Yeshu und seine Geschichte
Von Peter Klapprot
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Über dieses E-Book
Also verlässt er Galiläa und geht er mit seinen Brüdern zum Pas'cha-Fest nach Jeruschalajim. Sehr schnell gerät er in der aufgeheizten Stimmung der Metropole zwischen die Fronten und wird verhaftet.
Eine Geschichte voller biblischer Zitate und Begebenheiten, ganz neu gedeutet und angereichert mit aktuellen wissenschaftlichen, psychologischen und spirituellen Erkenntnissen für die Leserinnen und Leser der Zeitenwende zu Beginn des dritten Jahrtausend.
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Buchvorschau
Yeshu und seine Geschichte - Peter Klapprot
Kapitel 1
Peter Klapprot
Botschaften von Yeshu
Ähnlichkeiten mit dem neuen Testament der Bibel
sind teilweise beabsichtigt, andererseits vermieden.
Das Feuer, das mich wegträgt,
wird nicht bei mir bleiben,
sondern bei dir. Für immer.
Elias
„Da, eine Sternschnuppe."
„Hör auf!"
„Schaut selbst."
„Red' keinen Tinnef!"
„Ich habe sie auch gesehen."
„Ihr habt getrunken."
„Es sah aus, als käme sie auf uns zu."
„So ein Tinnef! Im Winter gibt es keine Sternschnuppen. Die kommen am Ende des Sommers und dann viele."
Die Berge im Westen hatten das letzte Licht verschluckt. Mit der Dunkelheit breitete sich die Stille aus. Die Herde lagerte nebenan, der Geruch von Dung und Wolle lag in der Luft. Manchmal ein leises Blöken. Die Tiere waren nah aneinander gerückt. Es war kalt. Morgen würde es Raureif geben. Das Feuer war runter gebrannt. Sie hatten Fladen aus ungesäuertem Teig gegessen und etwas Käse. Es hatte gereicht, den Hunger zu vertreiben. Satt waren sie nicht.
„Habt ihr die Frau gesehen?"
Es waren einsame Männer, jede Frau erregte ihr Aufsehen.
„In dem Zustand! Alles wegen der Zählung."
„Mein Vater konnte bis fünf zählen. Wenn es mehr als fünf waren, waren es einfach viele. Er war ein glücklicher Mann."
„Schafe zählt man, aber keine Menschen."
„Warum will man uns zählen?"
„Der Kaiser will wissen, wer was besitzt, damit er Steuern erheben kann."
„Und er will wissen, wie viel junge Männer da sind, die er zu Soldaten machen kann."
„Was geht uns der Kaiser in Rom an!"
„Der Kaiser will es und der König muss es tun."
„Herodes will unser König sein. Er ist nicht aus den zwölf Stämmen."
„Deshalb kann er nicht Hohepriester werden."
„Er war nur Statthalter, die Römer haben ihn zum König gemacht."
„Weil sie jemanden brauchen, der das Land gegen die Parther im Osten verteidigt."
„Jetzt macht er gemeinsame Sache mit ihnen."
„Sie nennen ihn schon Gaius Julius."
„Er ist schon wie sie, Macht um jeden Preis. Er hat den Bruder seiner ersten Frau umbringen lassen, einen Priester, erst 16 Jahre alt."
„Er war nicht nur Priester, er war Hohepriester. Versteht ihr? Er hat einen Hohepriester umbringen lassen."
„Wie kann er mit 16 Jahren schon Hohepriester sein?"
„Er war der Sohn der Schwiegermutter Herodes'."
Verächtlich schnaubten die Männer.
„Wie hat er ihn getötet?"
„Nach dem Laubhüttenfest hat er die Familie in seinem Palast in Jericho versammelt. Beim Freudenfest hat er ihn betrunken gemacht und ist mit ihm baden gegangen. In den Teichen warteten schon die Mörder. Erst haben sie mit ihm gescherzt, gelacht, mit Wasser gespritzt. Daraufhin haben sie ihn solange unter Wasser gedrückt, bis er ertrunken war. Es sah aus wie ein Unfall."
„So einer will König sein."
„Warum hat er ihn umbringen lassen?"
„Er fürchtet um seinen Thron."
„Was hat das Eine mit dem anderen zu tun?"
„Herodes ist meschugge. Du brauchst ihn nur falsch anzusehen..."
„Weil er nicht Hohepriester werden kann wie die anderen hasmonäischen Könige."
„Seinen Schwiegervater hat Herodes auch umbringen lassen. Das war ein Hasmonäer-König."
„Das alte Geschlecht der Hasmonäer, da hat Herodes eingeheiratet, um besser angesehen zu sein."
„Die Hasmonäer haben auch viel Blut vergossen."
„Sie haben uns von der Fremdherrschaft befreit. Ich wollte, sie stünden auf aus ihren Gräbern."
„Sie haben die anderen Länder blutig unterworfen."
„Sei still!"
„Sie haben Krieg mit Ägypten gemacht."
„Sei still, sage ich dir!"
„Drei Aufstände haben sie niedergeschlagen und achthundert kreuzigen lassen."
„Was sagt man noch über Herodes?"
„Nachdem er seine erste Frau hat hinrichten lassen, hat er sich in die Tochter eines Priesters verliebt. Um sie heiraten zu können, hat er den Hohepriester abgesetzt und ihren Vater zum Hohepriester gemacht."
„Pah!"
„Mörder!"
„Sünde!", riefen die Hirten und spuckten ins Feuer und lauschten dem Zischen.
Die Hunde hoben die Köpfe. Waren Wölfe in der Nähe oder ein Löwe? Sie warfen Reisig in die Glut und bliesen das Feuer wieder an. Im lodernden Schein sah man die Hunde wittern. Aus der Stille kam etwas. Von sehr fern. Ein tierischer Laut, ein Stöhnen, was die Luft erzittern ließ. Es war kein Wolf und kein Löwe. Es war die Frau. Sie schrie. Das Kind kam und zerriss ihr den Unterleib.
Dann war es wieder still. Beklommen sahen die Männer sich an und hielten inne. Dann war alles wie immer, wiederkäuende Schafe, der eigene Atem, das Schweigen des Himmels.
Die nächste Welle brach los. Die Frau brüllte, die Hunde fingen an zu jaulen.
„Es ist ihr erstes Kind."
„Oft genug sterben sie."
„Schafe haben's leichter."
Die Wellen, die das Kind aus ihr hinaustrieben, hatten sich zu einer großen Woge aufgebaut. Ein Dutzend Mal hatte sie sich aufgebäumt und ihren Schmerz hinausgeschrien. Die Schreie hatten die Nacht erbeben lassen. Dann war Ruhe, eine neue Ruhe, die Ruhe, die Steine und Pflanzen, Tiere und Menschen umfasste. In diese Ruhe wurde ein neues Geräusch geboren, das Greinen eines Neugeborenen.
„Ich weiß nicht", sagte der Älteste der Hirten.
„Doch", sagte einer der Jungen und stand auf. Dann noch einer und noch einer.
„Wir haben nichts. Was sollen wir geben?"
Die Jungen schüttelten die Köpfe.
„Wir stören nur..."
„Lasst uns gehen!"
„Wer bleibt bei den Tieren?"
Schweigend drehten die Jungen ab und gingen los. Bevor die Nacht sie verschluckte, erhoben sich die anderen und schlossen sich ihnen an. Kein Hauch ging, die Luft war kalt und klar. Manchmal knirschte ein Stein unter ihren Schritten, manchmal stolperten sie. Zu dunkel, um die Wolken aus Nase und Mund zu sehen. Hoch über ihnen wölbte sich die Milchstraße in dieser Nacht ohne Mond. Was taten sie hier? Keiner wusste es. Sie folgten einfach. Die Hunde trotteten mit hängenden Köpfe neben ihnen.
Schweigend und plötzlich erreichten sie den nahegelegenen Stall. Durch die Ritzen der Bretter drang spärliches Licht. Verlegen traten sie ein. Da saß die Mutter mit dem hilflosen Kind. Sie hielt es im Arm. Es reckte sich ihr entgegen. Seine Lippen fragten, die Mutter machte ein zartes Geräusch und beugte sich über das Kind, berührte seine Wangen, seinen Mund. Die winzigen Lippen wölbten sich empor. Wieder antwortete die Mutter und gab, was es suchte. Dann schlossen sich die kleinen Kiefer um die Brustwarze. Unentwegt sahen sie sich in die Augen. Die Mutter, aufgelöst von den Strapazen der Geburt, lächelte.
Als er sie kommen sah, hatte der Mann zum Stock gegriffen, dann sah er ihre Gesichter. Sie waren weich, die Augen feucht und voller Staunen. Den Stock ließ er wieder sinken.
Kapitel 2
Die Drei hatten die große Empfangshalle durchlaufen. Sie staunten über die Säulen, die ihnen griechisch vorkamen. Ihre Höhe musste zwanzig Ellen betragen. Dann kamen die Höfe. Sehr schön konnte man hier unter den Gängen wandeln. Ziegeldächer würden vor der Sommersonne schützen. Doch jetzt war Winter und sie waren froh, als sie die Bäder erreichten. Unsichtbare Feuer wärmten das Wasser in den Becken. Gerne legten die Besucher ihre Kleider ab und ließen sich mit duftenden Ölen und Essenzen einreiben. Nachdem sie ausgiebig gebadet hatten und wieder bekleidet waren, empfing sie der Monarch.
„Ich habe euch rufen lassen, weil ihr von einem neuen König sprecht."
Die vier Männer saßen im Atrium des Palastes, der König und die drei Astrologen. Sklaven boten Wein und Wasser an und hielten die Feuer in den Holzkohlebecken in Gang, deren Rauch die Luft würzte. Die drei Männer aus dem Osten hatten sich niedergelassen auf Teppichen und Kissen. Sie ließen ihre Blicke schweifen und studierten die Wandmalereien. Die verblassten mäandernden Bänder an den Säulen schienen aus älterer Zeit, während die Bilder von römischen Göttern noch frisch glänzten. Frauen in langen Gewändern pflückten Blumen, Männer lagerten halbnackt und aßen mit ausladenden Gesten Trauben, ein kriegerischer Gott schleuderte Blitze.
„Diese Bilder sind betörend, so kräftig ihre Farben, so aus dem Leben gegriffen, die Figuren, als hielten sie nur kurz inne, um gleich in ihren Bewegungen fortzufahren; die Gesichter, als würden sie gleich zu sprechen anfangen."
„Ja, der König lachte stolz und sah sich um, „das sind die Bilder der neuen Zeit. Die neue Zeit wird diese Provinz zum Blühen bringen.
„Bildnisse von Menschen im Palast des Königs der Juden."
Der Mann mit den krausen Haaren, die auch Backen und Kinn rahmten, verzog leicht den Mund. Es war besser, nicht weiter nachzufragen.
„Ich habe den großen Tempel wieder aufbauen lassen. Ich erneuere dieses Land, bringe Kunst und Kultur, Theater, Kollosseen, Errungenschaften, von denen diese Provinz nichts wusste. Wenn es sich auch wehrt, das Alte ist längst am Welken. Es verschwindet im Orkus. Der kommende Frühling wird ein anderer sein. Doch ihr seid jetzt gekommen, im Winter. Warum?"
Die Drei beobachteten diesen Mann. Bedächtig kraulte er eine schlanke Katze, die sich auf seinem Schoß eingerollt hatte. Doch sein Gesicht blieb undurchdringlich, sein Lächeln dort schien gemalt wie auf diesen Bildern. Fragend blickte er von einem zum andern.
„Ihr habt eine lange Reise unternommen, warum?"
Noch schwiegen die Astrologen. Die wohlige Wärme nach dem Bad war ihnen in der Gegenwart dieses Mannes vergangen. Sie tranken von dem Tee mit Lavendel und Hibiscus.
„Nun?"
Die Katze öffnete ihre Augen. Ohne sich zu strecken, sprang sie davon.
„Ihr habt recht. Viele Wochen waren wir unterwegs."
„Das macht man nicht ohne Nutzen. Habt ihr gefunden, was ihr gesucht habt?"
„Verzeiht, wir haben nicht gesucht, wir haben gefunden."
„Also was habt ihr gefunden?" Die Stimme wurde schärfer.
„Ein Kind, ein goldenes Kind."
„Ein Götze?"
„Nein, nicht aus Gold, ein lebendiges Kind."
„Was ist golden daran?"
„Es ist so rein, so ungetrübt, so strahlend, dass man es nur mit Gold vergleichen kann."
„Man könnte es auch mit einem König vergleichen?"
„Ihr sagt es."
Abrupt nahm Herodes eine andere Sitzhaltung ein und beugte sich vor.
„Was nun? Erzählt die ganze Geschichte und lasst mich nicht dauernd fragen."
Ein anderer sprach weiter: „Wir studieren die Mineralien und die Pflanzen, um diese Welt zu verstehen und um die Not der Menschen zu lindern. Manchmal muss etwas ins Fließen gebracht werden und manchmal muss etwas, was zu sehr strömt, besänftigt werden. Doch oft ist das Schicksal der Menschen tragisch und alle Heilmittel versagen. Dann bleiben nur die Sterne, um die irdischen Geschicke zu deuten. Wer die Sterne zu lesen vermag, dem ist es manchmal erlaubt, in die Zeitläufte einzugreifen."
Das Gesicht des Königs verriet Spannung, vielleicht Wut. Er gab einen Laut von sich, einem Knurren glich.
„Vor neun Monaten haben wir beobachtet, dass sich etwas verschiebt am Firmament. Wir warteten auf einen neuen Stern, aber zwei Sterne verschmolzen zu einem. Das war das Zeichen für uns, dass eine neue Zeit beginnt. Ihr sagt es ja selbst. Wir waren überrascht, denn wir erwarten das Neue aus dem Osten, aber dieser Doppelstern stand im Westen, wohin das Alte und die Toten gehen. So wussten wir von der Größe der Hoffnung und wir beschlossen aufzubrechen, das Wunder mit eigenen Augen zu sehen."
„Und dieses Wunder ist ein Kind", warf der König ungeduldig ein.
„Ja und nein."
Jetzt lachte der König hämisch.
„Ja, wir fanden ein Kind. Wir rechneten damit, auf ein gewaltiges Heer zu treffen oder eine Flotte, die über das Meer fliegt und neue Länder unterwirft. Wir waren vorbereitet, ein Erdbeben zu erleben oder eine Feuersbrunst, dass sich eine Insel aus der Tiefe des Meeres erhebt. Wir glaubten auf unbekannte Völker mit wundersamen Sitten zu treffen. Aber wir fanden ein Kind."
Der König zuckte bloß mit den Schultern.
„Wir waren verwundert, aber der Doppelstern, alle Orakel, alle Weissagungen, alle Träume wiesen auf dieses Kind", fuhr der Dritte fort.
„Warum waren wir Wochen gereist, um ein Kind zu finden? Wir hätten in Palmyra, woher wir stammen, hunderte finden können, in jedem Haus ein Neugeborenes. Aber da wurde uns klar, wir hatten die Strapazen der Reise auf uns nehmen müssen, um zu verstehen. Denn im Anblick des Nachbarkindes hätten wir es nicht erkannt, das Heilige, den Widerschein des Himmels. Im Anblick dieses Kindes wurden unsere irdischen Augen blind und unsere inneren Augen öffneten sich.
Wir sahen einen goldenen Himmel, darin die Planeten ihre Bahnen zogen, ein jeder in seinem Klang. Wir sahen einen Garten, inmitten ein Baum. Niedere Tiere bildeten seine Wurzeln und verbanden ihn mit der Erde und saugten ihren Saft. Eine mächtige Schlange war sein Stamm, daraus wuchsen seine Äste, Vögel und Säuger. Die Insekten waren seine Zweige. Über und über blühte der Baum und das Licht Gottes leuchtete aus ihm. Eine Frau, ganz nackt, trat an ihn heran. Ihr Mann, auch ganz unverhüllt wie Gott ihn schuf, folgte ihr. Die Frau pflückte eine Frucht des Lebens von dem Baum und reichte sie ihm. Er nahm sie und da sah er, was er ohne sie nicht sehen konnte. Ein Regenbogen zerbarst und wir und der Mann standen im inneren Kreis."
„Da sahen wir die Welt, die uns geschaffen hat."
„Auf diese Art sind alle Kinder heilig und golden. Es blieb uns nur, die Häupter zu neigen und unsere Gaben darzubringen."
Herodes stand auf und verbeugte sich: „Auch ich möchte diesem Kinde huldigen! Wo kann ich es finden?"
Kapitel 3
Eine müde Sonne quälte sich über die Berge von Jericho. Das Gesicht von Herodes konnte sie nicht erwärmen. Finster blickte er in das milde Morgenlicht. Die Nacht hatte kaum Schlaf gebracht. Eine Tür in seinem Innern war aufgegangen, eine Tür, von der geglaubt hatte, dass es sie nicht mehr gäbe. Die Königswürde hatte seine Seele in eine Straßen mit festen Mauern rechts und links verwandelt.
Jetzt war sie auf, die Tür und etwas war hinaus gekommen und griff nach ihm, dem König. Etwas Altes, etwas sehr Altes, etwas ohne Gesicht, ohne Hände. Es griff nicht nach ihm, es kam über ihn wie ein Nebel. Und er kam von hinten. Wie oft hatte er diesen Nebel schon beiseite gekämpft, wie oft der Sonne zum Durchbruch verholfen. Vergebens. Er fühlte sich schwer und kraftlos und allein, sehr allein. Schnell stand er auf und rief nach den Dienern. Sie sollten die Hohepriester bringen und