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Die wiederholte Liebe
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eBook263 Seiten3 Stunden

Die wiederholte Liebe

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Über dieses E-Book

Weltgeschichte und Politik haben aus der jungen Frau eine Witwe gemacht. Sie gibt nicht auf und findet noch in späteren Jahren ihre große Liebe.
Eine tragische und doch heitere ungewöhnliche Liebesgeschichte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit des Nazideutschlands, durch Städte und Länder, von Berlin Ost und West, über Italien bis nach Californien, die USA und wieder zurück bis in die heutige Zeit.
Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten hier und dort, über Gewinn und Verluste von geliebten Menschen und Tieren.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Aug. 2014
ISBN9783847607434
Die wiederholte Liebe

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    Buchvorschau

    Die wiederholte Liebe - U. Sybille Schwer-Rode

    1. Kapitel 1936 - 1938

    Berlin – Neukölln, Müggelheim, Potsdam, Kattowitz O.S.

    Als das 14jährige Schulmädchen Cordula in Begleitung ihrer älteren Schwester Agnes die Treppe zur elterlichen Wohnung hochstieg, fühlte sie sich sehr erwachsen und wichtig. Sie kam gerade von ihrer Einsegnung und hatte noch ihre Tante Grete besuchen sollen, die leider nicht zu diesem Fest kommen konnte, da sie krank lag. Die Tante hatte ihr ein großzügiges Geschenk gemacht: einen neuen Petticoat und noch 10 RM, worüber sich das Mädchen sehr gefreut hat. Die anderen Gäste, die mit in der Kirche waren, sind schon mit den Eltern voraus gegangen und halfen den festlichen Tisch zu decken und nach dem Braten zu sehen, den die Mutter den Tag zuvor mit ihren drei Töchtern vorbereitet hatte. Alle waren festlich gekleidet und festlich gestimmt. Ein Familientag auf den sich alle gefreut hatten, zu dem auch Gäste kamen, die nicht in Berlin wohnen und die man selten sah. Es wurden Tische und Stühle gerückt, die Platzkärtchen umgetauscht und alle waren in guter Stimmung. Es war ein wunderbarer Vorfrühlingstag, aber doch noch recht frisch, darum hatte das Einsegnungsmädel sich den Wintermantel mitbringen lassen und ihn über das schwarze Taftkleid gezogen. Das Kleid hatte einen großen Ausschnitt und eine weiße Seidenschleife vorne. Sie sah reizend darin aus und plötzlich viel erwachsener. Die schwarzen, neuen Schuhe hatten einen kleinen Absatz, den sie dem Vater abgeschmeichelt hatte, der auf praktische und solide Schuhe von Salamander bestand und Schuhe mit höheren Absätzen Trittchen zu nennen pflegte. Ihren hübschen Blumenstrauß hatte sie in Zeitungspapier eingeschlagen es musste ja nicht gleich jeder auf der Straße sehen, dass sie von der Kommunion kam. Cordula fühlte sich jetzt den Erwachsenen zugehörig, worauf sie sehr stolz und glücklich war. Sie legte schon immer auf gute Kleidung und gutes Aussehen großen Wert. Im elterlichen Haus begegnete ihnen auf der Treppe ein Herr, der es eilig hatte runterzukommen, sich aber die Zeit nahm, die beiden hübschen jungen Mädchen zu betrachten und freundlich zu grüßen. „Kennst Du den"? fragte Agnes ihre kleine Schwester, aber Cordula war viel zu sehr mit ihrer eigenen wichtigen Person beschäftigt und hatte gar nicht darauf geachtet. Wie konnte sie auch nur ahnen, dass sie gerade ihrem späteren Ehemann begegnet war.

    In der Wohnung der Eltern waren die Gäste dabei, um den großen, ausgezogenen Tisch ihre Plätze einzunehmen. Die Unterhaltung war lebhaft und im vollen Gange, zumal noch inzwischen Cousins und Cousinen dazu gekommen sind, welche die gerade eintretenden jungen Damen mit großem Hallo begrüßten. Man hatte sich lange nicht gesehen und so gab es viel zu erzählen und man tauschte die letzten Ereignisse im Familien- und Freundeskreis aus. Da gab es Geburten, Hochzeiten, Scheidungen, der eine war dicker geworden, die andere dünner, man sprach über eine neue Arbeitsstelle oder auch über das Rentner Dasein. Von den letzten Urlaubsreisen wurde berichtet und Reiseerfahrungen ausgetauscht. Die Hausfrauen klagten über die ansteigenden Lebensmittelpreise auch über neue Back- und Kochrezepte wurde debattiert. Die Erwachsenen hatten Probleme mit den lieben Kinderchen und diese ebensolche mit den Eltern.

    Der älteste der Cousins war ein angehender Student der Medizin, der mit einer vollendeten Verbeugung dem eingesegneten Cousinchen sein Geschenk überreichte. Als Cordula völlig überrascht aus dem Umschlag einen 50 RM Schein zog und sich bei ihm bedanken wollte, benutzte der junge Mann die Gelegenheit, das hübsche junge Mädchen gegen die Wand zu pressen und ihr einen Kuss zu stehlen. „Aber Kurt Heinrich sagte sie verlegen, „lass das, es gehört sich doch nicht. Aber der junge Mann hatte nun mal ein Auge auf sie geworfen und nahm sich vor, sie künftig im Auge zu behalten. Der andere Cousin, ein aufgeschossener pickliger Jüngling, der schon eine Lehre angefangen hatte, versuchte auch einen Kuss zu bekommen, so dass Cordula zu der Überzeugung kam, dass das wohl zu einer Einsegnung und dem Erwachsensein gehörte.

    Die Freunde der beiden älteren Schwestern waren gekommen und Agnes stellte jetzt ihren festen Freund vor, den sie bei einem Tanzvergnügen kennengelernt hatte in einem Dorf bei Potsdam, wo er aufgewachsen war. Er lernte dort Automechaniker in der Werkstatt seines Vaters. Er war das erste Mal in der Familie Holtei eingeladen, obwohl sie schon eine ganze Weile mit einander gingen, wie es hieß. Aber Herr Holtei konnte sich wohl noch nicht an den Gedanken gewöhnen, dass schon eine von seinen drei Töchtern einen festen Freund hatte. Die beiden jüngeren Mädchen, die danach kamen, hatten es dann nicht mehr ganz so schwer. So sagte Agnes später dann immer, dass sie den Weg für ihre Schwestern freigekämpft hätte.

    Agnes erzählte lachend zu Haus wie es ihr erging, als sie vom Tanzvergnügen kamen und dieser gut aussehende junge Mann sie bat, einen Augenblick zu warten, er wolle seinen Wagen holen, um sie nach Hause zu fahren. Sie stand nun und wartete auf einen Bauernwagen mit einem Pferd davor, wie verblüfft sie aber war, als ein schnittiges Auto um die Ecke bog und vor ihr hielt. Agnes war total überrascht. Das hätte sie nie erwartet. Sie hoffte nun, dass der Vater mit ihrer Wahl einverstanden sein würde. Sie war schließlich schon 21 und damit volljährig. Sogar ein Motorrad hatte der Freund, mit dem sie später viele Fahrten unternahmen und in den Urlaub fuhren. Sie war begeistert. Damit kamen sie sogar einmal Cordula besuchen, die in einem Landschulheim war und Heimweh hatte nach Hause. Werner, der Freund von Agnes, drehte dann mal eine Runde mit Cordula auf dem Sozius, was sie richtig toll fand.

    Elisa, die zweite Tochter, war ein schmales, zierliches Mädchen und ein bisschen schüchtern. Sie hatte sich noch nicht entschieden und so waren denn ein paar Jünglinge aus ihrer Malklasse da und ebenso der junge Professor, der den Unterricht gab. Den verfolgte sie mit ihren Augen und wurde rot, wenn er sie ansprach. Er war aber sehr angetan von seiner hübschen Schülerin und verstand es so einrichten, dass er neben ihr saß an der Kaffeetafel und mit ihr sprechen konnte.

    Es war eine bunte und lustige Gesellschaft, nur die Mutter hatte Sorge, dass ihr Essen und der Kuchen nicht ausreichen würden. Aber es war von allem genügend da. Der Braten schmeckte vorzüglich, es gab Klöße und verschiedenes Gemüsesorten und zum Nachtisch einen leckeren Vanillepudding mit Kirschen. Es gab Eiscreme, was das junge Mädchen, das gefeiert wurde, ganz besonders liebte. Alles war reichlich da und von den selbstgebackenen Mohn- Käse- und Streuselkuchen bekam, wer mochte, noch ein Stückchen zum Mitnehmen eingepackt. Da einige der Gäste von außerhalb kamen, begann der Aufbruch schon bald nach dem Kaffee und es wurde zum Abschied geherzt, umarmt und geküsst und Verabredungen zum Wiedersehen getroffen.

    In der Schule wurden die jungen Damen nun gesiezt und hatten jetzt neue Themen worüber sie kichern und schwatzen konnten. Natürlich wurden die Einsegnungsfeiern in den Familien besprochen, die Geschenke beschrieben und was man sich für das erhaltene Geld vielleicht kaufen würde.

    Die eine oder andere hatte schon einen Freund, worüber ausgiebig diskutiert wurde. Cordula versuchte hier mitzuhalten, was ihr nicht immer gelang, und um einen Freund hatte sie sich nun schon überhaupt keine Gedanken gemacht. Aber wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie doch schon öfter einen Blick auf den Schulfreund ihres Cousins geworfen hatte, die sie beide manchmal auf dem Schulweg getroffen hatte. Leider hatte dieser sie gar nicht beachtet und sie war zu schüchtern, um sich bemerkbar zu machen.

    Als Cordula einmal an einem späten Nachmittag aus der Schule kam und den Kindern in der Straße beim Völkerballspiel zusah, lehnte sie an der Haustür, die einen ungewöhnlich schönen gläsernen Einsatz besaß und hatte die Schultasche neben sich gestellt. Plötzlich ging die Tür hinter ihr auf und fast wäre sie dem Herrn in die Arme gefallen, der heraus trat. Er war sehr bestürzt und erkundigte sich verlegen: „haben Sie sich auch nicht weh getan, gnädiges Fräulein? Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, wegen meiner Ungeschicklichkeit."

    Cordula war entzückt über diese Anrede und konnte ihm nun wirklich nicht böse sei, zumal sie in ihm den Herrn erkannte, den sie neulich auf der Treppe getroffen hatten. Diesmal sah sie ihn sich etwas genauer an und fand ihn eigentlich doch schon ein bisschen alt. Aber er sah gut aus, war gut gekleidet und wie sie eben feststellen konnte, war er sehr höflich.

    Peter Rohland hatte sich bereits bei seiner Wirtin über die beiden jungen Damen erkundigt, die er auf der Treppe neulich getroffen hatte und die, wie er glaubte, zu Besuch kamen, mit einem Blumenstrauß in der Hand. Wie er nun erfuhr, gehörten sie zu der Nachbarsfamilie, die ebenfalls im 2. Stock wohnte, wo er das möblierte Zimmer gemietet hatte. Er musste sich gestehen, dass er sich in das zierliche, blonde Schulmädchen verliebt hatte, obwohl die ältere Schwester altersmäßig wohl besser zu ihm gepasst hätte, wie seine Wirtin ihm riet. Er hatte gerade seinen 29.Geburtstag hinter sich und diskutierte lange mit seiner Wirtin, einer Offizierswitwe aus dem 1.Weltkrieg, über die eigenen Möglichkeiten, die sich einem heiratsfähigen jungen Mann hier in Berlin boten.

    Er kam aus Oberschlesien, wo seine Eltern und Geschwister lebten, und war der jüngste Sohn von zehn Kindern. Seine älteren Brüder hatten, wie er studiert, und waren, wie der Vater, im Bergbau in sehr unterschiedlichen Positionen tätig. Die Schwestern waren zum Teil noch zu Hause oder bestens verheiratet und sogar schon mit Kindern. Die Familie lebte in guten Verhältnissen, die Töchter und Söhne hatten neben Ausbildung oder Beruf alle ihre besonderen Freizeitbeschäftigungen, wozu man heute Hobbies sagt, fuhren zum Skilaufen, spielten Tennis, gingen zu Tanzfesten und Bällen, die meistens in den Häusern abgehalten wurden, und es gab jede Menge Einladungen. In Oberschlesien war es noch leicht und billig gutes Personal für den Haushalt zu bekommen, so dass Feiern und Veranstaltungen privat in den eigenen Häusern stattfanden. Da gab es das Zimmermädchen, die Köchin, den Gärtner, die Amme und das Kindermädchen. Später dann auch einen Fahrer, als man sich in den 30iger Jahren ein Auto anschaffte.

    Peters Mutter, eine kleine, zierliche Person, fuhr nach jeder ihrer zehn Geburten in ein Bad, um sich wieder zu erholen. Sie wusste zu Hause die Kinder mit dem Kindermädchen gut versorgt und das Baby von einer Amme gestillt. Der Haushalt lief weiter geordnet mit der Köchin und den übrigen Angestellten. Peters Vater war ein großer stattlicher Mann, der seine Familie sehr liebte und auf Strenge und Ordnung achtete. Durch die vielen jungen Leute und ihre Freunde, gab es ständig Feste, Geburtstagsfeiern und Tanzvergnügen in dem großen Haushalt. So war es, verständlich, dass sich Peter jetzt in Berlin ein wenig einsam und allein fühlte.

    Nach seinem Studium hatte er eine Weile im oberschlesischen Schloss des Fürsten Pless die fürstlichen Kinder beaufsichtigt, mit ihnen Schularbeiten gemacht, Gedichte und Vokabeln gelernt und im Schlossgarten Tennis und Rasenkrokett gespielt. Es war eine frohe und unbekümmerte Zeit, aber als die beiden ältesten Töchter anfingen, sich in den gut aussehenden jungen Mann zu verlieben, war für ihn der Zeitpunkt gekommen, sich nach einer ernsthafteren Beschäftigung umzusehen.

    Er meldete sich dann zum Arbeitsdienst, den es jetzt im Nazideutschland gab, wo es ihm zwar nicht besonders gefiel, aber er fand dort einen neuen Freund, der ihm, durch die Beziehungen des Vaters, in Berlin eine gute Position in der Niederlassung der Deutschen Gold- und Silberscheide-Anstalt besorgt hatte. Könnte er nicht hier in dem großen Berlin auch eine passende Frau finden?

    Der junge Oberschlesier fand die Berliner sehr aufgeschlossen und großstädtisch freundlich. Nach einigen durchgrübelten Nächten fasste er den Entschluss etwas zu tun, um das junge Mädchen näher kennenzulernen.

    Am nächsten Wochenende klingelte er an der Wohnungstür der Nachbarsfamilie und fragte die Hausfrau, ob er als neuer Nachbar seinen Antrittsbesuch machen dürfte. Obwohl das in Berlin unüblich war, bat man ihn herein und bot ihm einen Sitzplatz an. Das Ehepaar Holtei war nicht wenig erstaunt, als sie merkten, dass es dem jungen Mann um ihre jüngste Tochter ging, die ja noch ein Schulkind war. Er hatte ihnen aber seine Herkunft erklärt, von seinen Eltern und Geschwistern erzählt, sein gutes Gehalt erwähnt und die Absicht, das große Berlin kennenzulernen, wozu er gerne die Tochter eingeladen hätte, denn er selber kannte Berlin auch noch wenig.

    Die Holtei-Familie war erst kürzlich aus Potsdam nach Berlin zugezogen, wo der Vater eine der Ullstein Filialen übernommen hatte. Diese lag in der Nähe der Wohnung, von wo Herr Holtei sie leicht zu Fuß erreichen konnte. Die beiden erwachsenen Töchter machten eine Lehre in einem Verlag, wobei die zweite Tochter Elisa doch mehr zur Kunst und Malerei tendierte, nun bereits privaten Malunterricht bekam und deswegen mit der Lehre nicht recht zufrieden war. Die dritte Tochter war sehr musikalisch und liebte es, mit den Eltern jeden Monat in die Oper zu gehen. Aber erst sollte sie das Abitur machen und dann würde man weiter sehen. Nach längerem Zögern waren die Eltern in dem Gespräch mit dem jungen Oberschlesier dann soweit einverstanden, dass der junge Mann die jüngste Tochter Cordula sonnabends um 16 Uhr abholen durfte, sie dann aber pünktlich um 19 Uhr wieder zu Hause abliefern sollte. Womit er sich hier jetzt zufrieden gab.

    Peter R. war selig und konnte den nächsten Sonnabend kaum erwarten. Er hatte bisher seine freie Zeit alleine verbracht, nun machte er Pläne, was man in Berlin alles unternehmen könnte. Da er noch nicht wusste, woran das junge Mädchen interessiert war, informierte er sich über die vielen Möglichkeiten, die sich in dieser Großstadt boten und zu erleben gab. Er war aufgeregt vor der ersten Verabredung, kleidete sich sorgfältig, ging zum Friseur und achtete auf seine Hände.

    Die Stadt Kattowitz O.S. in der er aufgewachsen war, mit dem Gepräge einer ausgesprochenen Industriestadt, mit überwiegend deutschen Einwohnern, gehörte erst seit 1921 zu Polen, obwohl es bei der Volkabstimmung für das Deutsche Reich gestimmt hatte. Aus diesem Grund mussten viele gebürtige Deutsche jetzt Polen verlassen, weil sie für Deutschland optiert hatten. Das traf auch auf seine Familie zu, wovon einige seiner Geschwister bereits ihre Heimat verlassen hatten, um in Deutschland zu arbeiten und zu leben.

    Cordula war etwas verlegen, als sie dann von Peter abgeholt wurde und er ihr vorschlug, zum Tempelhofer Flughafen zu fahren, wo man vor einem Café am Rollfeld sitzen und bei Kaffee und Kuchen die startenden und ankommenden Flugzeuge beobachten konnte. Das hatte sie noch nie gesehen und es gefiel ihr. Bald schon verlor sie bei ihrer Unterhaltung ihre Schüchternheit und fand es schön, mit diesem aufmerksamen, älteren Herrn über ihre Gedanken und Probleme sprechen zu können. Sie hatte sich ganz besonders nett angezogen und achtete auf die Ermahnungen, die die Mutter ihr mitgegeben hatte. Gern hätte sie auch Lippenstift und Nagellack benutzt, so wie ihre beiden älteren Schwestern, aber das hätte nur wieder zu Aufregung und Ärger mit den Eltern geführt, also ließ sie es lieber.

    Er war groß und schlank und trug an der linken Hand einen goldenen Ring mit einem schwarzen Stein, was ihr nicht entgangen war. Er fragte sie, welche Musik sie am liebsten hatte und welche Gedichte sie mochte und nahm teil an allem was sie interessierte. Sie erzählte ihm von ihren Freundinnen und über die Schule und ihre Teilnahme an der Olympiade, die 1936 in Berlin stattfinden sollte.

    Die drei erlaubten Stunden vergingen sehr schnell. Peter brachte das Mädchen pünktlich nach Hause. Sie freuten sich beide auf den nächsten Sonnabend und waren vergnügt und zufrieden mit ihrem ersten Rendezvous. Cordula überlegte schon, was sie das nächste Mal anziehen würde und was sie ihm alles noch erzählen könnte.

    Es war das Jahr 1936, das Olympiajahr und im August sollte die Eröffnung sein. Cordula gehörte zu den ausgewählten Schülerinnen, die bei der Eröffnungsfeier mitwirken sollten. Eine Kommission hatte in den Berliner Schulen schon seit längerem sportliche Mädchen und Jungen heraus gesucht, die gut im Turnen waren. Die Schulkinder mussten der Kommission vorturnen und wurden danach ausgewählt. Es wurden Hunderte gebraucht und ausgesucht und dann legte die Kommission die Proben auf dem Maifeld und im Olympiastadion fest. Die ausgewählten Schüler und Schülerinnen kamen nun aus ganz Berlin täglich zum Üben. Die Jungen sollten zur Eröffnungsfeier beim Einzug in das Stadion die Fahnen schwingen und hinter dem Schweizer Fahnenschwinger marschieren, der eine große Fahne in die Luft warf, wo sie sich kunstvoll entfaltete und dann wieder geschickt aufgefangen wurde. Das war sehr effektvoll, so etwas hatte man noch nie gesehen.

    Die Mädchen bildeten drei Kreise in denen die weltberühmten Tänzerinnen Mary Wigman und Gret Palucca und der großartige Tänzer Harald Kreuzberg tanzten. Dazu sollten die jungen Mädchen beige orangefarbige Kleider tragen, die sie zugeschnitten bekamen und sich zu Hause selber nähen sollten. Der Leiter der bekannten Medau Tanzschule dirigierte, außer den Tanzvorführungen der hübschen jungen Mädchen seiner Tanzschule, ebenfalls die Proben im Olympiastadion zu der Eröffnungsfeier und die gymnastischen Darbietungen auf dem Maifeld. Das ging alles über das Mikrophon und zum Abschluss lief jedes Kind auf dem Maifeld zu dem Metallplättchen mit seiner Nummer, woraus sich dann die Hakenkreuzfahne auf dem Rasen bildete.

    Das Publikum staunte und es gab viel Applaus. Die Jugend war begeistert und stolz, dass sie dabei sein durften und hier jede Menge der heißbegehrten Autogramme der vielen deutschen und ausländischen Sportler sammeln konnten.

    Während der Aufführung fuhr die bekannte Schauspielerin und Regisseurin Leni Riefenstahl, der man gute Verbindung zu der neuen Nationalsozialistischen Regierung nachsagte, mit dem Jeep herum und machte Aufnahmen für den Film über die Olympiade.

    Zum Abschluss der Eröffnungsfeier wurde die von Beethoven vertonte Schiller’sche Ode „An die Freude, von einem großen Orchester gespielt und all die jungen Mädchen und Jungens standen im Halbrund des Olympiastadions mit hoch erhobenen Armen, um damit die: „Freude, Freude, Freude schöner Götterfunke, Tochter aus Elysium, wir betreten freudetrunken Himmlische Dein Heiligtum aus der Ode auszudrücken. Es war für alle ein unvergessliches Ereignis.

    Die Autogramme der prominenten Sportler standen hoch im Kurs und die Jugendlichen jagten ständig besonders den ausländischen Sportlern hinterher und sammelten Autogramme, die dann später unter einander ausgetauscht wurden.

    Davon erzählte sie viel dem Peter, der sie jetzt pünktlich jeden Sonnabend um 16 Uhr abholte. Er vergaß nie eine kleine Überraschung für sie mitzubringen, mal waren es Süßigkeiten oder eine kleine Figur, die sie sammelte. Als die Mutter das bemerkte, sagte sie: „Peter, verwöhnen Sie das Kind nicht so, sie ist es jetzt schon zu sehr." Worüber Cordula sich ärgerte.

    Aber Peter war bereit seine zukünftige Ehefrau und Mutter seiner Kinder nach Kräften zu verwöhnen und ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Er war glücklich, als er merkte, dass sie allmählich Zutrauen zu ihm fasste und ihm sogar ihre kleinen Geheimnisse anvertraute. So hörte er einmal von ihr, dass sie ein Tagebuch führte und darin alles aufschrieb, wenn sie sich wieder einmal ungerecht von ihrer Mutter behandelt fühlte. Sie wollte es ihm sogar zeigen, aber er beruhigte sie. „Schau, Kleines, sagte er, „schreib‘ alles auf, was Dir auf dem Herzen liegt, und später einmal, wenn Du andere Dinge erlebst, die Dir wichtig sind, dann wirst Du das alles nochmal durchlesen und vielleicht anders darüber denken.

    Weil sie, wie sie sagte, furchtbar gerne Eiscreme aß, gingen sie oft in die kleine italienische Eiskonditorei, in der Nähe der Wohnung, wo sie ungestört sitzen und sich unterhalten konnten. Er hörte ihr gerne zu und freute sich, wenn er merkte, dass sie allmählich die Scheu vor dem älteren Mann verlor und begann sich für ihn zu interessieren und Fragen zu stellen. Er erzählte ihr von seinen Geschwistern, die alle älter als er, und schon verheiratet waren und Kinder hatten. Von seiner ersten Arbeitsstelle in Oberschlesien erzählte er Cordula, wo er als Hauslehrer in dem Schloss die Kinder des Fürsten von Pless

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