbe lief in langen Streifen herunter, selber zerstört und auch die schon trockene Farbe beschmutzend; es ist nicht ganz schlimm geworden, aber doch ärgerlich genug. Man kann sich als Seemann auch eine Vorstellung machen, wie sehnsüchtig oder besorgt der Landmann manchmal zum Himmel hinaufschauen mag.
Shanghai ist für hier draußen die Großstadt, in Wirklichkeit ist es gesellschaftlich beschränkt, ziemlich viel Wohlleben, viel Kliquenwesen und Klatscherei. D. h. dabei spreche ich von den Deutschen hier, die uns gegenüber sehr liebenswürdig sind, nicht aufdringlich wie z. B. in Bangkok, und doch gastfrei. Auch unter den jüngeren Kaufleuten trifft man einige recht nette Menschen. Michelans spielen eine Hauptrolle, würden es wohl noch mehr thun, wenn er mit seiner Person etwas mehr darstellte. Sie soll zu Hause ein strenges Regiment führen; sagt man; das könnte wohl nur nützlich sein. Man sagt hier, Michelan würde bald nach Hongkong versetzt werden; das scheint mir, würde keine Verbesserung sein, wenngleich auch keine Zurücksetzung. Doch das ist nur Gerücht und Fama hat bekanntlich eine leichtfertige Zunge.
Ich habe ein paarmal eine gemütliche Stunden bei M´s verbracht, werde auch morgen dort Abendbrot essen. Paula M. ist riesig liebenswürdig, vergnügt und eine rührende Mutter für ihre Tochter; etwas zart und angegriffen ist sie, fast schlank. Vor einiger Zeit stellte uns Michelan das Dampfboot für