Herr Rechtsanwalt, Herr Linksanwalt
Von Christina Geberg
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Buchvorschau
Herr Rechtsanwalt, Herr Linksanwalt - Christina Geberg
Christina Geberg
Herr Rechtsanwalt, Herr Linksanwalt
Roman
Text: © Copyright by Christina Geberg
Umschlaggestaltung: © Christina Geberg, Shutterstock & spark.adobe
Verlag:
Christina Geberg
christina.geberg@gmail.com
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
§1
Haben Sie schon den neuen Rechtsanwalt gesehen? Klara Bergmann sah ihre Kollegen erwartungsvoll an. „Auf der anderen Straßenseite ist zwar eine Werbetafel mit seinem Gesicht, aber… Hach, ich kann mir da nicht helfen, ich bin in solchen Sachen viel zu neugierig! Es interessiert mich wirklich, wie er in Person so ist.
Klaras ältere Kollegin Uta Meier, die es nicht mehr weit bis zur Rente hatte, hielt mit der Erstellung einer Excel-Tabelle inne und überlegte. „Nein. Eigentlich ziemlich seltsam, oder? Vor vier Wochen haben die Arbeiten nebenan aufgehört und drei Tage später hatte der Gute bereits so viel Post im Briefkasten, dass alles aus dem Schlitz quoll. Trotzdem haben wir ihn seitdem keinmal gesehen. Vielleicht einer von der Sorte, die sich prinzipiell einigelt."
Nicole Klinger hielt sich aus dem Gespräch ganz raus; sie konzentrierte sich auf die Buchführung, die sie vor ihrer Mittagspause fertig haben wollte. Doch auch sie war dem Rechtsanwalt keinmal begegnet. Die von Klara erwähnte Werbetafel war Nicole bisher nicht einmal aufgefallen.
Die Chefin, Martina Koch, kam aus ihrem Büro heraus und legte die Postmappe mit unterschriebenen Anschreiben auf Klaras Arbeitsplatz ab. Sie hatte das Gespräch zwischen Klara und Frau Meier mitbekommen und da sie sehr gerne mit ihren Mitarbeitern plauderte, sagte sie: „Ich habe ihn tatsächlich zweimal gesehen. Einmal sind wir gemeinsam im Fahrstuhl gefahren, das andere Mal sind wir uns in der Bank begegnet."
Klara Bergmann wirkte, als müsste sie sich in wahnsinniger Zurückhaltung üben, um ihre Chefin nicht mit Fragen zu bombardieren.
„Nun ja, sagte Martina Koch mit vor der Brust verschränkten Armen, „das ist ein Großer, Schlanker. Immer im Anzug, trägt eine Krawatte mit Paragraphenzeichen und seine Haare zu einem Zopf. Strafverteidiger eben. Entweder sie sind sehr angepasst oder alternativ. Herr Rausch scheint mir mit seinen langen Haaren und seiner ulkigen Paragraphenkrawatte Letzteres zu sein. Ich bilde mir übrigens die ganze Zeit ein, dass ich seinen Namen von irgendwoher kenne…
Klara Bergmann seufzte entzückt, so als hätte man ihr gerade aus einem kitschigen Groschenroman vorgelesen. Zu gerne hätte sie einer offiziellen Vorstellung, wie sie der Orthopäde aus dem zweiten Stock vor zwei Jahren organisiert hatte, beigewohnt, um Christian Rausch näher kennenzulernen.
Martina Koch ging zurück in ihr Büro und schloss die Tür, um in Ruhe mit einem Mandanten zu telefonieren. Ihre Mitarbeiter widmeten sich wieder ihren Aufträgen.
Klara und Frau Meier arbeiteten in Teilzeit. Nicole arbeitete als Einzige in Vollzeit und ihr stand eine einstündige Pause zu. Es mache ihr nichts aus, sagte Nicole immer, dass sie so viel arbeite. Sie finde sowohl innerhalb der Woche als auch am Wochenende Zeit für ihre privaten Vergnügen.
Dass es ihr nichts ausmachte, war nur die halbe Wahrheit. Für Nicole gab es nämlich schlicht und ergreifend keinen Grund, um mit den Stunden herunterzugehen. Sie war Single. Ihre zweite und letzte Beziehung, die ihr viel abverlangt hatte, war drei Jahre her und seitdem war Nicole mit der lieben Männerwelt überhaupt nicht in Berührung gekommen. Wann immer es in Mädelsrunden um Männer ging, hatte sie nichts beizutragen und hörte nur zu. Während Klara Bergmann auf Flirtportalen angemeldet war und auch Speed-Dating ausprobiert hatte, um potenzielle Partner kennenzulernen – sie erzählte gerne und viel, was sie auf Portalen und Treffen so alles erlebte –, tat Nicole alles, um ja keine Männer kennenzulernen. Sprich: Sie tat nichts. Ihre Kollegen wussten, dass sie seit drei Jahren Single war. Nicole war achtundzwanzig. Als sie neunzehn Jahre alt gewesen war, da hatte sie mit fünfundzwanzig Jahren verheiratet sein und mit achtundzwanzig ein Kind haben wollen. Nicole würde in zwei Monaten, am fünfzehnten Juli, neunundzwanzig werden. Sie war nicht verheiratet. Nicht einmal verlobt. Nicole hatte nicht einmal einen Partner.
Nicht, dass Nicole mit der Männerwelt abgeschlossen hätte. Sie wollte, um Himmels Willen, nicht alle Männer über einen Kamm scheren. Allerdings wehrte sich alles in ihr gegen Männer und Beziehungen. Sie war froh, sich dafür entschieden zu haben, einige Jahre nach der Ausbildung vorerst in Vollzeit zu arbeiten; die Arbeit hatte sie nach der Trennung von ihrem Ex-Partner aufgefangen und sie von ihrer Trauer abgelenkt.
„Schönen Feierabend demnächst, wir sehen uns morgen!" Es war dreizehn Uhr und Uta Meier musste ihren Zug kriegen.
„Schönen Feierabend, Frau Meier." Nicole lehnte sich auf ihrem Drehstuhl mit zufriedener Miene zurück und streckte sich. Sie hatte die Buchführung tatsächlich vor der Pause geschafft und verpasste sich selbst einen mentalen Schulterklopfer. Wenn sie etwas gut konnte, dann war es ihre Arbeit. Sie hatte das Glück, sofort im richtigen Beruf gelandet zu sein. Nicole war stets sehr interessiert gewesen am Ausbildungsinhalt und Soll und Haben waren für sie seit der ersten Stunde ein Klacks.
Nicole stand auf und öffnete das Fenster auf ihrer Seite, das auf einen klaren blauen Maihimmel ging. Von unten strömte der Geruch von Essen empor, der Nicole das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Unten befand sich das italienische Restaurant, wo das gesamte Kanzleiteam jedes Jahr im Januar anstelle einer Weihnachtsfeier gemeinsam essen ging.
Die letzten Male hatte Nicole sich Essen von Zuhause mitgebracht, das sie am Abend zuvor vorbereitet hatte. Das Mittagessen für heute hatte sie zu Hause vergessen. Sonderlich dramatisch war es nicht, da die Kanzlei im Zentrum der Stadt lag und man alles kriegen konnte, was der Magen begehrte.
„Wenn Sie noch ein wenig dableiben, dann bis gleich, richtete Nicole das Wort an Klara Bergmann, die freiwillig Überstunden machte, wenn sie etwas nicht schaffte. „Wenn nicht, wünsche ich Ihnen einen schönen Feierabend und bis morgen.
Zwei Straßen weiter gab es eine Backstube, die Nicole unregelmäßig frequentierte. Sie gesellte sich zu der Menschentraube, die an der Ampel auf grünes Licht wartete, und da fiel ihr die Werbetafel auf, die im Schatten des Marienhotels lag. Die Tafel zeigte das Gesicht eines Mannes über dreißig. Er hatte dunkelblondes, schulterlanges Haar, einen vollen Bart, graublaue Augen und außerordentlich dichte Brauen, die ihm beinahe in die Augäpfel hingen. Eine tiefe Linie teilte seine Stirn in Zwei und zwischen seinen Augenbrauen verliefen drei vertikale Striche. Der Mund war zusammengekniffen. Der Mann wirkte streng, humorlos und – ja, tatsächlich – böse.
Christian Rausch – Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht, Strafverteidiger war auf weißem Grund unterhalb des vergrößerten Fotos zu lesen.
Nicole presste die Lippen fest aufeinander, wie um Christian Rausch nachzuahmen. Amüsiert holte sie ihr Handy heraus, fotografierte die Werbetafel ab und schickte das Foto an eine Freundin. Nur kurz darauf nahm sie eine Audionachricht auf: „Rechtsanwalt für Strafrecht, ha. Der Kerl sieht selbst so aus, als hätte er jemanden auf dem Gewissen. Die Augenbrauen sind wirklich eine Katastrophe." Nicole kicherte und ließ ein paar weitere Sprüche vom Stapel, die ihr in den Sinn kamen.
Die Ampel sprang auf Grün und Nicole ging, gemeinsam mit den anderen, an den stehengebliebenen Autos vorbei über die Straße.
Mit einem belegten Brötchen in der Hand machte es sich Nicole an einem freien Tisch am Fenster bequem. Während sie aß, sah sie ab und zu auf das Display ihres Handys. Als sie aufsah, stand am Eingang zur Bäckerei niemand Geringeres als Christian Rausch.
Na sowas, dachte Nicole bei sich und ließ das Handy sinken. Nicoles Verwunderung intensivierte sich, als er die Backstube betrat und seinen strengen Blick auf sie richtete. Er visierte sie an wie ein Jäger, kam auf sie zu und Nicole lehnte sich zurück wie nach einem Instinkt handelnd.
Christian Rauschs Gesichtsausdruck wirkte noch boshafter als auf der Werbetafel und für einen Moment bekam es Nicole tatsächlich mit der Angst zu tun, weil er in persona wie ein echter Verbrecher in erlesener Garderobe aussah. Jetzt erst schluckte sie ihr zerkautes, speichelumflossenes Essen hinunter und starrte den Mann vor sich an, der um die einen Meter neunzig groß war. Nicole war, als wollte er etwas sagen. Doch urplötzlich, als hätte man einen Hebel umgelegt, wandte er sich ab und tätigte kurz darauf eine Bestellung.
Meine Güte… Was war denn bitte das für eine Aktion gewesen? Hatte Rausch etwa mitbekommen, was sie in der Audio an ihre Freundin über ihn gesagt hatte? Nein, das konnte nicht sein. Andererseits war es sehr gut möglich, wenn man bedachte, dass er kurz nach ihr die Backstube betreten hatte. Vielleicht hatte er an der Ampel unmittelbar hinter ihr gestanden…
Rausch nahm seine Bestellung entgegen und wandte sich Nicole zu. Abermals machte er den Eindruck, etwas sagen zu wollen, doch er entschloss sich, wiederholt darauf zu verzichten. Er verließ die Backstube und Nicole sank auf ihrem Stuhl zusammen. Es gab keinen Zweifel daran, dass er an der Ampel hinter ihr gewesen war und alles gehört hatte. Peinlich berührt bedeckte Nicole ihre Augen mit der Hand. Himmel, warum musste das ausgerechnet ihr passieren?
Der Appetit war ihr vergangen, aber weil sie hungrig war und wollte, dass ihr Kopf gleich funktionierte, wenn sie den Jahresabschluss machte, aß sie das Brötchen auf. Was geschehen war, war ihr hochgradig peinlich und unangenehm. Sollte sie den Rechtsanwalt bei Gelegenheit darauf ansprechen und sich bei ihm entschuldigen? Sie hätte die Audio nicht aufnehmen sollen. Aber dafür war es nun zu spät. Würde eine Entschuldigung überhaupt etwas bringen? Wahrscheinlich hatte er sie in seinem Gehirn als eine oberflächliche Ziege abgespeichert.
Nicole seufzte und tippte mit dem Fingernagel gegen den Tisch. Nun, sie hatte den Mann heute das erste Mal in vier Wochen gesehen. Es war purer, unglücklicher Zufall gewesen, dass er sich heute hinter ihr befunden hatte, und vielleicht würde sie ihn einen Monat lang nicht sehen. Christian Rausch schien gefragt und vielbeschäftigt zu sein. Mit Sicherheit würde er das Ganze nach einem Monat wieder vergessen haben.
§2
Eine Betriebsprüfung stand demnächst an und der Mandant hatte Nicole und ihrer Chefin am Freitagnachmittag einen großen Karton voller Ordner gebracht. Heute war Montag und Nicole stand bereits kurz nach sieben vor der Kanzlei. Mit gerunzelter Stirn suchte sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel. Nicole wollte es einfach nicht glauben, dass sie ihn zu Hause vergessen hatte. Wütend über sich selbst hockte sie sich hin und kippte den gesamten Inhalt der Tasche auf den Boden aus. Slipeinlagen, Nagellack, der schon längst vertrocknet war, ein Notizblock mit kitschigem Motiv, Hausschlüssel mit einer plüschigen Katze als Anhänger und viele andere Dinge bildeten im Nu einen kleinen See, den Nicole mit beiden Handflächen teilte und dann alles einmal umdrehte. Von dem Schlüssel fehlte jede Spur. Das war ihr noch nie passiert. Nicole biss sich frustriert auf die Lippe. Großartig.
Klara kam stets viertel vor acht. Bis dahin war es noch eine halbe Stunde und Nicole musste dringend zur Toilette. Die Schlüssel für den Briefkasten und die Toilette, die die Kanzlei Koch mit den anderen auf der Etage teilte, lagen auf der Theke in der Küche. Der eisernen Stille nach zu urteilen war Nicole die Erste hier. Möglicherweise war sie als Erste überhaupt gekommen. Sie würde zum Hauptbahnhof gehen und dort eine Toilette aufsuchen müssen.
Nicole wollte gerade damit beginnen, die ausgeschütteten Gegenstände missgestimmt wieder in ihre Tasche zu packen, als sie den Fahrstuhl hörte und dann das Klackern von Absätzen. Es waren allerdings keine Frauenschuhe, die das Klackern verursachten. Christian Rausch hielt vor der Tür zu seiner Kanzlei inne und sah zu Nicole herüber.
Sie blinzelte. Dann stellte sie fest, dass sie nach wie vor breitbeinig hockte und ihr gelber Rock ein ordentliches Stück weit hochgerutscht war. In der einen Hand hielt sie zwei Slipeinlagen, in der anderen ihren Hausschlüssel mit dem Katzenanhänger. Nicole schnappte hörbar nach Luft, presste die Oberschenkel zusammen und versteckte die Einlagen und den Anhänger hinter ihrem Rücken, während sie versuchte, auf ihren flachen Schuhen nicht nach hinten zu kippen. Ihr Unterleib begann zu spannen. Schief lächelnd, hinreichend rosa um die Nase, sagte sie dann: „Guten Morgen."
„Guten Morgen", antwortete der Anwalt kühl und blickte dabei skeptisch drein.
Weil sie es nicht mehr in der Position aushielt, stopfte Nicole den Inhalt ihrer Hände seitlich in die Tasche, richtete sich unbeholfen auf und strich ihren Rock glatt. „Mein Name ist Klinger, Nicole Klinger. Ich arbeite in der Kanzlei Koch und habe den Kanzleischlüssel daheim vergessen."
Jetzt erst betrachtete sie Christian genau: Um sein Haar schlang sich im Nacken ein Zopfgummi, er trug ein weißes Hemd, dazu eine Krawatte mit Paragraphenzeichen und dunkelblaue Hosen; über seine linke Armbeuge hatte er seinen Sakko geworfen.
Weil Christian sie immer noch ansah, fügte sie zu ihrer Erklärung nervös hinzu: „Das passiert mir für gewöhnlich nicht. Das Herz klopfte unruhig in ihrer Brust und sie hatte den Eindruck, dass er sie mit seinem stumpfen Blick dazu zwingen wollte, sich zum Donnerstag zu äußern. Sie hatte nicht das Gefühl, dass es ein guter Zeitpunkt war. Nicole war nicht vorbereitet. „Ehm… Mir ist das wirklich sehr peinlich, Herr Rausch, aber… könnten Sie mir, eventuell
, Nicole druckste kurz herum, „die Toilette aufmachen?" Ihr Gesicht glich einer Tomate und sie senkte beschämt und mit glühenden Ohren den Kopf.
„Ich verstehe. Das kann ich gewiss, erwiderte Rausch wie ein Kind, das die höfliche Indirektheit geflissentlich missverstand, und öffnete die Tür zu seiner Kanzlei, „aber ich werde es nicht tun. Entschuldigen Sie mich.
Verwirrt starrte Nicole auf die Stelle, wo der Anwalt eben noch gestanden hatte. War das etwa seine Rache an ihr? Nie und nimmer würde sie es jetzt noch bis zum Hauptbahnhof schaffen! Nie und nimmer!
Mit zusammengepressten, zitternden Schenkeln ging Nicole zum Aufzug; an Treppensteigen war nicht zu denken. Voller Ungeduld trat sie auf der Stelle. Nicole war im Aufzug, noch bevor die Türen vollständig aufgeglitten waren. Mehrere Male tippte sie auf den Knopf mit der Letter E drauf und betete, dass alles gut gehen würde.
Im gegenüberliegenden Hotel bat sie die junge Dame an der Rezeption darum, die Toilette zu benutzen. Das kostete Überwindung, es war schließlich ein Luxushotel, in welchem schon Schauspieler und Präsidenten übernachtet hatten.
Erleichtert ging Nicole auf die Straße. Dort oben sein wollte sie jetzt nicht. Erstens hatte es keinen Sinn, zweitens wollte sie Christian Rausch nicht begegnen, falls es ihm einfiele, vor die Tür zu gehen. Aus diesem Grund beschloss Nicole, einen kleinen Spaziergang zu machen und gegen Viertel vor acht wieder hier zu sein, hoffend, dass sich Klara heute nicht krankmelden wollte.
Hatten Christian ihre Worte tatsächlich derart gekränkt? Sie war seitdem nicht mit sich selbst im Reinen gewesen. Sie gehörte zu den Menschen, die das schlechte Gewissen wochenlang verfolgen konnte. Aber blöde Sprüche, die witzig sein sollten, waren doch kein Grund, ihr nicht die Toilette zu öffnen!
Nicole blieb stehen und zwang sich zur Ruhe. Sie wollte nicht darüber nachdenken, so empört sie im Nachhinein über das Verhalten des Rechtsanwalts auch sein mochte. Sie hoffte, dass sie und Herr Rausch nun quitt waren und es kein böses Blut zwischen ihnen geben würde.
§3
Nicole und Christian begegneten sich die restliche Woche und am Montag nicht.
Am Dienstag rollte Nicole einen Bürowagen voller Ordner Richtung Fahrstuhl. Die Ordner mussten alle im Keller archiviert werden, damit die Aktenschränke nicht mehr so übervoll waren.
Der Fahrstuhl war laut Anzeige im vierten Stock, da kam Christian aus seiner Kanzlei heraus. Seine Tür war dem Aufzug am nächsten und er entdeckte Nicole sofort.
„Guten Tag", grüßte sie den Rechtsanwalt und lächelte ihn an. Durch den Größenunterschied von etwa dreißig Zentimetern musste sie den braunen Lockenkopf heben.
Christian duftete nach einer intensiven Komposition aus Patschuli, Rose und Veilchen. Für einen Augenblick wurde Nicole ganz schummerig von diesem Duft, der zu ihr hinüberschwappte. Ein schöner Winterduft, aber an solchen warmen Tagen ein absoluter Nasenkiller und Kopfschmerzenverursacher.
Christian, die Haare wieder zum Zopf, der Bart zwar gepflegt, aber dicht, ganz in Schwarz und Weiß gekleidet, grüßte halbherzig zurück. Seine Paragraphenkrawatte, an der er sich einen Narren gefressen zu haben schien, war wieder mit von der Partie.
Erst schob Nicole den Wagen in den Aufzug. Christian folgte und betätigte über den Wagen hinweg die Taste ins Erdgeschoss. Um in den Keller zu gelangen, war eine Schlüsseldrehung erforderlich. Nicole drehte den Schlüssel und drückte auf das Untergeschoss. Eigentlich müsste das Quadrat jetzt rot leuchten. Das tat es aber nicht. Verwirrt wiederholte Nicole die nötige Prozedur, doch auch beim zweiten und beim dritten Mal klappte es nicht. Verärgert zog Nicole den Schlüssel heraus und untersuchte ihn wie ein außergewöhnliches Artefakt. Dabei stellte sie fest, dass der Schlüssel ein wenig anders aussah als sonst. War er etwa erneuert worden und Frau Koch hatte vergessen, es ihnen zu sagen? Musste sie also anders vorgehen?
Christians Duft schnürte ihr in diesem engen Raum allmählich die Kehle zu.
„Kriegen Sie es nicht hin, gleichzeitig zu drehen und zu drücken, Frau Klinger?"
Nicole zuckte kurz zusammen und schielte zu Christian hinüber. Das Ganze war ihr auch so schon peinlich genug und der Kerl meinte auch noch, seinen Senf dazugeben zu müssen. Sie versuchte es noch einmal vergeblich im Alleingang und hörte, wie Christian Rausch laut, damit sie es ja hörte, mit der Zunge schnalzte. Oh, sie hasste es, wenn Menschen das machten.
Nicole wandte sich dem Rechtsanwalt zu. „Der Schlüssel ist neu, sagte sie, um einen neutralen Ton bemüht. „Ich muss noch rausfinden, wie er fun-
„Geben Sie ihn mir", schnitt Christian ihr das Wort ab und streckte die Handfläche aus.
Das herrische Gebaren des Rechtsanwalts gefiel ihr überhaupt nicht. Plötzlich konnte Nicole ihren Wunsch, sich bei ihm zu entschuldigen, und das schlechte Gewissen, das sie geplagt hatte, nicht verstehen. Dennoch gab sie ihm den Schlüsselbund. Mach’s doch besser, dachte sie gereizt und wünschte, dass er scheiterte.
Christian schaffte es, dass das Quadrat mit dem Buchstaben U aufleuchtete.
Mit heruntergeklappter Kinnlade nahm Nicole den Schlüsselbund wieder entgegen.
„Wenn Sie sehen, dass Ihr Modus Procedendi dreimal hintereinander scheitert, sollten Sie sich etwas anderes einfallen lassen. Das ist eine Frage der fundamentalen Intelligenz, über die wir Menschen eigentlich schon seit geraumer Zeit verfügen."
Sie wollte ihn mit seiner Paragraphenkrawatte strangulieren. Oder ihm mit dem Umsatzsteuerrecht inklusive der Durchführungsverordnung und dem Anwendungserlass links und rechts eine scheuern, dass ihm Hören und Sehen vergingen. Alternativ das kommentierte Einkommensteuerrecht – Hauptsache etwas, das wehtat.
Der Aufzug blieb stehen und Christian ging schnellen Schrittes hinaus, ohne sich zu verabschieden. Nicole fuhr eine Etage tiefer und schob den Wagen wütend durch die Gänge des Kellers. Es war kühl und roch nach Moder und dieser Geruch tat gut, denn er vertrieb Christians penetrantes Parfüm aus ihren armen Nasenhöhlen.
„Kriegen Sie es nicht hin, gleichzeitig zu drehen und zu drücken, Frau Klinger?, äffte sie vor der Tür in den Kellerraum Christian Rausch nach, während sie den Schlüsselbund nach dem richtigen Schlüssel absuchte. „Geben Sie mir den Schlüssel!
Sie schnaubte. „Modus Procedingsbums, eine Frage der fundamentalen Intelligenz, bah!"
Nicole begann mit der Sortierung der Aktenordner und powerte sich aus. Wie sie es geschafft hatte, sich im Aufzug zu beherrschen, wie sie es geschafft hatte, insbesondere auf seinen finalen Kommentar nichts zumindest unterschwellig Beleidigendes zu erwidern, wusste sie nicht.
Eine halbe Stunde später waren Christian und Nicole wieder gemeinsam im Aufzug. Nicole vermutete, dass er bei der Bank gewesen war. Die Entschuldigung konnte Herr Rechtsanwalt vergessen, ebenso das freundliche Grüßen. Hätte sie