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Der Zugvogel
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eBook83 Seiten1 Stunde

Der Zugvogel

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Über dieses E-Book

Eine junge Frau sucht das Abenteuer. Ein ukrainischer Waisenjunge sucht seine Zukunft. Ein Reisender sucht das Vergessen. Eine Krankenschwester sucht den Neuanfang. Dazu ein wütendes Wildschwein und ein blauer Trabant. Ihre Wege kreuzen sich - mit ungeahnten Folgen für jeden von ihnen.
Michael Voigts Erstlingswerk "Der Zugvogel" entstand 1998 und entführt in einige der schönsten Gegenden Deutschlands.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum22. Aug. 2016
ISBN9783738081251
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    Buchvorschau

    Der Zugvogel - Michael Voigt

    Teil 1: Sonjas Zeit

    h e u t e

    Der Wind weht nur noch sehr schwach. Verlassen liegt der Park, denn es wird Abend. Noch ist die Dämmerung nicht eingetreten. Dennoch legt sich langsam die Stille über das Wasser und durchdringt die dichten Kronen der Bäume am Ufer. Der Gesang der Vögel wird einsamer, seltener. Dass der vergehende Tag diesen Ort noch vor kurzem mit Betriebsamkeit ausfüllte, erscheint nun unwirklich, seltsam weit weg. Und so bin ich allein an diesem Ort der Erinnerung, allein an diesem Tag mit dem besonderen Datum. Die Vergangenheit flüstert mir zu. Sie erzählt eine Geschichte...

    d a m a l s

    1

    Es war sehr heiß an diesem Julitag des Jahres 1995. Bauern bangten um das Korn auf den Feldern und waren doch froh über diese regenfreie Zeit, die ihnen so vieles erleichterte. Kinder genossen ihre Ferien und suchten im nächsten Badesee Abkühlung. Wer hingegen arbeiten musste, stöhnte unter der Hitze und sehnte den Feierabend herbei. Traktoren bollerten über Feldwege und Straßen. Am blauen Himmel zog ein Flieger seine einsame Bahn.

    Inmitten dieser so alltäglichen Szene eines Sommertages ereignete sich der Auftakt zu einer Begegnung, wie sie nur die Zufälligkeiten des Lebens zu schreiben vermögen. Unbeeindruckt von der Temperatur und dem schlechten Zustand der Straße, bahnte sich ein blauer Trabant seinen Weg durch die winzigen Dörfer der Lausitz, deren Namen dem Durchreisenden sofort wieder aus dem Gedächtnis verschwanden. Der junge Mann am Steuer verschwendete auch keine Mühe darauf, seine Umgebung näher wahrzunehmen. Er hätte wohl gern ein wenig gedöst, kannte er den Weg doch wenigstens ungefähr.

    Der 22 Jährige war in jeder Hinsicht unauffällig: Durchschnittliche Körpergröße, eine blonde Allerweltsfrisur, nicht besonders smartes Auftreten, keine teuren Kleidungsstücke oder Acessoires. Nur eines an ihm war ungewöhnlich: Sein Seelenzustand, den freilich niemand wissen konnte und den er sorgfältig verbarg. Auch vor sich selbst, denn er hatte Angst, sonst wieder an das denken zu müssen, wovor er auf der Flucht war. Jan floh vor sich selbst, vor den mitleidigen Blicken seiner Freunde und der Last, jeden Morgen aufs neue den gleichen Gedanken ertragen zu müssen: Es wird keine Hochzeit geben, du bist wieder allein...

    ****

    Der stinkende, altersschwache Ikarus-Bus befuhr seine tägliche Route vom Lübbenauer Bahnhof nach Boblitze. Er quälte sich auf kaputten Dorfstraßen und durch enge Kurven, holperte wie jeden Tag über einen einsamen Bahnübergang und kam schließlich mit einem letzten Zischen zum Stehen. Sonja erhob sich und stieg als Einzige aus. Bis jetzt war alles wie immer. Wie jedes Jahr eben. Vorhersehbar, anscheinend ohne die Chance auf Ungewöhnliches.

    „Hier verändert sich auch rein gar nichts", murmelte das Mädchen vor sich hin, als sie sich umsah. Noch immer das gleiche marode Kopfsteinpflaster, der längst geschlossene und halb verfallene Konsum sowie die beschauliche Ruhe, in der sich das Dorf vor ihr ausbreitete. ‚Sogar ich mit meinen 19 Lenzen stehe jedes Jahr wieder an genau dieser Stelle’, dachte sie bei sich.

    Wieso das so war, konnte sie sich selbst nicht recht erklären. Hätte jemand danach gefragt, was allerdings noch nie vorgekommen war, wäre ihre Antwort vermutlich recht nichtssagend ausgefallen. Dabei war Sonja nicht eben ein Mensch, der es liebte, Pläne zu machen. Spontaneität lag ihr viel mehr.

    Doch zu Hause, im mecklenburgischen Örtchen Möllenhagen, brauchte gerade niemand eine frisch ausgelernte „Kaufmännisch-Technische Assistentin". Vermutlich noch nicht einmal in 100 Jahren. Und so blieb Sonja eben kein Geld für einen Trip durch Südeuropa oder Kanada oder was sie sich sonst noch ersehnte... Stattdessen also Jahr für Jahr die Fahrt zu den Großeltern. Immerhin noch besser, als zu Hause zu versauern.

    Genug sinniert, ermahnte sich das Mädchen innerlich. Sie blies sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, schnappte ihr Gepäck und marschierte los. Als sie wenig später das Tor des Bauernhofes öffnete, den ihre Großeltern bewohnten, glitt ein Lächeln über Sonjas Gesicht. Selbst das hatte sich nicht geändert: Opas Hund war zu faul zum Bellen. Schläfrig lag er in der Hitze, schaute zu ihr auf und blinzelte nur ganz leicht, blieb liegen und schloss bald wieder die Augen. Es lohnte sich offenbar nicht, für diesen Stammgast kostbare Kraft zu vergeuden...

    ****

    Jan verwünschte sich innerlich für seine idiotische Idee, einfach ins Blaue drauflos zu fahren. Sonst plante er stets alles sorgfältig. Seinem Umfeld galt er als ruhiger, beinahe schon pedantischer Mensch. Aber dieses eine Mal hatte er nur so schnell wie möglich fort gewollt. Weg von allem, was vertraut war und Erinnerungen bergen konnte.

    Die erste Station seiner Reise hieß Lübbenau. Der Ort war zumindest abseits der Plattenbauten ebenso historisch wie beschaulich und außerdem gerade vollgestopft mit Touristen. Freilich, ganz zufällig war Jan nicht hier. Er kannte das Städtchen immerhin von einem früheren, kurzen Aufenthalt her. Selbst in der Ferne suchen Menschen eben das Bekannte, den Halt, die Sicherheit.

    So schien es nur natürlich, dass sein „Unterbewusstsein ihn den Weg hierher hatte einschlagen lassen. Vielleicht fand sich hier ja tatsächlich eine „Oase der Ruhe, also das, was Jan zu suchen meinte. Zunächst aber gab es ein wesentlich banaleres Problem zu lösen. Seit zwei Stunden irrte er frustriert durch die Gassen der Altstadt, ohne ein preiswertes Quartier zu finden. In der Hochsaison kein sehr aussichtsreiches Unterfangen.

    ****

    Geduldig hatte Sonja ihren Großeltern alle Fragen nach „Ma und „Pa beantwortet, versichert, dass es allen gut gehe und selbstverständlich liebe Grüße ausgerichtet. Später, nachdem sie in der kleinen Kammer ihre Sachen ausgepackt hatte, schlüpfte sie in ihre Shorts und ging hinüber zu einem alten Schuppen. Seit Jahrzehnten stand dort Omas Fahrrad. Ein wahrhaftes Ungetüm mit riesigem Lenker, großem Gepäckträger und einer Stabilität verheißenden Rahmenkonstruktion.

    Nachdem Sonja die Reifen

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