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Das Klinikum: Entlassart Tod
Das Klinikum: Entlassart Tod
Das Klinikum: Entlassart Tod
eBook305 Seiten3 Stunden

Das Klinikum: Entlassart Tod

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Über dieses E-Book

Seltsame Alpträume plagen den Krankenpfleger Tom Senger, der gerade seinen neuen Arbeitsplatz im Klinikum Maiwald angetreten hat. Und das sind beiweiten nicht die einzigen ungewöhnlichen Vorgänge am Krankenhaus, die ihm zu schaffen machen. In den benachbarten Ruinen auf dem Gelände soll es spuken und von Zeit zu Zeit werden Patienten vermisst oder versterben unerwartet. Als seine Kollegin Monika während des Nachtdienstes plötzlich spurlos verschwindet, stellt Tom zusammen mit dem Zivi Lukas Nachforschungen an - und entdeckt Unerwartetes.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum25. Dez. 2014
ISBN9783738009224
Das Klinikum: Entlassart Tod

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    Buchvorschau

    Das Klinikum - Emanuel Müller

    Über Buch und Autor

    Das Buch

    Seltsame Alpträume plagen den Krankenpfleger Tom Senger, der gerade seinen neuen Arbeitsplatz im Klinikum Maiwald angetreten hat. Und das sind beiweiten nicht die einzigen ungewöhnlichen Vorgänge am Krankenhaus, die ihm zu schaffen machen. In den benachbarten Ruinen auf dem Gelände soll es spuken und von Zeit zu Zeit werden Patienten vermisst oder versterben unerwartet. Als seine Kollegin Monika während des Nachtdienstes plötzlich spurlos verschwindet, stellt Tom zusammen mit dem Zivi Lukas Nachforschungen an - und entdeckt Unerwartetes.

    Der Autor

    Emanuel Müller, 1987 in Burg geboren, schrieb schon als Kind vornehmlich Grusel- und Horrorgeschichten. Als er 14 Jahre alt war, kam sein erstes Buch heraus: »Unheimliches in einer Schule«.

    Heute lebt er mit seiner Frau in Dessau, wo er als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeitet, und schreibt nach wie vor Geschichten aus dem Horror- und Thrillerbereich. Verfolgen Sie Emanuel Müllers Werke bei Facebook: https://www.facebook.com/emanuel.mueller.autor

    Prolog

    Kay gähnte und schüttete den letzten Rest Kaffee hinunter. Ekelhaftes Zeug, woraus hatten die das nur gekocht?

    Gedämpft schienen die Lichter der Autobahnraststätte auf den dunklen Parkplatz, auf dem Kays limonengrüner Honda einsam auf die Fortsetzung der Fahrt wartete. Er warf den leeren Pappbecher in den Mülleimer und schlenderte zum Auto. Jetzt noch die letzte Etappe schaffen, dann konnte er zu Hause ins Bett fallen. Es wurde auch allmählich Zeit. 500 Kilometer hatte er heute zurückgelegt. Naja, es war eben ein wichtiger Kundentermin gewesen. Kay lächelte, als er an den Gewinn dachte, den er mit seiner Firma durch diesen Auftrag verdiente. Mit einer fließenden Bewegung glitt er hinters Steuer und startete den Motor. Langsam rollte der Honda vom Parkplatz. Auf der Auffahrt gab er Gas und wechselte auf die dunkle Autobahn.

    Wie leergefegt, überlegte er. Im Rückspiegel sah er nur eine schwarze Fläche. Gegenverkehr gab es keinen. Die weißen Leitlinien auf der Fahrbahn flogen nur so am Auto vorbei, während Kay das Gaspedal durchtrat. Mit einer Hand fummelte er am Radio herum. Vielleicht hielt ein bisschen Musik ihn wach.

    Er suchte noch einen Sender, als er stutzte. In einiger Entfernung bemerkte er die Lichter eines entgegenkommenden Fahrzeugs. Wieso befanden die sich so weit rechts?

    Eine optische Täuschung, grinste er. Natürlich fuhr der Andere auf der Gegenfahrbahn. Wo sonst?

    Endlich hatte er einen Radiosender gefunden, der etwas Besseres spielte, als einen monotonen, unendlichen Mix aus modernem Pop-Zeugs, bei dem ein Lied fließend ins nächste überging. Und bei so einem Kram sollte man am Steuer wach bleiben.

    Wieder stutzte er. Die Lichter des fremden Wagens kamen näher und der Eindruck verstärkte sich, dass es sich hier um einen Geisterfahrer handelte.

    Na wenigstens war die Autobahn leer. Er würde feststellen, auf welcher Spur der fuhr, auf eine andere Fahrspur ausweichen und danach gleich sein Handy zücken, um die Polizei zu verständigen.

    Immer diese Geisterfahrer, meistens Rentner, Selbstmörder oder zugedröhnte Drogensüchtige! Sanft trat er auf die Bremse und verringerte die Geschwindigkeit. Das entgegenkommende Auto schien auf der rechten Seite zu fahren, von ihm aus gesehen. Also wechselte er mit dem Honda auf die mittlere Fahrspur.

    Die näherkommenden Scheinwerfer pendelten ebenfalls in die Mitte. Jetzt wurde es langsam haarig. Kay lenkte seinen Wagen auf die linke Autobahnspur, doch auch hier zog das Scheinwerferpaar mit.

    »Das gibt’s nicht!«, murmelte Kay, mit einem Mal hellwach. Gleich hatte das Auto ihn erreicht!

    In einem raschen Manöver riss er das Lenkrad herum. Der Honda schoss zur Seite über die mittlere Spur auf die rechte.

    »Ha, da mach was draus, du Penner!« grinste er. »Wart nur, wenn die Bullen dich erwischen!«

    Das Grinsen erlosch, als die zwei Lichter, bedrohlich nah jetzt, das Fahrmanöver imitierten, wie ein Spiegelbild, das sich verspätet hatte. Wenige Meter vor der Motorhaube tauchte das entgegenkommende Fahrzeug auf seiner Fahrspur auf.

    »Oh Gott!« Kay schloss die Augen und trat panisch auf die Bremse. Ein metallisches Krachen hallte durch die kühle Nachtluft.

    Als er die Augen wieder öffnete, entdeckte er ringsherum Massen von blinkenden Lichtern. Und Stimmen. Viele Stimmen. Kay schnappte ein paar Worte auf, es gelang ihm jedoch nicht, ihnen in seinem Gehirn eine Bedeutung zu entlocken.

    »... Hubschrauber!«

    »Wohin denn?«

    »... Klinikum Maiwald ...«

    »... gute Idee ...«

    »... transportfähig ...«

    »... ausgleichen, ein Beutel HES, aber dalli!«

    Eine harte Unterlage drückte gegen seine Wirbelsäule. Als er versuchte, den Kopf zu heben, tauchte über ihm ein Gesicht auf. »Alles in Ordnung! Wir fliegen Sie sofort ins Krankenhaus! Sie hatten einen Unfall! Keine Angst, Sie befinden sich nicht mehr im Auto! Bitte liegen Sie still!«

    Die Anweisung erschien Kay überflüssig. Ihm gelang es ja nicht einmal, den Schädel anzuheben, geschweige denn andere Gliedmaßen.

    Der Untergrund, auf dem er lag, schaukelte ein wenig. Aus der Ferne nahm er ein stetes Klopfen wahr, welches lauter wurde. Es klang fast wie ein ...

    »Hubschrauber ist da!« Die Stimme war direkt neben ihm. Als Kay versuchte, den Kopf in die Richtung zu drehen, wurde ihm schwarz vor Augen. Er hörte noch ein paar letzte Satzfetzen.

    »... Kreislaufzusammenbruch ...«

    »... Blut ...«

    »... Kammerflimmern!«

    Kapitel 1

    Lukas saß gelangweilt am Notaufnahmetresen. Sein zweiter Tag als Zivildienstleistender im Klinikum Maiwald neigte sich dem Ende zu. An diesem Samstagabend herrschte nicht viel Betrieb. Kaum eine Handvoll Patienten in den Behandlungszimmern und im Wartebereich saß nur ein alter Mann, der andauernd auf die Uhr schaute. Darum musste er am Aufnahmetresen hocken. Die Schwester, die hier normalerweise arbeitete, war kurz was essen gegangen und er sollte so lange die Stellung halten. Allerdings gab es nichts zu halten. Zum wiederholten Male prüfte er die Position der Uhrzeiger. 21 Uhr, in einer Stunde hatte er Feierabend. Während er ein Gähnen unterdrückte, wünschte er sich, er hätte etwas zu lesen da.

    Lukas war 19 und hatte vor 2 Monaten erst die Schule beendet. Wie es beruflich weitergehen sollte, hatte er noch nicht entschieden. Daher die Überlegung, zunächst den lästigen Zivildienst zu absolvieren. Womöglich lernte er ja ein interessantes Arbeitsumfeld kennen.

    Das einzig Interessante im Moment war jedoch nur der große Zeiger der Wanduhr gegenüber, der wieder eine Minute näher an den Feierabend rückte.

    Da saß er nun gelangweilt: Eine magere, unscheinbare Gestalt mit wild aussehenden, schwarzen Haaren. Was er auch anstellte, sie wirkten immer ungekämmt, ein Umstand, den die leitende Notaufnahmeschwester am ersten Tag missbilligend zur Kenntnis genommen hatte.

    Er war fast am Einnicken, als ein älteres Ehepaar vor dem Tresen erschien. Lukas sah erschrocken auf.

    »Äh ... Guten Abend. Ja bitte?«

    Die Frau – er schätzte sie auf Mitte 60 – sah sehr dürr aus und hatte den Mund zu einer verkniffenen Linie verzogen. Ihr Mann war nicht viel größer, jedoch ziemlich dick. Unter einer Halbglatze huschten ängstliche Augen umher. Der Zivi fühlte sich an seine Großeltern erinnert.

    Der Alte setzte an, etwas zu sagen, doch die Ehefrau kam ihm zuvor und riss ihm die Hand nach oben. »Schauen Sie!« Der Körperteil schien angeschwollen und dunkelrot. Das sah ungesund aus.

    Lukas schaute irritiert. »Äh ... was haben Sie denn da gemacht?«

    Die Frau nahm ihrem Partner erneut das Wort aus dem Mund, als dieser antworten wollte. »Das ist seit 5 Tagen so. Und bis jetzt wurde es immer schlimmer!«

    »... tut auch weh ...«, nuschelte der Mann.

    Der Zivi verkniff sich die Frage, warum sie erst Samstagabend in die Notaufnahme gingen. Wenn er die Beschwerden schon so lange hatte, wäre das ein Fall für den Hausarzt gewesen. Stattdessen meinte er: »Dann bräuchte ich bitte die Chipkarte.«

    Die Frau kramte in ihrer Handtasche. Lukas sah gelangweilt zu, während die ängstlichen Augen des Mannes hin und her huschten.

    »Irgendwo muss sie doch sein ...« Sie schien vergebens zu wühlen.

    Als der Zivi gerade einen verstohlenen Blick auf die Uhr werfen wollte, schreckte ihn das Klingeln des Telefons auf. Hektisch griff er nach dem Hörer. »Klinikum Maiwald, Not ...« Er hielt inne, als er bemerkte, dass es weiter klingelte. Suchend schaute er sich um und entdeckte den Ursprung. Das Notfalltelefon. Ausgerechnet jetzt! Die Schwester hatte ihm erklärt, dass nur Notärzte die Nummer besaßen und dort nur anriefen, um ernste Sachen anzukündigen.

    »Da ist sie ja!« Die Frau zog die Chipkarte ihres Mannes aus der Tasche und knallte sie vor Lukas auf den Tisch. Dieser griff mit zitternden Händen den Telefonhörer. »Klinikum Maiwald, Notaufnahme ...«

    Eine hektische Stimme unterbrach ihn. »35-jähriger Patient, Zustand nach Autounfall, Verdacht auf Beckenfraktur, stumpfes Bauchtrauma, hypovolämischer Schock, SHT, vermutlich Grad II, Kreislauf ist notdürftig stabilisiert! Sofort Schockraum, Ankunft in etwa ... 10 Minuten per Hubschrauber! Mindestens 6 EK’s bereitstellen, 0 D negativ!«

    Er hatte, so gut es ging, den Text auf einem Zettel mitgeschrieben. Verstanden hatte er nicht viel. »Alles klar!« Am anderen Ende wurde aufgelegt.

    Lukas sah auf. Vor ihm stand die Frau, wedelte mit der Chipkarte und sah ihn herausfordernd an.

    »Da brauchen wir wohl ein paar Ärzte ...«, murmelte er.

    »Allerdings!«, rief sie energisch.

    Neben dem Telefon war ein Knopf angebracht, mit dem man ein komplettes Team aus medizinischem Personal in die Notaufnahme rufen konnte. Das hatte ihm die Krankenschwester am Tresen am ersten Tag erklärt. Dieser diente speziell für Notfälle.

    Lukas betätigte den Schalter, sprang auf, griff seinen Zettel und rannte nach hinten, um die Schwester zu holen.

    10 Minuten später hockte er wieder vorne. Das Ehepaar saß neben dem alten Mann im Wartebereich und schien sich sehr unbehaglich zu fühlen. Lukas beobachtete sie verstohlen.

    Die Notaufnahmeschwester hatte ihn sofort zurück an den Tresen geschickt, nachdem er die Nachricht überbracht hatte. Das ärgerte ihn. Da war endlich was Interessantes los, und er musste hier sitzen!

    Vom Flur hinter ihm kam ein Klappern. Die Tür zum Hubschrauberlandeplatz vor dem Krankenhaus wurde aufgestoßen und er hörte hektische Stimmen. Eine Minute später kehrte wieder Ruhe ein. Wahrscheinlich hatten sie den Patienten in den Schockraum geschoben, der speziell zur Behandlung von schwerverletzten Unfallpatienten eingerichtet war.

    Leise seufzend stierte er auf die Uhr, als könne er die Zeigerbewegung dadurch beschleunigen.

    Tom öffnete die Augen. Wo war er? Neugierig schaute er sich um. Ringsherum sah er im Mondschein trotz des wolkenverhangenen Nachthimmels verkrüppelte blattlose Bäume, soweit der Blick reichte. Ein kalter Wind pfiff durch die dürren Äste und brachte ihn zum Frösteln. Nebel stieg aus dem feuchten Waldboden empor und kroch an den Stämmen nach oben.

    Wie kam er hierher? Im Wald herrschte Totenstille.

    Tom irrte ein Stück herum, doch alles sah gleich aus. Überall tote Baumstämme und Nebelschwaden.

    »Hallo?« Sein Ruf verhallte ungehört.

    Plötzlich knackte es hinter ihm. Schritte im Unterholz. Er spürte sie mehr, als dass er sie hörte.

    Hektisch fuhr er herum, aber nichts war zu sehen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.

    »Wer ist da?«

    Die Geräusche kamen näher. Er vernahm sie von allen Seiten.

    Jetzt konnte Tom Gestalten erkennen. Sie trugen schwarze Umhänge mit weiten Kapuzen, die Gesichter verhüllt. Es handelte sich um mindestens 10 mysteriöse Personen, welche ihn umkreist hatten und langsam auf ihn zu traten. In den Händen hielten sie Fackeln.

    Etwas war hier nicht in Ordnung ... Überhaupt nicht in Ordnung ...

    Er wollte was sagen, doch die Furcht schnürte ihm die Kehle zu. Kein Wort kam heraus. Zusätzlich drang ihm die Kälte in die Knochen. Inzwischen rückten die Individuen auf etwa einen Meter näher. Die Hitze der lodernden Fackeln brannte auf seiner Haut.

    Die Größte der Gestalten hob eine Hand und begann, die Kapuze abzustreifen. Langsam kam das Gesicht im Geflacker der Flamme zum Vorschein.

    Schreiend fuhr Tom auf. Er lag im Bett. Der Wecker zeigte 3 Uhr früh, ein bisschen Zeit hatte er noch, bis das Ding ihn für den ersten Arbeitstag wecken würde.

    Wieder so ein Alptraum. Das war bereits das fünfte Mal in diesem Monat! Und alle so ähnlich ...

    Während der Traum allmählich verblasste, sank er zurück aufs Kissen. Trotz des Schreckens schlief er schnell wieder ein.

    Kapitel 2

    Fröstelnd zog Tom die Jacke um sich, als er aus dem Auto stieg. Im Moment war der Herbst zwar noch recht mild, aber um 5:45 Uhr morgens spürte man von der Wärme des beginnenden Tages nicht das Geringste. Ein kalter Wind zog über den Mitarbeiterparkplatz.

    Er schloss den Wagen ab und stiefelte Richtung Haupteingang. Heute war sein erster Arbeitstag als Krankenpfleger auf der chirurgischen Station im Klinikum Maiwald. Vorher hatte er in einem Uniklinikum in Schleswig Holstein gearbeitet und in keiner Weise vorgehabt, die Stelle zu wechseln. Doch der Job hier war ihm extrem schmackhaft gemacht worden.

    Eines Tages hatte Tom einen Flyer im Briefkasten gefunden, welcher großspurig verkündete: Arbeiten Sie in einer der fortschrittlichsten Kliniken Deutschlands! Auf der Innenseite wurde das Krankenhaus als sehr innovative Einrichtung beworben, führend in der Forschung und mit vielen Vorteilen für die Mitarbeiter wie übertarifliche Bezahlung und schnelle, spezielle Qualifikationen. Von großen Aufstiegschancen war die Rede gewesen, und von weitergehenden Verdienstmöglichkeiten nach entsprechender Zusatzqualifikation und Einarbeitung.

    Dass der gesamte Text zwar verführerisch klang, doch auffallend allgemein gehalten war, hatte ihn zu diesem Zeitpunkt kaum gestört. So schickte er eine Bewerbung ab, zunächst nur aus Spaß und ohne sonderliche Erwartungen.

    Das Vorstellungsgespräch hatte ihm auch keine nennenswerten Informationen gebracht, bis auf das um ein Drittel höhere Gehalt. Der Pflegedienstleiter David Sommerheim hatte geheimnisvoll getan und ihm eine Menge Fragen gestellt. Über das Krankenhaus wollte er allerdings nicht viel verraten. Von den zukünftigen Kollegen erhoffte sich Tom mehr Auskünfte.

    Jedenfalls hatte er schnell eine Zusage erhalten und schweren Herzens in der Uniklinik gekündigt. Jetzt war er hier, frühmorgens an einem kühlen Herbsttag, auf dem Weg zu seinem neuen Arbeitsplatz.

    Nachdem er das Krankenhaus betreten hatte, schlug er die Richtung zur chirurgischen Station ein. Den Weg kannte er, da er ein paar Tage zuvor kurz dort gewesen war, um sich vorzustellen.

    Auf dem Stationsflur herrschte Ruhe. Ein spärliches Dämmerlicht kam von kleinen Lampen an der Wand. Die übliche Nachtbeleuchtung.

    Die Station bestand aus einem langen Gang, von dem zu beiden Seiten die Türen zu den Patientenzimmern und Nebenräumen abgingen. In der Mitte lag das Schwesternzimmer. Eine hohe Glasscheibe verband es optisch mit dem Flur. Rechts davon befanden sich Umkleideräume für das Stationspersonal, links ein Aufenthalts- und Pausenraum.

    Tom zog den Schlüssel aus der Tasche, den er vom Pflegedienstleiter erhalten hatte, und betrat den Umkleideraum für die Männer. Eine Handvoll schmaler Spinde drängte sich in eine kleine Kammer. Tom öffnete den dritten Schrank und stopfte seine Sachen hinein. Die neue Dienstkleidung, Hose und Kasack, war für ihn bereitgelegt worden.

    Ganz in Weiß verließ er die Umkleide und trottete in den Aufenthaltsraum. Um einen quadratischen Tisch saßen 5 Frauen, die bei seinem Eintreten alle aufblickten. Carola kannte er bereits, die Stationsschwester. Sie war groß und kräftig, ohne jedoch dick zu sein, und hatte kurze dunkelblonde Haare, die nach allen Seiten abstanden.

    »Guten Morgen! Ich bin Tom Senger, der neue Pfleger hier ...«

    Carola sprang auf. »Guten Morgen! Setz dich!« Sie wies auf einen von zwei freien Stühlen. Tom schüttelte lieber zuvor noch alle Hände und lächelte ihren Besitzern freundlich zu. Eine nach der anderen stellten sich die Anwesenden als Schwester Monika, Barbara, Steffi (»Keine Schwester Stefanie-Witze!«) und die Stationshilfe Doris Schildhauer vor.

    Als er Platz nahm, bekam er einen A4-Zettel vor die Nase gelegt, auf dem in einer Liste sämtliche Zimmer mit Patientennamen aufgedruckt waren. Er bedankte sich gleichzeitig für das Blatt und die Tasse Kaffee, die Monika ihm gerade eingoss.

    Als eine weitere Krankenschwester den Raum betrat, sah Tom auf und schüttelte nochmal eine Hand. »Hallo, ich bin Tom!«

    »Schwester Iris, ich bin Dauernachtwache hier.« Mit einem Stapel Patientenkurven setzte sie sich auf den letzten freien Platz und goss sich ebenfalls einen Kaffee ein.

    »Die Station ist derzeit nicht voll belegt.« Carola sah ihn an. »Darum haben wir Zeit, dass ich dir nachher kurz das Krankenhaus zeige, wenn du einverstanden bist.«

    »Natürlich! Gerne!«

    Die Nachtschwester begann mit der Übergabe. Der Reihe nach ging sie alle Patienten durch und schilderte Besonderheiten, die im Nachtdienst oder im Spätdienst des Vortages aufgetreten waren. Für Tom nannte sie zusätzlich Diagnose und OP. Schließlich endete sie mit einer Frau Markwart, 67 Jahre alt, in der Klinik wegen akuter Appendizitis und Appendektomie.

    Nachdem er seinen Stift eingesteckt hatte, sah Tom erwartungsvoll in die Runde. Iris raffte die Patientenkurven zusammen und trug sie aus dem Zimmer. Die Stationsschwester blätterte in einem kleinen Notizbuch, welches vor ihr auf dem Tisch gelegen hatte.

    »Herr Oberberg steht als Erstes auf dem OP-Plan«, sagte sie. »Der muss vollständig gewaschen werden ... Ansonsten sind heute zur OP dran ... Herr Radel, Frau Spieß und Frau Rheinbach. Und Frau Senkbeil bleibt auch nüchtern«, wandte sie sich an die Stationshilfe Doris. »Die kriegt ein Abdomen-Sono.«

    Sicherheitshalber notierte sich Tom das auf seinem Zettel.

    »Barbara und Steffi, ihr nehmt die hintere Seite, Monika, du übernimmst mit Tom die vordere Hälfte und zeigst ihm den Ablauf!«

    Alle nickten.

    »Wir teilen die Station nach dem Bereichspflegeprinzip ein«, erklärte ihm die Stationsschwester. »Immer Zimmer 1 bis Zimmer 8 und Zimmer 9 bis Zimmer 16. Jeweils zwei auf einer Seite.«

    Sie warf einen Blick auf die Uhr an der Wand und wie auf Kommando sprangen alle auf. Tom kippte den Rest Kaffee hinunter und steckte den Zettel ein. Dann folgte er den Schwestern auf den Flur.

    Kapitel 3

    Lukas stellte das Fahrrad in den großen Fahrradständer vor dem Krankenhaus und hetzte zum Haupteingang. 11:30 Uhr, viel zu spät dran. Eigentlich fing jetzt sein Dienst an. Und er war noch nicht einmal umgezogen.

    Auf dem Weg zum Eingang kam er an einer Glastür vorbei, hinter der eine Treppe lag.

    Rein theoretisch müsste er schneller in der Notaufnahme sein, wenn er durch die Tür flitzte und dann ein Stockwerk hinauflief, überlegte Lukas. Damit sparte er den Weg bis zum Haupteingang vor und den langen Gang bis zum Notaufnahmebereich wieder zurück.

    Er probierte und fand die Tür offen vor. So schlüpfte er hindurch und stand in einem schummrig beleuchteten Treppenhaus. Eilig hetzte er die Stufen hinauf zur nächsten Etage und verließ die Treppe über eine weiße Metalltür. Dort stellte er fest, dass er nicht im Flur vor der Notaufnahme war, wie er gedacht hatte. Echt blöd!

    Er befand sich in einem spärlich erleuchteten Korridor, der wie eine Baustelle aussah. Lose Kabel hingen aus den rohen Betonwänden und überall lagen Eimer und irgendwelche Arbeitsgeräte herum. Baustrahler in den Ecken spendeten kümmerliches Licht.

    Das musste der Flügel des Krankenhauses sein, der gerade saniert wurde. Danach wollte man hier noch einige Stationen und einen zusätzlichen OP einrichten. Bloß, wo waren die Bauarbeiter? In der Mittagspause?

    Irritiert versuchte er, sich zu orientieren und schlug dann die Richtung ein, von der er glaubte, dass sie in den regulären Abschnitt des Klinikums und zur Notaufnahme führte. Er umrundete Eimer und Leitern, bog um die Ecke, durchwanderte einen langen Gang und stand endlich vor einer Wand aus einer milchig-durchsichtigen Kunststoffplane.

    Aha! Hier war die Grenze zum öffentlichen Krankenhausabschnitt. Die Folie sollte verhindern, dass Staub die Baustelle verließ. Lukas hob sie an und kroch darunter hindurch. Dahinter fand er eine breite Glastür, die einen Spalt offenstand. Dann kam eine weitere Plane. Nachdem er auch dieses Hindernis überwunden hatte, erkannte er den Flur, der direkt zum Foyer führte. Jetzt wusste er wieder, wo er sich befand und hetzte schnell zu seinem Arbeitsplatz. Die Uhr verriet ihm, dass er bereits 10 Minuten Verspätung hatte. Der olle Hausdrache, der die Notaufnahme leitete, würde ihm den Kopf abreißen!

    Tom saß im Dienstzimmer der Station und schrieb Pflegeberichte in die Kurven. Neben ihm hämmerte Carola auf der Computertastatur herum. Hämmern war in der Tat das richtige Wort, denn sie malträtierte die Tasten so sehr, dass er befürchtete, gleich die Tastatur in Stücke fliegen zu sehen.

    In einem Nebenraum bereitete Monika Antibiotika-Infusionen für die Mittagszeit vor. Sie war eine junge Krankenschwester mit einem ständigen Lächeln und freundlichen, schwarzen Augen, die nach Toms Meinung gut zu ihren schwarzen Haaren passten. Von allen Kollegen auf der Station, die er bereits kennengelernt hatte, fand er sie am sympathischsten. Wahrscheinlich war sie spanischer Abstammung. Zumindest

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