KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959
()
Über dieses E-Book
Ähnlich wie KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959
Ähnliche E-Books
Besenstiel und China-Zoll Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Archiv des Teufels: Roman aus der Zeit des Kalten Krieges Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFluchtpunkt Norderney: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeboren, um zu leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAbenteuer Heimatfront: Bremer Kinder in der Nachkriegszeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchwarzer Regen Rotes Blut: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZwischen Anfang und Ende: Fernblick Hindukusch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEs war mir ein Vergnügen: Eine Biografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAber lustig war es doch: Kindheit und Jugend in der jungen Bundesrepublik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Zustellerin (eBook): Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas ehrbare Haus: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Schatz im Flaschenhals: Rheingau Krimi - Mystery Crime Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEine Zeitreise in die Vergangenheit 1945 bis 1962: So wie es früher einmal war Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWillibaldsruh: Kriminalroman Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Alberts Memoiren Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Vater Adolf Hitler und ich: Absurder Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStraffers Nacht: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Untergang: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAbenteuer: Ein Ganzes Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFLUCHT AUS DER SOWJETUNION: Fluch, Angst, Hoffnung, eine wahre Geschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Leben im zweiten Weltkrieg und in den ersten Nachkriegsjahren: Kindheitserinnerungen 1938 bis 1950 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Wolfsmädchen: Flucht aus der Königsberger Hungerhölle 1946 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Bärenhof: Erinnerungen 1940 - 1950 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKein richtiges Wintermärchen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSeitenwechsel ins Ungewisse: Von einem, der auszog rüberzumachen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Ketzerdorf - Der Aufstieg des Inquisitors: Historischer Roman aus der Zeit der Reformation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie rote Tapferkeitsmedaille: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch traue dem Frieden nicht: Leben zwischen zwei Diktaturen. Tagebücher 1945-1946 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMichael Georg Conrad: Gesammelte Werke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Abschied Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Biografie & Memoiren für Sie
Die Gnosis: Texte und Kommentar Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Thomas Mann: Glanz und Qual Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKrass: 500 Jahre deutsche Jugendsprache Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Weise vom Mont Aubert: Erinnerungen an Arthur Hermes. Ein Leben im Einklang mit der Natur Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAkrons Crowley Tarot Führer: Eine magische Reise durch die Welt des MEGA THERION Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHypatia von Alexandria Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDate Education: Love Bombing, Bindungsangst und Tinder-Frust: Durchschaue dein Date Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnerhört – Esther Vilar und der dressierte Mann Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSuperhelden: Was wir Menschen von Superman, Batman, Wonder Woman & Co lernen können Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMeine Erfindungen (Übersetzt): Autobiographie von Nikola Tesla Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchlamm, Schweiß und Tränen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStreiten? Unbedingt!: Ein persönliches Plädoyer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEdith Stein: Beiträge zur philosophischen Begründung der Psychologie und der Geisteswissenschaften Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMitGefühl: Warum Emotionen im Job unverzichtbar sind Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenC.S. Lewis – Die Biografie: Prophetischer Denker. Exzentrisches Genie. Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Sinn-volle Geschichten 3: 99 Weisheiten, Erzählungen und Zitate, die berühren und inspirieren. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenC.S. Lewis - Ein Leben in Briefen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Weltbild Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAleister Crowley & die westliche Esoterik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRefugium: Sichere Gebiete nach Alois Irlmaier und anderen Sehern Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Unterricht kompetent planen (E-Book): Vom didaktischen Denken zum professionellen Handeln Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKlassen führen (E-Book): mit Freude, Struktur und Gelassenheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZeichen am Weg: Das spirituelle Tagebuch des UN-Generalsekretärs Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Alptraum: Kriegserinnerungen - Aufzeichnungen eines einfachen Soldaten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlois Irlmaier: Ein Mann sagt, was er sieht Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Simone de Beauvoir. Frau - Denkerin - Revolutionärin: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Benecke-Universum: Mitstreiter, Oma und Opa erzählen ... Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Ein neues Sehen der Welt: Gegen die Verschmutzung des Ich Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Unterm Rad Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Rezensionen für KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959 - Karl-Heinz Garnitz (Alias Frater Khamose)
*
Karl-Heinz Garnitz
KRIEGSKIND
Peter Mirandus
Stationen 1942 - 1959
–--------------------------------------------------------------------------
Umschlagfoto und Kommentar:
Bamberg nach dem Ende des unseligen II. Weltkriegs: Grüner Markt,
Ecke zur Mauthgasse (Martinskirche im Hintergrund). Alles in allem
hatte Bamberg wahnsinniges Glück, dennoch wurde die Stadt bei den
Luftangriffen im letzten Kriegsjahr empfindlich getroffen. Die
annähernd 400 toten Einwohner der Stadt konnten keine Zeitzeugen
mehr sein. Diejenigen, welche überlebten sind heute im Jahr 2021
nicht mehr allzuviele. Doch was Zeit verweht, geht in der Erzählung
weiter und sollte gelesen werden. Motto: Nie wieder Krieg!
–-------------------------------------------------------------------------
IMPRESSUM
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin
Text: Copyright 2021 by Karl-Heinz Garnitz
Layout und Satz: Karl-Heinz Garnitz
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Germany
–------------------------------------------------------------------------
Schreckliche Kriegsjahre für Peter Mirandus
Als Deutschland kapitulierte und der unselige II. Weltkrieg am 8.
Mai 1945 sein Ende fand war Peter gerade mal drei Jahre alt und
er musste sich in der Folgezeit immer wieder an Geschehnisse erin-
nern, welche sich in den letzten Kriegsmonaten als belastende En-
gramme in sein Bewußtsein eingruben. Auf der einen Seite waren
es die eigentlichen Schrecknisse dieser Kriegsjahre, auf der anderen
Seite der quälende Hunger, der für ihn oft zur Plage wurde. Bekam
er etwas zum Essen war es wenig gehaltvoll und so mag es nicht
verwundern, dass er als Kleinkind unter Mangelernährung litt und
mager aussah. Hinzu kam, dass Peter oft gereizt war und panische
Angstzustände hatte, wenn er Sirenen oder Brummgeräusche von
Flugzeugen hörte, denn besonders in den letzten Kriegsmonaten
musste man fast täglich auf Bombenabwürfe von amerikanischen
Flugzeugen gefaßt sein. Die Angst ums eigene Leben ging um und
sie war irgendwie ansteckend. Immer wenn die Alarmsirenen auf-
heulten flüchteten die Mieter des Hauses, in welchem Peter mit
den Seinen lebte, in den Keller des Hauses und erhofften sich dort
unten ein gnädiges Schicksal, wohl wissend, dass der notdürftig
eingerichtete Schutzraum alles andere war als ein sicherer Bunker.
Sollte das Haus von Bomben getroffen werden, musste sekunden-
schnell reagiert werden, um durch bereits aufgebrochenes Mauer-
werk hinüber in die angrenzenden Keller der Nachbarhäuser zu
flüchten. Dies konnte hilfreich sein oder auch nicht, denn im Ernst-
fall benötige man immer wieder verdammt viel Glück um am Leben
zu bleiben. Bezüglich der täglichen Mahlzeiten war es meist so,
dass Peter nur ein dünnes Süpplein mit selbstgemachten Nudeln o-
der eine Zwiebelsuppe mit eingebrockten Brotkrusten erhielt. Mei-
ster Schmalhans war üblicher Küchenmeister, wenn Peter, Mut-
ter Hanna und die Großeltern am Küchentisch saßen und aßen. Der
Vater fehlte, war noch in Russland und Peter kannte ihn nicht. Doch
hoffte die ganze Familie, dass er irgendwann doch noch heimkehren
würde. Heute, als die Familie ihr spärliches Mittagessen nahezu be
endet hatte ertönten wieder einmal die Sirenen, was nur heißen
konnte: „Bringe sich in Sicherheit wer kann!" Peters Mutter stellte
schleunigst das Geschirr ins Spülbecken, nahm Peter an der Hand
und zusammen mit den Großeltern hasteten sie in den Keller
hinunter. Dort herrschten spartanische Zustände, denn es gab
nur eine lange Sitzbank und einen alten Waschhaustisch auf
dem eine Karbitlampe sowie zwei dickbauchige Kerzen stan-
den. Die Mieter, welche nach und nach im Keller ankamen setz-
ten sich wortlos nieder und es herrschte eine überaus beklem-
mende Stimmung. Peter saß mit seinem Teddy auf dem Schoß
der Mutter, daneben Oma Marga und ihr Mann Karl. Links von
ihnen die Witwe Heurich und die Wohlfarts. Insgesamt hoff-
ten acht Personen am Leben zu bleiben. Als plötzlich entfernte
Explosionsgeräusche zu hören waren bekreuzigte sich Peters
Großmutter, nahm ihren Rosenkranz aus der Brusttasche und
schaute aufmerksam in die Runde. Dann sagte sie zu den Anwe-
senden: „Betet alle laut mit, dann wird uns schon nichts schlim-
meres passieren!" Von den acht anwesenden Personen, beteten
anfangs nur drei lautstark mit. Dann aber, als das Gedröhne von
fliegenden Bombern näher kam und ein gewaltiger Knall zu
hören war begannen auch jene mitzubeten, welche vordem still
dasaßen. Peters Großmutter als geübte Vorbeterin freute sich
darüber, nahm ihre Stimme etwas zurück, bestimmte aber wei-
terhin das Gebetstempo, sodass all die anderen Beter mithalten
mussten. Plötzlich eine laut hörbare Explosion, vermutlich in
unmittelbarer Nähe, entweder in der Josefstrasse oder am nahen
Bahnhof. Die Stimmen der Betenden verstummten und minu-
tenlang herrschte jene Angst, welche die Kehlen zuschnürt und
sprachlos macht. Alle starrten auf das trostlose Mauerwerk der
Kellerräume, doch es stand festgefügt. Peter begann einige Zeit
lauthals zu weinen und drücke seinen Teddy fester an die Brust.
Dann wieder unheimliche Stille und ein Insichgehen der Anwe-
senden. Wie sich später herausstellte war jener sonnige Don-
nerstag des 22.02.1945 wirklich ein sehr unheilvoller. Zwar
schien die Sonne vom klaren Bamberger Himmel, doch gerade
diese Schönwetterlage war es, welche der Stadt zum Verhäng-
nis wurde. Die unzähligen amerikanischen Flieger hatten beste
Sicht, als sie gezielt den Bahnknotenpunkt Bamberg anflogen
und ihre todbringendes Frachtgut verteilten. Zweihundertsech-
zehn Todesopfer und etliche zerstörte Gebäude waren inner-
städtisch zu beklagen und allein 54 Menschen starben im Stol-
len auf dem Stephansberg. Erst am Nachmittag um 15:16 Uhr,
nach Stunden nervenzehrender Angst, wurde Entwarnung ge-
geben. Große Teile der Innenstadt mit Obstmarkt, Lange-Stra-
ße, Grüner Markt und Keßlerstraße waren bombardiert worden.
Einschläge gab es auch in der Josefstraße nahe der Kaimsgasse,
in der Klosterstraße, Gertraudenstraße, Hainstraße, am Prie-
sterseminar und am Marienplatz. Bomben unterbrachen die
Bahnlinie nach Lichtenfels und fielen im Bereich des Aufseß-
höfleins. Während die Erlöserkirche einen Volltreffer erhielt
und weitgehend zerstört wurde, überlebten die fast 500 Men-
schen die im Kellerbereich Schutz gesucht wie durch ein Wun-
der. Peter, seine Mutter, Oma, Opa und all die anderen Perso-
nen im Kellerraum des Hauses in der Kaimsgasse überlebten
ebenfalls diesen letzten grossen Bombenangriff der Amerika-
ner auf Bamberg. Nach der erfolgten Entwarnung gingen alle
nach oben in ihre Wohnungen und Großmutter Marga meinte:
„Leute, unser Rosenkranzgebet hat beim Herrgott Gehör gefun-
den, ansonsten hätten wir ja wohl nicht überlebt. Deo gratias!"
Jeder, der Peters Großmutter kannte, bewunderte ihren Gebets-
eifer und ihr bedingungsloses Gottvertrauen in Bezug auf die
Allmacht ihres Gottes. Bis hin zu ihrer Todesstunde blieb sie
im Glauben unerschütterlich. Jahre später fand man Oma Mar-
ga an einem frühen Sonntagsmorgen mit dem Rosenkranz in
der Hand. Sie saß auf ihrem Küchenlehnstuhl, war friedlich
entschlafen und ihr Gesicht zeigte ein verklärtes Lächeln. Zu
Lebzeiten bat sie täglich ihren Herrgott mit einem „Vater un-
ser" um eine gute letzte Stunde. Als Peters Großvater die Tote
im Lehnstuhl sitzend fand, schloß er ihr die Augen und begann
zu weinen. So ist es wohl immer, wenn gute Menschen dahin-
scheiden und nahe Überlebende in Stich lassen müssen. Es gibt
Tränen und seelischen Schmerz. Von den letzten Zerstörungen
sei noch ein erschreckendes Erlebnis berichtet, an dessen Aus-
wirkungen sich Peter immer wieder schmerzlich erinnern
musste. Nach der Sprengung eines Munitionszuges im Bereich
des Bamberger Bahnhofs erzeugte eine gewaltige Explosion
eine überaus heftige Druckwelle, sodass in der nahe gelegenen
Wohnung in welcher Peter lebte die Fensterscheiben zerbar-
sten und Glasscherben, sowie aus der Verankerung gerissene
Fensterkreuze in die Wohnräume hineingeschleudert wurden.
Das aus Peddingrohr geflochtene Schlafbettchen mit gewölb-
ter Dachabdeckung in welchem Peter lag, das wurde von ei-
nem heraugerissenen Stück Fensterkreuz getroffen, welches
dank des Schutzdaches aus Peddingrohr quer über dem Bett
liegenblieb und den Kleinen vor schlimmen körperlichen Ver-
letzungen schützte. Doch der Explosionsschock war für den
knapp drei Jahre alten Peter ein gewaltiger und erschütterte den
gesamten Körper des Kleinen über alle Maßen. Großvater Karl
erlitt zwar leichte Verletzungen, doch grenzte es an ein großes
Wunder, dass ihm nicht mehr passierte. Jedoch für den kleinen
Peter blieb dieses Schreckerlebnis irgendwie bestehen, denn
es hatte sich tief in sein Unterbewußtsein eingeprägt.
Zerstörungen, Verletzungen, Ängste, Not und Tod brachte die-
se teuflische Kriegszeit eben überall hin in Europa und vielen
Beobachtern erschien nach Beendigung dieses unseligen II.
Weltkrieges das Ende der gesamten westlichen Zivilisation ge-
kommen zu sein. Die circa 50 Millionen Kriegstoten sowie die
Auflösung all der nötigen Existenzbedingungen sprachen eine
recht deutliche Sprache. Und nicht zu vergessen, nach dem of-
fiziellen Ende des deutschen Unrechtregimes herrschten nicht
nur hier in Deutschland, sondern auch im übrigen Europa noch
längere Zeit Hunger, Not und Verzweiflung in ungekanntem
Ausmaß, von Frankreich bis in die Ukraine hinein und von
Norwegen bis nach Griechenland hinunter. Die Stadt Warschau
war praktisch vollkommen zerstört und total unbewohnbar.
Nach Kriegsende waren es europaweit erbärmlichste Lebens-
bedingungen, worunter wohl die Kinder und die Alten am meis-
ten litten. Wie es wohl weiterging, speziell mit unserem Haupt-
protagonisten Peter und dessen Familie? Der geschätzte Leser
wird es in den nun folgenden Kapiteln erfahren.
Der II. Weltkrieg ist aus - Not und Elend bleiben
Heute im Jahr 2021 sind immerhin noch einige Millionen Deut-
sche am Leben, die wie Peter Miandus zwischen 1942 und 1945
auf die Welt kamen. Kriegskinder kann man sie nennen, geboren
und herangewachsen in Hitlers Deutschland während der heftigen
letzten Kriegsjahre. Sie waren Opfer ohne irgendeine Schuld da-
ran zu haben. Kriegs- und Nachkriegserlebnisse haben zum Teil
ihre Lebensgeschichten geprägt. Viele von ihnen sind bereits ver-
storben und haben ihre kriegstraumatischen Erlebnisse mit ins
Grab genommen. Jene anderen aber, welche noch leben, sie sind
meist gesundheitlich angeschlagen, leiden zum Teil immer noch
unter schmerzlichen Kriegserinnerungen oder haben noch nicht
ihre Traumata aus längst vergangenen Kriegstagen verarbeitet.
Denn auch im hohen Alter können sich bei den heute über 77 bis
85ig Jährigen ganz plötzlich noch negative Folgeerscheinungen
aus Kriegs- und Nachkriegstagen als belastend erweisen. Wenn
wir das insgesamt große Trauma des II. Weltkrieges verstehen
wollen, das aus vielen Bildern von Elend und Hoffnungslosigkeit
spricht, so müssen wir eben bei den konkreten Erlebnissen der
betroffenen Menschen ansetzen, die in jene Zeiten hineingebo-
ren wurden. Einer von ihnen war unser Protagonist Peter Miran-
dus. Immer wieder erinnerte er sich, wenn Stunden des Betrach-
tens anstanden an die Schrecknisse des letzten Kriegsjahres und
im weiteren Verlauf an all jene Halluzinationen und Notsituatio-
nen, welche sein Leben nach dem Ende des unseligen II. Welt-
krieges belasteten. Peter war ein hochgewachsenes, unterernähr-
tes und sensibles Kind, welches wohl nur deswegen überlebte,
weil in den Jahren 1946 und 47 die fürsorgliche und couragierte
Großmutter des öfteren mit der Scheßlitzer Bummelbahn von
Bamberg aus aufs Land hinausfuhr. Bei Bauern erbettelte sie
Überlebensnotwendiges oder erwarb es mit Tauschware. Wenn
sie Geld bezahlen sollte, feilschte sie so lange, bis ihr der Preis
passte. Stets hatte sie Erfolg auf ihren Hamsterfahrten. Vielleicht
auch deswegen, weil sie selbst ein Landkind war und die bäuer-
liche Sprache gut beherrschte. Immer, wenn sie wieder nach Hau-
se kam, hatte sie im gefüllten Ranzen Eier, etwas Butter, Speck,
Schwarzbrot oder Kartoffeln. Peter profitierte von all diesen
Lebensmitteln am meisten. Nicht nur, weil er als abgemagertes
Kind bessere Ernährung nötig hatte, sondern auch weil er Omas
frommer Liebling war und stets mit ihr zusammen die Andach-
ten und Messfeiern in der nahe gelegenen Gangolfskirche be-
suchte. Alles in allem war der Anfang der Friedenszeit für Peter
in mancherlei Hinsicht etwas besser, als die drei Jahre während
des Krieges. Doch insgesamt gesehen war Deutschland zu Be-
ginn der Nachkriegszeit ein Land der Stunde Null
und in all
den kriegszerstörten Ruinenlandschaften mangelte es an Was-
ser, Strom, Lebensmitteln, Medikamenten, Wohnraum, Klei-
dung, Heizmaterial und Arbeit. Viele der Heimatvertriebenen
mussten jahrelang in Auffanglagern oder Baracken leben, denn
lebenswürdiger Wohn- und Lebensraum musste erst wieder
neu geschaffen werden. Die Vertriebenen traf neben den Stra-
pazen der Flucht und dem Verlust der Heimat auch das Los des
sozialen Abstiegs. Sie mussten meist mit leeren Händen den
Neuanfang versuchen. Haus, Hof, Hab und Gut blieben zurück.
Peter und seine Familie konnten zum Glück in ihrer Heimat
bleiben, hatten noch ein Dach über den Kopf und lebten wie
vordem in ihrer 3-Zimmerwohnung, in einem Haus, welches
all die Angriffe der Aliierten ohne große Schäden überstanden
hatte. Glück hatten übrigens auch die übrigen Bewohner in
ihrer Gasse, kein einziges Wohnhaus wurde durch Bombentref-
fer zerstört. Doch in der nahe gelegenen Josefstraße hingegen
sah es da schon ganz anders aus. Dort lag zumindest ein Wohn-
haus in Schutt und Asche und es gab etliche Tote. Glück und
Unglück sind eben meist blinde Gesellen und nur Gott kann
wissen, warum einer sterben muß und ein aderer weiterleben
darf. Doch am Leben zu bleiben heißt nicht automatisch sich
am Leben erfreuen zu dürfen. Unserem Peter zum Beispiel
wurde während der Kriegstage sein Leben nicht physisch weg-
genommen, doch obwohl er überlebte hatten sich die Schock-
und Angsterlebnisse aus Kriegstagen tief in seinem Unterbe-
wußtsein eingenistet. Vielleicht war er deswegen oft traurig
oder missmutig, empfand Schmerzen im Kopf und in den Ein-
geweiden. Am Abend, wenn er in seinem Bett lag und zur Zim-
merdecke hinaufstarrte, sah er des öfteren im Dämmerlicht des
halbdunklen Zimmers vogelähnliche Wesen über seinem Kör-
per hin- und herfliegen. Sie ähnelten meist irgendwelchen Gän-
sen und sahen oft aus wie Störche. Peter schrie während solcher
Erlebnisse meist laut auf und weinte bis die Mutter ins Zimmer
kam, ihn in die Arme schloß und alle Strophen des Liedes
„Schlaf Kindlein, schlaf" solange vorsang, bis sich der Kleine
wieder beruhigt hatte und friedlich einschlief. Als Peter an die
vier Jahre alt war verschwanden solch halluzinative Erschei-
nungsbilder, welche ihn vor dem Einschlafen des öfteren er-
schreckten. An ihre Stelle traten dann Angst- bzw. Flugträume
und im weiteren Verlauf besondere Traumerlebnisse, von de-
nen später noch ausführlicher zu berichten sein wird. Bezüglich
der Halluzinationen behaupten Forscher, dass solche durch phy-
siologische Zerrüttung oder auch im Einzelfall durch echten
Mediumismus zustande kommen können, Typisch für Halluzi-
nationen sei die Tatsache, dass der daran Leidende dieselben
niemals als eingebildet empfindet, sondern die gesehenen Bilder
von ihm stets für echt gehalten werden.
Manchmal ging Peter, obwohl es Mutter nicht so gerne sah, in
die nahegelegene Josefstraße, um sich dort mit den in etwa
gleichaltrigen Nachbarskindern Erwin und Karin zu treffen.
Gemeinsam kletterten die Drei in den Steinhaufen eines zer-
bombten Bürgerhauses herum, versteckten sich, spielten stun-
denlang Räuber und Gendarm oder nahmen manchmal speziell
geformte, leicht verkohlte Holzstücke in die Hände, belebten
sie mit ihrer überbordenden Phantasie, gaben ihnen Namen und
taten dann so, als seien es lebendige Wesen aus irgendwelchen,
ihnen bekannten Märchengeschichten. Manchmal war es so,
dass Peter an Spätnachmittagen total verschmutzt und abge-
kämpft nach Hause kam, sodass er aussah wie ein aus der Koh-
legrube heimkehrender Steiger. In solchen Fällen gab es zu-
hause ein kräftiges Donnerwetter und zusätzlich ein Ausgeh-
verbot für den Folgetag. Heute, nachdem Peter gewaschen war
und die abendlichen Kröstel gegessen hatte, kam Großvater in
die Küche, redete auf ihn ein und sagte: „Junge steig nicht mehr
mit den Nachbarskindern auf den Trümmern des zerbombten
Bürgerhauses herum, denn du könntest leicht stürzen, dich stark
verletzen oder auch von jenen Ratten gebissen werden, welche
sich dort versteckt halten." Als Peter eine Stunde später zu Bett
gehen musste schlief er zwar nach dem Abendgebet mit der
Großmutter sofort ein, hatte aber eine Nacht voll von wirren
Träumen in denen ihn zeitweise fette Ratten verfolgten. Sie ver-
suchten an ihm hochzuspringen und liefen zwischen seinen Fü-
ßen, sodaß er fast gestürzt wäre. In seiner Not blieb er kurz ste-
hen, drehte sich um und sah in einiger Entfernung eine Traum-
gestalt, welche