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Ago
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eBook438 Seiten6 Stunden

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Über dieses E-Book

Zwei Frauen mischen sich unter die Knechte und Mägde, die mit ihren Herrschaften ins Heilige Land ziehen. Der Führer des Zuges, Ago von der Schauenburg, weiß nichts ihnen. Die eine wird ihr Leben hingeben um ihn zu retten, die andere wird ihm später helfen müssen. Ago, der eigentlich nach seinem vermissten Vater suchen wollte, wird nach der Ankunft am Ziel entführt. Es sind dieselben Männer, die auch seinen Vater verstecken. Nun liegt es an Freya von Praunfalk, für die Befreiung der Gefangenen zu sorgen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum6. Juli 2016
ISBN9783738076011
Ago

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    Buchvorschau

    Ago - Peter Mittag

    1 . Kapitel Die Ankunft

    Die Tür zur Waffenkammer stand weit offen. Ago war erleichtert. Dietrich, der Waffenmeister, wird also da sein. Wo sollte er auch sonst sein, dachte er. Er betrat den Raum. Es dauerte einige Augenblicke, ehe er sich an das schlechte Licht gewöhnt hatte. Das Dreibein, das unter der Bank hervor lugte, sah er trotzdem nicht. Er blieb mit dem Fuß hängen, schlug der Länge nach hin. Dabei riss er die Schilde um, die an der Wand lehnten. Ago lag am Boden, strich sich mit einer fahrigen Geste ein paar rote Strähnen aus seinem Gesicht.

    „Was ist da los, was soll das Gepolter," dröhnte die Stimme des Waffenmeisters aus dem Dunkel der Kammer. Während Ago sich aufrappelte und sich den Staub aus der Tunika klopfte, kam der Waffenmeister näher.

    „Was treibst du hier, du Nichtsnutz. Wenn du dich mal wieder vor dem Unterricht drücken willst, musst du hier nicht gleich alles durcheinander bringen."

    Ago blickte in das zornige Gesicht des Alten. Er wusste, dass er nicht wirklich wütend war, denn Gottfried war der Meinung, dass ein alter Kämpe wie er, sein weiches Herz nicht zeigen durfte. Trotzdem ärgerte Ago sich über die grobe Abfuhr. Nachdem er beim Aufräumen der Waffenkammer geholfen hatte und den ersten Schritt vor die Tür machte, prallte er fast mit Arnulf, dem Hauptmann der Burgwache zusammen.

    „Ago, was machst du für ein Gesicht?"

    „Ich habe versehentlich ein wenig Unordnung in der Waffenkammer gemacht. Dietrich meinte mal wieder wütend sein zu müssen. Obwohl er genau weiß, dass ich nicht darauf herein falle," lachte Ago, wobei seine eisgrauen Augen blitzten.

    „Ich fürchte, ich muss dir deine gute Laune verderben. Pater Bertram schickt mich. Er will sich bei deiner Mutter beschweren, wenn du seinen Unterricht weiterhin so oft versäumst."

    Ago bemerkte den leisen Spott in der Stimme des Hauptmannes. Noch ehe er zu einer Antwort ansetzen konnte, ertönte ein Signalhorn. Im nächsten Augenblick stand Ago allein im Innenhof. Aber er konnte Arnulf hören, der mit befehlsgewohnter Stimme seine Anweisungen gab.

    „Bogenschützen auf die Zinnen, Wehrgänge besetzen. Fallgitter runter. Tor schließen, Öl heiß machen!"

    Schwere Ketten rasselten. Die mit Eisen beschlagenen Torflügel schlossen sich mit einem dumpfen Schlag.

    Ago rannte quer über den Hof, nahm die Treppe zum Wehrgang mit ein paar Sätzen, machte aber sofort Platz für die nachdrängenden Wachsoldaten. In Windeseile war die Burg verteidigungsbereit. Zwischen den Zinnen, die sich oberhalb des Tores befanden, blieb er stehen.

    Er sah die Staubwolke, die Senkrecht in den Himmel stieg. Sie war noch weit, fast am Ende des Tales. Was sie verbarg, konnte er nicht sehen. Aber ihm schien, als würde in der Ferne Stahl blinken.

    Drohte ein Angriff? Nein, sagte er zu sich selbst, dafür sind es zu wenig. Es müssen Kreuzfahrer sein, die auf dem Heimweg sind. Er hoffte, dass er die Gesichter der Menschen erkennen konnte, wenn sie erst einmal nahe genug heran gekommen waren. Er spürte eine Bewegung neben sich. Arnulf gesellte sich zu ihm.

    „Das kann nur ein großer Heerhaufen sein ", hörte Ago ihn sagen. Allmählich konnte er mehr sehen. Schemenhafte Schatten tauchten in dem Dunst auf.

    Der Heerhaufen kam näher und Ago konnte, wenn auch nur schemenhaft, einzelne Reiter erkennen.

    Volker von Reims, der Herold, trat zu ihm.

    „Volker, wirst du mir die Namen zu den Wappen auf den Schilden nennen können?", fragte Ago.

    Volker nickte, ohne den Blick von dem Geschehen zu nehmen. Endlich erkannte Ago einzelne Reiter, denen Fußtruppen folgten, dazwischen immer wieder schwere Ochsengespanne.

    Die ersten Ritter bogen auf den Fahrweg ein, der sie in weiten Schwüngen hinauf zur Schauenburg führte. Jetzt konnte Ago die Wappen auf den Schilden, den Bannern und Wimpeln unterscheiden. Unübersehbar leuchtete das Zeichen der Kreuzfahrer auf den Waffenröcken. Aufgeregt lief er hin und her, denn die Kreuzfahrer kamen tatsächlich aus den Heiligen Land, so wie er es sich gewünscht hatte.

    „Es sind Kreuzfahrer. Der Vater wird dabei sein. Er muss unter ihnen sein", flüsterte er. Ago, der in der Betrachtung der Ankommenden versunken war, zuckte zusammen, als der Herold mit lauter Stimme die Namen der Ritter rief, die er erkannte.

    Herr Wate von Stürmen, Graf Adhemar von Monteil, Markgraf Albert von Aachen Markgraf Agilhardt von Praunfalk.

    Dazwischen erklang immer wieder die Stimme Arnulfs, der seine Befehle erteilte. „Die Waffen runter, das Tor hoch!"

    Nun waren die Männer auf ihren Pferden so nahe, dass Ago sie gut erkennen konnte. Verzweifelt huschten seine Augen über die Gesichter der Reiter.

    Vater, wo bist du? rief er in Gedanken. Händeringend suchte er nach dem Ritter mit der breiten Narbe quer über der Stirn, nach blonden Haaren, die unter dem Helmrand hervor schauten. Er hielt Ausschau nach dem Wappen mit den goldenen Sonnen im Schildhaupt und dem roten Eberkopf darunter. Aber er konnte es nicht finden. Ein Karren mit Verwundeten näherte sich. Das Stöhnen und Wimmern der schwer verletzten drang bis zu ihm herauf. Fieberglänzende, weit aufgerissene Augen starrten ihm entgegen, der Gestank fauliger Gliedmaßen stieg ihm in die Nase. Einer der Ritter, der direkt an der Karrenwand hinter dem Gespannführer saß, hob den mit Schwären bedeckten Arm, als wolle er Ago grüßen. Aus den leeren Augenhöhlen lief Eiter herunter. Ago ertrug den Anblick nicht länger und wandte den Blick auf das Ende des Zuges.

    Längst war der ganze Tross im Inneren der Burg verschwunden. Ago stand noch immer auf dem Wehrgang.

    Sehnsüchtig starrte er zwischen den Zinnen hindurch in die Ferne, wartete auf die Nachzügler, die vielleicht noch kommen würden. Der Weg, der sich durch das weite Tal schlängelte, blieb leer. Nur feiner, gelber Staub lag noch in der Luft. Wieder hatte er vergebens gehofft und gewartet.

    Schlimmer noch: Bohrender Zweifel breitete sich in ihm aus, er konnte nicht mehr so recht an die Rückkehr das Vaters glauben. In seinem Kummer sah er den lange Vermissten irgendwo im blutgetränkten Wüstensand liegen. Der Gedanke daran trieb ihm die Tränen in die Augen.

    Auch die Markgräfin Burghild von der Schauenburg, Agos Mutter, hatte die fremden Reiter voller Spannung an sich vorüber ziehen lassen. Die Kreuzfahrer hatten auch sie in

    Aufregung versetzt, denn wenn sie auch ihren Gatten nicht unter ihnen fand, so hoffte sie doch inständig auf gute Nachrichten von ihm. Sie sah aber auch, dass einige von ihnen dringend Hilfe benötigten. Die fremden Ritter wurden

    mit ihren Knappen und Knechten eingeladen, solange auf der Schauenburg zu verweilen, bis alle wieder bei Kräften waren und an die Weiterreise denken konnten.

    Burghild selbst war es dann auch, die sich zusammen mit ihren Kammerfrauen um die Verletzten kümmerte, Wunden versorgte, Trost spendete, Betten mit frischem Linnen bezog, um darauf die Verwundeten zu betten.

    Dabei vergaß die Burgherrin nicht, auch für die Gesunden zu sorgen. Sie konnten sich den Reisestaub abwaschen und sich an sauberer, ihrem jeweiligen Stand entsprechender Kleidung bedienen. Währenddessen ließ Burghild die Feuer in der Küche anfachen. Brot wurde gebacken, allerlei Wild verschwand in den Töpfen, Hühner ließen ihr Leben auf dem Spieß. Bald zog ein verlockender Duft durch die Räume der Burg.

    Endlich hatten die Gäste ihre Plätze in dem großen Rittersaal gefunden und es konnte aufgetragen werden, was Keller und Küche hergaben. Die Kreuzfahre langten kräftig zu. Wein, Bier und Met mussten oft nachgeschenkt werden.

    Ago war überhaupt nicht zum Feiern zumute. Er saß nur auf

    Bitten der Mutter mit an der Tafel. Lieber hätte er sich irgendwo in der Burg verkrochen um seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Die leichte Berührung der Mutter spürte er kaum. Dann blickte er aber doch auf, dankte ihr mit einem Nicken für den Teller voller Braten, den sie ihm zugeschoben hatte. Im gleichen Maße, in dem die Diener

    Speisen und Getränke nachreichten, stieg auch die Stimmung der Kreuzfahrer, sie vergaßen ihre Strapazen, die Gespräche wurden lebhafter, ja ausgelassen und lustig. Ago fühlte sich nicht wohl an der Tafel. Ihm war es zu laut. Am Eingang zum Rittersaal wurde es turbulent, einer der Kreuzfahrer hatte sich etwas verspätet. Die entstehende Unruhe nutzte Ago, um den Rittersaal unbemerkt durch einen versteckten Nebenausgang zu verlassen. Der schmale Gang führte ihn auf den Innenhof. Er blieb stehen, lehnte sich an die Mauer. Was soll ich nur machen?

    Dem Trubel im Rittersaal bin ich entkommen. In meine Kammer gehen? Sein Blick fiel auf die Fenster der Gesindestube. Das darin flackernde Kerzenlicht erinnerte ihn daran, dass dort die Knappen und Knechte der Kreuzfahrer saßen. Die könnte ich doch nach dem Vater fragen!

    Mit schnellen Schritten näherte er sich seinem Ziel. Im nächsten Augenblick schallten ihm wilde Kreuzfahrergesänge entgegen.

    Er schüttelte den Kopf, blieb abrupt stehen und wandte sich dem Ostturm zu, wo er seine Kammer hatte. Er wollte lieber am nächsten Morgen die Mutter fragen, ob sie vom Vater gehört hatte.

    *

    Leise knarrend wurde die Tür von innen geöffnet. Agos verschlafenes Gesicht kam zum Vorschein. Er rieb sich verwundert die Augen, denn die Kreuzfahrer erteilten den Knappen und den Männern der Burgwache eine Lehrstunde.

    Ago beeilte sich den Innenhof der Burg zu überqueren. Er war zu müde zum Kampftraining. In den letzten beiden Nächten hatte er schlecht geschlafen und Lust verspürte er auch keine. Zum Glück drehte ihm der Waffenmeister den Rücken zu. So musste er nicht fürchten, angesprochen zu werden.

    Er öffnete die hölzerne Pforte in der Mauer und drückte sie hinter sich zu. Augenblicklich wurde es still. Das Geschrei der Kreuzfahrer und das Geklirr der Waffen verstummten. Auf dem Grünfeld der Burg hatte Agos Mutter einen Kräutergarten angelegt. Hier wuchsen die Heilkräuter, die sie für ihre Tinkturen, Aufgüsse und Salben benötigte. Er saß gern hier, auf der Bank am Stamm des uralten Nussbaumes, der seine Äste weit über die Mauer der Schauenburg streckte. Aber seine Ruhe währte nicht lange. Wieder knarrte das Tor. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck wandte er sich dem Ruhestörer zu und erkannte Arnulf.

    „Hast du kein Verlangen danach, von den Rittern etwas zu

    lernen? Dietrich vermisst dich dort unten!"

    „Hat er dich wieder geschickt?" fragte Ago.

    „Nein, diesmal nicht. Er wunderte sich nur, denn von den Kreuzfahrern können wir alle viel lernen."

    „Mir ist heute nicht nach kämpfen, Arnulf. Außerdem bin ich müde. Ich helfe der Mutter bei der Pflege des Ritters Bertram von Schöpfingen. Er wurde einige Tage vor Erreichen der Schauenburg bei einem Überfall schwer verletzt! Mutter weiß nicht, ob er überleben wird, er wirkt jetzt schon mehr tot wie lebendig."

    „Wer ist denn so dumm, eine Schar heimkehrender Kreuzfahrer zu überfallen?" wunderte sich Arnulf.

    „Sie wurden nicht überfallen. Es war Bertram, der sehr leichtsinnig war. Von einem seiner Gefährten hörte ich, dass er zur Nachhut eingeteilt worden war. Er hat sich im Wald, an der finstersten Stelle, zu weit zurück fallen lassen. So kam es zu einem Überfall. Das Raubgesinde war scharf auf seine Ausrüstung", erklärte Ago.

    „Die Gefährten kamen ihm doch zur Hilfe?" fragte Arnulf.

    „Ja sicher taten sie das, sonst hätte er nicht überlebt", erwiderte Ago erstaunt.

    „Hast du etwas Neues von deinem Vatergehört gehört?"

    „Nein Arnulf. Ich selbst habe die Knappen nach ihm gefragt, aber ohne Erfolg. Meine Mutter hat mit allen edlen Herren gesprochen, aber niemand konnte ihr etwas über den Verbleib des Vaters sagen. In den zwei Tagen, in denen wir die Heimkehrenden beherbergen, haben wir nichts über ihn

    erfahren können Meine Mutter hofft darauf, dass Bertram mehr weiß. Wir wollen ihn fragen, wenn er überlebt."

    „Gib die Hoffnung nicht auf, Ago."

    „Nein, das werde ich nicht. Aber es fällt immer schwererer an seine Rückkehr zu glauben, schließlich haben wir seit mehr als vier Jahren nichts mehr von ihm gehört", erwiderte Ago.

    „Mir würde es auch schwer fallen. Trotzdem ist schon so mancher von einem Kreuzzug zurück gekommen, der nicht mehr erwartet wurde."

    Der Rand der glutroten Scheibe schien die fernen Berge zu berühren. Ago hockte zwischen den Zinnen, den Rücken an die sonnenwarmen Sandsteinquader gelehnt. Er musste an das Gespräch denken, das er vor einigen Stunden mit Arnulf führte. Seine Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Den Mann, der leise an ihn heran trat, bemerkte er erst, als er eine Hand auf seinem Arm spürte. Es war Fulcher von Chartres, der Priester, der mit den Kreuzfahrern zurück gekehrt war.

    „Verzeih mir Ago, wenn ich dich störe. Ich mache mir Sorgen, ich sah dich oft nachdenklich, fern vom üblichen Betrieb der Burg in einer stillen Ecke sitzen. Gibt es da etwas, das du dir von der Seele reden möchtest?"

    Ago brauchte einen Augenblick, ehe er in die Wirklichkeit

    zurück fand. Er stand auf und begrüßte den Priester

    freundlich.

    „Ich habe euch nicht kommen hören", sagte Ago entschuldigend.

    „Habt Dank für euer Angebot, aber helfen könnt ihr mir nicht. Von meiner Mutter werdet Ihr gehört haben, dass auch mein Vater das Kreuz genommen hat und wir schon lange auf seine Rückkehr warten. Ich hänge sehr an meinem…"

    Ago wurde von lautem Alarmgeschrei unterbrochen.

    Sein Kopf zuckte herum, der Blick fixierte den nahen Waldrand, denn nur von dort konnte Gefahr drohen. Im gleichen Moment hörte er den Hauptmann rufen.

    „Öffnet das Tor, es sind die Männer des Grafen von Praunfalk."

    Um Agos Lippen spielte ein Lächeln. Er kannte den Reiter, der da gerade in vollem Galopp auf den Fahrweg zur Burg einbog, gefolgt von einer kleinen Eskorte.

    „Wer ist es, der da in einem Höllentempo dahin fliegt?" fragte der Priester.

    „Es ist Freya, die Tochter eines Nachbarn, die von unserem Besuch erfahren hat und nun sehen möchte, wer da gekommen ist", entgegnete Ago.

    „Da sitzt eine Frau im Sattel? Nun, ja, dass passt zu diesem heidnischen Namen", entgegnete der Priester, wobei er missbilligend die Stirn runzelte.

    „Ihre Mutter entstammt einem dänischen Könighaus. Sie wurde auf den Namen der heiligen Agnes getauft, entgegnete Ago. „Aber sie hört nur auf Freya, dem Namen ihrer Urgroßmutter, die sie sehr geliebt hat.

    Ago, der Freya fast ein ganzes Jahr nicht gesehen hatte, freute sich über den Besuch der Nachbarin.

    Mit seiner Freude war es jedoch im nächsten Augenblick vorbei. Freya wandte sich im Sattel herum um nach ihrer Eskorte zu sehen. Sie kam zu weit nach links. In dem weichen Boden strauchelte ihr Pferd, schlug zu Boden. Freya wurde aus dem Sattel geworfen und prallte hart auf dem Fahrweg auf.

    Ago stockte der Atem. Wie gelähmt blickte er auf Freya, die da unten, im Staub des Weges lag.

    „Ruft nach meiner Mutter, sie ist verletzt!"

    Er stürmte die Treppe des Wehrganges herab, gefolgt vom

    Priester und Arnulf.

    Kaum dass Ago Freya erreichte, kniete er nieder. Sie war

    bewusstlos, blutete aus einer Stirnwunde. Er hörte die Mutter rufen.

    „Was ist mit ihr Ago? Ist sie wach? Siehst du Verletzungen?"

    Ehe Ago antworten konnte, war Burghild heran, ihr folgten zwei Männer der Burgwache mit einer Trage.

    Mit geschickten Händen untersuchte sie die junge Frau.

    „Bringt sie in meine Kemenate. Ago, sieh nach Hildegardis. sie soll mir helfen und gleich noch zwei Mägde mitbringen."

    Die Männer blieben mit ihrer Last vor dem Bett stehen, auf dem Burghild das Lager für die Verletzte vorbereitete. Behutsam wurde sie auf den frischen Leinentüchern abgelegt. Burghild tastete noch einmal vorsichtig Arme und Beine der Bewusstlosen ab, die während dessen leise stöhnte.

    Ago betrat den Raum, gefolgt von Hildegardis und den Mägden.

    „Gut dass du da bist, Hildegardis. Zieh Freya aus, lass dir von einem der Mädchen dabei helfen. Ich muss noch einiges vorbereiten", sagte Burghild erleichtert.

    Erst jetzt bemerkte sie Ago, der hilflos neben dem Bett stand.

    „Was willst du noch hier? Raus mit dir! Du wirst hier nicht gebraucht."

    Sie öffnete den Schrank, der sich auf der anderen Seite ihrer Kammer befand. Auf den Regalen standen fein säuberlich

    beschriftete irdene Krüge nebst anderen medizinischen Gerätschaften. Sie griff nach einer Schüssel und legte eines der Gefäße hinein. Ein Schlafschwamm kam noch dazu. Und die lederne Mappe mit den Instrumenten. Als letztes nahm sie noch ein Leinensäckchen, das sie einer der Mägde in die Hand drückte.

    „Lauf in die Küche, nimm ein Quart kochendes Wasser, fülle es in einen Krug, gib den Beutel hinein, lass es abkühlen und bring ihn mir zurück."

    Ihre übrigen Gerätschaften stellte sie auf dem kleinen Tisch ab, der neben dem Bett stand. Aus einer Truhe holte sie hölzerne Stangen, Schafswolle zum Polstern und frische Leinenbinden, legte alles auf den Schemel am Fußende des Bettes, goss etwas Wasser in die Schüssel, feuchtete damit den Schlafschwamm an, drückte ihn aus und legte ihn mit sanftem Druck auf Freyas Gesicht.

    „Atme tief ein, die Dämpfe nehmen dir den Schmerz!"

    Nach wenigen Augenblicken verstummte Freyas stöhnen, ihr Atem wurde ruhiger, sie schlief ein.

    Burghild tastete den rechten Arm noch einmal ab.

    „Unten auf dem Fahrweg war ich mir nicht sicher. Es ist ein Bruch. Aber sie hat Glück gehabt, Hildegardis. Er ist glatt, ich kann ihn leicht schienen. Aber zuerst will ich mir noch einmal die Wunde ansehen. Doch dazu brauche ich mehr Licht."

    Während sich eine der Mägde darum kümmerte, schob sie Freyas blonde Strähnen aus der Stirn und wusch ihr das Blut aus dem Gesicht.

    Burghild hielt die zu einer Schale geformten Hände über die Schüssel.

    „Hilf mir Hildegardis", bat Burghild ihre Schwester.

    „Schütte ein wenig aus dem Krug auf meine Hände." Burghild verrieb eine ölige, grünschillernde Flüssigkeit auf ihren Händen.

    „Jetzt öffne bitte das Lederne Etui und gib mir den blauschimmernden Stab mit dem Knopf an dem einen Ende. Und jetzt noch mal ein paar Tropfen."

    Nachdem die Substanz auch auf dem Stab verteilt war, schob sie das Instrument vorsichtig in den tiefen, fingerlangen Riss und tastete an verschiedenen Stellen.

    „Da ist nichts gebrochen, ich kann nähen."

    Sie ließ sich die kleinste ihrer gebogenen Nadeln und die Rolle mit den neuen Seidenfäden geben. Hildegardis sah ihr aufmerksam zu, während Burghild die ersten Knoten setzte.

    „Bei dem Knecht, dem du in der letzten Woche die Stirnwunde genäht hast, waren die Knoten nicht so dicht gesetzt", wunderte sich Hildegardis.

    „Freya ist mit ihrer schiefen Nase doch schon genug gestraft. Außerdem soll mein Sohn keine Frau heiraten, die eine hässliche Narbe auf der Stirn hat", entgegnete Burghild lächelnd, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken.

    „Ach ja, ich vergaß, das ihr die beiden schon vor Jahren einander versprochen habt! Aber weiß Freya davon? Du weißt wie störrisch sie ist. In ihrem Alter sind die meisten Jungfrauen längst aus dem Haus", erwiderte Hildegardis. Burghild unterbrach ihre Arbeit, warf einen Blick auf das blasse Gesicht Freyas, kontrollierte ihren Puls und nickte zufrieden.

    „Das wäre sie auch, entgegnete Burghild. „Ihr Vater musste Freyas Mutter auf dem Sterbebett versprechen, Freya nicht gegen ihren Willen zu verheiraten.

    „Ja, ja, die gute Almut. Sie war die heimliche Herrin auf der

    Falkenburg."

    „Und jetzt ist es Freya", entgegnete Burghild lachend. Sie machte den letzten Knoten, legte einen Verband an und tränkte ihn mit Rotwein.

    Freya wurde unruhig, ihr Atem ging heftiger, sie wimmerte leise.

    „Ich muss mich beeilen, sie wird wach. Halt durch Freya, ich bin gleich fertig", sagte Burghild.

    Sie fasste Freyas Handgelenk, während Hildegardis Freyas

    Schulter runter drückte. In diesem Augenblick wurde Freya

    wach und schrie auf. „Den Schwamm kannst du nicht mehr haben, es wäre zu gefährlich! Ich muss dir nun Schmerzen zufügen, aber ich bin gleich fertig!" rief Burghild und zog und drehte weiter, während die Mägde halfen, Freya zu halten. Burghild störte sich weder an Freyas schreien, noch an dem Knirschen der Knochen.

    „Fertig. Es ist vorbei. Gebt Freya von dem Sud." Sie strich Freya das Haar aus der Stirn.

    „Trink nur, es wird dir gut tun."

    Sie wartete ab, bis sich Freyas Züge wieder glätteten. Mit der Hilfe ihrer Schwester polsterte sie den Arm ab. Halbrunde, hölzerne Stäbe wurden auf das Polster gelegt und mit Leinenbinden fixiert.

    „Das wird halten und der Bruch kann heilen. Du hast es überstanden Freya!"

    „Holt Ago wieder rein. Einen besseren Krankenwächter kann es für Freya nicht geben", sagte sie lächelnd zu Hildegardis gewandt.

    Ago lief unruhig auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Noch immer hallten die Schreie in seinen Ohren. Er konnte sein Verhalten nicht verstehen. Es geschah nicht zum ersten Mal, das sich Freya bei einem Besuch auf der Schauenburg verletzte.

    „Warum mache ich mir diesmal bloß so viele Gedanken…" murmelte er vor sich. Die knarrende Tür in seinem Rücken hörte er nicht. Er reagierte erst, als er Hildegardis leises rufen hörte.

    „Du kannst rein kommen, Freya ist versorgt und schläft."

    Zögernd betrat er den Raum.

    „Ago, setz dich zu Freya, hörte er die Mutter sagen. „Pass auf sie auf, du weißt ja, worauf du achten musst! Ich werde dich in zwei Stunden ablösen.

    Ago, der seiner Mutter oft und gern bei der Versorgung von Kranken und Verwundeten half, wusste was er zu tun hatte. Leise stellte er einen Scherenstuhl an das Kopfende des Bettes. Dann fasste er nach Freyas Handgelenk, um den Puls zu tasten.

    Er betrachtete ihr Gesicht, das ihm trotz des weichen Kerzenlichtes sehr blass erschien. Und es kam ihm so vor, als ob es nicht mehr so rund war. Es war eckiger geworden, die Wangenknochen traten stärker hervor. Oder täusche ich mich da? Ich habe sie mehr als ein Jahr nicht gesehen. Nur der Mund ist so wie er war, mit diesen wunderschön geschwungenen, vollen Lippen. Er lachte leise auf und musste daran denken, dass er diesen Mund mit vielleicht fünf oder sechs Jahren schon einmal geküsst hatte. Sie hatten es bei Agos Eltern einmal gesehen und wollten unbedingt wissen, wie es sich anfühlt.

    „Damals fanden wir es schrecklich, unsere Lippen waren so

    feucht. Und wenn ich sie heute küssen würde…" murmelte er

    leise vor sich hin.

    Im nächsten Augenblick wurde es ihm seltsam warm uns Herz, er fühlte sich unendlich leicht, er hätte tanzen können.

    Eigentlich hatte Ago sich darauf gefreut sich mit Freya unterhalten zu können. Aber sie schlief nur. So war er froh, dass die Mutter ihn ablöste. Er ging in seine Kammer, zog sich aus und legte sich auf sein Bett. Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Mit seinen Gedanken war er immer noch bei Freya. Ihre Schreie klangen immer noch in seinen Ohren. Wie hatte er mit ihr gelitten. Aber jetzt geht es ihr ja wieder gut. Und dann waren da noch diese seltsamen Gefühle, ihr gegenüber.

    Er konnte, das was er spürte, nicht einordnen. Ihm war bewusst, dass sich zwischen ihnen etwas geändert hatte, oder sich noch ändern würde. Auf jeden Fall war sie nicht mehr die Spielgefährtin früherer Tage. Er beschloss mit Dietrich darüber zu reden.

    Erst gegen morgen fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

    Das Geräusch, das ihn weckte, konnte er nicht sofort einordnen.

    Er brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, dass an seine Tür geklopft wurde.

    Er setzte sich auf die Bettkante, rieb seine Augen und versuchte, wach zu werden.

    „Komm rein, die Tür ist auf", rief er mit einem ärgerlichen Unterton in der Stimme.

    Die Tür wurde geöffnet und ein Diener betrat den Raum.

    „Verzeiht, Herr, die Herrin schickt mich. Es ist wegen Freya, sie verlangt nach Euch!"

    „Ich werde mich beeilen, richte ihr das aus!", sagte Ago. Langsamer als gewöhnlich zog er sich an. Was mochte Freya diesmal angestellt haben? Bei dem Gedanken an die manchmal sehr eigenwillige Freya musste er lachen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie die Mutter zur Verzweiflung brachte.

    Schon vor der Tür zur Kemenate der Mutter hörte er Freyas laute Stimme. Und immer wieder, wenn auch weniger laut, die der Mutter. Wiederholt meldete sich auch die Gräfin von Falkenberg, die Freya auf die Schauenburg begleitet hatte. Auf Agos Klopfen erfolgte keine Reaktion. Erst als er heftiger auf die Tür schlug, schallte ihm das „Herein" der Mutter entgegen.

    Kaum dass er den Raum betrat, redeten die Frauen so laut auf ihn ein, dass er am liebsten wieder gegangen wäre. „Mutter, warum hast du mich rufen lassen?" fragte er betont leise.

    Im nächsten Augenblick redeten wieder alle drei auf ihn ein, so dass er nicht ein Wort verstand. Es wurde ihm zu viel. Mit einer ärgerlichen Geste drehte er sich herum und griff nach der Türklinke. Im nächsten Augenblick spürte er die Hand seiner Mutter auf dem Arm.

    „Bitte bleib Ago, es ist, wegen Freya…. „Das weiß ich Mutter, unterbrach er sie. „Ich kann mir denken, worum es geht. Sie soll liegen bleiben, aber sie will es nicht."

    „So ist es Ago. Sie ist mit dem Kopf aufgeschlagen, sie war bewusstlos. Meine Essenzen, der Schwamm mit seinen Inhaltsstoffen, all das wirkt nach", erklärte Burghild.

    „Auch das weiß ich. Wenn du dir Freyas Gezeter stundenlang anhören willst, binde sie doch am Bett an. Dann bleibt sie liegen!" erwiderte Ago, worauf Freya laut protestierte.

    „Ich weiß, dass du es nicht ernst meinst. Und deine Mutter es gut meint. Aber hier drin halte ich es nicht den ganzen Tag aus. Wenn ich nur ein paar Stunden raus könnte…"

    „Mutter, wandte sich Ago an Burghild, „sie kann sich doch auf die Bank in deinem Kräutergarten setzen. Zusammen mit der Gräfin Falkenstein kann ich auf sie aufpassen. Wenn sie sich nicht wohl fühlt, bringen wir sie sofort zurück in deine Kemenate.

    „Das wollte ich von dir hören Ago. Aber sie muss sich warm anziehen, auch wenn der Herbst noch fern ist. Und trotzdem kann es für sie zu kühl werden", sagte Agos Mutter besorgt.

    Ago hatte auf der Bank unter dem Nussbaum im Kräutergarten einige Felle und Kissen ausgebreitet. Kaum dass er fertig war, wurde die Pforte geöffnet und Freya betrat den Garten, gefolgt von der Gräfin von Falkenstein. Zu seiner Überraschung bemerkte Ago, das die Gräfin nach einem der Kissen auf der Bank griff und es sich damit auf der Mauer bequem machte, die den Kräutergarten vom Rest des Grünfeldes abtrennte. Mit einem Lächeln quittierte Ago, dass sie ihnen den Rücken zu wandte. So rutschte er näher an Freya heran als es sich eigentlich geziemte. Behutsam griff er nach Freyas Hand, die es lächelnd duldete, ja sogar mit leichtem Druck ihrer Finger reagierte.

    „Du warst sehr lange nicht mehr bei uns Freya. Fast ein ganzes Jahr ist seit deinem letzten Besuch vergangen", stellte Ago mit einem leichten Vorwurf in der Stimme fest.

    „Du hast mich doch nicht etwa vermisst?, erwiderte Freya lächelnd. „Du kennst die Winter, die wir in den Bergen haben. Es ist keine Reisezeit. Und du weißt von der schweren Wunde meines Vaters, die immer wieder aufbricht und ihm dann zu schaffen macht. Im letzten Jahr war es besonders schlimm. Vater hat fast das ganze Frühjahr in seiner Kammer zugebracht. Erst zum Ende des Sommers ging es ihm so gut, dass ich ihn allein lassen konnte.

    „Und da hat er dich nicht weg gelassen", stellte Ago fest.

    „Nun, ich hab ihn schon davon überzeugen können, dass ich dich und deine Mutter unbedingt besuchen muss. "

    Ehe Ago darauf etwas erwidern konnte, wurde die schmale

    Pforte erneut geöffnet und ein Ritter betrat den Garten. Es war einer der Kreuzfahrer. Auch er war verletzt, denn er trug den rechten Arm in einer Schlinge. Ago erkannte ihn sofort. Es war Kraft von Blankenstein. Ago erhob sich, und bot dem Ritter Platz auf der Bank an.

    „Habt Dank, junger Herr, für eure Freundlichkeit. Eure Mutter sagte mir, wo ich euch und Freya finden konnte. Ich wollte mich nur nach dem Befinden der Freiin erkundigen!"

    „Oh mir geht es wieder einigermaßen gut. Ich habe nur meinen Arm gebrochen", entgegnete Freya.

    „Ja gewiss, so ein Bruch ist schlimm, aber ein Medicus wie Agos Mutter bringt so etwas leicht in Ordnung".

    „Da kann ich euch nur recht geben.", erwiderte Freya.

    „Im Heiligen Land soll es auch sehr gute Ärzte geben", beteiligte sich nun die Gräfin von Falkenstein an dem Gespräch.

    „Oh ja. Einem dieser Hakims habe ich es zu verdanken, dass ich mein rechtes Bein noch habe. Es gibt aber auch ganz besondere Frauen im Heiligen Land. Frauen, die nicht nur reiten wie ihr, sondern die auch noch kämpfen!"

    „Kämpfen?" wiederholte Freya erstaunt.

    „Ja, ihr habt richtig gehört. Ich würde es auch nicht glauben, wenn ich es nicht gesehen hätte!" entgegnete der Ritter.

    Ago hätte gern mehr gehört. Aber noch ehe er den Ritter darum bitten konnte, äußerte Freya selbst den Wunsch.

    „Ich war mit meinen Männern auf einer längeren Patrouille. Eine Oase, vielleicht, einen Tagesritt weit von Akkon entfernt, lud zu einer Rast. Die Sonne würde bald untergehen, und als Lagerplatz für eine Nacht konnten wir nichts Besseres finden. Kaum dass unsere Zelte standen, näherte sich eine Gruppe von einem Dutzend Reiter. Natürlich machten wir uns bereit, die Neuankömmlinge gebührend zu empfangen und sie mit Speis und Trank zu versorgen. Aber sie wollten nichts anderes, als die Nacht auf der Oase zu verbringen, zu essen hätten sie wohl genug."

    „Was waren das für Leute?" fragte Ago.

    „Es war eine kleine Gruppe von Kreuzfahrern, die an einen Führer geraten waren, der sich nicht so recht auskannte. Der hatte sie einfach ihrem Schicksal überlassen, als sie sich darüber beschwerten."

    Diesmal war es Freya, die den Ritter unterbrach.

    „Ihr sagtet eine kleine Gruppe von Kreuzfahrern? Ich dachte immer, das die nur zu hunderten oder gar zu tausenden unterwegs sind."

    „Ja, ihr habt recht. Aber es ist nicht immer so. Warum diese Gruppe so klein war, sollte ich am nächsten Morgen erfahren! Ich schlafe gern im Freien. So auch an dieser Nacht. Weil mir meine Gefährten zu laut waren und ich sehr müde war, legte ich mich direkt an den See, ein paar Dutzend Schritte von meinen Männern entfernt, wo ich meine Ruhe hatte. Ich wickelte mich in meine Decke und schlief sehr schnell ein, denn der Tag war sehr hart gewesen und die Wärme der Decke tat ihr übriges. Für gewöhnlich wurde ich von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. An diesem Morgen waren es leise Stimmen, die meinen Schlaf beendeten. Ich nahm an, dass es die Reiter waren, die sich zu uns gesellt hatten. Sie konnten mich nicht sehen, denn ich verbarg mich hinter Mauerresten, die der Wüstenwind frei gelegt hatte. Es war noch dunkel, nur am Horizont wuchs ein heller Streifen langsam in die Breite. Es würde noch eine Weile vergehen, ehe meine Männer aus ihren Zelten kämen. Meine Neugier wuchs in dem Maße, wie die Schatten der Nacht verschwanden. Mittlerweile war es so hell, dass ich beschloss einen Blick über die Mauer zu riskieren. Die Männer zogen sich aus! Männer? Es waren Frauen, die sich da auszogen um sich zu waschen!"

    „Frauen?"

    Wie aus einem Mund kam der Ausruf der gespannt lauschenden.

    „Ja, Frauen. Erst später habe ich sie zur Rede gestellt. Sie bezeichneten sich als Töchter aus adeligen Häusern, die die Vision hatten, als Kriegerinnen ins Heilige Land zu ziehen und dort zusammen mit den Kreuzfahrern zu kämpfen. Sie hatten eine Urkunde dabei, die das Siegel eines Bischofs trug. Darin wurde ihnen diese Visionen bestätigt, in der es hieß, dass sie im Namen der Kirche in den Kampf ziehen durften!"

    „Habt ihr kämpfende Frauen gesehen?", fragte Freya ganz aufgeregt.

    „Und ob ich das habe. Nicht weit vom Karmelgebirge kam es immer wieder zu Überfällen von Pilgern und Kaufleuten. Die Banden versteckten sich stets in den Höhlen der Berge. Es wurde eine neue Einheit auf gestellt, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. In dem Dorf Yasur, das zu Füßen der Berge lag, trafen wir auf zwei dutzend Kämpfer, die keiner von uns kannte. Es waren Frauen. Und sie mussten Kampferfahrung haben, viele hatten Narben bedeckte Gesichter, einer Frau fehlte die linke Hand. Ich machte den Fehler, sie zu fragen, welche Aufgaben sie hatte, denn mit nur einer Hand ist schlecht zu kämpfen. Sie sah mich mit einem Blick an, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

    „Wenn du noch heute sterben willst, kann ich dir zeigen, wie es geht."

    „Habt ihr sie dann doch kämpfen gesehen?" fragte die Gräfin von Falkenstein.

    „Ja, einige Tage später habe sie kämpfen gesehen, denn wir gerieten in einen Hinterhalt und wurden von den Sarazenen angegriffen. Sie trug nur ein leichtes Kettenhemd, dazu einen Normannischen Helm. „ Haltet ein, Herr Ritter! rief Freya. „Was ist denn ein Normannischer Helm?"

    Der Ritter erhob sich und verneigte sich leicht vor der Gräfin.

    „Verzeiht mir edle Herrin! Es ist ein Helm, der Gesicht und Nacken völlig frei lässt. Nur die Nase wird von einem starken Blechstreifen geschützt. So zog sie in den Kampf. Wäre ich der Kommandant gewesen, ich hätte die Frauen nicht haben wollen. Wenn ich einen Gegner im Kampf besiegt habe und er kampfunfähig ist, ist es gut. Dann lass ich von ihm ab. Diese Frauen haben ihre Gegner selbst dann getötet, wenn sie sich schon ergeben hatten."

    Ago mochte dem Erzähler nicht länger zuhören. Aber Freya schienen noch immer Gefallen an dem zu haben, was der Kreuzfahrer erzählte. Agos Mutter betrat den Garten, worüber Ago nicht sehr froh war. Sie will Freya ging es ihm durch den Kopf.

    „Freya, du hattest mir versprochen, nicht zu lange zu bleiben. Es ist bald Mittag!" Ago beschloss, zusammen mit Freya den Garten zu verlassen.

    Ago saß auf dem Nähpferd in der Waffenkammer und reparierte eine lederne Scheide. Den alten Waffenmeister bemerkte er erst, als er ihm fast auf die Füße trat.

    „Ich kenne dich Ago. Du suchst immer dann Arbeit für deine Hände, wenn dich etwas bedrückt. Also, raus mit der Sprache, was ist los!" Ago legte seine Arbeit zur Seite.

    „Ach Dietrich, du hast ja recht."

    Ago wusste, dass er dem väterlichen Freund nichts verheimlichen konnte.

    „Es ist mehr wegen Freya. Es ist so anders mit ihr. Wie habe ich gelitten, als Mutter ihr den Bruch

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