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J: Der König von Paris
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eBook409 Seiten5 Stunden

J: Der König von Paris

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Über dieses E-Book

Es war ein Traum das war wurde, als es in den Tiefen des Ozeans verloren gegangen war.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Juli 2022
ISBN9783347686632
J: Der König von Paris

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    Buchvorschau

    J - Ares Davide

    J-Der König von Paris

    Kapitel 1

    Es war an einem Nachmittag in Paris, kurz bevor der Feierabendverkehr die Straßen der Stadt flutete. Die Straßen der Stadt, waren fast zu jeder Tages- und Nachtzeit verstopft. Das Hupen, das Geschrei der Autofahrer waren in Paris für die Menschen normal, dafür hatte keiner ein Ohr, auf diese Art und Weise wurden die Bürger von Paris den Tagesstress los.

    Es war die Begleitmusik, deren Töne, Geräusche ihnen, ihren Feierabend einläuteten, sie, bis nach Hause oder zu einem anderen Ziel begleiteten. Schlagartig öffnete der Himmel seine Wolkenpforten, es begann, wie aus dem nichts zu regnen. Jedoch war es ein angenehmer, erfrischender Nieselregen, vor dem es sich nicht lohnte, sich irgendwo unterzustellen.

    Es war wohltuend für einen Sommertag, an dem es für eine leichte Abkühlung sorgte. Es donnerte ein paar Mal zwischen den Wolken, die sich zusammengezogen hatten, wobei manche Personen, aufschreckten, die meisten aber gelassen blieben. Es war lediglich überraschend, dass es kurz vor dem Abend noch regnete.

    Die Markisen der Cafés und Restaurants wurden in Eile ausgefahren. Es war noch angenehm warm im Freien, die meisten Gäste blieben, deshalb, auf ihren Plätzen sitzen.

    Sie ließen sich von dem bisschen Wasser, welches vom Himmel fiel, nicht stören.

    Sie genossen ihren Wein, sie genossen ihren Kaffee weiter, hier und da war jemand zu sehen, der sich eine Zeitung über seine frisch gestylte Frisur hielt, während derjenige versuchte, eilig die gegenüberliegende Straßenseite, halbwegs trockenen Fußes, zu erreichen.

    Es waren, wie immer, zu jeder Jahreszeit viele Touristen in Paris auf Entdeckungsreise, die diese Stadt erst für sich erobern mussten, -die Geschichte, -die Kultur, - die Menschen und das „Savoir Viver", wie es so schön hieß.

    Vieles in Paris konnte für einen Touristen neu erscheinen, ungewohnt, aus der Zeit gefallen, in der Stadt der Liebe, anders und auch womöglich ein wenig eigenartig, allein die französische Sprache, war für viele Menschen wie das „Alte Voynich Manuskript", eben ein Mysterium. Doch selbst das Mysterium der Sprache konnte durch die Liebe überwunden werden.

    Es klang, wie fließende, wehende Seide, die aus den derben Mündern hinausfloss, obwohl die meisten Schimpfwörter waren, klang es edel, wie eine Sprache die einen einhüllte, wie Seide auf Pfirsichweicher Haut.

    Die zahlreichen kleinen Cafés und Restaurants, die Geschäfte, die engen Gassen in der Altstadt waren Orte, die entdeckt werden wollten. Die Lichter dieser Stadt strahlten in warmen Lichttönen, in vielen unterschiedlichen Farben, fast wie das Farbspektrum eines wertvollen Diamanten.

    Dieses Lichtspiel, unter anderem, ließ, die Stadt der Liebe, so außergewöhnlich wirken. Die Straßenhändler, die, die Touristen schlagartig, drei Kilometer gegen den Wind erkannten, waren darauf aus, ihre Palette an Produkten an den Mann zu bringen. Kein Mittel, kein Trick war ihnen dafür zu billig.

    Unter ihnen tummelten sich auch Maler, Komiker und Straßenmusikanten, die in französischer Sprache das Lied „Sous le ciel de Paris" sangen, oder weiter Hits von Edith Piaf zum Besten gaben.

    All das war eben Paris, beschrieben werde konnte all das mit nur einem Wort: PARIS!

    Vor dem Kino standen die Leute Schlange. An dem Tag lief ein Film mit Alain Delon und Jean-Paul Belmondo, den beiden weltbekannten Superstars, die einfach zu Paris gehören, wie die Liebespaare, die eng umschlungen in den Parks sitzen. Manche Paare wollen sich dort ihr Jawort geben, ihre Liebe erneuern oder sich von neuem verlieben.

    Die meisten Straßenmusiker singen nur über Paris, wollen es mit ihren Worten beschreiben, aber wie kann etwas so Umfangreiches in Worten eingefangen werden? Dazu reichen die vorhandenen Worte nicht aus, denn es ist eben Paris, das nicht beschrieben werden kann, denn Paris ist auch ein Lebensgefühl, und darum ist es noch schwerer zu beschreiben.

    Wenn jemand nur glaubt, es zu kennen, so kennt er doch nur einen kleinen Teil davon. Die vielen, kleinen, engen Gassen, die breiten Straßen, auf denen es zum Problem werden kann, von der einen, auf die andere Straßenseite zu kommen.

    Die Fahrer in Frankreich sind eben temperamentvoll. Die meisten Touristen machten sich nichts daraus, was die französischen Fahrer ihnen zuriefen, denn die verstanden es oft ohnehin überhaupt nicht. In deren Ohren hörte es sich interessant, sogar schmeichelhaft an, es war ja Französisch. Es klingt immer gut, in den Ohren, wenn jemand nicht verstehen kann, was ein Franzose über ihn sagt.

    Die meisten lächelten nur mit einem Kopfschütteln vor sich hin. Auf den Straßen hatte es viele Autos, die sich durch den Pariser Verkehr kämpfen mussten.

    Ein ausländisches, fremdes Auto, bei dem das Kennzeichen nicht gleich sichtbar war, konnte, mit dem, eines Einwohners von Paris, leicht verwechselt werden.

    Doch dann wunderte es einen, wenn jemand aus dem inneren Kreis eines großen Kreisverkehrs nicht mehr herauskam.

    Daran konnte ein ortsfremdes Auto, nach genauerem Hinsehen, dann doch erkannt werden.

    Wenn man die Cafés und die Restaurants so beobachtete, konnte man denken, es gäbe dort keine einsamen Herzen oder einsamen Menschen, aber, so, war es eben nicht.

    Die Einsamkeit war spürbar für jemanden, der in sein eigenes Spiegelbild schaute, nur um, in, das Gesicht eines Gegenübers schauen zu können. Derjenige wollte sehen, wer er war, um sich selbst zu studieren, sich, im Besten Falle, selbst zu erkennen, was er überhaupt war und sein wollte.

    Zu viele scheitern bei dem Versuch, sich selbst zu erkennen. Eigenartig zu sagen, dass jemand sich selbst nicht kennt. Wie kann es denn SO sein? Doch, wenn es einem so vorkommt, als würde ein Fremder aus dem Spiegel zurück starren, ohne zu bemerken das es das eigene Spiegelbild ist. Es ist sicher, manchmal kann es vorkommen, dass es sich anfühlt, wie einem fremden Menschen gegenüber zu sitzen, wie so oft im Leben.

    Man denkt, dass man sich kennt, aber nicht vor einem Spiegel, wenn man nach der Wahrheit sucht.

    Wahrheit! Was ist denn die Wahrheit, die sich hinter einer Fassade der Lüge verborgen hält?

    An diesem Tag saß der junge Mann, der in seinen besten Jahren war, vor dem Schminkspiegel, um sein Gesicht zu sehen, das Gesicht, das er nicht ertragen konnte, das Gesicht, in das er nicht blicken konnte.

    Er wusste nicht, weshalb. Er war doch ein gutaussehender junger Mann, etwa dreißig Jahre alt! Doch er schämte sich unter den Menschen. Ja, er schämte sich, unter Leuten seinesgleichen zu sein.

    Er war ein Mensch, der die anderen nicht verstehen konnte, er fühlte sich unter den Menschen wie ein Fremder.

    Er war ein Außenseiter, der mehr mit sich selbst beschäftigt war als mit den anderen Leuten um ihn herum, einer, der allein sein wollte.

    Er hatte sich in die Einsamkeit verbannt. Er wollte diese Einsamkeit nicht, er hasste sie sogar, diese Einsamkeit, aber er kannte es nicht anders.

    Er war ein Außenseiter, den keiner mochte, den keiner neben sich haben wollte, zumindest spürte er das so. Dieses Gefühl hatte er in all den Jahren nicht ändern können. Er war nun einmal das, was er nie sein wollte. Er hasste die Einsamkeit über alles, aber er kannte nichts anderes als die Einsamkeit, diesen leblosen Körper, dieses leblose Gesicht, das er im Spiegelbild sah, mit tausenden von Fragen, auf die es keine Antwort gab.

    Im Hintergrund lief im Radio ein Programm, in dem die Moderatoren ab und zu Musik spielten, sich sonst aber meistens nur über ihr Leben beschwerten.

    Wenn sie doch einfach nur still blieben! Wo fanden sie so viele Worte, die aus Beschwerden bestanden, nur Beschwerden, nichts anderes als leere Worte und Beschwerden? Das ging nie zu Ende, Beschwerden schienen ihr Vierundzwanzig-Stundenprogramm zu sein.

    Wieder einmal begannen die Moderatoren sich zu beschweren. Immer nur Beschwerden! Das zu hören, war schon eine Qual für die Ohren. Wenn man immer denselben Sender hörte, änderte sich das Programm kaum. Es waren immer die gleichen Worte, die gleiche Musik und immer die gleichen Kommentare.

    „Wir sind die Besten!" Jeder wollte der Beste sein. Der Moderator erzählte weiter, nachdem er jede Menge Schleichwerbung für seinen Sender gemacht hatte:

    „Es stinkt in Paris. Die Stadt der Liebe versinkt in Dreck und Müll. Nur weil die Müllmänner nicht genügend Geld bekommen, streiken sie. Und was macht der Bürgermeister? Nur einen guten Rat geben, reden, als könnte er die Welt retten. Man sollte dem Oberbürgermeister einmal die Ohren langziehen. Er sollte sich endlich einmal um Paris kümmern, anstatt nur zu reden! Aber nun hat der Oberbürgermeister von Paris einen großen Konkurrenten, der ihm das Amt streitig machen könnte. Er bietet dem Bürgermeister die Stirn und meint, er könnte aus Paris das Paris machen, das sich jeder wünscht. Denn das Volk interessiert es, wann die Straßen endlich wieder sauber werden. Die Ratten leben nicht mehr in den Tunneln von Paris, sondern sind nun auf den Straßen, in den Restaurants. Man hat sogar einige Ratten in Museen gesehen. Unsere Zuhörer berichten, dass die Ratten in Paris größer sind als die Katzen. Aber nun machen wir eine Umfrage: Wer wird der zukünftige Bürgermeister von Paris 1982? Und jetzt kommt der neue Song von Johnny Hallyday in unserem Radio. Viel Vergnügen!"

    Der junge Mann, der nun sein Gesicht bemalte, mochte Johnny Hallyday nicht besonders, denn er war ein Rocker. Der junge Mann mochte keinen Rock, aber wenigstens lief etwas im Radio, das ihm das Gefühl gab, dass er noch lebte, weil er diese langweilige Radiowelle nicht hören konnte.

    Er musste es nur noch ertragen, was ihm nicht leichtfiel. Aber allein die Tatsache, dass er es ertragen konnte, war der Beweis dafür, dass sein Körper noch etwas Leben in sich hatte.

    Am Schminktisch hingen Bilder von Gesichtern einiger Schauspieler, die gut anzusehen sind. Manche von ihnen können ihre Gesichter zeigen, obwohl sie eigentlich hässlich sind, aber es kommt darauf an, wie es der Betrachter sieht. Auch das hässlichste hat seine eigene Schönheit, seine Persönlichkeit.

    Es ist eben ein Individuum, das es persönlich macht. Deshalb kann jeder auf dieser Welt sein Gesicht zeigen. Aber er war eben nicht unter ihnen, sodass er sein Gesicht weiterhin schminkte, um ein anderer zu sein. In all den Jahren war dieses Gesicht allein. Soweit er sich zurückerinnern konnte, war er allein. Das hatte sich in seinem Leben nicht verändert. Deshalb hatte er sich in seinen vier Wänden eingeschlossen, in einen Kasten der Einsamkeit. Geräusche, Laute oder Krach, auch noch so unbedeutend, holten ihn aus seiner Einsamkeit heraus. Dafür hatte er das Radio.

    Es gab für ihn das Radio, das ihm das Gefühl gab, dass er nicht allein war, oder besser gesagt, dass er noch lebte.

    Sonst hätte ihm die Stille Angst gemacht, weil er sich wie in einem Sarg lebendig begraben gefühlt hätte, mit offenen Augen.

    Er wollte heraus aus seinen vier Wänden, in denen er sich eingeschlossen hatte, hinaus in die Stadt, von der die meisten träumen, sie einmal zu besuchen, nur einmal im Leben. In dieser Stadt, in der er lebte, die für viele das Leben selbst ist, kam er sich vor, als hätte man ihn dort eingesperrt, für alle Ewigkeit dorthin verdammt.

    Wie schwach er sich fühlte, wie verzweifelt er war, unter den Millionen von Menschen so einsam zu sein! Was hatte er in seinem Leben nur falsch gemacht, dass er nicht anders war, einer, der das Leben genießen konnte? Mit dem Pinsel in der Hand blickte er in sein Gesicht, das er hinter einer weißen Creme verborgen hielt.

    Er hatte nun die Maske auf seinem Gesicht, das er nicht leiden konnte. Mit diesem Gesicht und seinem Körper fiel es ihm schwer, aber er wusste, dass weder sein Aussehen noch sein Körper daran schuld waren, dass er dieses Gefühl der Freude nicht in seinen Herzen hatte.

    Es waren seine toten Gefühle, seine tote Seele, die er nicht zum Leben auferwecken konnte.

    Aber irgendwo, ganz tief in seinem Herzen, ganz klein, vielleicht nicht einmal so groß wie ein Atom, da spürte er Lebensfreude. Sie war nur so klein, dass sie für seinen Körper nicht ausreichte.

    Es gibt viele Dinge, die man als Beispiel geben könnte. Dieses kleine Atom war wie ein Zwergplanet, ein unbedeutender Zwergplanet, der es nicht einmal verdient, dass man ihm einen Namen gibt.

    Ein unbedeutender Zwergplanet in der Milchstraße, der um eine Sonne seine Kreise zieht. Keiner kennt ihn, keiner kann diesen Zwergplaneten sehen.

    So unbedeutend dieses kleine Atom auch war, es wollte nur leben, sein Dasein behaupten. Genau da, auf diesem Zwergplaneten, lebte er.

    Er wollte hinaus auf die Straßen, hinaus zu den Menschen, um mit ihnen das Leben zu teilen, um ihnen zu sagen, dass dieses Atom in seinem Herzen Lebensfreude hatte, aber es einfach nicht zeigen konnte.

    Dieses Atom und dieser Zwergplanet reichten nicht aus, um eine Galaxie zum Leuchten zu bringen. Er spürte nicht diese Kraft in sich, seine Seele und sein Geist waren dafür zu schwach.

    Er wollte raus, an den Fluss, der durch Paris fließt, um das Meer zu erreichen. Genau da wollte er nun sein, um die Regentropfen auf seiner Haut zu spüren, hinaus mit diesem Gesicht, das er nicht ertragen konnte, auf die Straße, auf der er seit Wochen nicht gewesen war.

    Und wenn er einmal da war, hat ihn keiner und hat er keinen anderen bemerkt.

    Wie sehr er sich wünschte, in einem Café zu sitzen, in einem der Cafés, für die manche um die halbe Welt reisen, nur um dort einen Kaffee zu trinken! Nicht einmal das konnte er, sich mit jemandem unterhalten, wie es Millionen tun. Er wollte einer sein, der dazu gehörte. Das war er aber nicht. Er gehörte zu keiner Herde.

    Deshalb bemalte er sein Gesicht weiter. Er musste sich bemalen, um sich den Leuten zeigen zu können, denn mit seinem Gesicht konnte er das nicht.

    Er hatte vor langer Zeit sein Gesicht vor sich selbst verloren, er konnte sich nicht mehr sehen, er konnte sich selbst nicht mehr in die Augen schauen.

    Er schämte sich vor allen, er schämte sich vor sich selbst. Die Vergangenheit, die er nicht vergessen konnte, lag hinter einem schwarzen Nebel, der ihn wie ein Schatten verfolgte, der sich von ihm nicht losriss. Der Schatten, den er vor sich sah, hinter sich, an allen Seiten, wohin er auch ging, war immer einen Schritt vor ihm.

    Er verdeckte sein Gesicht hinter einer weißen Creme, die er sich auf sein Gesicht schmierte, um es zu verdecken, um sich nicht mehr zu sehen.

    Seine schwarzen, etwas längeren Haare kämmte er nach hinten. Nun konnte er sich ein wenig leiden. Er blickte sich in seine braunen Augen, sah nun einen Geist vor dem Spiegel, den er aufgeweckt hatte. Er betrachtete sich deutlicher und fragte sich: „Bin ich das?"

    Es gefiel ihm, was er nun sah. Diese Person konnte er ertragen.

    Diese Person, die das war, was er nie sein konnte. Er zündete sich mit seinem goldenen Feuerzeug eine Zigarette an und beobachtete sich weiter. Nun war er etwas stärker in seinem Geist. So fühlte er sich viel stärker, mit der Maske, die sein Gesicht verbarg, vor dem er zu fliehen versuchte. Seinen nackten Oberkörper konnte er bewundern.

    Er war muskulös, durchtrainiert, mit einigen Narben, von denen er nicht wusste, woher er sie hatte.

    Auf seiner linken Brustseite war eine fünf Zentimeter lange und breite Brandwunde in der Form des Buchstaben J.

    Er strich mit seinem Finger darüber. Er wusste nicht, wie sie dahin gekommen war.

    Diese Brandwunde hatte in seinen Leben vieles zu bedeuten, aber er wusste nicht, was. Sie tat ihm nur weh, wenn er sie berührte. Um sie nicht zu sehen, zog er einen Rollkragenpullover mit langen Ärmeln an.

    Er schaute sein Ebenbild im Spiegel an, als hätte er mit ihm viel zu reden, hatte aber noch kein Wort gesagt.

    Er fragte sich, wieso eigentlich nicht, denn es war doch sein Ebenbild, er sah nur anders aus.

    Er starrte sein Spiegelbild weiter an. Es gab einen Unterschied zwischen ihnen beiden. Er sah etwas anders aus als er selbst, so kam es ihm vor, als wäre die Person im Spiegel jemand anderer als er selbst.

    Beide zündeten sich eine Zigarette an und rauchten, dazu tranken sie Rotwein, dessen Farbe im Licht seinen Glanz in Bordeaux zeigte, die Farbe, die er so liebte.

    Es war nicht sein erstes Glas, sollte auch nicht das letzte sein. Viele leere Flaschen waren unter dem Schminkspiegel.

    Es lagen viele Zigarettenfilter im Aschenbecher. Es waren Schmerzen in seinem Herzen, es waren viele Fragen in seinem Kopf. Das alles verdrängte er nun, um sein Gesicht zu schminken, um sich den Leuten zu zeigen. Er nahm den schwarzen -Stift in die Hand und begann, seine Augenbrauen anzumalen, dann um seine Augen herum, damit man seine Augen besser erkennen konnte, seine Blicke.

    Dann schaute er auf seine Lippen, die so weiß waren, als hätten sie kein Blut in den Adern.

    Er nahm einen roten Lippenstift und beschmierte die Lippen wie eine Diva auf seine Lippen.

    Als er sich weiter betrachtete, kam es ihm vor, als würde noch etwas fehlen. Es fehlte noch vieles, was er nicht in seinem Gesicht hatte, das er nun hinter der Maske verborgen hatte. Er hatte von sich ein Selbstporträt gemacht, wie er sein wollte. Dann stellte er sich die Frage, wer von den beiden der Echte war. Dann fiel ihm auf, dass diesem Gesicht das Lachen fehlte.

    Er legte die Zigarette aus der Hand zur Seite und schaute sich seine beiden Zeigefinger an, studierte sie geradezu, bis er sie schließlich an seine Mundwinkel legte, um diese nach außen zu ziehen, um seinem Gesicht ein Lächeln zu verleihen, obwohl ihm nach Weinen zumute war.

    Dann ließ er die Mundwinkel wieder los und sah, dass es kein Lächeln war, sondern nur eine Fassade dessen, was er eigentlich gar nicht hatte: Lachen.

    Was ist schon ein Lachen? Man erkennt dessen Wert erst, wenn das Lachen in einem für immer verstummt ist.

    Anstatt an dem eigenen Porträt, malte er sein eigenes Gesicht so, wie er sich selbst sehen wollte, sein Inneres, sein Ich, keiner sehen konnte, nicht einmal er selbst in seinem Spiegelbild. Mit einigen Tränen in seinen Augen hatte er nun die Tragödie und die Komödie gesehen. Die Frage in diesem Lebenstheater, in dem er spielte, war nur, ob es eine Tragödie oder eine Komödie war.

    Er sah sich selbst als Verlierer in seinem Leben. Er hatte nichts, gar nichts. Nicht gestern, nicht heute, und morgen würde er auch nicht das haben, was er sich so sehnlich gewünscht hatte: das Glück.

    Da tauchte aber auch die Frage auf: Was ist denn das Glück? Er wusste es nicht, wie auch? Wie konnte er sich nach etwas sehnen, das er niemals kennenlernen durfte? Die Gefühle in ihm waren so leer, dass er nicht wusste, was er eigentlich fühlen sollte. Seine Seele trug den Körper, in dem er lebte, wie eine Last durch die Welt.

    So leben doch alle vor sich hin: als wandelnde Körper, die mit Kleidern geschmückt werden, nach den Naturgesetzen, die in den menschlichen Gehirnen seit Beginn des Lebens sind, das auf dieser Welt mit den Urinstinkten des Lebens begann, um zu überleben. Das Leben auf dieser Welt besteht im Kampf ums Überleben für einen gewissen Zeitraum.

    Jedes Leben hat eine Strategie zu überleben. Genau in dieser Art und Weise, das sich Leben nennt, hatte sich der Mensch weiterentwickelt, mit dem Unterschied, dass er sprechen gelernt hat und Bauwerke entwickeln kann. Doch vordergründig sorgen nach wie vor die Urinstinkte für das Überleben.

    Seine Urinstinkte sorgen dafür, dass er körperlich lebt, aber seelisch tot ist, wie die meisten, die glauben, dass sie leben.

    Er bekam die Enttäuschungen des Lebens nicht in den Griff.

    Als er auf seine Hände schaute, konnte er sehen, wie das Leben ihm aus seinen Händen entrann, dass er es nicht festhalten konnte.

    Er zog sich seine weißen Stoffhandschuhe an, sodass er nun ein Clown war, der schweigen sollte.

    Es war Zeit zu schweigen. Genauso sollte seine innere Stimme schweigen.

    Die Stimmen in seinem Kopf sollten schweigen, er selbst sollte schweigen, einfach nichts sagen.

    Damit hätte er die Welt retten können, die vor dem Abgrund stand. Mit dem Schweigen hätte er die Wunden heilen können, die tief im Herzen waren.

    Draußen lag ihm eine Großstadt zu Füßen, die auf seinen Auftritt wartete, die Stadt, die er liebte, von der er geglaubt hatte, dort glücklich sein zu können, als er dorthin gekommen war, um einen neuen Anfang zu wagen. Vom ersten Tag an hätte er wissen müssen, dass er das nicht sein konnte: glücklich sein. Wie auch? Er war ja noch nirgendwo in seinem Leben jemals glücklich gewesen.

    Er sah die Leere in seinen Augen, die sein Spiegelbild nur verschwommen wiedergaben.

    Er sah sich an, dachte darüber nach, was seine Augen bis zu seinem damaligen Zeitpunkt im Leben gesehen hatten, mit einer Vergangenheit, die ihn wie ein Schatten verfolgte, den er überall sehen konnte.

    Er fragte sich, was dieser Schatten, der an den Wänden und unter seinen Füßen war, den er weder befragen noch fangen konnte, wohl war.

    Er überlegte, aber es war immer noch hinter einem schwarzen Schleier aus Nebel verborgen, durch den er nicht hindurchdringen konnte. In all den Jahren hatte er es nicht geschafft, diesen Schatten zu fangen, der die Lösung des Rätsels in seinem Leben hätte offenbaren können.

    Er war nicht annähernd in der Lage sein Lebensthema zu verstehen oder aufzulösen.

    Er war gefangen im Teufelskreis, welcher sich für ihn als freudlose Wiederholung darstellte. Zwar war die Besetzung der Rollen geringfügig unterschiedlich besetzt.

    Doch jedes Leben, an das er sich binden wollte, entrann ihm unweigerlich durch Trennung nach mindestens zwei Jahren wieder.

    Er blickte weiter in seine Augen hinein, aber er sah nichts, gar nichts in diesen Augen, die ihn anstarrten.

    Er hatte immer die Gedanken in seinem Kopf, weshalb er nicht ein normaler Mensch geworden war.

    Er vermisste es, unter Leuten zu sein, er konnte es aber nicht. Er war in der Gesellschaft nicht willkommen, das war er noch nie gewesen.

    Nicht einmal in seiner eigenen Ursprungsfamilie. Er war einsam in seinen eigenen vier Wänden, sehr einsam, zu einsam.

    Diese Stille, diese Einsamkeit, diese Leere! Er saß nun schon stundenlang vor seinem Schminkspiegel und versuchte immer noch, sein Gesicht zu erkennen, das hinter der Schminke eines Clowns versteckt war.

    Ein zufälligerweise etwas entfernt stehender Beobachter hätte nun offensichtlich erkennen können was er war. Von weitem konnte er nun erkannt werden. Er war zu demjenigen geworden, der er sein wollte. Nun hatte er einen neuen Namen, ein Gesicht, das jeder zuordnen konnte.

    - Er war ein Clown.-

    Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, mit der Zigarette in seiner Hand, überlegte, wer er denn nun war, die Fassade oder die Person hinter der Fassade.

    Dabei pustete er den Rauch der Zigarette zum Clown im Spiegel, um ihn zu ärgern, als wäre er eine andere Person, die er anblickte. Das gefiel dem Clown, der in sich eine Stärke spürte.

    Etwas übernahm in ihn die Kontrolle. Er streckte sich und streckte dabei seine Arme in die Luft, um die Schmerzen in seiner Brust zu lindern, nicht die äußeren Schmerzen, die man an seinem Gesicht sehen konnte.

    Die hatte er hinter der Maske verdeckt, sondern die inneren Schmerzen konnte er nicht lindern. Er öffnete seine Arme vor dem Spiegel vor sich, als würde er auf eine Nachricht warten.

    Er drehte sich wie eine Schüsselantenne um seine eigene Achse, als würde diese Nachricht wie eine Radiowelle in seine Brust eindringen, aber wieder kam diese Nachricht nicht.

    Er spannte seinen ganzen Körper wie den eines Panthers an, um jeden Muskel in seinem Körper zu spüren, aber nichts kam, keine Nachricht. Enttäuscht schaute er mit den Blicken eines schwarzen Panthers auf seine Beute, sich selbst im Spiegel fixierend.

    Er war von allem enttäuscht, von sich selbst, von der Welt, von den Menschen um ihn herum. Mit einem Tänzeln flüchtete er vor allem.

    Er ließ seine überdimensional großen Hosenträger schnappen, die seine schwarze Hose oben hielten, die im Verhältnis zu seiner Körpergröße doppelt so groß war.

    Dann setzte er sich noch einen schwarzen Zylinder auf seinen Kopf.

    Seine Kleidung war nun vollkommen in seinen Augen, die vor dem Spiegel, in dem er sich anschaute, strahlten.

    Es befand sich nur ein Clown im Raum, aber gewissermaßen waren es zwei, wenn er den Clown im Spiegel mitzählte.

    Beide waren in ihren Gefühlen etwas anders, aber sie sahen gleich aus. Er schaute sich sein Gesicht an, in dem noch etwas fehlte. Es fehlte etwas, das ihn dann vollkommen machen sollte. Die Tränen an seinen Wangen fehlten, nur noch die Tränen.

    „Weshalb haben Clowns überhaupt Tränen an den Wangen?", fragte er sich.

    Dann nahm er einen Stift und malte langsam die Tränen an seine rechte Wange, die von seinem Auge hinuntertropften, drei Tropfen untereinander. An seinem linken Auge malte er keine Tränen, denn das weinte nicht.

    Dann lächelte er vor dem Spiegel sein Ebenbild an, als wären sie jetzt erst vollkommen. Er blickte weiter in sein Gesicht, das er nur hinter diese Maskerade ertragen konnte.

    Dann schloss er seine Augen, um an dem Ort zu sein, nach dem er Sehnsucht hatte, außerhalb des Raumes, in dem er sich befand. Er kam zu sich, als er den Applaus hinter hörte. Als fiele er aus Wolken, kam er zu sich und erkannte, dass er im Raum nicht allein war.

    Als er sich umdrehte, wurde es ihm bewusst, dass er in diesem Raum nicht allein war. Es war die Garderobe von Clowns und Comicfiguren, die zur Unterhaltung der Zuschauer durch die Stadt zogen. Er erinnerte sich daran, dass er bei derselben Agentur arbeitete wie hunderte andere Leute seinesgleichen. Er bedauerte, dass er nicht allein war.

    In all den Stunden dachte er, er wäre allein, aber das war er - körperlich- eben nicht. Er musste einsehen, dass er einer von vielen in der Garderobe war, in der sich einer nach dem anderen schminkte.

    Er war nur der Einzige, der sich allein fühlte unter den hunderten von Mitarbeitern, die ihre Dienste zur Verfügung stellten. Er schaute zu den anderen Mitarbeitern hinüber, die ihm Beifall klatschten.

    Er wusste nicht, weshalb, aber er stellte sich hin und wollte ihnen ein Lächeln geben. Noch einmal legte er seine Zeigefinger in die Mundwinkel und zog sie auseinander. Aber es entstand kein Lächeln in seinem Gesicht, weil er das nicht in sich hatte. Das künstliche Lächeln wollte er nicht zeigen, das gestellte Lächeln hasste er.

    Deshalb stand er einfach mit einem breiten Lächeln ohne Ton vor seinem Publikum. Das gefiel ihm nicht, weil diese Art zu lächeln nicht zu ihm, nicht zu seinem Gesicht passte. Dass er durch den Spiegel beobachtet worden war, hatte er nicht gespürt. Er war vertieft in seinen Gedanken, aus denen er nun aufgewacht war.

    Die meisten hielten ihn für einen eigenartigen Typen, mit dem sie nichts zu tun haben, wollten.

    Keiner kannte ihn auch wirklich, nur einer unter den Hunderten war an seiner Freundschaft interessiert, und das war ein Zwerg, der etwa ein Meter zehn groß war und schon über vierzig sein musste, der schlank für seinen Körperbau war. Er war nach ihm die zweite Person, die man dort nicht so richtig verstehen konnte, weil sie kaum redeten.

    Sie unterhielten sich schweigend mit den Augen, als wären sie Telepathen, die keine Worte brauchen, um sich zu verständigen.

    Der Clown beobachtete den Zwerg, der sich bereit gemacht hatte, um als ein mickriger Clown das Publikum zu unterhalten.

    Sie schauten sich an, ohne Worte, mit einem Lächeln, das man nur am Gesicht sehen konnte, aber nicht spürte. Es war nur ein äußerliches Lächeln. Der Zwerg beobachtete den Clown mit dem schwarzen Zylinder auf dem Kopf und seufzte dabei.

    Er hatte den Clown niemals verstanden, der tief in seinem Herzen ein Geheimnis trug, das er wahrscheinlich selbst nicht kannte, weshalb er darüber auch nicht reden konnte.

    Der Clown hob seinen Zylinder vor dem Zwerg an, der daraufhin vor Freude in seine kleinen Hände klatschte.

    In der Garderobe mussten die anderen erst die Quelle für den Beifall von dem Zwerg herausfinden, herumschauen, weshalb der Zwerg klatschte. Dann sahen die anderen Clowns, die wie Comicfiguren aussahen, wie der Zwerg dem Clown Beifall klatschte.

    Da erst sahen alle, wem der Applaus gewidmet war, -dem Clown mit dem schwarzen Zylinder. Mickey Mouse, Donald Duck, Dagobert Duck klatschten für den Clown, der sich seine weißen Handschuhe über seine Hände zog und zur Verabschiedung seinen Zylinder anhob, seine Arme ausbreitete und sich vor allen Künstlern mit seinem künstlichen Lächeln, mit den Blicken eines ausgehungerten schwarzen Panthers verbeugte.

    Nach seiner tiefen Verbeugung vor allen Darstellern, die sich bereit gemacht hatten, um vor den Kinos zu stehen und für einen Disneyfilm zu werben die Zuschauer zu unterhalten, applaudierten sie weiter dem Clown, jeder in seinem Kostüm, das er anhatte.

    Er wusste zwar nicht, weswegen, aber sie mussten es ja wissen.

    Doch sie klatschten einfach mit der Menge mit, ohne zu wissen, weswegen sie das taten. Sie folgten einfach der Menge, wie eine Herde, während der Clown weiter den Zwerg anschaute, den er noch einmal extra grüßte.

    Es war der kleine Mann, der dem Clown dieses Vergnügen bereitet hatte.

    Der Clown hatte keine Ahnung, weshalb sie ihm applaudierten, aber er war auch nicht jemand, der viele Fragen stellte.

    Er zündete sich eine Zigarette an, um an den Darstellern vorbeizugehen, mit einem schallend lauten Lachen, das den Applaus übertönte, durch einen langen Korridor, mit dem Lachen, das nichts anderes war als ein grässlicher Ton, den die eng stehenden Wände mit ihren von den Jahrzehnten staubstarrenden Tapeten schmerzvoll auf den Hindurchlaufenden zurückwarfen.

    Seine Kollegen klatschten aber weiter, wobei der kleine Mann die anderen anführte. Er schaute mit vielen anderen dem Clown hinterher, der mit seinem künstlichen Lachen einfach nur von diesem Ort. Alle ehrten ihn, als hätte er an jenem Tag Geburtstag.

    Er selbst wusste nicht einmal, wann sein Geburtstag war. „Ist das etwa heute?", überlegte er bei sich, als er durch den Korridor ging, um in die Stadt der Liebe zu gehen, in der er nichts hatte, um die Leute zum Lachen zu bringen, um sie in die Geschäfte zu locken, indem er als Clown mit bunten Farben und einem außergewöhnlichen Aussehen

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