Mord im Dorf
Von Ann Bexhill
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Über dieses E-Book
Wer ermordete Heribert Freitag den unangenehmen Ex Bürgermeister vom idyllischen West Bernburg? Für Franz Singer einen einsamen Mann, der die besten Tage als Schlagersänger hinter sich hat und nach dem Selbstmord seiner Frau Zuflucht bei seiner Tante gefunden hat und nur die Stille sucht, wird die Aufklärung des Mordes ein Weg zurück in das Leben. Mit Hilfe der resoluten Frau von Leysten enttarnen sie nicht nur die Mörder, sondern entdecken den Spaß am Leben wieder. Ein Dorf im Saarland und seine recht eigenen Bewohner gilt es zu, entdecken. Doch wer von den vielen guten Menschen die Heribert Freitag gehasst haben, ist fähig den Mann in Franz Arbeitszimmer zu locken und mit einem aufgesetzten Kopfschuss in die Hölle zu schicken.
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Buchvorschau
Mord im Dorf - Ann Bexhill
1
Im Herzen des Saarlandes gibt es viele versteckte Winkel, Dörfer, die kaum jemand kennt, außer den Bewohnern. Biegt man, von der Autobahn A 6 etwa 23 Kilometer hinter Saarbrücken, in eine der unscheinbaren Landstraßen ein. Auf denen nie ein Tramper steht und wenn doch, sie ihn garantiert nicht mitnehmen würden, so unheimlich wie er aussieht, so gelangt man bald in eine unfreundlich aussehende aber ruhige Gegend, auf deren rechter Seite das Dorf West Bernburg liegt. Diese Siedlung blickt auf eine lange Tradition zurück. Während des 14. Jahrhunderts wurden die ersten Häuser von einem Bischof Helmar mit dem Hang Dörfer und Marktflecken im Saarland zu Gründen und Juwelen und kostbare Teppiche zu sammeln errichtet. Nicht von ihm persönlich natürlich von seinen Sklaven. Während des 30ig jährigen Krieges wurde der Ort von den kaiserlichen Truppen zerstört und nach dem Westfälischen Frieden mit neuen Gebäuden und Bauern bepflanzt. West Bernburg blieb immer was es war rau und treu daran konnte selbst Hitler nichts ändern, der diesem Flecken seines Malermeisters und seines Klempners und eines guten Tischlers beraubte, weil sie Juden waren und irgendetwas mit der jüdischen bolschewistischen Hochfinanz am Hut hatten. Naturgemäß hatte auch an diesem Dorf der Zahn der Zeit genagt, die Fassaden mancher herrschaftlicher Gebäude hatte Risse und die Farbe war von manchen Stellen einfach abgeblättert. Aber der Ort hatte seine Würde behalten 1971 sah es genauso aus wie 1880, würdevoll, unaufdringlich und voller ehrlicher Leute.
Tantchen Agatha eine kleine runde Dame mit roten Apfelwangen hatte gerade den Kuchenteig fertig gerührt und zum Auskühlen auf den Tisch gestellt. Dann sah sie aus dem Fenster. Die Küche war das Herz des Hauses aus dem Küchenfenster zur Straße blicken machte ihr Spaß. Zu beobachten, wer wo ein- und ausging, alte Freunde zu begrüßen und mit den anderen Damen süffisante Bemerkungen darüber fallenzulassen, wer wieder sternhagelvoll war oder sich sonst wie daneben benommen hatte. Aber West Berndorf wirkte jetzt fast wie ausgestorben. Auf der Turmuhr der Kirche, die über den Dächern zu sehen ist, war es fünf vor 3 Uhr nachmittags. Ein Sturm aus Südwest kündigte sich an und ließ die Blattkronen der jungen Birkenbäume und Linden am Straßenrand schaukeln. Ab und zu fegte eine Windböe durch die Straße, wo er Papierfetzen über den Boden schleifte und mit den Ladenschildern klapperte. Es war ein Nachmittag Ende August und eine Gluthitze zum Krepieren kündigte ein schweres Gewitter an. Ab und zu jaulte der Vorbote des Sturms auf und schmetterte angekippte Fensterläden gegen die Mauern. Frau von Leysten unsere Nachbarin goss mit einer riesigen Gießkanne in den beiden Händen ihre Rosenbüsche am weißen Lattenzaun ab. Offenbar misstraute sie der alle 20 Minuten wiederholten Sturmwarnungen im Radio. Sie nickte mir zu, sie trug ein schwarzes Kleid und einen Strohhut. Ein gutgekleideter Mann lief vorbei, selbst von weitem merkte man, dass er einen in der Krone hatte, er war, unsicher auf den Beinen. Schwarzgrau gestreifte Hose weißes Hemd grüne Weste und eine schwarze Krawatte. Er hatte einen roten buschigen Schnurrbart und einen Glatzkopf, eine helle Gesichtsfarbe und vom Bier oder der Wut rot gezeichnete Wangen. »Hoher Wellengang heute«, bemerkte ich und steckte mir den Rührlöffel schnell in den Mund als Tante nicht hinsah. Sie ist der festen Überzeugung, dass der Verzehr von rohem Kuchenteig das reinste Gift für die Verdauung ist. Der Betrunkene schwankte davon, hielt sich ab und zu an einer Gaslaterne fest und durch das geöffnete Fenster drang sein Gesang des Schlagers an »der blauen Laterne«. Ich lachte, als der Mann den fruchtlosen Versuch unternahm, sich seine Zigarre mit feuchten Streichhölzern anzuzünden. Der Frühlingswind brauste auf und es begann ein grotesker Kampf zwischen dem Betrunkenen, seinem Regenmantel, den der Wind aufblähte wie einen Heißluftballon und seinem Tirolerhut, der von einer kleinen Windhose emporgerissen seine Freiheit in den Wolken suchte. Tantchen entschuldigte sich bei mir und beugte sich aus dem geöffneten Küchenfenster. Und schrie: »Schämen sie sich in Grund und Boden sie Säufer.« Dann drehte sie sich nach dem drolligen Auftritt von Heribert Freitag dem Ex Bürgermeisters von West Berndorf zu mir und erklärte, dass jeder, der Heribert Freitag um die Ecke bringen würde, der Welt eine große Freude bereite. Heribert Freitag war Bürgermeister bis 1945 gewesen nach 1950 hielt er es mit der CDU war aber trotzdem der unbeliebteste Mensch im Dorf geblieben. Seine verlorenes Machtgefühl kompensierte er mit Hochmut und Alkohol. Ich schüttelte den Kopf und sagte im Spaß: »Können wir nur hoffen, dass der alte Knabe nicht demnächst mit durchgeschnittener Kehle in seinem Blut liegen gefunden wird.« Tantchen lächelte und meinte: »Er ist ein aufgeblasenes altes Ekel. Kein Wunder, dass ihm seine Frau davongelaufen ist und die eigenen Kinder nichts mit ihm zu tun haben wollen.«
»Sie hätte ihn stattdessen abmurksen sollen«, bemerkte ich. »Franz Singer! Ich dulde nicht, dass du in meinem Haus so leichtfertig von Mord sprichst.« Schimpfte sie, nachdem sie ihm eben noch selber die Pest an den Hals gewünscht hatte. »Tantchen erzählen tue ich es dir weil, ich doch weiß, dass du mich nie bei der Polente verpfeifen würdest.« Tantchen, für andere Frau Agatha Singer sah zu mir auf, »Du weißt es bestimmt noch nicht der Skandal, der uns droht!«, fragte sie. »Diesmal bin ich was Wissen abgelangt auf dem trockenen Tantchen was war los?« Sie seufzte band ihre Schürze ab und setzte sich zu mir an den Küchentisch. »Frau Gerstein war einkaufen sie brauchte neue Wolle und Stricknadeln Größe 3.«
»Hat ein beklagenswertes Wesen wieder Geburtstag und wird mit ihren Stricksesselschonern belohnt?« Frau Gerstein strickte für ihr leben gern, jeder der ihr einmal guten Tag gewünscht hat bekam eines ihrer ungeliebten Geschenke. Kratzige Schals die Allergien auslösen oder Mützen mit riesigen Bommeln, die einem ständig im Gesichtsfeld schaukelten und Halluzinationen erzeugen. »Sie gab mir angeblich einen 20 Mark Schein und als ich in die Kasse das Wechselgeld geben wollte bemerkte ich das nur ein Zehn-Mark-Schein drin war. Ich gab ihr das Wechselgeld auf zehn Mark doch sie beschwerte sich deshalb bei mir, und ich wies sie mit allem Respekt darauf hin, dass sie sich geirrt haben musste. Ich sagte ihr sehr taktvoll sie sei nicht mehr die Jüngste und müsse sich geirrt haben. Und nett wie ich bin empfahl ich ihr einen guten Augenarzt in Elberfeld.« Frau Gerstein war zehn Jahre jünger als Tante Agatha, die mittlerweile ihren 72 Jahrestag begangen hatte. »Anstatt also ihren Fehler einzusehen, stürmte sie erbost davon und offenbar direkt in die Schenke, wo Heribert Freitag sich wieder einmal betrank.«
»Oh je auch der noch!« Heribert Freitag gehört zu den Menschen, die sich ein Vergnügen daraus machen für Wirbel zu sorgen er würde die Sache so groß machen das dagegen ein Bankraub mit Geiselnahme, wie das Mopsen eines 50 Pfennig Stücks aus der Spendendose wirken würde. Er war der Prototyp eines garstigen Menschen. Zudem war er der reichste Mann im Ort hatte sich in den Jahren als er Nazi Bürgermeister war ein Vermögen zusammengerafft und erpresst. Meine Tante besaß den Tante Emma Laden in West Berndorf, in dem mein kleiner Bruder Peter ab und zu aushalf, bis er wusste, was er studiert. »Nun Tantchen Spaß wird es geben, wenn er dir seinen Fehdehandschuh hinwirft, weil ihm die Gegner ausgegangen sind, hat er sich wohl die Falsche ausgesucht.« Und das hatte Heribert Freitag, Tantchen war resolut und ihre Zunge galt als tödliches Instrument außerdem verfügte sie über ihre Camorra, die alten Weiber von West Bernburg, wenn man es sich mit einer verdarb, war man schneller isoliert, als ein Leprakranker seinen Daumen verlor. »Das Wort, das er gebrauchte, als er zusammen mit Frau Gerstein wie ein Verrückter angestürmt kam und einen Blick in meine Ladenkasse werfen wollte war, Veruntreuung!« Tantchen war der lauterste Mensch in der Gegend. »Niemand bei Verstand wird dich verdächtigen, Tantchen«, sagte ich. »Was hast du heute vor?«, fragte ich um sie vom leidigen Thema Heribert Freitag abzulenken. Der Mensch machte nicht nur Ihr Kummer, wie bedauerlich musste es erst seiner Familie ergehen mit so einem Menschen bestraft zu, sein. »Meine Pflicht«, sagte Agatha tugendhaft, »meine repräsentative Pflicht als Tante eines berühmten Neffen, der ein hohes Tier in der Schlagerbranche ist und deshalb kommen einige Damen zum Kaffee.« Meine Tante meinte meine Karriere als vor Jahren prominenter Unterhaltungskünstler früher ZDF goldener Schlagerparade, jetzt auf Betriebsversammlungen und mittelständischen Unternehmens Geburtstagen tingelnd mache sie zur First Lady des Dorfes. »Also deshalb der Kuchen! Wer kommt alles?« Im Innern des Hauses hatte ich das Gefühl, zu Hause zu sein. In die Kindheit versetzt zu sein. Die Zeit war hier drin einfach stehengeblieben. Ich befand mich inmitten einer gedämpften bürgerlichen Behaglichkeit und draußen herrschte das geschäftige Treiben des Neuen. Die Neuerungen in Tante Agathas Haus fielen mir kaum ins Auge. »Frau Stein, Frau von Leyster, Frau Arnold und diese schreckliche Frau Doktor Spiegel«, zählte sie das who is who in West Bernburg auf. »Ich mag sie«, sagte ich. Frau Spiegel war die junge Frau des Zahnarztes eine sehr attraktive Person, die sich auch nicht zu fein dazu war, im Garten ihrer Villa ein Sonnenbad im Badeanzug zu nehmen. »Ja das kann ich mir gut vorstellen Franz. Naja hoffen wir das sie nicht wieder anfängt von, Adligen zu reden. Das einzige Thema, das sie zu interessieren scheint.« Frau Doktor Spiegel liebte alles, was mit dem Hochadel zu tun hatte, ganz egal ob finnisches Königshaus oder spanische Monarchie. Sie liebte es nicht nur sie musste uns anderen auch davon alles bis ins kleinste darüber erzählen. Ich habe den Verdacht den Stapel Zeitschriften, den sie weg liest, wie ein Fresssüchtiger einen Teller Frikadellen, das goldene Blatt, die Krone, Adel und Du, die Fürstin, überdecken eine unbefriedigte Ehe. Die Frau besitzt eine selten dümmliche Ausstrahlung, was sie beileibe nicht ist. »Über was werdet ihr reden?« Tantchen machte sich immer Stichpunkte zu Themen, die gerade interessant waren. Tante Agatha setzte sich und überflog ihre Unterhaltungskarten, wie der Moderator einer Quizsendung vor der Show. »Wahrscheinlich nichts, was dich angeht, Franz.« Agatha lächelte, strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und sagte: »Das Übliche die Skandale von gestern oder die von Morgen wer weiß, was Frau von Leyster wieder herausgefunden hat.«
Frau von Leysten besaß die Gabe trotz ihrer Sternen Grübelei mit einer für ihren Jahrgang 1910 beeindruckenden Sehschärfe alles, um sie herum wahrzunehmen. »Davon gibt es hier genug nehme ich an«, entgegnete ich sarkastisch. Wir lebten in einem Dorf in dem eine Zigaretten rauchende Frau einen ungeheuren Skandal auslösen konnte. Einem Dorf, in dem die Automarke die jemand fuhr, Anlass zu wüsten Spekulationen war. Es war nicht viel los in West Bernburg, genau das Richtige für meine angekratzte Seele.
2
Als ich vom Küchentisch aufstand, war ich in der richtigen Stimmung, einen wirklich zündenden Schlager zu schreiben, was vermutlich am vielen Zucker in Tantchens Kuchenteig lag. Der Titel hatte schon platz in meinem Kopf genommen. Irgendetwas mit süßer Heimat und Moderne Agrartechnologie etwa, die Gerda auf dem Traktor olalala
. Ich müsste mich schämen zu gestehen mit dem Käse mein Geld zu verdienen oder mich fremdschämen für meine Fans, aber zum Glück kannten mich die Meisten nur unter meinem Künstlernamen Robert Starck die Schunkelkanone. Ich hatte einmal von meinem Tod geträumt, ich stand an der Himmelspforte und ein ungeheurer wichtig aussehender Engel musterte mich mit Unterdrückten Zorn und sagte: »Schlagersänger was? Nicht bei uns hier oben!« Ich ging in mein Arbeitszimmer mit Blick auf den Garten. Die Haselnusssträucher den Schuppen, den alle aus einen mir nicht einsehbaren Grund Pavillon nennen und dem hinter dem Garten liegenden Gemeindeanger mit dem Ententeich und dem Birkenwäldchen. Nach einem Blick auf die Idylle machte mich an den Rohentwurf eines Schlagertextes, den ich einem angestellten Komponisten oder wen den ich gerade in der Plattenfirma erwischte absegnen lassen musste. Gerade als ich mich wieder auf die stupide Arbeit des Schlagers fabrizieren konzentrierte, flatterte Bettina Freitag herein. Sie ist ein sehr hübsches Mädchen, groß und blond und völlig gedankenlos. Sie segelte durch die Glastür wie ein verirrter Schmetterling, sah mich an und rief mit einer Art Tadel in der Stimme: »Ach! Sie?« Wenn man vom Gemeindeanger kommt, führt der kürzeste Weg ins Dorf mitten durch das Haus. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt Eintrittsgeld zu verlangen aber Tantchen erzählte mir vom uralten Wegerecht. Was kam Großvater auch auf die dumme Idee sein Haus mitten auf dem Weg zu, bauen? Nur weil er meinte, Land gekauft zu haben bedeute auch es zu, besitzen. Die meisten Leute kommen nicht einmal auf die Idee wenigstens ums Haus herum, statt mitten durchs Arbeitszimmer durch die Diele hinaus zur Dorfstraße gehen. »Wen hast du denn erwartet Clark Gabel?«, fragte ich. Sie ließ sich völlig erschlagen in einen meiner großen Sessel fallen und legte ihre verwirrend langen Beine übereinander. Es gibt Mädchen die sind für Tennisshorts gemacht und Bettina Freitag gehörte zweifellos dazu. Dort saß sie mit ineinander gefalteten Händen und starrte mich an wie ein seltenes Insekt. Ich schrieb gerade Gerda auf dem Traktor tsching tsching. Dieses tsching kommt im deutschen Schlager recht vieldeutig daher. Ein Tsching strich ich wieder durch.
Heimat meine süße Heimat wie vermisse ich dich in der Ferne. (Akkordeon und Trompeten) wie vermisse ich deine goldenen Sterne deine Felder deine, Flüsse deinen (nicht den Rhein Chemieverklappung Fischsterben) und die süßen Küsse. Von der Gerda auf ihrem Traktor tsching (Trompeten und Drums und Kinderchor) Heimat oh du ferne Heimat. Dein Werner aus Herne (irgendeine andere Krötenstadt die sich auf Gerda reimt) vermisst seine Gerda.
»Ist Peter hier irgendwo?«, fragte sie endlich. Ich hatte schon angenommen sie habe vergessen, wohin sie wollte, und beehre mich bis zum Abend. Lange Beine mit einer glatten seidig schimmernden Haut können einen Mann schon auf andere Gedanken als Liedertexte bringen. »Ich habe ihn seit dem Frühstück nicht gesehen. Ich glaube, er wollte zu ihnen und ihnen angeblich Nachhilfestunden in Englisch geben.« Sie sah mich tadelnd an und murmelte etwas von meiner schmutzigen Einbildung. »Oh!«, sagte Bettina. »Ich glaube ich habe das total vergessen.« Zum Glück schien ihr das nicht viel auszumachen, was nicht gerade für Hochzeitsglocken Geläut an unserer Kirche spricht, jedenfalls nicht für den armen Peter meinen kleinen Bruder und Bettina, in die er verschossen ist. Er hat eben kein Glück mit den Mädchen. Die