RICHTUNG SCHWEDEN 1945: Die Evakuierung von Frauen aus den Konzentrationslagern Ravensbrück und Neuengamme
Von Jan van Ommen
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Über dieses E-Book
Jan van Ommen
Født i Amsterdam, bor i Reinbek ved Hamburg. Er søn af en hollandsk modstandskvinde, der som politisk fange var interneret i bl.a. KZ-lejren Ravensbrück. Er som frivillig aktiv i museet for KZ-lejren Neuengamme, bl.a. med rundvisning af skandinaviske besøgende. Arbejdede på B&Ws skibsværft i København 1957 og fra 1959 til 1966.
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Buchvorschau
RICHTUNG SCHWEDEN 1945 - Jan van Ommen
Foto Umschlag: Gullers, KW Nordiska Museet erschienen 2020, letzte Änderungen 30.08.2023
Jan van Ommen
Richtung Schweden 1945
Die Evakuierung von Frauen aus den Konzentrationslagern Ravensbrück und Neuengamme
www.vanommen.de
Dies ist eine Übersetzung des niederländischen Originals „1945 NAAR ZWEDEN". Die Übersetzung liegt einer Initiative des Neubrandenburger Stadtarchivs zugrunde. Angeregt und editiert wurde sie von Eleonore Wolf, der Leiterin des Archivs.
Vorwort
Zum Ende des Jahres 2014 erhielt ich eine Anfrage aus den Niederlanden. Sie betraf einen Vorfall bei der Evakuierung von Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück. Henny Blok war auf der Suche nach den Umständen des Todes seiner Tante Neeltje Blok, die im April 1945 auf dem Weg von Ravensbrück nach Schweden tödlich verunglückt war. Alliierte Piloten hatten die Fahrzeugkolonnen in Norddeutschland angegriffen. Herr Blok fragte mich, weil im März 2014 in den Niederlanden ein Artikel von mir über niederländische Frauen in Konzentrationslagern erschienen war. Es betraf die Lager Horneburg und Reichenbach und Neeltje Blok war vor ihrer Rückkehr nach Ravensbrück in Horneburg gewesen. Ich habe mich zuversichtlich an die Arbeit gemacht. Schließlich wohne ich in Norddeutschland, habe gute Kontakte zur Gedenkstätte Ravensbrück, ich bin mit einer Schwedin verheiratet und wir lebten acht Jahre in Dänemark. Es ist mir nicht gelungen. Von einigen Frauen konnte ich herausfinden, wo sie starben und ihre letzte Ruhestätte fanden. Von Neeltje Blok konnte ich nicht mal herausfinden, bei welchem Vorfall sie starb und wir können nur vermuten, dass sie in Lübeck begraben wurde. Allerdings lieferte die Recherche umfangreiches Material über die Evakuierung nach Schweden von ca. 7100 Frauen aus Ravensbrück und ca. 2900 Frauen aus Hamburg sowie unbekannte Fakten über die Katastrophe in der Lübecker Bucht. Die Geschichte der Evakuierung von Ravensbrück umfasst mehr als „die Geschichte der Weißen Busse". Dieser Bericht beschreibt den tragischen Beschuss der Fahrzeuge, in denen sich die Frauen auf dem Weg nach Schweden befanden und wirft ein neues Licht auf die Rolle der verschiedenen Teilnehmer an der Rettungsaktion. Der Erfolg dieser Aktion bestand darin, dass sich die richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort befanden. Das Gelingen der Aktion war weniger das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem schwedischen Grafen Folke Bernadotte und Heinrich Himmler.
Welche Gefangenen sollten gerettet werden?
Die Statuten des Internationalen Roten Kreuzes erlauben es nicht, bestimmte Kategorien von Gefangenen zu bevorzugen.¹
Wäre dies strikt eingehalten worden, hätte niemand aus den Lagern gerettet werden können. Die Rettungsaktionen wurden im Namen des Roten Kreuzes, aber auch in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen durchgeführt. Die Skandinavier haben ihre eigenen norwegischen und dänischen Gefangenen gerettet. Darüber hinaus wurden eine große Zahl deutsch-schwedischer Flüchtlinge aus Deutschland und viele nicht-skandinavische Frauen aus Ravensbrück² nach Schweden in Sicherheit gebracht.
Das IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz in Genf) selbst hatte sich die Rettung von Kranken, Kindern und alten Menschen zum Ziel gesetzt.³ Dabei blieb das IKRK seinen humanitären Prinzipien treu, konnte aber aufgrund verschiedener Umstände⁴ weniger Gefangene retten als die Schweden (zusammen mit den Dänen). Die Prioritäten des IKRK waren nicht frei vom Einfluss Dritter, wie den Regierungen und den Institutionen im bereits befreiten Frankreich und Belgien.⁵
Letztlich wurden die Auswahl und Anzahl der zu rettenden Gefangenen weitgehend bestimmt durch das, was die deutschen Befehlshaber erlaubten und die Transportkapazität der Retter hergaben, sowie durch die begrenzte Zeit, die bis zur Evakuierung der Lager blieb.
Bernadotte⁶ und das IKRK führten unabhängig voneinander mehrere Verhandlungen mit hochrangigen deutschen Offizieren über die Freilassung von Gefangenen. Es gab eine Reihe von Verhandlungen, in denen die Deutschen Versprechungen machten, die schließlich selten eingehalten wurden. Bis zu Bernadottes Treffen mit Himmler am 21. April 1945 in Hohenlychen⁷ war - abgesehen von der Freilassung der Skandinavier - wenig erreicht worden. Am 21. April jedoch war das Spiel für Himmler aus. Die Rote Armee stand kurz vor Berlin und am selben Morgen begann die Evakuierung von Sachsenhausen, dem Konzentrationslager 60 km südlich von Ravensbrück. Am 21. April hob Himmler die Beschränkungen für Ravensbrück auf. „Nehmen Sie mit, was Sie transportieren können. Keine Prioritäten hinsichtlich der Nationalität und der Kategorie der freizulassenden Gefangenen. Als der Führer davon erfuhr, hatte dies noch Konsequenzen für Himmler, aber nicht mehr für die zu rettenden Frauen. Die Frage der Priorität war jedoch damit nicht vom Tisch. Die begrenzten Transportmöglichkeiten machten es notwendig, dass die Ausführenden Prioritäten setzen mussten. Wer dafür verantwortlich war, lässt sich nicht mehr feststellen, aber von diesem Tag an wurde überwiegend die Priorität „Frankreich - Belgien - Niederlande - Luxemburg – Polen
beibehalten. Dies zeigt sich auch an der Nationalität der Frauen, die aus Ravensbrück in Malmö ankamen.⁸ Italienisch, griechisch, russisch, ungarisch, rumänisch, jugoslawisch, tschechisch und slowakisch sind selten. Bei der Evakuierung nach Schweden aus Hamburg⁹ wurde die oben erwähnte Priorität weniger deutlich gehandhabt. Unter ihnen waren viele jüdische Frauen aus Ungarn und der Tschechoslowakei. Sowjetische Frauen scheinen in Hamburg geblieben zu sein. Die männlichen Häftlinge aus Neuengamme, die von Lübeck aus mit dem Schiff Magdalena nach Schweden fuhren, scheinen nach der Priorität „Frankreich-Benelux" ausgewählt worden zu sein.¹⁰ Die sowjetischen Gefangenen waren in der schlimmsten Lage. Sie wurden von allen Seiten im Stich gelassen.
Jüdische Gefangene
Verschiedene jüdische Organisationen und Privatpersonen haben über vielerlei Kanäle versucht, ihre eigenen Menschen zu retten: durch neutrale Regierungen, die Alliierten, das IKRK und zusammen mit Folke Bernadotte.
Eine fast unmögliche Aufgabe wegen der Unnachgiebigkeit Hitlers und seiner Getreuen. Angespornt von jüdischen Organisationen nutzte der Schweizer Ex-Bundespräsident Jean-Mary Musy seine Freundschaft mit dem SS-Mann Walter Schellenberg um Juden zu retten: sie sollten freigekauft werden. Damit hatte Musy eine Öffnung für Verhandlungen gefunden, die in der Folge auch von den Skandinaviern und dem IKRK genutzt wurde. Norbert Masur, der schwedische Vertreter des Jüdischen Weltkongresses, war eng an Bernadottes Verhandlungen mit Himmler beteiligt.¹¹ Masur handelte jedoch als Privatperson und nicht im Auftrag des Jüdischen Weltkongresses. Mit Hilfe von Felix Kersten wurde ihm versprochen, dass tausend Jüdinnen mit den Weißen Bussen Ravensbrück verlassen könnten.¹² Das Ergebnis von Kerstens (und Masurs) Bemühungen, jüdische Frauen aus Ravensbrück zu retten, ist jedoch gering. Keine Jüdin verließ Ravensbrück vor dem 21. April 1945 und so ist ihre Freilassung eher das Ergebnis des Treffens zwischen Bernadotte und Himmler in Hohenlychen. Der Deutschen General Schellenberg und Obersturmbannführer Franz Göring und der Schweizer Musy jr. widmeten sich nachweislich den Jüdinnen.¹³ Zusammen mit Kersten hielten sie Himmler zumindest davon ab, weiter Böses anzurichten. Am 18. April scheint Himmler für das Lager Flossenbürg angeordnet zu haben, dass kein Häftling lebend in die Hand des Feindes fallen dürfe.¹⁴ Besonders in den Niederlanden, wo Kersten sogar für den Friedensnobelpreis nominiert war, wog die Ernüchterung schwer. Inzwischen ist jedoch fast alles, was Kersten selbst (und seine Sekretärin) zu seinem Ruhm beigetragen hat, in Frage gestellt worden. Auch der so genannte „Vertrag für die Menschlichkeit".
Um die Getreuen Hitlers nicht herauszufordern, wurden die Jüdinnen aus Ravensbrück und Malchow als Polinnen „deklariert". Jüdische Frauen mit z.B. französischer, belgischer oder niederländischer Nationalität reisten ebenfalls nach Schweden.
Was die dänischen und norwegischen Juden betrifft: Die Deutschen waren überrascht, dass die Skandinavier ihre Juden zurückhaben wollten.¹⁵ Die dänischen Juden aus Theresienstadt wurden mit Weißen Bussen nach Schweden gebracht. Von den etwa tausend deportierten norwegischen Juden waren bloß noch etwa 100 am Leben. Man hatte sie aber nicht finden können und sie sind erst nach Kriegsende aufgetaucht.
Es ist schwer abzuschätzen, wie viele jüdische Frauen schließlich aus Ravensbrück gerettet wurden. Bei der Evakuierung einer Reihe von Häftlingen aus dem Außenlager Malchow nach Schweden¹⁶ - eine Evakuierung, die erst in letzter Minute realisiert werden konnte - wurden hauptsächlich jüdische Frauen berücksichtigt. Während der Evakuierung der Niederländerinnen aus Ravensbrück traf dort eine Gruppe jüdischer Frauen ein, die sofort nach Schweden mitgenommen wurden.¹⁷
Die Rettung
Die große Evakuierung von Ravensbrück nach Schweden wurde am Samstag, den 21. April 1945 eingeleitet.¹⁸ Folke Bernadotte und Heinrich Himmler trafen sich in Hohenlychen nördlich von Berlin und während des Frühstücks beschließt Himmler, dass alle noch in Ravensbrück anwesenden Frauen nach Schweden ausreisen können.¹⁹ In der Folge wurde der SS-Mann Franz Göring²⁰ von General Schellenberg²¹ angewiesen, sich zur Umsetzung des Beschlusses nach Ravensbrück zu begeben. Göring traf in Begleitung von Musy jr²² am 22. April mittags in Ravensbrück ein, fast zeitgleich mit dem schwedischen Arzt Hans Arnoldsson²³ und Rittmeister Ankarcrona. Sie waren gekommen, um kranke französische Frauen abzuholen.²⁴ Dieser Transport sowie zwei frühere Transporte²⁵ waren bereits vor der Entscheidung vom 21. April in Hohenlychen vereinbart worden. Ebenfalls am 21. April waren deutsche, tschechische und österreichische Frauen, zusammen etwa 60, aus unbekannten Gründen kurzfristig aus Ravensbrück entlassen worden.²⁶
Unmittelbar nach den Anweisungen von Schellenberg setzte sich Göring²⁷ mit den Schweden in Verbindung. Er sollte verhindern, dass die bereits zuvor eingesetzten schwedischen Weißen Busse, nach Schweden zurückfuhren. Am 21. April standen noch zwei schwedische Kolonnen zur Verfügung. Eine Kolonne hatte kürzlich dänische Juden von Theresienstadt nach Kopenhagen gebracht und die Evakuierung der in Neuengamme versammelten skandinavischen Gefangenen nach Dänemark war gerade abgeschlossen. Offenbar hatten die schwedische Transportleitung die Nachricht jedoch schon von Bernadotte erfahren, denn der erste Konvoi Weißer Busse unter Leitung von Svenson fuhr bereits am 22. April um 6 Uhr morgens von Padborg nach Ravensbrück.²⁸ Der Konvoi für den Transport französischer Frauen unter der Leitung von Arnoldsson startete noch von Friedrichsruh. Etwa zur gleichen Zeit wurde das Hauptquartier der „Aktion Bernadotte" von Friedrichsruh bei Hamburg nach Lübeck verlegt.²⁹ In Lübeck befand sich eine schwedische Kirche, eine Zweigstelle des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) und den Hafen für die Versorgungsschiffe des Roten Kreuzes.
Als Arnoldsson und Ankarcrona in Ravensbrück ankamen, teilte ihnen der Lagerkommandant Suhren mit, dass sie alle Französinnen, Niederländerinnen, Belgierinnen und Polinnen mitnehmen könnten. Wegen der enormen Anzahl von Frauen einerseits und der begrenzten Transportkapazität andererseits wurde beschlossen, dass die gesunden Frauen zu Fuß nach Malchow gehen sollten. In Malchow, etwa 65 km westlich von Ravensbrück, gab es ein Außenlager von Ravensbrück. Dies bedeutete, dass die Entfernung nach Lübeck um 65 km verkürzt und die Entfernung zu der vorrückenden Roten Armee um