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Aus der Tiefe der Zeit
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eBook189 Seiten2 Stunden

Aus der Tiefe der Zeit

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Über dieses E-Book

Die Zukunftstechnologie eines berühmten eisblauen Diamanten beschäftigt mehrere Geheimdienste. Geheimdienstoberst Johann Otto Heinrich Nepomuk Prinz von Superiol, genannt CHICKEN WING, ist beauftragt, diesen Diamanten für Deutschland und seine Verbündeten zu sichern. Hierfür ist er weltweit im Einsatz. Es werden andere Akteure betrachtet, die ebenfalls dem Einfluss des eisblauen Diamanten unterliegen. Einmal der künftige Gangsterboss JASON KOSLOWSKI von der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika, der in seiner Jugend auch Einflüssen durch die Oberwelt, einer universell übergeordneten Sphäre, ausgesetzt ist, die das menschliche Leben als Laborsituation begreift und entsprechend vehement in die Geschehnisse eingreift. Die schöne Androidin AMADEA, eine Vertreterin eines hoch entwickelten, irdischen Maschinenimperiums, ergreift indes Partei für Jason, indem sie, entgegen der Regularien der Oberwelt, in seine Traumwelt eingreift. Zum anderen PAUL SOMMERWIND, einen Kriminalhauptkommissar, der unter dem Einfluss seiner dominanten Zimmerwirtin zu erkenntnistheoretischen Betrachtungen und glasklaren Erkenntnissen über das Zusammenleben von Mann und Frau und über sich selbst gelangt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum25. Sept. 2021
ISBN9783754169964
Aus der Tiefe der Zeit
Autor

Ufo Calypso

Ufo Calypso arbeitete lange Jahre multinational als Berater in verschiedensten beruflichen Positionen. Heute lebt Calypso zurückgezogen in den Bergen, um dort die Erinnerungen aus seinem wechselhaften Leben mit aktuellen Eindrücken und Gedanken zu kombinieren. Ufo Calypso steht für detailverliebt komponierte, experimentelle und hintergründige Erzählungen.

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    Buchvorschau

    Aus der Tiefe der Zeit - Ufo Calypso

    Auf der Jagd nach dem eisblauen Diamanten

    Auf den ersten Blick sah Geheimagent Johann von Superiol, unter Eingeweihten genannt auch »Chicken Wing«, in seinem maßgeschneiderten, anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug, seinen im Stil der 1960er-Jahre gehaltenen, hellgelben Dachslederhandschuhen, seinen ebenfalls auf ebenjene Zeit verweisenden, hellgrauen Damast-Slippers und seinem weit ausgeschnittenen, weinroten Seidenhemd, noch dazu mit dem bei jeder Bewegung wehenden Rüschchenkragen, einigermaßen überkandidelt aus.

    Den aufgeregt anwesenden Damen gefiel diese Kleiderwahl aber. Sie lächelten ihm eifrig nickend zu. Vor allem genossen sie demonstrativ den festlichen Abend, dessen Anlass eine Vernissage im Schloss Rosenburg in der liebenswürdigen, lebenswerten und lebenslustigen Stadt Oberberg im Süden Deutschlands war.

    Wahrscheinlich hielt man ihn für einen harmlosen Spinner in Gestalt eines mindestens unterhaltsamen, sowie dank wohl irgendwelcher Einnahmen, Rücklagen, Zuwendungen und Kontakte zu gewisser Reputation gelangten Paradiesvogels, der unübersehbar mehr dem eigenen und weniger dem anderen Geschlecht zugewandt war.

    Die Verkleidung wäre demnach gelungen. Denn bei seinem affektierten Auftritt hätte wohl niemand an so etwas gleichermaßen Beunruhigendes wie Konservatives wie operative Geheimdienstarbeit gedacht.

    Die groß angekündigte, mit einigem Rummel von Presse, Funk und Fernsehen begleitete Vernissage fand Mitte Februar am Rande der weltweit vielbeachteten, alljährlichen »Internationalen Oberberger Sicherheitskonferenz« statt.

    Viel entsprechend geschultes Sicherheitspersonal war in der Innenstadt zusammengezogen worden, um die hochkarätigen, multinationalen und teilweise schwerreichen Konferenzteilnehmer, die, wie ausführlich berichtet wurde, im ersten Hotel der Stadt logierten, namentlich im mondänen »Oberberger Königshof«, zu beschützen und abzuschirmen.

    Dem Gedanken nach großgewachsen, sportlich-breite Schultern, dunkles, gelocktes Haar, ozeanblaue Augen, gewinnendes Lächeln und schneeweiße Zähne... war Chicken, ließ man diese seine innere Traumvorstellung von sich selbst einmal beiseite, immerhin dennoch einigermaßen herzeigbar.

    Er war vielmehr von gänzlich unauffälliger Statur, durchgehend durchschnittlich in seinen Bewegungsabläufen und somit einer normalen, nicht geschulten Wahrnehmung daher so gut wie entzogen, da mangels jedweder Auffälligkeiten geradezu transparent.

    Immerhin aber waren seine Manieren, insbesondere diejenigen gegenüber den gesellschaftlich hochstehenden, auf den ersten Eindruck feinen Herrschaften betreffend, und dies war nicht zuletzt seiner adeligen Herkunft geschuldet, die ihn hierin gründlichst und schmerzvoll geschult hatte, außergewöhnlich geschliffen, durch und durch gediegen und zusammenfassend gesehen sowohl zumutbar lässig als auch erstklassig in der Ausformung.

    Chicken Wing war, übrigens allein seiner eigenen demütigen und bescheidenen Meinung nach, nicht gerade ein Naturtalent sozialen Miteinanders. Alle anderen Mitmenschen sahen das durchweg anders, was ihm jedoch gänzlich zu entgehen schien. Er unterschätzte sich und seine hervorragenden Fähigkeiten manches Mal, was ihn somit umso sympathischer erscheinen ließ.

    Seine Feinde, jedenfalls die, die ihn kannten, fürchteten ihn – übrigens mit Recht. Aber auch hier verhielt er sich nach einhelliger Meinung vorbildlich: Hart aber gerecht in der Sache, immer die Regeln seines jeweiligen Einsatzes strikt befolgend, ansonsten aber stets gesittet wie ein Gentleman allerersten Ranges handelnd.

    Die Vernissage im Schloss Rosenburg hatte gehobenes bis international bekanntes Publikum angelockt. Man feierte wie üblich in erster Linie das eigene, elitäre Miteinander und erst im zweiten Schritt das vermeintlich eigentliche Ereignis, nämlich die Ausstellung des weltbekannten, fast ortsansässigen Malerfürsten Olivio van Sullivan.

    Van Sullivan war ebenso berühmt für seine Kunst – er malte immer zugleich einförmige und vermittels optischer Tricks eigenartig vibrierend wirkende Streifenbilder – wie für seinen blendenden, ja schier ochsenhaften Appetit. Zudem galt er Eingeweihten als ausdauernder Partylöwe und äußerst geschickter Vermarkter seiner eigenen Person. Er wog mindestens um die zweihunderteins Kilogramm, aber trotz dieser ansehnlichen Leibesfülle sah van Sullivan dennoch attraktiv aus mit seinem vollen schwarzen, zu einem Pferdeschwanz streng nach hinten gebundenem Haar und dem gänzlich in schwarz gehaltenen Ensemble aus Designeranzug und Festtagshemd, sowie den im Kontrast dazu farblich dagegengehaltenen, nachtblauen Cowboystiefeln, an denen Sporen aus 18-karätigem Gold angebracht waren. Die Sporen korrespondierten übrigens hervorragend mit seinen goldenen Eckzähnen, die er bei jedem Lächeln nur zu gerne durch kräftiges Zurückziehen seiner wulstigen Lippen zu zeigen suchte. Besonders hier im »Millionendorf mit Herz und Verstand«, im schönen Oberberg, dem Mekka der Lässigen mit Stil, wurde van Sullivan nicht zuletzt auch aus modischen Aspekten heraus hoch verehrt.

    Van Sullivan war als Sohn italienisch-niederländischer Eltern im feinen Schamonz geboren worden, einer kleinen Gemeinde in südwestlicher Richtung vor den Toren Oberbergs.

    Das Örtchen Schamonz wurde seiner schmucken Villen und Einfamilienhäuser wegen gerne als »Gartenstadt« tituliert. Übrigens war Schamonz tagsüber oft sogar noch schöner als das vergleichsweise weltläufige Oberberg: Es flirrte die Luft gewissermaßen ekstatisch, so als sei man in einer noch einladenderen Sphäre des Seins angelangt. Nachts aber verwandelte sich dieses Füllhorn glanzvollen Lebens seltsamerweise wieder in ein beliebiges, einfaches und verschlafenes Nest irgendwo auf dem Lande. Es mangelte eben an Betrieb, an gepflegten Lokalitäten des Nachtbetriebs, etwa an Bars, Tanzlokalen, Galerien und Aufführungsstätten für Theater und Musik, deren Betrieb sich hier, abseits der Großstadt wirtschaftlich nicht rechnete, da Oberberg eben zu nahe angesiedelt war. Folglich mussten die armen Schamonzer für ein einigermaßen inspirierendes, gesellschaftlich adäquates Nachtleben auf die auch nächtens strahlende Landeshauptstadt Oberberg ausweichen, in der alle Zerstreuungsmöglichkeiten vielfältig gegeben waren. Oder man steuerte zwecks weiterer heiterer Unterhaltung das nahe Salzburg an oder das gleichermaßen hurtig erreichbare Florenz, wenn man, wie übrigens die meisten Schamonzer, über einen aktuellen Sportwagen als Zweit- oder Drittwagen verfügte.

    Dort in Schamonz also lebte van Sullivan in einer restaurierten Jugendstilvilla unweit der örtlichen Bahnstation. Ein 5.153 Quadratmeter großer Garten und übermannshohe Hecken und Mauern schützten ihn rundum weniger vor den Blicken der Öffentlichkeit als vielmehr von denen der neugierigen, seiner Meinung nach unzivilisierten, da kleinbürgerlich denkenden und neidischen Nachbarn. Künstler konnten eben bisweilen ungerecht sein in ihrem harschen Urteil.

    An sonnigen Tagen sah man van Sullivan am Wochenende in Schamonz schon einmal die Hauptstraße, eine breite, belebte Einkaufsstraße, entlangflanieren, mit blau verspiegelter, goldumrandeter Sonnenbrille und breiter Hüfte, meist mit einer leckeren Eistüte mit Pistazien- und Malagaeis in der Hand, erworben von der ebendort befindlichen, italienisch geführten und qualitativ äußerst empfehlenswerten Eisdiele. Keiner der ihm Entgegenkommenden machte je ein Aufhebens um die Begegnung mit ihm. Hier in Schamonz war er Mensch, hier konnte er tatsächlich noch unbehelligt ein einfacher Passant sein.

    Es wohnten in Schamonz neben den einfachen, tüchtigen und für den Gesamtablauf des administrativen, wirtschaftlichen, sozialen, sportlichen und religiösen Lebens unerlässlichen Menschen viele gesellschaftlich Höhergestellte und Prominente, also Schauspieler, Spitzensportler, Literaten, bildende Künstler, reiche Erben ehemaliger Großbauern, Konzernchefs, Spitzenpolitiker aller Couleur, sowie allerhand Akademiker, oft Ärzte und Rechtsanwälte. Da machte die Präsenz eines einzelnen berühmten, bildenden Künstlers wie van Sullivan, also eines im Grunde eines besseren Kunsthandwerkers, keinen sonderlichen Unterschied. Im Gegenteil, man freute sich, ihm, dem auffällig Imposanten, hier einmal zufällig und im Sinne einer bunten Abwechslung zu begegnen, um so erwiesen zu sehen, zu welch illustren Kreisen man im Zuge der wohnlichen Zugehörigkeit potenziell angehörte. Niemand wäre auf die absurde Idee verfallen, jemanden wie van Sullivan oder einem sonstigen Prominenten mit plumpen Ansprachen wie Autogrammanfragen oder sonstigen banalen Bitten zu belästigen. Das oberbergisch lässige Motto »Das Leben lieben und die Liebe leben« galt hier im strahlenden Schamonz in ganz besonderer Weise. Hier war alles eben ganz besonders besonders.

    In der Innentasche seines Nadelstreifen-Jacketts trug Chicken Wing, der soeben an einem Gläschen Rosé-Champagner nippte, ein sorgsam mit Schraubverschluss verschlossenes Döschen, das mit dem Gift eines reizenden, nur wenige Zentimeter messenden Kleinkraken, eines Blauringoktopusses, angefüllt war. Das Konzentrat des Speichels dieser beeindruckenden Oktopusart enthielt ein von Bakterien produziertes Gift, das bei einem einzigen, scharfzähnigem Biss zeitnah zu einer tödlichen Muskellähmung des Opfers führte. Dieses Opfer konnte auch ein Vertreter oder eine Vertreterin der Spezies Mensch sein. Beim Menschen arbeiteten bei korrekter Vergabe des Giftes Augen, Herz und Darm weiter, während zunehmend die Atmung versagte. Diese Wirkung konnte durch chemische Gegenmaßnahmen maximal um etwa vier bis fünf Stunden verzögert werden.

    Das hochkonzentrierte Gift dieses Blauring-Oktopus stellte eine fantastische, furchteinflößende und nicht unelegante Waffe dar, befand Chicken Wing mit einem ansatzweise süffisanten und bitteren Lächeln und leicht nach unten gezogenen Mundwinkeln. Ein solches Gift konnte ihrem Besitzer oder Überbringer das einmalige Gefühl ganz besonderer Exklusivität vermitteln, passend zum heutigen Abend. Zudem ermöglichte es nach der Vergabe ausreichend Zeit zur Verlegung des Vergebers.

    Natürlich fand im Rahmen der heutigen Operation »Nachtpfauenauge« nur die Verwendung einer speziell verdünnten Dosierung unter Beigabe faktisch auf dem jetzigen Stand der Wissenschaft nicht oder nur mit extremem Aufwand und Mitteleinsatz nachweisbarer sedierender und den Kreislauf stabilisierender Substanzen statt, die den Tod eines Zielobjektes lediglich täuschend echt darstellen sollte. Auf deutschem Boden und ausgehend von deutschen Behörden und Diensten waren Aktivitäten wie Liquidationen natürlich grundsätzlich ausgeschlossen. Dennoch benötigte man händeringend zahlreiche Informationen der Zielobjekte. Diese hochstehenden und schillernden Persönlichkeiten konnten nicht einfach verhaftet und verhört werden, solange keine Handhabe mindestens auf dem Niveau einer Staatsgefährdung vorlag. Eine solche konnte sich nur durch eine äußerst kompromittierende Situation ergeben, die man eben am heutigen Abend ausrollen wollte. Um nun die benötigten, höchstbrisanten Informationen der Zielpersonen exklusiv erlangen zu können, mussten alle nicht befreundeten, ausländischen Geheimdienste glaubhaft über den Gesundheitszustand der Zielpersonen getäuscht werden. Es musste unzweifelhaft und nachweisbar vermittelt werden, dass die Zielobjekte dauerhaft nicht mehr verhörbar waren. Sie mussten sozusagen offiziell als verstorben gemeldet werden. Es war streuen, dass ein Gift-Anschlag vorlag, und zwar unter Verwendung einer exotischen Substanz, was für einen deutschen Dienst, wie man wusste, völlig undenkbar war.

    Zusätzlich musste verlässlich sichergestellt werden, dass Chicken Wing als deutscher Geheimdienstoberst nicht ursächlich an einer Verbringung des Oktopus-Giftes in Verbindung zu bringen war. Ansonsten hätten ausländische Analysten zu dem Schluss kommen können, dass eine Täuschung vorliegen könne, da sie wussten, dass Deutschland gesetzlich nicht an einem Anschlag beteiligt sein könne. Aus diesem Grund war es wichtig, dass Chicken Wing im Eventualfall zeitnah aus der Schusslinie irgendeiner Aufmerksamkeit kam. Im Zweifelfall war eine Legende auszurollen, die besagte, dass Chicken Wing im Namen einer fremden Macht tätig gewesen wäre. Dies alles war selbstverständlich auf höchster politischer Ebene vorab mit dem deutschen Bundeskanzleramt engstens abgestimmt worden.

    Die etwaige Verwendung einer derartigen Doppelagentenlegende als Rückfalllösung war Chicken Wing persönlich jedoch unangenehm, so dass ihm klar war, und auch seinem Vorgesetzten, dass der Auftrag sauber durchzuführen war, geräuschlos und reibungslos.

    Chicken konzentrierte sich wieder. Er würde, wenn überhaupt, nur für einen winzigen Moment lang tätig werden, um sodann im bereits jetzt abzusehenden Tumult zu verschwinden. Es war auch davon auszugehen, dass man ihn infolge seiner Tarnung ohnehin nicht erkannte. Die Tarnung umfasste unter anderem auch Maskerade im Gesicht, also Bärtchen, Irisattrappen, Wangenknochen- und Stirnwulstaufkleber, und an den Händen, also Ringe, aufgemalte Tätowierungen und Fingerkuppenfingerabdruckaufsätze, sowie trainierte Bewegungsabweichungen, also leichtes Humpeln, gebeugte Haltung und hängende rechte Schulter. Es erkannten ihn auf dieser Basis zumeist sogar die eigenen Leute nicht. Chicken hoffte nur, dass keiner derjenigen, die ihn erkannten oder die um seinen Auftrag wussten, abends bei einem Bier redselig wurden und anfingen, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Er war dennoch guter Dinge, dass alles erfolgreich ablaufen würde. Chicken beteiligte sich folglich mit einer positiven Grundstimmung weiterhin an der Operation »Nachtpfauenauge«.

    Ein Vorempfang mit handverlesenen Gästen fand im Festsaal des Schlosses statt, im sogenannten »Weiß-blauen Carrarasaal«. Es wurden lobende, höfliche und erbauliche Reden gehalten und unterstützend diverse Sorten kühlen Champagners mit ausgesuchten Kaviar-Kreationen auf silbernen, mit Goldintarsien versehenen Tabletts gereicht.

    Chicken Wing identifizierte lebensmittelkundlich, dass der hier appetitlich angerichtete Kaviar, das »schwarze Gold des Kaspischen Meeres«, vermutlich aus Kreuzungen aus Beluga- und Ossietrastören gewonnen worden war. Andere Häppchen, etwa die weißen Trüffel, fein abgestimmt mit iranischem Safran, oder ein Bayonner Schinken mit Frischkäse-Crêpe-Röllchen, spanischen Tapas, Mini-Salamipralinés an einer deliziösen Auswahl französischer Rohmilchkäse-Cracker mit Feigensenf auf südbadischem Quittengelee, oder auch die niedlichen Mini-Tortillas mit Hummersalat auf Limetten-Frischkäse sowie Lachs-Tartar, verfeinert mit handgezogenem Blattspinat, Zitrone und Dill, rundeten das kulinarisch nicht unklug zusammengestellte Rahmenprogramm ab.

    Der namhafte Oberberger Delikatessenhändler und Caterer Bonifatius Hirsch hatte diesmal wieder recht ordentliche, wenn auch nicht hochexklusive Feinschmecker-Qualität serviert. Der Auftraggeber war eben nur die Oberberger Konferenzgesellschaft in Abstimmung mit der öffentlichen Hand, und nicht die übliche, anspruchsvollere Millionärs- und Milliardärsklientel sonstiger Events. Man wollte an dieser Stelle seitens der Konferenzgesellschaft auch nicht unnötig übertreiben, denn in der Presse und im Fernsehen machte es sich nicht gut, wenn gewählte Vertreter des Volkes zu abgehoben oder gar maßlos daherkamen. Ein bisschen Bodenhaftung musste bei allem Glamour daher auf jeden Fall durchzuspüren sein, daher das Angebot auch einfacher Verpflegung wie Tapas und Cracker.

    Der Konsul des US-amerikanischen Generalkonsulats in Oberberg begleitete den US-Wirtschaftsminister nebst Gattin, die wohl die eigentliche und vielleicht einzig ernsthaft Kunstinteressierte auf der Veranstaltung war. Der US-Vizepräsident, der spanische Innenminister sowie ein litauischer Diplomat waren leider kurzfristig verhindert. Der stämmige, bodenständig-biedere Oberbürgermeister der Stadt Oberberg und der schlacksige, genialisch-durchtriebene Ministerpräsident des zugehörigen Bundeslandes waren hingegen selbstverständlich und auch demonstrativ zugegen. Und nicht zuletzt sorgte der quirlige Konferenzleiter, ein langgedienter Diplomat namens Werner Wirsing, beim Begrüßen seiner Gäste vermittels einer nicht enden wollenden Abfolge präzise gesetzter Bonmots für mehr als fabelhafte Stimmung.

    Unter dem Freskenzyklus von Alexander Xylander dem Älteren, das gleich einem opulenten Schmuckstück mit unwiederbringlichen Rokokostukkaturen eingefasst war, sinnierte man im Smalltalk-Format teilweise der Formen- und Farbenwelt van Sullivans im Speziellen, sowie dem Segen und der kulturellen Kraft der Kunst im Allgemeinen nach.

    Meistens ging es in den Gesprächen aber um Plaudereien über gemeinsam bekannte Persönlichkeiten, wodurch den jeweiligen Gesprächsteilnehmern aufgezeigt wurde, wer

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