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KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959
KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959
KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959
eBook426 Seiten2 Stunden

KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959

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Über dieses E-Book

Während des II. Weltkriegs geborene, unschuldige Erdenbürger, welche die Bombenabwürfe in ihren jeweiligen Städten miterlebten, sie haben hautnah erfahren müssen, wie schwer Kriegs- und Nachkriegszeiten zu ertragen waren. Die meisten von ihnen, die den Krieg überlebten, haben ihre traumatischen Kriegserlebnisse nie so richtig verarbeiten können und so blieben zeitlebens Folgeschäden. Rückblickend sind jene zu bewundern, welche dank ihres Gottvertrauens und dank hilfreicher Menschen ihre Kriegswunden einigermaßen zum Abheilen brachten. Zu ihnen gehört jener Peter Mirandus, von dem im Buch hauptsächlich die Rede ist. Der Bamberger Autor K.-H.-Garnitz erzählt auf kurzweilige Art und Weise die Geschichte dieses Kriegskindes, welches 1942 in der Bamberger Entbindungsanstalt auf die Welt kam so, als ob er selbst dabei gewesen wäre. Und in der Tat. es ist zu einem Großteil auch seine eigene Geschichte.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum2. Sept. 2021
ISBN9783754159910
KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959

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    Buchvorschau

    KRIEGSKIND Peter Mirandus / Stationen 1942 - 1959 - Karl-Heinz Garnitz (Alias Frater Khamose)

    *

    Karl-Heinz Garnitz

    KRIEGSKIND

    Peter Mirandus

    Stationen 1942 - 1959

    –--------------------------------------------------------------------------

    Umschlagfoto und Kommentar:

    Bamberg nach dem Ende des unseligen II. Weltkriegs: Grüner Markt,

    Ecke zur Mauthgasse (Martinskirche im Hintergrund). Alles in allem

    hatte Bamberg wahnsinniges Glück, dennoch wurde die Stadt bei den

    Luftangriffen im letzten Kriegsjahr empfindlich getroffen. Die

    annähernd 400 toten Einwohner der Stadt konnten keine Zeitzeugen

    mehr sein. Diejenigen, welche überlebten sind heute im Jahr 2021

    nicht mehr allzuviele. Doch was Zeit verweht, geht in der Erzählung

    weiter und sollte gelesen werden. Motto: Nie wieder Krieg!

    –-------------------------------------------------------------------------

    IMPRESSUM

    Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin

    Text: Copyright 2021 by Karl-Heinz Garnitz

    Layout und Satz: Karl-Heinz Garnitz

    Alle Rechte vorbehalten

    Printed in Germany

    –------------------------------------------------------------------------

    Schreckliche Kriegsjahre für Peter Mirandus

    Als Deutschland kapitulierte und der unselige II. Weltkrieg am 8.

    Mai 1945 sein Ende fand war Peter gerade mal drei Jahre alt und

    er musste sich in der Folgezeit immer wieder an Geschehnisse erin-

    nern, welche sich in den letzten Kriegsmonaten als belastende En-

    gramme in sein Bewußtsein eingruben. Auf der einen Seite waren

    es die eigentlichen Schrecknisse dieser Kriegsjahre, auf der anderen

    Seite der quälende Hunger, der für ihn oft zur Plage wurde. Bekam

    er etwas zum Essen war es wenig gehaltvoll und so mag es nicht

    verwundern, dass er als Kleinkind unter Mangelernährung litt und

    mager aussah. Hinzu kam, dass Peter oft gereizt war und panische

    Angstzustände hatte, wenn er Sirenen oder Brummgeräusche von

    Flugzeugen hörte, denn besonders in den letzten Kriegsmonaten

    musste man fast täglich auf Bombenabwürfe von amerikanischen

    Flugzeugen gefaßt sein. Die Angst ums eigene Leben ging um und

    sie war irgendwie ansteckend. Immer wenn die Alarmsirenen auf-

    heulten flüchteten die Mieter des Hauses, in welchem Peter mit

    den Seinen lebte, in den Keller des Hauses und erhofften sich dort

    unten ein gnädiges Schicksal, wohl wissend, dass der notdürftig

    eingerichtete Schutzraum alles andere war als ein sicherer Bunker.

    Sollte das Haus von Bomben getroffen werden, musste sekunden-

    schnell reagiert werden, um durch bereits aufgebrochenes Mauer-

    werk hinüber in die angrenzenden Keller der Nachbarhäuser zu

    flüchten. Dies konnte hilfreich sein oder auch nicht, denn im Ernst-

    fall benötige man immer wieder verdammt viel Glück um am Leben

    zu bleiben. Bezüglich der täglichen Mahlzeiten war es meist so,

    dass Peter nur ein dünnes Süpplein mit selbstgemachten Nudeln o-

    der eine Zwiebelsuppe mit eingebrockten Brotkrusten erhielt. Mei-

    ster Schmalhans war üblicher Küchenmeister, wenn Peter, Mut-

    ter Hanna und die Großeltern am Küchentisch saßen und aßen. Der

    Vater fehlte, war noch in Russland und Peter kannte ihn nicht. Doch

    hoffte die ganze Familie, dass er irgendwann doch noch heimkehren

    würde. Heute, als die Familie ihr spärliches Mittagessen nahezu be

    endet hatte ertönten wieder einmal die Sirenen, was nur heißen

    konnte: „Bringe sich in Sicherheit wer kann!" Peters Mutter stellte

    schleunigst das Geschirr ins Spülbecken, nahm Peter an der Hand

    und zusammen mit den Großeltern hasteten sie in den Keller

    hinunter. Dort herrschten spartanische Zustände, denn es gab

    nur eine lange Sitzbank und einen alten Waschhaustisch auf

    dem eine Karbitlampe sowie zwei dickbauchige Kerzen stan-

    den. Die Mieter, welche nach und nach im Keller ankamen setz-

    ten sich wortlos nieder und es herrschte eine überaus beklem-

    mende Stimmung. Peter saß mit seinem Teddy auf dem Schoß

    der Mutter, daneben Oma Marga und ihr Mann Karl. Links von

    ihnen die Witwe Heurich und die Wohlfarts. Insgesamt hoff-

    ten acht Personen am Leben zu bleiben. Als plötzlich entfernte

    Explosionsgeräusche zu hören waren bekreuzigte sich Peters

    Großmutter, nahm ihren Rosenkranz aus der Brusttasche und

    schaute aufmerksam in die Runde. Dann sagte sie zu den Anwe-

    senden: „Betet alle laut mit, dann wird uns schon nichts schlim-

    meres passieren!" Von den acht anwesenden Personen, beteten

    anfangs nur drei lautstark mit. Dann aber, als das Gedröhne von

    fliegenden Bombern näher kam und ein gewaltiger Knall zu

    hören war begannen auch jene mitzubeten, welche vordem still

    dasaßen. Peters Großmutter als geübte Vorbeterin freute sich

    darüber, nahm ihre Stimme etwas zurück, bestimmte aber wei-

    terhin das Gebetstempo, sodass all die anderen Beter mithalten

    mussten. Plötzlich eine laut hörbare Explosion, vermutlich in

    unmittelbarer Nähe, entweder in der Josefstrasse oder am nahen

    Bahnhof. Die Stimmen der Betenden verstummten und minu-

    tenlang herrschte jene Angst, welche die Kehlen zuschnürt und

    sprachlos macht. Alle starrten auf das trostlose Mauerwerk der

    Kellerräume, doch es stand festgefügt. Peter begann einige Zeit

    lauthals zu weinen und drücke seinen Teddy fester an die Brust.

    Dann wieder unheimliche Stille und ein Insichgehen der Anwe-

    senden. Wie sich später herausstellte war jener sonnige Don-

    nerstag des 22.02.1945 wirklich ein sehr unheilvoller. Zwar

    schien die Sonne vom klaren Bamberger Himmel, doch gerade

    diese Schönwetterlage war es, welche der Stadt zum Verhäng-

    nis wurde. Die unzähligen amerikanischen Flieger hatten beste

    Sicht, als sie gezielt den Bahnknotenpunkt Bamberg anflogen

    und ihre todbringendes Frachtgut verteilten. Zweihundertsech-

    zehn Todesopfer und etliche zerstörte Gebäude waren inner-

    städtisch zu beklagen und allein 54 Menschen starben im Stol-

    len auf dem Stephansberg. Erst am Nachmittag um 15:16 Uhr,

    nach Stunden nervenzehrender Angst, wurde Entwarnung ge-

    geben. Große Teile der Innenstadt mit Obstmarkt, Lange-Stra-

    ße, Grüner Markt und Keßlerstraße waren bombardiert worden.

    Einschläge gab es auch in der Josefstraße nahe der Kaimsgasse,

    in der Klosterstraße, Gertraudenstraße, Hainstraße, am Prie-

    sterseminar und am Marienplatz. Bomben unterbrachen die

    Bahnlinie nach Lichtenfels und fielen im Bereich des Aufseß-

    höfleins. Während die Erlöserkirche einen Volltreffer erhielt

    und weitgehend zerstört wurde, überlebten die fast 500 Men-

    schen die im Kellerbereich Schutz gesucht wie durch ein Wun-

    der. Peter, seine Mutter, Oma, Opa und all die anderen Perso-

    nen im Kellerraum des Hauses in der Kaimsgasse überlebten

    ebenfalls diesen letzten grossen Bombenangriff der Amerika-

    ner auf Bamberg. Nach der erfolgten Entwarnung gingen alle

    nach oben in ihre Wohnungen und Großmutter Marga meinte:

    „Leute, unser Rosenkranzgebet hat beim Herrgott Gehör gefun-

    den, ansonsten hätten wir ja wohl nicht überlebt. Deo gratias!"

    Jeder, der Peters Großmutter kannte, bewunderte ihren Gebets-

    eifer und ihr bedingungsloses Gottvertrauen in Bezug auf die

    Allmacht ihres Gottes. Bis hin zu ihrer Todesstunde blieb sie

    im Glauben unerschütterlich. Jahre später fand man Oma Mar-

    ga an einem frühen Sonntagsmorgen mit dem Rosenkranz in

    der Hand. Sie saß auf ihrem Küchenlehnstuhl, war friedlich

    entschlafen und ihr Gesicht zeigte ein verklärtes Lächeln. Zu

    Lebzeiten bat sie täglich ihren Herrgott mit einem „Vater un-

    ser" um eine gute letzte Stunde. Als Peters Großvater die Tote

    im Lehnstuhl sitzend fand, schloß er ihr die Augen und begann

    zu weinen. So ist es wohl immer, wenn gute Menschen dahin-

    scheiden und nahe Überlebende in Stich lassen müssen. Es gibt

    Tränen und seelischen Schmerz. Von den letzten Zerstörungen

    sei noch ein erschreckendes Erlebnis berichtet, an dessen Aus-

    wirkungen sich Peter immer wieder schmerzlich erinnern

    musste. Nach der Sprengung eines Munitionszuges im Bereich

    des Bamberger Bahnhofs erzeugte eine gewaltige Explosion

    eine überaus heftige Druckwelle, sodass in der nahe gelegenen

    Wohnung in welcher Peter lebte die Fensterscheiben zerbar-

    sten und Glasscherben, sowie aus der Verankerung gerissene

    Fensterkreuze in die Wohnräume hineingeschleudert wurden.

    Das aus Peddingrohr geflochtene Schlafbettchen mit gewölb-

    ter Dachabdeckung in welchem Peter lag, das wurde von ei-

    nem heraugerissenen Stück Fensterkreuz getroffen, welches

    dank des Schutzdaches aus Peddingrohr quer über dem Bett

    liegenblieb und den Kleinen vor schlimmen körperlichen Ver-

    letzungen schützte. Doch der Explosionsschock war für den

    knapp drei Jahre alten Peter ein gewaltiger und erschütterte den

    gesamten Körper des Kleinen über alle Maßen. Großvater Karl

    erlitt zwar leichte Verletzungen, doch grenzte es an ein großes

    Wunder, dass ihm nicht mehr passierte. Jedoch für den kleinen

    Peter blieb dieses Schreckerlebnis irgendwie bestehen, denn

    es hatte sich tief in sein Unterbewußtsein eingeprägt.

    Zerstörungen, Verletzungen, Ängste, Not und Tod brachte die-

    se teuflische Kriegszeit eben überall hin in Europa und vielen

    Beobachtern erschien nach Beendigung dieses unseligen II.

    Weltkrieges das Ende der gesamten westlichen Zivilisation ge-

    kommen zu sein. Die circa 50 Millionen Kriegstoten sowie die

    Auflösung all der nötigen Existenzbedingungen sprachen eine

    recht deutliche Sprache. Und nicht zu vergessen, nach dem of-

    fiziellen Ende des deutschen Unrechtregimes herrschten nicht

    nur hier in Deutschland, sondern auch im übrigen Europa noch

    längere Zeit Hunger, Not und Verzweiflung in ungekanntem

    Ausmaß, von Frankreich bis in die Ukraine hinein und von

    Norwegen bis nach Griechenland hinunter. Die Stadt Warschau

    war praktisch vollkommen zerstört und total unbewohnbar.

    Nach Kriegsende waren es europaweit erbärmlichste Lebens-

    bedingungen, worunter wohl die Kinder und die Alten am meis-

    ten litten. Wie es wohl weiterging, speziell mit unserem Haupt-

    protagonisten Peter und dessen Familie? Der geschätzte Leser

    wird es in den nun folgenden Kapiteln erfahren.

    Der II. Weltkrieg ist aus - Not und Elend bleiben

    Heute im Jahr 2021 sind immerhin noch einige Millionen Deut-

    sche am Leben, die wie Peter Miandus zwischen 1942 und 1945

    auf die Welt kamen. Kriegskinder kann man sie nennen, geboren

    und herangewachsen in Hitlers Deutschland während der heftigen

    letzten Kriegsjahre. Sie waren Opfer ohne irgendeine Schuld da-

    ran zu haben. Kriegs- und Nachkriegserlebnisse haben zum Teil

    ihre Lebensgeschichten geprägt. Viele von ihnen sind bereits ver-

    storben und haben ihre kriegstraumatischen Erlebnisse mit ins

    Grab genommen. Jene anderen aber, welche noch leben, sie sind

    meist gesundheitlich angeschlagen, leiden zum Teil immer noch

    unter schmerzlichen Kriegserinnerungen oder haben noch nicht

    ihre Traumata aus längst vergangenen Kriegstagen verarbeitet.

    Denn auch im hohen Alter können sich bei den heute über 77 bis

    85ig Jährigen ganz plötzlich noch negative Folgeerscheinungen

    aus Kriegs- und Nachkriegstagen als belastend erweisen. Wenn

    wir das insgesamt große Trauma des II. Weltkrieges verstehen

    wollen, das aus vielen Bildern von Elend und Hoffnungslosigkeit

    spricht, so müssen wir eben bei den konkreten Erlebnissen der

    betroffenen Menschen ansetzen, die in jene Zeiten hineingebo-

    ren wurden. Einer von ihnen war unser Protagonist Peter Miran-

    dus. Immer wieder erinnerte er sich, wenn Stunden des Betrach-

    tens anstanden an die Schrecknisse des letzten Kriegsjahres und

    im weiteren Verlauf an all jene Halluzinationen und Notsituatio-

    nen, welche sein Leben nach dem Ende des unseligen II. Welt-

    krieges belasteten. Peter war ein hochgewachsenes, unterernähr-

    tes und sensibles Kind, welches wohl nur deswegen überlebte,

    weil in den Jahren 1946 und 47 die fürsorgliche und couragierte

    Großmutter des öfteren mit der Scheßlitzer Bummelbahn von

    Bamberg aus aufs Land hinausfuhr. Bei Bauern erbettelte sie

    Überlebensnotwendiges oder erwarb es mit Tauschware. Wenn

    sie Geld bezahlen sollte, feilschte sie so lange, bis ihr der Preis

    passte. Stets hatte sie Erfolg auf ihren Hamsterfahrten. Vielleicht

    auch deswegen, weil sie selbst ein Landkind war und die bäuer-

    liche Sprache gut beherrschte. Immer, wenn sie wieder nach Hau-

    se kam, hatte sie im gefüllten Ranzen Eier, etwas Butter, Speck,

    Schwarzbrot oder Kartoffeln. Peter profitierte von all diesen

    Lebensmitteln am meisten. Nicht nur, weil er als abgemagertes

    Kind bessere Ernährung nötig hatte, sondern auch weil er Omas

    frommer Liebling war und stets mit ihr zusammen die Andach-

    ten und Messfeiern in der nahe gelegenen Gangolfskirche be-

    suchte. Alles in allem war der Anfang der Friedenszeit für Peter

    in mancherlei Hinsicht etwas besser, als die drei Jahre während

    des Krieges. Doch insgesamt gesehen war Deutschland zu Be-

    ginn der Nachkriegszeit ein Land der Stunde Null und in all

    den kriegszerstörten Ruinenlandschaften mangelte es an Was-

    ser, Strom, Lebensmitteln, Medikamenten, Wohnraum, Klei-

    dung, Heizmaterial und Arbeit. Viele der Heimatvertriebenen

    mussten jahrelang in Auffanglagern oder Baracken leben, denn

    lebenswürdiger Wohn- und Lebensraum musste erst wieder

    neu geschaffen werden. Die Vertriebenen traf neben den Stra-

    pazen der Flucht und dem Verlust der Heimat auch das Los des

    sozialen Abstiegs. Sie mussten meist mit leeren Händen den

    Neuanfang versuchen. Haus, Hof, Hab und Gut blieben zurück.

    Peter und seine Familie konnten zum Glück in ihrer Heimat

    bleiben, hatten noch ein Dach über den Kopf und lebten wie

    vordem in ihrer 3-Zimmerwohnung, in einem Haus, welches

    all die Angriffe der Aliierten ohne große Schäden überstanden

    hatte. Glück hatten übrigens auch die übrigen Bewohner in

    ihrer Gasse, kein einziges Wohnhaus wurde durch Bombentref-

    fer zerstört. Doch in der nahe gelegenen Josefstraße hingegen

    sah es da schon ganz anders aus. Dort lag zumindest ein Wohn-

    haus in Schutt und Asche und es gab etliche Tote. Glück und

    Unglück sind eben meist blinde Gesellen und nur Gott kann

    wissen, warum einer sterben muß und ein aderer weiterleben

    darf. Doch am Leben zu bleiben heißt nicht automatisch sich

    am Leben erfreuen zu dürfen. Unserem Peter zum Beispiel

    wurde während der Kriegstage sein Leben nicht physisch weg-

    genommen, doch obwohl er überlebte hatten sich die Schock-

    und Angsterlebnisse aus Kriegstagen tief in seinem Unterbe-

    wußtsein eingenistet. Vielleicht war er deswegen oft traurig

    oder missmutig, empfand Schmerzen im Kopf und in den Ein-

    geweiden. Am Abend, wenn er in seinem Bett lag und zur Zim-

    merdecke hinaufstarrte, sah er des öfteren im Dämmerlicht des

    halbdunklen Zimmers vogelähnliche Wesen über seinem Kör-

    per hin- und herfliegen. Sie ähnelten meist irgendwelchen Gän-

    sen und sahen oft aus wie Störche. Peter schrie während solcher

    Erlebnisse meist laut auf und weinte bis die Mutter ins Zimmer

    kam, ihn in die Arme schloß und alle Strophen des Liedes

    „Schlaf Kindlein, schlaf" solange vorsang, bis sich der Kleine

    wieder beruhigt hatte und friedlich einschlief. Als Peter an die

    vier Jahre alt war verschwanden solch halluzinative Erschei-

    nungsbilder, welche ihn vor dem Einschlafen des öfteren er-

    schreckten. An ihre Stelle traten dann Angst- bzw. Flugträume

    und im weiteren Verlauf besondere Traumerlebnisse, von de-

    nen später noch ausführlicher zu berichten sein wird. Bezüglich

    der Halluzinationen behaupten Forscher, dass solche durch phy-

    siologische Zerrüttung oder auch im Einzelfall durch echten

    Mediumismus zustande kommen können, Typisch für Halluzi-

    nationen sei die Tatsache, dass der daran Leidende dieselben

    niemals als eingebildet empfindet, sondern die gesehenen Bilder

    von ihm stets für echt gehalten werden.

    Manchmal ging Peter, obwohl es Mutter nicht so gerne sah, in

    die nahegelegene Josefstraße, um sich dort mit den in etwa

    gleichaltrigen Nachbarskindern Erwin und Karin zu treffen.

    Gemeinsam kletterten die Drei in den Steinhaufen eines zer-

    bombten Bürgerhauses herum, versteckten sich, spielten stun-

    denlang Räuber und Gendarm oder nahmen manchmal speziell

    geformte, leicht verkohlte Holzstücke in die Hände, belebten

    sie mit ihrer überbordenden Phantasie, gaben ihnen Namen und

    taten dann so, als seien es lebendige Wesen aus irgendwelchen,

    ihnen bekannten Märchengeschichten. Manchmal war es so,

    dass Peter an Spätnachmittagen total verschmutzt und abge-

    kämpft nach Hause kam, sodass er aussah wie ein aus der Koh-

    legrube heimkehrender Steiger. In solchen Fällen gab es zu-

    hause ein kräftiges Donnerwetter und zusätzlich ein Ausgeh-

    verbot für den Folgetag. Heute, nachdem Peter gewaschen war

    und die abendlichen Kröstel gegessen hatte, kam Großvater in

    die Küche, redete auf ihn ein und sagte: „Junge steig nicht mehr

    mit den Nachbarskindern auf den Trümmern des zerbombten

    Bürgerhauses herum, denn du könntest leicht stürzen, dich stark

    verletzen oder auch von jenen Ratten gebissen werden, welche

    sich dort versteckt halten." Als Peter eine Stunde später zu Bett

    gehen musste schlief er zwar nach dem Abendgebet mit der

    Großmutter sofort ein, hatte aber eine Nacht voll von wirren

    Träumen in denen ihn zeitweise fette Ratten verfolgten. Sie ver-

    suchten an ihm hochzuspringen und liefen zwischen seinen Fü-

    ßen, sodaß er fast gestürzt wäre. In seiner Not blieb er kurz ste-

    hen, drehte sich um und sah in einiger Entfernung eine Traum-

    gestalt, welche

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