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Am Anfang war die Dunkelheit
Am Anfang war die Dunkelheit
Am Anfang war die Dunkelheit
eBook412 Seiten5 Stunden

Am Anfang war die Dunkelheit

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Über dieses E-Book

Der Strom ist ausgefallen. Nichts funktioniert mehr. Nirgendwo. Und niemand weiß etwas. Schon gar nicht darüber, was den Anfang der Dunkelheit ausgelöst hat. Auch Jakob Jedermann nicht. Aber er weiß, dass er sich einiges einfallen lassen muss, damit er zusammen mit seiner Frau Anna und ihrer gemeinsamen Tochter Lucy in dieser neuen Welt überlebt.
"Die Welt hatte sich von heute auf morgen und von einem Augenblick zum anderen geändert und wir bemerkten nicht, was da passiert war. Niemand bemerkte es. Dafür hofften und hofften und hofften und hofften und hofften wir. Und als wir im Begriff waren, damit aufzuhören, gaben wir uns gegenseitig einen Ruck und hofften weiter, aber das änderte nichts. Wir mussten uns ändern."
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. Dez. 2017
ISBN9783742762870
Am Anfang war die Dunkelheit
Autor

Björn Täufling

Der Autor wurde in Offenbach/Main geboren. Er hat Philosophie, Germanistik und Psychologie in Gießen und Genua studiert und arbeitet als Werbetexter und Konzeptioner in einer Werbeagentur.

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    Buchvorschau

    Am Anfang war die Dunkelheit - Björn Täufling

    eins.

    Am Anfang

    war die

    Dunkelheit

    Björn Täufling

    chapter1Image1.jpeg

    Impressum

    Texte: © Copyright by Björn Täufling

    Umschlaggestaltung: © Copyright by Dominik Hübner und Frauke Uihlein

    Herr Lich Werbeagentur

    Illustrationen: © Copyright by Björn Täufling

    Verlag: Björn Täufling

    Kolbenmühle 1

    35305 Grünberg

    bjoern.taeufling@gmx.net

    Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

    Printed in Germany

    Für Lilly, deren Geschichte

    gerade erst begonnen hat.

    eins.

    Wie es angefangen hat?

    Als der Strom ausfiel und damit das Ereignis begann, das mein Leben und das aller anderen für immer verändern sollte, maß ich dem zuerst keinerlei Bedeutung zu. Warum auch? Es war ein unliebsamer Zwischenfall, so, wie sie eben von Zeit zu Zeit vorkommen – dachte ich. Es konnte ja keiner ahnen, dass es sich nicht um einen vorübergehenden Stromausfall handelte! Die Welt hatte sich von heute auf morgen und von einem Augenblick zum anderen geändert und wir bemerkten nicht, was da passiert war. Niemand bemerkte es. Dafür hofften und hofften und hofften und hofften und hofften wir. Und als wir im Begriff waren, damit aufzuhören, gaben wir uns gegenseitig einen Ruck und hofften weiter, aber das änderte nichts. Wir mussten uns ändern.

    Doch wir taten es nicht. Stattdessen hüteten wir emsig das kleine Flämmchen Hoffnung, ja, wir wärmten uns daran, wir versuchten es zumindest und ließen es nicht ausgehen, wie die Dummen hockten wir darum und schwuren ihm naiv die Treue bis zu dem Zeitpunkt, da der Orkan »Information« endgültig über uns alle hereinbrechen und unsere Ungewissheit ersticken sollte, die allein das Flämmchen an seinem kümmerlichen Leben hielt. Instinktiv wussten wir, dass er kommen würde. Dass er kommen musste. Aber er kam nicht. Und daher sprachen wir auch nicht über ihn. Wir hofften lieber. Und das war gut so.

    Jedenfalls, es war mitten am Tag und wir standen plötzlich in der Dunkelheit. Zack – Licht aus.

    Anna, meine Frau, und ich hatten an der Kasse im Supermarkt gerade unsere Einkäufe bezahlt und ich lenkte den Einkaufswagen vorbei an einem Stand mit Schulheften und aufgestellten Schuhkartons – die Schuhe waren im Angebot, die Riemchen-Sandalen wurden gerade zu Spottpreisen verscherbelt, um Platz für die Herbst-/Winterkollektion zu schaffen – daran erinnere ich mich noch. Anna ging neben mir und kramte dabei in ihrer Handtasche. Dann machte es »klick« – und das Licht war weg.

    Das Licht.

    Am Anfang war das Licht, heißt es in der Bibel, und das glaube ich auch. Aber was diese Geschichte angeht, da war es anders.

    Ganz anders.

    Da war am Anfang die Dunkelheit. Das Licht und die Dunkelheit sind so ziemlich die einzigen beiden Dinge, die plötzlich da oder weg sein können, glaube ich. Jedenfalls: Die Dunkelheit, die in unserem Rewe-Markt unversehens aufgetreten war, zog ein Stöhnen nach sich: Huuughhh – von hinten an der Wursttheke kam es über die Regale mit Kaffee über die mit Marmelade und Müsli über die mit Delikatessen zu denen mit Knabbereien und von da übers Klopapier zu den Kühltruhen mit Pommes und Pizza vorbei an den Zeitschriften zu den Kaugummis und dem Tabak an den Kassen direkt zu uns – huuughhh.

    Und wir stimmten mit ein: Huuughhh.

    Vom Haupteingang griff sachte noch etwas Tageslicht in die Dunkelheit. Immerhin so viel, dass ich Schatten wahrnehmen konnte. Solche, die schnell vorbeihuschten und solche, die sich dafür entschieden, besser dort zu verharren, wo sie waren. Sonst aber war es dunkel. So dunkel, dass ich mit meinem Einkaufswagen fast in die Schuhkartons gefahren wäre. Anna erschrak.

    »Was ist denn jetzt los?«

    »Ein Stromausfall«, sagte ich und blieb stehen.

    »Wo bist du? Warte!«

    Sie klang nervös. Irritiert.

    »Eben war ich noch direkt vor dir. Geh langsam vorwärts und strecke dabei am besten deine Arme nach vorne, nach mir aus.«

    »Siehst du was?«

    Ich tastete nach ihr mit meiner Hand, fand sie und griff sie sachte am Arm.

    »Bist du das?

    »Schau, da vorne ist der Ausgang.«

    »Ja, jetzt sehe ich’s.«

    »Pass auf, rechts vor mir stehen Schuhkartons.«

    »Ja, ich sehe sie.«

    Der Notstrom ging an. Kleine rote Lampen verscheuchten die Dunkelheit und Anna und ich gingen eilig zum Ausgang. Immer noch von dem soeben Geschehenen irritiert, packten wir unsere Einkäufe in ihren kleinen roten Clio und fuhren los. Wie heiß es an jenem Tag war! Anna fuhr den Wagen und starrte dabei konzentriert auf den Verkehr, der vor uns kein Ende zu nehmen schien. Es war 13:43 Uhr. Ich erinnere mich deshalb noch an die Uhrzeit, weil ich die Uhr in Annas Auto gerade auf Sommerzeit umgestellt hatte, denn sie stand, obwohl wir bereits September hatten, immer noch auf Winterzeit. Die meisten Frauen ignorieren so Sachen wie die Umstellung von Uhren in Autos. Meine jedenfalls tat das. Und stolz, wie sie war, fragte sie mich auch nicht, ob ich sie ihr umstellen könne.

    »Haben wir jetzt eigentlich Eier gekauft?« fragte sie, während sie in den Dritten schaltete.

    »Pass auf, da vorne!«

    »Ich fahre – okay?«

    »Standen die auf dem Zettel?«

    »Was?«

    »Die Eier.«

    »Nee, die sind mir erst später eingefallen.«

    »Also, wenn du keine in den Einkaufswagen gelegt hast – ich habe keine mitgenommen.«

    »Und mit was backe ich dann morgen den Kuchen, wenn meine Eltern kommen?«

    »Dann gibt’s eben Eis – Eis haben wir doch gekauft.«

    »Wir holen im Dorf welche …«

    Anna bremste. Aus dem Fenster heraus beobachtete ich die Fußgänger auf dem Bürgersteig. Einige von ihnen waren stehen geblieben und zeigten in unterschiedliche Richtungen. Autos neben uns, vor uns, hinter uns. Überall Autos. Und keines bewegte sich, einzig die Luft bewegte sich, sie flimmerte über der Motorhaube des kleinen roten Clio. Tanzte. Wir warteten und sangen »Se bastasse una bella canzone«, Lied Nummer vier auf Annas Klassik-Italo-Rock-CD, die seit einem halben Jahr nonstop bei ihr im Auto lief. Fünf Minuten vergingen und vereinzelt hörten wir das Hupen einiger Autos. Zeichen des Protestes. So nicht, nicht mit mir, nicht jetzt, bedeutete es. Zehn Minuten vergingen. Das Hupen steigerte sich, bald hupte es von allen Seiten. Ein richtiges Hupkonzert war das! Und dirigiert wurde es auch, so schien es, denn einige Leute, die in den Fahrzeugen vor, neben und hinter uns gesessen hatten, waren ausgestiegen und fuchtelten wie wild mit ihren Armen durch die Luft, offenbar reichte ihnen das Hupen nicht. Es ist seltsam, wie das, was andere Leute machen, einen auch immer irgendwie beeinflusst. Wie der Herdentrieb uns drängt, es ihnen gleichzutun, denn auch ich öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Ein Blick von mir über die in der Sonne glänzenden Autodächer vor uns genügte, um zu wissen, was los war: Etwa 200 Meter vor uns war die Ampelanlage ausgefallen. Und die Ampel dahinter, die ich nur noch unscharf erkennen konnte, schien ebenfalls ausgefallen zu sein. Ich drehte mich um: So weit ich sehen konnte, waren alle Ampeln ausgefallen. Ich stieg wieder ins Auto ein.

    »Und?«

    »Sieht übel aus – die Ampel ist ausgefallen. AL-LE AMP-ELN sind ausgefallen!«

    »Was? Echt?«

    »Ja, du hast richtig gehört. Die Ampeln sind ausgefallen.«

    »Na prima!«

    Nachdem wir eine halbe Stunde später die Kreuzung endlich passiert hatten und nach rechts abgebogen waren, standen wir nach wenigen Metern im nächsten Stau. So ging es weiter und weiter und es schien, als hätten in der ganzen Stadt die Ampeln einen Generalstreik ausgerufen.

    »Komisch, das mit den Ampeln. Findest du nicht?«

    »Die scheinen nicht das Einzige zu sein, was ausgefallen ist«, meinte ich und ich nickte zu der großen analogen Uhr, die an der Fassade des Tabakgeschäfts auf der anderen Straßenseite befestigt war. Die Zeiger waren stehen geblieben. Auch die digitale Anzeige im Schaufenster einer Apotheke neben mir, die auf unserer Hinfahrt zum Supermarkt noch abwechselnd die Temperatur, das Datum und die Uhrzeit in leuchtendem Rot angezeigt hatte, funktionierte nicht mehr. Anna nickte fragend zu der Einfahrt eines Autohauses hin.

    »Was meinst du … Soll ich da drüben abbiegen?«

    Über den Parkplatz zehn Meter vor uns gelangte man über eine kleine Straße für Zulieferer zur Industriestraße, die durchs westliche Gewerbegebiet führte und an einem gut ausgebauten Feldweg endete, über den man aus der Stadt hinaus kam.

    »Probieren kannst du’s ja … Ich schalte mal das Radio an.«

    »Nein, warte ich will das Lied …«

    »Pst!«

    »…der weite Teile des Sendegebiets erfasst hat. Wie viele Städte und Gemeinden davon betroffen sind, ist noch unklar. Aufgrund ausgefallener Ampelanlagen ist daher in den Innenstädten der betroffenen Städte mit erheblichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Auch im Bus- und Bahnverkehr und am Flughafen kann es zu Verzögerungen und Ausfällen kommen. Auch bei uns hier im Sender, liebe Hörer, ist der Strom ausgefallen. Keine Sorge, dank unseres Notstromaggregats sind wir auch weiterhin für Sie da. Über mir leuchtet eine rote Lampe und die Klimaanlage ist auch ausgefallen. Kurz: Hier ist es ziemlich heiß! Aber wir bleiben trotzdem auf Sendung! Sollten Sie auch von dem Stromausfall betroffen sein, bleiben Sie bitte ruhig und wenden Sie sich in Notfällen an Ihre nächste örtliche Polizeidienststelle, an die Feuerwehr oder das Technische Hilfswerk. Meiden Sie Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen und Paniken entstehen können. Sobald uns neue Informationen zu dem Stromausfall und den Ursachen vorliegen, informieren wir Sie darüber, bleiben Sie also dran. Und nun zum Verkehr: Aufgrund des generellen Urlaubsrückverkehrs, da am Montag in Hessen und in Rheinland-Pfalz die Schule wieder anfängt, sollten Sie auf den Autobahnen heute besonders viel Geduld mitbringen. Es hat bereits einige Unfälle gegeben. Fangen wir an: Auf der A5 Kassel – Frankfurt kommt es …«.

    zwei.

    zwei.

    Zwanzig Minuten später waren wir daheim. Jener Tag war ein herrlich heißer Spätsommertag, an dem die Luft vibrierte, flimmerte, still stand. Ein Tag, an dem sich alles Leben verlangsamte, schlief oder vor sich hindöste, um Kraft zu sparen. Ich stieg aus, nahm die Einkäufe aus dem Kofferraum und ging zur Haustür und wartete dort auf Anna. Ich wartete. Ungeduldig schaute ich in den Himmel und auf einmal war da diese Schneeflocke. Sie fiel langsam vor meinen Augen zu Boden. Ich hatte sie aus dem Augenwinkel heraus bemerkt und war ihr instinktiv ausgewichen, sonst wäre sie genau auf meiner Nase gelandet. Ich hatte mich erschrocken, denn wer denkt schon im Sommer an Schneeflocken? Ich sah in den dunkelblauen Himmel: Weit über mir thronte stolz und allein eine kleine, weiße Wolke. Die Einzige weit und breit. Kam die Schneeflocke von dort?

    Vielleicht war sie auch von den Nachbarn herüber geweht, war künstlich, irgendetwas, nur kein richtiger Schnee. Aber kurz gesehen, gespürt hatte ich sie, sie hatte mich an der Nase gekitzelt und war mir wie ein Geschenk des Himmels vorgekommen, das an eben diesem heißen Tag auf mich herabgefallen war.

    »Hast du deinen Schlüssel nicht eingesteckt?« Anna lud mir zusätzlich noch ihre Tüten auf und öffnete die Tür.

    »Da war gerade eine Schneeflocke auf meiner Nase.«

    »Um diese Jahreszeit? Das wird wohl eher eine Feder gewesen sein.«

    »Doch, echt!«

    »Eine Feder ist aber wahrscheinlicher als eine Schneeflocke.«

    »Es war aber eine!«

    »Wenn du meinst ... Jetzt komm rein und hilf mir beim Auspacken.«

    Drinnen war es angenehm kühl. Und ungewöhnlich leise.

    Unsere Tochter Lucy war an diesem Wochenende noch bei Annas Eltern. Sie sollte erst am darauffolgenden Tag zurückkommen, da Montag die Schule wieder anfing. Sie kam in die Dritte und konnte es kaum erwarten, ihren Freundinnen zu erzählen, dass sie in unserem Urlaub auf Sardinien am Strand eine echte Schildkröte gesehen und sogar angefasst hatte. Schnell kramte ich die Einkäufe aus den Taschen und stellte sie auf den Tisch, damit Anna sie wegräumen konnte, dann nahm ich mir die neue Fernsehzeitung und ein Cola-Bier und ging auf die Terrasse. Kaum hatte ich es mir unterm Sonnenschirm bequem gemacht, rief Anna nach mir:

    »Komm mal bitte, die Kaffeemaschine funktioniert nicht!«

    »Was blinkt denn?«

    »Es blinkt gar nichts.«

    »Vielleicht ist der Stecker nicht drin.«

    »Der Stecker i s t drin!«

    Genervt legte ich die Zeitung auf den Tisch und ging ins Haus, um das Problem zu beheben. Wir hatten den Vollautomaten vor zwei Monaten gekauft. Als ich in die Küche kam, sah Anna mich ratlos an. Nachdem ich sämtliche Knöpfe des Vollautomaten mehrfach gedrückt hatte, bemerkte ich den Fehler. Der Vollautomat hatte keinen Strom. Und damit war er nicht allein: Auch beim An- und Ausknipsen des Küchenlichtschalters machte es nur: Klick. Klack. Klick-klack. Klickklack. Und das war’s auch schon. Es ist seltsam, wie es oftmals die kleinen Dinge des Lebens sind, die einem den Nerv rauben. Meist regt man sich über sie mehr auf, als wenn etwas wirklich Schlimmes geschieht. Das Schlimme ist, wenn es passiert, zu verstörend, als dass man dann die Kraft dazu hätte, sich zusätzlich noch aufzuregen. Ich ging die Treppe hinunter in den Keller, um mit der Lampe meines Handys nach den Sicherungen zu sehen. Sie waren alle in Ordnung.

    »Fehlanzeige, die Sicherungen sind okay! Wahrscheinlich haben die von der Stadt bei Arbeiten mal wieder eine Leitung beschädigt!«

    An den Stromausfall im Supermarkt und die toten Ampeln und an das, was sie im Radio gesagt hatten, dachte ich schon gar nicht mehr. Anna jedoch schon:

    »Doch nicht auch hier bei uns, oder? So eine Scheiße!! Und das bei der Hitze! Da tauen uns sofort die Gefriertruhe und der Kühlschrank ab! Was mache ich mit den ganzen Sachen, die ich gerade gekauft habe? Das wird ja alles schlecht. Das kann ich morgen wegschmeißen!«

    Ich ging zu ihr und gab ihr einen Kuss auf den Hals, das beruhigte sie immer, wenn sie aufgeregt war.

    »Wir stellen die Sachen erst mal in den Keller. Da ist es ziemlich kühl. Oder frag doch Caro, vielleicht hat sie ja Platz in ihrem Gefrierfach – die haben sich doch erst so 'n Riesenteil gekauft.«

    »Die sind nicht da. Die kommen erst morgen oder Montag wieder aus dem Urlaub. So genau weiß ich das nicht. Und außerdem: Wenn das die ganze Straße betrifft, dann haben Caro und Stefan auch keinen Strom … Aber du hast recht. Wir stellen die Sachen erst mal in den Keller, am besten hinten in die Ecke neben dem Schrank, indem das Werkzeug liegt, da ist es am kühlsten. Kannst du …? Ich ruf mal meine Mutter an.«

    »Ist schon okay.«

    Sie nahm sich das Telefon und ging auf die Terrasse, derweil ich mich daran machte, die Lebensmittel aus dem Kühlschrank und dem Gefrierfach in den Keller zu tragen. Anna kam wieder in die Küche.

    »Das Telefon geht nicht!«

    »Das hätte ich dir sagen können. Wenn der Strom weg ist, kannst du damit auch nicht telefonieren.«

    »Aber vielleicht will Lucy uns anrufen, und wenn sie uns nicht erreicht, macht sie sich Sorgen.«

    »Wenn sie uns übers Festnetz nicht erreicht, probiert sie’s auf deinem oder meinem Handy.«

    »Handy – du sagst es! Ich rufe jetzt mal den technischen Notdienst an. Holst du mir das Telefonbuch?«

    »Schaue doch lieber im Internet nach, das geht schneller!«

    »Halt, warte mal! Sieh mal«, sie hielt mir ihr Handy entgegen.

    »Was bedeutet das Zeichen da oben?«

    »Das bedeutet, dass du keinen Empfang hast.«

    Anna nahm ihr Handy und lief die Treppe hoch und dann durchs ganze Haus. Aber in welchem Raum sie auch war, nirgendwo hatte sie Empfang. Ich zog mein Handy aus der Tasche. Auch ich hatte keinen Empfang. Ich ließ es dabei bewenden und packte alles Tiefgefrorene in eine Kühlbox, und legte unsere blauen Kühlakkus dazu, die sich glücklicherweise noch im Gefrierschrank befunden hatten, und brachte alles in den Keller. Lange konnte der Stromausfall bei uns in der Straße noch nicht her sein, dachte ich, denn der Gefrierschrank begann gerade erst, abzutauen. Nachdem ich alles, was schnell verderben konnte, so kühl wie möglich im Keller gelagert hatte, setzte ich mich wieder auf die Terrasse. Anna stand im Türrahmen. »Nichts«, sagte sie. Sie sah mich an. Sie erwartete eine Antwort von mir, aber das Einzige, was ich ihr bieten konnte, war ein trauriger Blick und ein Schulterzucken – beides war ihr nicht genug.

    »Ist schon gut, bleib sitzen«, fauchte sie und lief ums Haus herum auf die Straße. Verdutzt sah ich ihr nach. Meiner Meinung nach konnte man außer Warten bei einem Stromausfall wie diesem nichts tun. Was, bitte schön, sollte man denn tun? Alle Elektriker und Telefonanbieter des Planeten verfluchend, kam Anna nach wenigen Minuten wieder mit schnellen Schritten über den Kiesweg zu mir, ihr Handy hielt sie wie eine Waffe in der Hand. Schnaubend stürzte sie an mir vorbei durch die Terrassentür ins Wohnzimmer. Erst hörte ich nichts, dann das Klimpern von Schlüsseln und dann, wie die Haustür ins Schloss fiel. Wow. Ich wollte nicht in der Haut desjenigen stecken, der am anderen Ende der Leitung war, sollte Anna tatsächlich jemanden von irgendeinem Not- oder technischen Hilfsdienst erreichen. Wenn Anna richtig aufgebracht war, war sie nur schwer wieder zu besänftigen. Auch Lucy ist manchmal so. Sie ist dann wie der tasmanische Teufel aus der Zeichentrickserie Looney Tunes und man geht ihr dann besser aus dem Weg. Die Sache beschäftigte mich. Und ich war neugierig, wo meine Frau hinwollte. Also stand ich auf und sah um die Hausecke. Ich sah nichts, also jedenfalls nicht meine Frau, dafür hörte ich ein unschönes Kratzen aus dem Getriebe des Clio und dann, wie sie mit quietschenden Reifen davonraste. Wo wollte sie hin? Hätte ich besser mitfahren oder ihr irgendwie meine Hilfe anbieten sollen? Mit schlechtem Gewissen setzte ich mich wieder in meinen Gartenstuhl und nahm mir die Zeitung, aber ich war unfähig, mich auf die Artikel und das Programm zu konzentrieren. Ich starrte in den Himmel und ertappte mich dabei, wie ich nach weiteren weißen Wölkchen suchte, die mir mitten im Spätsommer den ersten Schnee brachten. Ich verstand Annas ganze Aufregung nicht. Stromausfälle passieren eben, da muss man mit leben, auch wenn’s unangenehm ist. Aber ihre Nervosität hatte mich angesteckt.

    Nero kam um die Ecke des Hauses geschlichen, das schwarze Fell von Lucys Kater glänzte in der Sonne. Er blieb stehen, streckte sich und gähnte ausgiebig. Dann funkelte er mich mit seinen grünen Augen an. Seine beiden vorderen Tatzen waren weiß, es sah aus, als habe er Stiefel an. Lucy nannte ihn Nero, ich nannte ihn lieber Anton, nach dem Schauspieler Antonio Banderas, der dem gestiefelten Kater in Shrek die Stimme geliehen hatte. Ich fand, das passte – Nero für einen schwarzen Kater war mir zu offensichtlich. Der Kater kam zu mir und strich mir zwei-, dreimal um die Beine, maunzte und verschwand dann durch die Terrassentür ins Wohnzimmer. Nach etwa einer Stunde kehrte Anna zurück. Komplett verschwitzt und ohne ein Wort zu sagen, ließ sie sich auf die Liege neben mir fallen und starrte ins Leere.

    »Nicht schlecht«, sagte ich.

    »Was?«

    »Dein Start – mit quietschenden Reifen und so. Fährst du Lucy manchmal auch so in die Schule?«

    Sie grinste.

    »Manchmal«, sagte sie.

    Ich sah, dass ihr eigentlich nicht zum Grinsen zumute war. Ihre kleinen, festen Brüste zeichneten sich deutlich unter ihrem verschwitzten T-Shirt ab. Wie warm sie sein mochten, wie heiß und wie salzig die Feuchtigkeit auf ihrer Haut wohl schmecken würde? Der Schweiß auf ihren Schlüsselbeinen glänzte und ein kleiner Tropfen rann links daran herab in ihren Ausschnitt.

    »Woran denkst du?«, fragte sie mich.

    »An dich«, sagte ich, und ich sah ihr an, dass sie mir nicht glaubte.

    »Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht. Hast du deine Mutter erreicht?«

    »Nein, habe ich nicht … Ich habe niemanden erreicht.«

    Anna erzählte mir, dass sie durch das ganze Dorf gefahren war und sich anschließend auf den Weg in die Stadt gemacht habe. Bis in die Stadt waren es immerhin fünfzehn Kilometer. Sie sei dorthin gefahren mit der Hoffnung, irgendwo Empfang mit ihrem Handy zu haben. Das sei ja eigentlich nicht zu viel verlangt, meinte sie. Auf dem Weg dorthin habe sie mehrmals an der Straße angehalten, aber auf dem Display ihres Handys hatte sich nichts geändert. Zuerst war sie zu einer Freundin gefahren, doch dort öffnete niemand die Tür und Empfang habe sie vor der Tür auch keinen gehabt. Also war sie wieder ins Auto gestiegen und zur Tankstelle gefahren, um von dort aus zu telefonieren, doch Fehlanzeige, auch dort funktionierte nichts: kein Telefon, kein Strom, kein Sprit, rein gar nichts! Auf der gesamten Strecke, die sie zurückgelegt hatte, sah sie überall dasselbe groteske Bild: herumirrende Menschen auf den Straßen, die alle das Handynetz suchten. Seltsam hatten sie ausgesehen, irgendwie skurril, meinte sie. Wie moderne Rutengänger. Weil die Leute entweder tief über ihr Handy gebeugt gewesen waren oder es winkend nach oben gehalten hatten – so, als könne man mit dieser Geste den Empfang einfangen. Anna lächelte und schüttelte leicht den Kopf, als sie das erzählte. Wieder andere wären einfach so ohne zu gucken über die Straße gelaufen und hatten nur auf ihr Handy gestarrt. Smombies eben – seltsam, dass es so viele von ihnen gab, dass man eigens einen Begriff für sie erfunden hatte. Allesamt hätten sie verzweifelt ausgesehen, wie Kinder, denen man ihr liebstes Spielzeug weggenommen hatte. Und sie waren überall, die empfangsgierigen Smombies. Auf den Balkonen: Menschen mit Handys, sogar auf den Dächern hatten sie gestanden, und bei der Rückfahrt hatte sie um den Sendemast bei uns im Dorf eine riesige Traube verzweifelter Empfangssuchender gesehen. Sie meinte, es habe ausgesehen, als sei der Sendemast kein normaler Sendemast, sondern ein heiliger Ort wie der Tempel in Jerusalem, der Petersdom in Rom oder die Kaaba in Mekka. Einige Wagemutige habe sie sogar hinaufklettern sehen. Und auch der Straßenverkehr sei bedeutend mehr gewesen als sonst an einem späten Samstagnachmittag. Die Parkplätze der Restaurants und Fast-Food-Ketten seien überfüllt gewesen, und bei McDonalds hätten die Autos schon hundert Meter vor dem Restaurant in einer Schlange auf der Fahrbahn gestanden, sodass sie dort fast nicht habe vorbeifahren können – dabei gab’s da gar nichts zu essen. Kein Strom, kein Fast Food, so einfach ist das. Dann war ihr noch der Gedanke gekommen, ob sie nicht kurz bei der Polizeiwache anhalten solle, um dort zu fragen, was los sei. Aber beim Vorbeifahren habe sie vor dem Polizeigebäude eine so große Menschenansammlung gesehen, dass sie gar nicht erst angehalten habe. Sie wusste auch so schon, was geschehen war: In der ganzen Stadt war der Strom ausgefallen.

    »Seltsam, oder?«, sagte sie und strich sich ihre langen blonden Haare hinters linke Ohr.

    »Ja, das ist sehr seltsam.«

    »Was, wenn Lucy uns erreichen will, Jakob? Was, wenn ihr was passiert ist?«

    »Was soll ihr denn passiert sein? Sie ist bei deinen Eltern und die passen schon auf sie auf.«

    Anna sah mich zweifelnd, fast verzweifelt an, und ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte – wenn mich Menschen verzweifelt ansehen, weiß ich nie, wie ich ihnen helfen soll. In ihrem Gesicht zeichnete sich etwas ab, das man vielleicht nur in Gesichtern von Müttern finden kann. Ich stand auf und kniete mich vor sie hin. Dann nahm ich ihren gesenkten Kopf in beide Hände und sagte ihr, dass sie sich beruhigen solle, unserer Tochter und ihren Eltern gehe es bestimmt gut, sie brauche sich keine Gedanken zu machen, man werde den Fehler schon finden und reparieren und vieles weitere sagte ich ihr noch. Ich hab’s vergessen, aber ihr Lächeln dann, das habe ich nicht vergessen. Morgen früh, sagte ich ihr, werde alles wieder normal ablaufen und wahrscheinlich schon bald, gewiss noch heute, sagte ich ihr, werde uns Lucy mit einem Kontrollanruf auf die Nerven gehen.

    Den Rest des Tages blieben wir auf der Terrasse. Und als die Dämmerung einsetzte, machte ich mich mit einer Kerze bewaffnet in den Keller und holte uns eine Flasche Wein, während das Fleisch aus der Gefriertruhe auf dem Grill briet und Anna uns einen Salat zubereitete. Auf der Terrasse war es angenehm. Eine sanfte Brise hatte die Hitze des Tages mit sich genommen und die Blätter der Büsche in unserem Garten zum Flüstern gebracht. Die Vögel saßen vom Tag auf den Giebeln der Dächer und zwitscherten. Anna und ich lauschten ihnen und dem Flüstern in den Büschen, mit unseren Blicken verfolgten wir die Sonne auf ihrem Weg in den Westen. Dann, etwas später, sahen wir dem Licht der Kerze beim Tanzen zu und genossen die durch den Stromausfall hervorgerufene Stille. Ja, es schien, als habe sie dem Leben um uns herum Raum gegeben, den es nun mit seiner eigenen, natürlichen Stimme erfüllen konnte. Wir wunderten uns, wie viel Ruhe diese Stimme uns gab. Gleichzeitig aber dachten wir, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, immer an Lucy – und daran, dass wir weder sie, noch sie uns erreichen konnte. Wir gaben es nicht zu, aber diese Hilflosigkeit fesselte uns, vor allem Anna. Sie nietete sie fest. Wir mussten warten und Warten ist ein unendliches Ziehen der Zeit. Wir mussten uns auf die Kompetenz anderer verlassen, mehr konnten wir nicht tun – wie wenig das war.

    Im Laufe des Abends ging immer mal wieder einer von uns hinein und prüfte, ob der Strom wieder funktionierte. In der Küche: der Kühlschrank, die Gefriertruhe, der Ofen, die Mikrowelle, das Ceranfeld, der Mixer, der Toaster, der Wasserkocher, die Kaffeemaschine, der Brotbackautomat, das Radio und die elektrische Käsereibe. Im Wohnzimmer: der Fernseher, der Blu-ray-Player, die Stereoanlage, mein Plattenspieler, der Springbrunnen, der digitale Bilderrahmen, das Licht in der Vitrine und der Raumtemperatur- und Feuchtigkeitsmesser. In meinem Büro: der Computer, der Aktenvernichter, der Drucker, das Telefon. Sowie in allen Räumen das Licht: in der Küche, im Wohnzimmer, im Bad, im Gäste-WC, im Zimmer von Lucy, im Gästezimmer, im Flur, im Treppenhaus, im Keller, in der Waschküche, im Hobbyraum, im Abstellraum, auf dem Dachboden und im Schuppen. Doch der Strom war weg und er blieb weg, da konnten wir die Schalter so oft drücken, wie wir wollten.

    Ganze sechsmal ließ ich mich von Anna an diesem Abend in den Keller schicken, um die Sicherungen zu kontrollieren. Es brachte keinerlei Veränderung mit sich, hatte aber den Vorteil, dass ich bei jedem dritten Mal eine weitere Flasche Wein mit nach oben bringen konnte. Die Situation war ungewohnt für uns, denn wir hatten das schon lange nicht mehr getan: Gemeinsam abends auf der Terrasse sitzen und nur den Geräuschen um uns herum zuhören und uns auf uns konzentrieren. Meist saß ich abends, nachdem wir Lucy ins Bett gebracht hatten, noch in meinem Büro und arbeitete, während Anna mit einer ihrer Freundinnen telefonierte, fernsah oder sich schon früh ins Bett legte und las. Ganz selten sahen wir mal gemeinsam fern, meist am Wochenende, sonst lebte aber jeder von uns sein eigenes Leben.

    Um uns herum war es absolut still. So still, dass wir sie hören konnten, die Stille. Der Stromausfall sorgte dafür, dass uns an diesem Samstagabend niemand mit seinem Lärm ins Haus treiben konnte. Unsere Nachbarin Frau Lohnsdorf konnte an diesem Samstag nicht ihre Schlagerparade im Fernsehen gucken, der alte Mann von schräg gegenüber musste auf seine Fußball-Liveübertragung im Radio verzichten und die nervigen, lärmenden, pubertierenden Jugendlichen drei Häuser weiter, von denen hörten wir auch nichts. Bis auf ein paar Vögel, die sich gute Nacht sagten, und einem vorbeifahrenden Auto ab und zu, war es ganz leise. Später, kurz vor Mitternacht, bestaunten Anna und ich einen Sternenhimmel, wie wir ihn schon lange nicht mehr gesehen hatten. Das Firmament war so seltsam, so wunderbar klar, keine Wolke war am Himmel zu erkennen. Aber es waren nicht die fehlenden Wolken, die den Himmel klarer machten. Es war das fehlende Licht, das dem ewigen und unendlichen Himmelsgewölbe in unseren Augen seine majestätische Größe wiedergab. Wir – wir haben mit unserem künstlichen Licht dem Licht des Himmels seine Wichtigkeit genommen. Wir haben uns dieses Licht genommen und kaum einer hat noch nach oben geguckt, so dachte ich, als ich zum ersten Mal diesen neuen Himmel über mir bewunderte, den ich seit dieser Nacht, in der die Dunkelheit begann, in jeder klaren Nacht bewundern kann. Keine Lichter hinter den Fenstern, keine Straßenlaterne, kein Discostrahler, keine Leuchtreklame, nichts verunreinigte uns die Sicht in die Endlosigkeit und auf die kleinen, hellen Punkte, die dort oben leuchten und von denen es viele schon lange nicht mehr gab.

    In jener Nacht tranken wir vier Flaschen Wein und als die Vögel schon anfingen zu zwitschern und der Horizont wieder an Helligkeit zunahm, trug ich Anna hoch ins Schlafzimmer. Sie trank fast nie Alkohol und war zu betrunken, um selbst noch gehen zu können. Ich half ihr beim Ausziehen, und wie sie so hilflos vor mir lag, erinnerte sie mich stärker als jemals zuvor an Lucy. Lucy. Sie hat die Zähigkeit, die anliegenden Ohren und die Form der Nägel von mir geerbt. Das Aussehen, die Intelligenz, die Anmut und den Witz und die Sturheit hat sie von Anna. Sie fehlte mir und ich machte mir Sorgen um sie, auch wenn ich nicht wusste, weshalb.

    drei.

    drei.

    Der Strom war weg. Blieb weg. Auch am Sonntag. Am späten Vormittag waren kurz meine Schwiegereltern vorbeigekommen, um Lucy nach Hause zu bringen.

    Auf Kinderfotos sah Anna genauso aus wie sie. Die gleichen goldblonden Haare, die gleichen blauen Augen. So blau wie der Himmel morgens an milden, wolkenlosen Sommertagen. Der gleiche, freche und fordernde Blick. Der gleiche trotzige Wille. Lucy war immer kleiner und schmaler als die anderen Kinder in ihrem Alter – und die Vorlauteste. Zur Begrüßung nach der Zeit bei ihren Großeltern war sie mir um den Bauch gefallen, und ehe ich etwas hatte sagen können, war sie auch schon wieder verschwunden gewesen, um ihren Kater zu suchen, den sie fast eine ganze Woche nicht gesehen hatte. Wegen des Stromausfalls waren Annas Eltern nicht zum Kaffee geblieben. Sie hatten Lucy nur abgesetzt und es vorgezogen, sich dann schnell wieder auf den Heimweg zu machen – denn auch bei ihnen, etwa hundertzwanzig Kilometer von uns entfernt, war der Strom ausgefallen. Anna und Lucy waren drüben bei Caro, unserer Nachbarin. Sie lebte mit ihrem Mann Stefan im Haus nebenan. Seit unserem Einzug in das Haus vor acht Jahren waren Anna und sie die allerdicksten, besten Freundinnen, wie sie immer sagten – dabei hatten beide Kleidergröße 36.

    Ich saß derweil unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse. Wie langweilte ich mich ohne Internet. Ich war es nicht gewohnt, dieses Nichtstun. Das heißt, natürlich konnte ich eine ganze Menge tun – nur eben nicht das, was ich gewohnt war zu tun in meiner

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