Pink Hell
Von Olaf Reins
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Über dieses E-Book
Wie die Frauen in all diesen Fällen vorgehen, in welcher Weise sie sich für ihre Klientinnen einsetzen, um welche Art von Verbrechen, Vergehen, Vertrauensbrüche, missbrauchte Gefühle, unglücklich gelungene oder glücklich misslungene Aktionen es im Einzelnen geht, all das und alles andere auch, ist Gegenstand der Geschichten selbst.
Durch schnelle Schnitte, Ortswechsel und Wechsel auf der Zeit- und/oder Erzählebene, die aber nie verwirrend sind, und dadurch, dass sehr dialoglastig und teilweise von Situationskomik getragen erzählt wird - und nie in so langen Sätzen, wie in diesem hier! - haben die Geschichten und Szenen ein hohes Grundtempo, das den Leser sofort in die Handlung hineinzieht und fesselt.
Die in den Geschichten behandelten Fälle sind sämtlich der Wirklichkeit entlehnt; alles was geschildert wird, hat sich so oder so ähnlich tatsächlich zugetragen - oder hätte sich so zugetragen haben können, wären diese 5 toughen Frauen aufgetaucht!
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Buchvorschau
Pink Hell - Olaf Reins
Pink Hell
1. Kapitel
Die Gruppe
Andrea ließ sich tiefer in den Beifahrersitz rutschen.
„Was hast du?", fragte Corinna.
„Da vorne!" Andrea wies mit dem Kinn zu dem Polizeibeamten hinüber, der an dem Einfamilienhaus vorbeiging, das sie beschatteten.
„Ein Polizist, na und? Corinna lachte. „Warst du nicht selbst mal Polizistin?
„Das ist nicht witzig!, zischte Andrea. „Und das da ist Stefan Rehers, ein ehemaliger Kollege von mir! Der kennt mich! Wenn der mich sieht!
„Sieht schnuckelig aus!", bemerkte Petra, die im Fond des Bentley Continental GT Speed W12 Convertible saß und mit einer Big-box gesalzenen Popcorns beschäftigt war.
*
Es war ein seltsames Trio, das sich da in dieser Luxuskarosse zusammengefunden hatte.
Da war zunächst einmal die Fahrerin, Corinna Hoffmann. Sie war 59, geschieden und Erzieherin in der St. Laurentis Kita am Dumeier Platz. Sie war großgewachsen und schlank und eigentlich keine Person, die man übersehen oder verwechseln konnte. In diesem Aufzug hätten sie allerdings nicht einmal ihre Kolleginnen wiedererkannt. Sie trug ein knöchellanges, violett-grün gemustertes Jersey-Kleid, darüber einen ockerfarbenen Herrenblouson aus der Altkleidersammlung. Um den Hals hingen mehrere Ketten aus gefärbten Samenkapseln; an den Handgelenken klimperten verschiedene Armreifen aus Blech und Plastik. Ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der breiten Stirn war durch eine violette Gesichtsmaske verhüllt. Darüber spähte ein aufmerksames Paar wasserblauer Augen unablässig die Straße entlang. Gekrönt wurde die Maskerade durch eine in glänzenden Orangetönen changierende Abscheulichkeit von Kunsthaarperücke in Stachel-Optik.
Corinnas Freundin Petra Schuberth war 56 und wegen einer Diabetes-Erkrankung in Frührente; bis vor 3 Jahren arbeitete sie als Schaffnerin bei der Regionalbahn. Zu ihrem eigenen Leidwesen hatte sie durch die zusätzliche Untätigkeit noch einmal tüchtig zugelegt. Sie selbst behauptete steif und fest, sie wiege 98 kg, aber Corinna glaubte ihr nicht: „Das sagst du nur, um in deiner Weight-Watchers-Gruppe als UHU durchzugehen!"
Die Kilos verteilten sich auf lediglich 160cm, so dass es rein optisch wenig Unterschied machte, ob Petra tatsächlich „Unter Hundert" Kilo wog oder doch zwei oder drei Kilo mehr; für sie selbst war es aber eine Frage von geradezu existenzieller Bedeutung. Wegen der Bewegungsfreiheit trug sie ein wogendes, schwarzes Gewand, das jede Kontur verschluckte, sodass sie fast die ganze Rückbank auszufüllen schien. Auf dem Kopf trug sie eine grellrote Perücke, dazu eine Brille mit dickem, apfelgrünem Plastikgestell und gelb getönten Gläsern.
Andrea Siebert war mit ihren 32 Jahren das Küken der Gruppe und die Hauptperson des heutigen Tages. Sie hatte sich ihr schulterlanges braunes Haar im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden und ihren im Polizeidienst und im Judoverein durchtrainierten Körper in ein hautenges schwarzes Latexkostüm geschossen, in dem sie aussah wie eine Generationen übergreifende Mischung aus Emma Peel und Cat Woman. Damit sie die Blicke der Passanten nicht auf sich zog, hatte sie sich für den Weg in die Rigomontstraße, wo sie sich mit den beiden Damen in diesem Auto getroffen hatte, einen Trenchcoat übergeworfen.
Sie hatte nicht lange nach dem Bentley Ausschau halten müssen. Das cremefarbene Luxusfahrzeug parkte in einer Seitengasse. Wie Katharina Müller gesagt hatte war es gerade wegen seines designtechnischen Understatements nicht zu übersehen. Es nieselte leicht und obwohl es erst halb fünf war begann es bereits dunkel zu werden.
„Kommen Sie von Frau Müller?" Es war idiotisch von ihr gewesen diese Frage zu stellen. Als würden hier reihenweise Bentleys in der Gegend herumstehen, die auf Mitfahrerinnen warteten.
„Nun steig schon ein, Schätzchen, hatte Petra von der Rückbank gerufen. „Und wir duzen uns. Schließlich sind wir ab jetzt Komplizinnen!
Sie lachte. „Hast du die Adresse?"
Andrea zog den Trenchcoat aus, verstaute ihn in einer mitgebrachten Tasche und stieg ein.
„Heisenbergstraße 47", sagte sie und Corinna fuhr los.
*
„Verdammt nochmal, zischte Andrea angespannt, „wir sitzen in einem gestohlenen Wagen, falls ihr das Vergessen habt!
„Also, erstens ist er wahrscheinlich noch gar nicht als gestohlen gemeldet, mutmaßte Petra mit Blick auf ihre Armbanduhr, „zweitens wird dich dein Ex-Kollege sicher nicht in so einem Auto vermuten und drittens - was glaubst du, weshalb ich die Nummernschilder ausgetauscht hab?
„Oh Gott, stöhnte Andrea, „wie bin ich nur in diese idiotische Sache geraten?
*
Angefangen hatte alles damit, dass Lars sich eines Abends im letzten Sommer zu ihr auf die Wohnlandschaft gefläzt und gesagt hatte: „Schatz, ich glaube, wir sollten Schluss machen!"
Andrea hatte das für einen Scherz gehalten. Deswegen hatte sie Lars auch angelacht und sogar gesagt: „Ja, da bin ich auch dafür! Besser ein schreckliches Ende als ein Ende ohne Schrecken oder so ähnlich!"
„Schön, dass du vernünftig bist und es auch so siehst, Schatz!", hatte Lars gesagt, war aufgestanden, hatte den gepackten Koffer, den Andrea im Flur übersehen hatte, geschnappt und war gegangen.
Lilly und Maddie, die beiden sechs Monate alten Zwillingsschwesterchen, schlummerten derweil friedlich in ihren Bettchen im elterlichen Schlafzimmer.
*
Drei Wochen später war Andrea Siebert in einem nur spärlich mit schlichtem Schreibtisch, drei Stühlen und einem verschlossenen Aktenschrank möblierten Kanzleibüro von einer dürren, runzligen Dame jenseits der 70 empfangen worden.
„Katharina Müller, sehr erfreut! Bitte, nehmen Sie Platz!"
Die Anwältin trug ein knallrotes, eng tailliertes Kostüm, metallic-violette High-Heels und war umgeben von einer Wolke viel zu süßen Parfums. Unter einer leuchtend blondierten Fransenfrisur blickten Andrea in blaugrün verlaufendem Makeup ruhende eisgraue Wolfsaugen entgegen. An den Fingern mit den passend zum Kostüm lackierten Nägeln, funkelte eine Kolletion goldener Ringe, die mit farbigen Steinen besetzt waren.
Das sollte ihre Anwältin sein?
Auch das Gebäude, in dem die Kanzlei untergebracht war, machte einen eher zweifelhaften Eindruck. Der Eingang führte über den Parkplatz eines China-Restaurants. Immerhin entsprachen das Vorzimmer und die Rechtsanwaltsgehilfin, eine dunkelhaarige Endzwanzigerin im Business-Kostüm, schon eher Andreas Erwartungen.
Vielleicht hätte sie der Sache eine intensivere Recherche widmen sollen. Aber da sie nun schon einmal hier war ...
„Haben Sie was?", fragte die Anwältin, die Andreas Zögern bemerkt hatte.
„Bitte?"
„Alles okay mit Ihnen?"
„Äh ...ja, ja ..."
„Dann bitte, nehmen Sie Platz und erzählen Sie mir alles ganz von Anfang an!"
Andrea hatte eine Ausbildung nach Laufbahnabschnitt I als Polizistin im Bereitschafts- bzw. Streifendienst gemacht. Das war die unterste Stufe auf der man einsteigen konnte. Und die am schlechtesten bezahlte. Deswegen hatte sie ihren Job gekündigt, als die Zwillinge unterwegs waren.
Nach der Trennung war Andrea mit den beiden kleinen Kindern erst einmal bei ihrer Mutter untergekommen.
Lars, ihr Noch-Ehemann, war selbstständiger Handwerker. Er hatte Maler und Tapezierer gelernt und bereits seit einem Jahr auf eigene Rechnung gearbeitet, als sie einander auf der Party eines gemeinsamen Bekannten kennenlernten. Es war Liebe auf den ersten Blick. Für beide. Von da an war alles ziemlich schnell und chaotisch gegangen.
Andrea hatte hastig und ohne Punkt und Komma gesprochen. „Und später dann also nach der Hochzeit war das halt immer diese klassische Situation gewesen ich meine dass man gesagt hat okay er geht arbeiten und so und ich kann zu Hause bleiben und es war auch nie so dass er gesagt hat du musst dann oder dann oder so wieder arbeiten sondern wir haben ganz klar uns dazu entschieden nee du kannst die drei Jahre Elternzeit machen und bist dann auf jeden Fall für die Kinder wieder da und dann kannst du halt so wieder einsteigen wie´s zeitlich halt auch passt und wie die Kinderbetreuungsplätze ..." So war das einige Minuten gegangen, bis ihr irgendwann einfach die Luft weggeblieben war.
Die Anwältin hatte sie während ihrer Ausführungen nur stumm über den Schreibtisch hinweg angesehen.
„Ich war ganz schön naiv, oder?, keuchte Andrea außer Atem. „Das denken Sie doch, stimmt´s?
*
Dem ersten Beratungsgespräch folgten weitere.
„Und wie sieht es finanziell bei Ihnen aus?"
„Lars hat als Handwerker immer mehr als genug verdient."
„Das geht aus den Unterlagen aber nicht hervor."
„Wie bitte?"
„Sein versteuertes durchschnittliches Jahreseinkommen belief sich auf ... Moment, wo haben wir´s ..." Die Anwältin schaute in ihren Unterlagen nach und nannte eine lächerlich geringe Summe.
„Das kann gar nicht sein."
„Sie meinen, ihm stand mehr zur Verfügung?"
„Viel mehr!"
„Sagen Sie mal, sind Sie so naiv oder tun Sie nur so? Noch dazu als Polizistin?"
„Was meinen Sie?"
„Schon mal das Wort ´Schwarzarbeit´ gehört?"
„Der Gedanke ist mir auch schon mal gekommen, gab Andrea zu. „Aber über sowas haben wir nie gesprochen ... Da hätte er sich auch nie in die Karten gucken lassen.
„Wär´ auf einen Versuch angekommen ..."
„Vielleicht wollt´ ich´s ja auch gar nicht so genau wissen, was spielt das denn jetzt für eine Rolle?"
„Mischkalkulation", nickte Katharina Müller. „Bietet sich ja auch an: Offiziell Freiberufler, dessen Einnahmen ihn so eben über die Runden bringen und inoffiziell die fette Marie abgreifen. Und